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XXVIII.
Allerlei, frumm, froh und frei.

Wo liegen sie?

Einige Zeit zuvor, ehe der Bau des Doms Unserer Lieben Frauen begann und bis daß er vollendet war, trug sich noch vieles zu, dabei Herzog Christoph mehr oder minder ins Spiel kam. Davon sollt ihr eins oder das andere in Kürze vernehmen.

Voraus aber, was harte Verluste ihn trafen.

Allererst starb ein frommes Schwesterlein, die Barbara. Selbe war Klosterfrau zu Sankt Jakob auf dem Anger in München. Das traf zu Beginn des Lenzes im Jahre des Herrn 1471.

Nach der Barbara verlor er, während er weit von Land Bayern war, seine vielgeliebte Mutter, die Anna von Braunschweig. Damals zählte man 1475 und der 14te Oktobris war's. Was großen Schmerz und Kummer Herzog Christoph dabei erlitt, ermißt jeder, der weiß, was es um eine Mutter ist, und was es ist, wenn man heimkommt – und sie ist nicht mehr da.

Kaum hatte er den harten Schlag erlitten, starb ihm ein treuer, väterlicher Freund hinweg, der Bischof Johannes Tulpeck. Wißt ihr, derselbe, so den Fra Paolo bekehrte, als man den Grundstein zur Frauenkirche legte. Selber fromme Bischof hatte aber seinerzeit den Stab von sich gelegt und lebte drei Jahre zu München, bis er seine Seele in Gott aufgab am 9. Mai 1476.

Als man hierauf 1479 schrieb, verlor Christoph wieder ein liebes Schwesterlein, die Margaret Margarete liegt zu Mantua begraben., des Herzogs von Mantua Ehegesponse. Also hatte er da nur mehr eine Schwester, des Kurfürsten von Sachsen Ehgemahlin, die sanfte Elisabeth. Die starb ihm aber auch hinweg anno d. 1484. Elisabeth starb zu Leipzig und wurde in der dortigen Paulanerkirche begraben. Man setzte ihr als Grabschrift:
Ao. Dom. MCCCCLXXXIV. an Freytag nach esto mihi zu Mitternacht verschied die hochgeborne Fürstin Frau Elisabeth, geb. von Bayern, Herzogin von Sachsen, Landgräfin von Thüringen und Markgräfin von Meißen, der Gott gnädig sei. Amen.
Sie wurde auf dem Grabstein in Lebensgröße dargestellt, stehend, mit gefalteten Händen, unterm linken Arm einen aus dem bayrischen und sächsischen zusammengesetzten Wappenschild haltend, an den vier Ecken des ehernen Denkmals brachte man die vier Evangelisten an. –
Ridiger, Sächsische Merkwürdigkeiten.

Nächsten Jahrs starb der Doktor Martein – etwas später der Rosenbusch, dem er auch geneigt war, und überdies verlor er gar manchen ritterlichen Freund, davon fiel der eine in der Fehde oder starb auf seinem Lager. Von diesen liegt jedweder in seiner Väter Burg begraben – der von Puchberg und von Sigenheim desgleichen. Haben aber beide den Herzog Christoph lange überlebt.

Mit den Erstgenannten hinwieder ist's so:

Die Barbara ward zu Sankt Jakob begraben, nun aber liegt sie in der Fürstengruft zu Unserer Lieben Frauen. Die Mutter Anna ruht beim alten Herzog Albertus dem Dritten zu Andechs auf dem heiligen Berge. Der Bischof Tulpeck liegt zu Unserer Lieben Frauen im rechten Turme. Da seht ihr sein treues Bild in Marmelstein gleich nächst dem Altare. Weiters die Margaret von Mantua, die ruht zu Mantua im Dom und die Elisabeth zu Leipzig in der Paulinerkirche.

Weil nun just die Red' vom Begräbnis, möchtet ihr wohl erfahren, wo noch manch anderer, davon ihr auch im Verlaufe gehört, seinerzeit zur Ruhe gelegt ward. Die Gebeine der Barbara, seit Anno 1809 in der Gruft der Liebfrauenkirche, sind vereint mit denen der Anno 1352 † Agnes, Tochter Kaiser Ludwigs des Bayern, und denen der Anno 1750 † M. A. Karolina, Tochter des Kurfürsten Max Emanuel. Erstere zwei erreichten das Alter von 17, letztere von 50 Jahren.

Item, der Ligsal und seine Ehefrau, die Helika, so Herzog Christoph aus der Feuersgefahr rettete, die liegen beide auf Sankt-Peters-Kirchhof.

Der Herr Ignatius Matthias Prätzl ward bei den Barfüßern begraben, das wißt ihr schon – und der Doktor Pommonius desgleichen.

Die Renata und Herr Hans von Limburg aber überlebten den Pommonius lang, zogen fort von München und starben später zu Köln am Rhein. Da wurden sie begraben.

Herr Adam Barth, dem der Lindwurm sein Hauskreuz besserte, selber liegt in seiner Vorvorderen Gruft unterm Orgelhaus zu Sankt Peter – die Petronella aber außerhalb auf dem alten Friedhofe, wo der Steig auf den Markt geht – und der Löffelwirt Ruprecht ebenso.

Herr Häckenast, der Vogt vom Turm am Tiergarten, die Gerberga und der Dürniß ruhten kommender Zeiten auf dem Friedhofe der Salvatorskirche.

Der Schulmeister Hieronymus Hösch liegt hinter Sankt Peter, ist aber auch kein Grabstein mehr da. Schön Hildebrand und die Susanne, so beide lange lebten, schlummern zu Blutenburg, etliche Schritte rechter Hand von der Kirchtüre, und ist auch das Zeichen verkommen.

Was Herrn Christophorus Rudolff und seine Hausfrau betrifft, fanden sie nebst ihrer sämtlichen Rangenschaft wieder bei Sankt Peter eine Ruhestätte.

Der Herr Katzmayr ward in einer Kapelle begraben, an deren Stelle später das Kloster der Elisabethinerinnen kam.

Den Doktor Martein legten sie zu Heiligen Geist im Tal – des Doktor Rosenbusch Grabstein sieht jeder hinter Sankt Peter.

Des Doktors Ersinger Grab und herrlich Denkbild ist auch zu Sankt Peter, aber innerhalb, zur Linken von der Barthgruft – der Doktor Neuhauser hinwieder schlummert in der Liebfrauenkirche, unweit der wunderwürdigen Uhr nächst dem Eingang der alten Sakristei. Wo aber Jörg von Halsbach, seine Ehefrau und seinerzeit der Heimeran begraben wurden, ist euch von früher bewußt – und gedenkt ihr Herrn Seibolds von Hochstetten, so ist's mit dem so beschaffen gewesen. Der lebte noch an die zwanzig Jahre, schied dann zu München von der Welt ab und ward auf dem Frauenfriedhofe begraben, unweit dem Chore. Dr. Eresingers (Aresingers) Denkmal ist von Erasmus Graßer, dem früher erwähnten namhaften Bildhauer damaliger Zeit geschaffen. Von ihm stammen viele, schöne Grabsteine her. Auch war er mit Holzschnitzerei beschäftigt. So stammen von ihm die sogenannten »Narren« oben an den Seitenwänden des großen, alten Rathaussaales. Sie wurden Anno 1484 zur Erinnerung an einen Mummenschanz gefertigt und zeigen die Konterfeie der Lustigmacher.

Dr. Neuhausers Grabstein wurde bei Gelegenheit der Kirchenrestauration Anno 1859 flg. seitwärts vom Eingang der »neuen« Sakristei angebracht, während er früher am Eingang der »alten« war. Ihm gegenüber sieht man den früher auch an der alten Sakristei befindlich gewesenen Grabstein des Stiftsdechants Dobereiner eingelassen.

Findet sich aber, wie an mehr Orten, kein Grabstein mehr.

Nächst ist etliches andre zu melden, wie es sich in verschiedenen Jahren zugetragen hat, und wobei der Herzog Christoph mit dabei war. Da ist nun allerlei – frumm, froh und frei und trifft auf Christophs frühere und wieder spätere Lebenszeit.

* * *

Der umgekehrte Märtyrer.

Um 1466 lebte zu Regensburg ein Kanonikus, der hieß Hans Wirsberger und tat lange Zeit gut.

Mit einemmal ward er in seinen Sinnen ganz verändert, weil er über etliche Hussitengeschriften kam, predigte angehends in ganz verschiedener Weise, denn ehvor und als wie ihm sein Glaube vorschrieb; da er dann etliche Verweise empfing, ward er in seiner Sache stets hitziger und polterte auf der Kanzel, daß sie hätte einfallen mögen – zuletzt aber geriet er soweit, daß er ganz und gar überspannt wurde und des Feuertodes sterben wollte, wie voreinst der Hus.

Da solches kein Ende nahm, der Hans Wirsberger sich alle Tage toller zeigte und gar manch anderer durch ihn desgleichen, kam es dahin, daß sie ihn gefangen setzten, und weil er im Gefängnis auch keine Ruh und Reue zeigte, vielmehr unglaublich schrie, lästerte und tobte, so gingen sie her und mauerten ihn eines Tages gar ein.

Wie nun von der argen Sache Kunde erging, gelangte sie auch nach München.

Daselbst wurde viel hin und her gestritten und geurteilt. Der eine sagte, die Tat sei recht, der andere sagte wieder, sie sei unrecht und grausam. Im ganzen aber verdammte jeder den Hans Wirsberger mit seiner Hussiterei und am wenigsten beneidete man ihn um sein Schicksal.

Nur ein einziger fand sich, der anders dachte.

Selbiger hieß Balthasar Thomaier, war des Hans Wirsberger alter Freund, seines Zeichens ein vazierender Schulmeister, schon allerorten gewesen, trug in seinem Kopf eine Menge Neuerungsgedanken, und wär's auf ihn angekommen, hätte die Welt eine ganz andere Gestalt gewonnen. Weil er jedoch gemerkt, daß zu München mit derlei Dingen so fast viel nicht auszurichten sei, sonderlich nicht in Sachen der Hussiterei, so hatte er sich all die Zeit seines bisherigen Aufenthaltes ganz ruhig gezeigt, galt sonst für einen scharfen Kopf und gingen schon mehrere Bürger damit um, ihm ihre Kinder anzuvertrauen.

Nun aber die Nachricht eintreffen, daß sie zu Regensburg den Hans Wirsberger eingemauert hätten, und Herr Balthasar Thomaier ganz außer sich kommen, das war eins. Er begann demnach in der Trinkstube zu streiten und zu toben, sprang auf Tisch und Bänke und schoß einen Hussitenspruch um den anderen los, zugleich schmähte er alle, vom niedrigsten bis zum höchsten, weissagte Aufruhr und Verderben über ganz München, und als er über sein Getob alle zu hoffende Kundschaft verlor, wuchs ihm die Verwirrung im Kopfe noch mehr. Zuletzt kam er soweit, wie sein Freund Wirsberger, so daß er den Feuertod verlangte, oder daß man ihn mindestens auch einmauere – denn jede große Sache verlange etliche Opfer, bis sie den Sieg erringe, und wenn man ihn nicht verbrenne, so wolle er doch des Hungertodes sterben.

Zur selben Zeit war Herzog Albertus abwesend, Herzog Christoph aber in der Stadt, kam mit Geistlich und Weltlich zu sprechen, und die wußten nicht, was mit dem Thomaier anzufangen sei. Da sagte Christoph, er nehme die Angelegenheit auf sich.

Ließ demnach den Gesellen zu sich kommen, hörte seine verwirrten Reden an und sagte dann: »Was Ihr da gesprochen, Thomaier, find' ich, wie man's nimmt, ganz billig. Ihr wollt den Märtyrertod erleiden und es kann wohl sein, daß Ihr ein großer Mann seid und bei der Nachwelt zu großen Ehren gelangt. Nun ist des nur so: Verbrannt zu Staub und Asche ist einer bald, dann ist's aber auch vorbei mit ihm und kommt jede Reue zu spät. Also verbrennen lass' ich Euch nimmer. Zum Einmauern und Verhungern hingegen versteh ich mich leichter. Erstes erfordert aber etliche Zeit, allbis wir den rechten Ort ausfindig gemacht haben. Bis dahin mögt Ihr Euch im Hungern üben – also führt ihn vor der Hand in den Falkenturm!«

Auf den Befehl hin wurde Herr Balthasar in den Falkenturm gesetzt und bekam anderthalb Tage nichts zu essen und zu trinken.

Am zweiten Tag abends ritt Herzog Christoph von unseres Herren Tor herein und auf die Burg zu, als er viele Menschen am Falkenturm erblickte und ein lautes Rufen von dem herab vernahm.

Da zeigte sich, daß es die Stimme des Balthasar Thomaier sei. Der rief nach Speise und Trank und versprach aufs heiligste von der Hussiterei abzulassen. Über das lachten alle und baten Herzog Christoph den armen Schelm frei zu geben.

Er ließ ihn aber noch ein Stündlein in Ängsten, dann vor sich führen und sagte: »Nun, Herr Schulmeister, seht Ihr, wie wahr ich gesprochen? Wärt Ihr jetzt schon zu Staub und Asche verbrannt, wär's mit allem herum und könntet Euch nimmer des Lebens freuen. So aber konntet Ihr gerettet werden an Leib und Seel' und seid Ihr übermütig und töricht gewesen, wer weiß, werdet Ihr fortan bescheidener und klüger. Gebt ihm zu essen und zu trinken, was und wieviel er will, dann laßt ihn frei seiner Wege ziehen – und reden soll er fürderhin, was ihm beliebt, jetzt ist er nimmer gefährlich.«

Da sollte einer gesehen haben, wie der Herr Balthasar Thomaier über die Hammelkeule herfiel, so ihm vorgesetzt wurde, und wie ihm das Braune mundete. Das nahm kaum ein Ende. Also zeigte er beim Essen und Trinken viel größere Ausdauer als beim Verhungern und Erdürsten und weit größeren Beruf zum Leben als zum Märtyrertod. Mußte demnach viel Spott und Gelächter der Menge hinnehmen und eh' zwei Tage verflossen, waren ihm selbst die Mauern von ganz München zu eng – mit einemmal war er fort und hat kein Mensch erfahren wohin.

* * *

Die arme Walburg.

Mittlerweil' an Unser Lieben Frauen Dom gebaut wurde, ging zuzeiten das Geld aus. Es währte aber nie zu lange, so war wieder etwas beisammen, denn Herzog Siegmund selber, seine Brüder, sonderlich auch Herzog Christoph, steuerten nach Kräften bei und die Münchner alle miteinander – dann und wann einen rechten Geizhals ausgenommen. – Die waren auch stets bei der Hand und zeigten sich mildtätig. Also ward das Werk aus ganzer Kraft und Ausdauer frommer Herzen befördert, und was sonst viel Heiliges euer Herz anregt, wenn ihr in dem schönen Gotteshaus umhergeht, und was euch so mild und menschlich stimmt, das hat seinen Grund eben in der Ausdauer und Freigebigkeit.

Da weiß einer oft gar nicht, wie die ganze Sache ergangen ist, und doch wird ihm wohl zumute.

Das ist so.

Die Geber sind längst fort, doch Gottes Segen und Wohlgefallen an ihnen waltet, nach wie vor, an dem heiligen Orte, für den sie einstanden – und so beseligt er uns, die Nachkommen, durch die Tugend unserer Ahnen.

Zur Zeit nun unsere Vorvordern sich so tapfer an gutes Werk hielten, lebte zu öbrist im Eckhaus des Thiereckgäßleins zu München eine Jungfrau, namens Walburga. Die war sehr hold und schön, aber recht arm auch dazu. Nun wär' es ihr freilich bald um vieles besser ergangen, hätte sie von ihrer Tugend auch nur ein Haarbreit ablassen wollen. Denn an etlichen reichen und argen Menschen hat es in München zu keiner Zeit gefehlt, gerad' wie an anderen Orten, nur daß es der Bösen anderswo vielleicht mehr gab. Kurz, die Walburg blieb Gott getreu, arbeitete für der Bürger und Ratsherren Ehefrauen Tag für Tag am Fenster und hatte sonst gar keine weltliche Freude, als ihren Zeisig. Der war in einem armseligen Gitterhäuslein und das hing der Walburg zu Haupten.

Als sie nun zuzeiten vernahm, was der oder die zur Frauenkirche geopfert habe, wurde ihr oft recht weh zumute, daß sie allein kein Geld oder noch so kleines Kleinod habe, das sie der Jungfrau Maria opfern könne. Da suchte sie oft alles aus – aber es war eben nichts zu finden.

Einst sie nun wieder in diese Gedanken geriet und dabei zum Zeisig aufschaute, weil er gar so froh tat und überaus anmutig sang, fiel ihr's mit einemmal bei, daß sie ja doch was habe. Beschloß auch sogleich ihrer einzigen Freude zu entsagen und den Zeisig zu verkaufen. Wer ihn aber nähme, das konnte sie noch nicht ergründen. Wie immer, sie hatte sich noch nicht lange entschlossen, so kam des Ratsherrn Wilprechts Ehfrau. Die wollte nachsehen, wie's mit bestellter Arbeit stehe, und weil der Zeisig so schön sang, meinte sie, einen solchen möchte sie auch haben.

Die Walburg aber bot ihr denselben an.

Weil nun die Frau Wilprecht seelengut war und wohl wußte, daß Walburg keine andere Freud hab', konnte sie's erst nicht recht glauben, daß der Zeisig feil sei, bis es jene in einiger Wehmut, aber ganz bestimmt wiederholte. Auf dies erkannte die Wilprecht, die Jungfrau müsse die paar Groschen für Vogel und Häuslein recht vonnöten haben, wollte die Gelegenheit nicht schnöde nützen, sondern gab der Walburg einen nagelneuen Goldgulden für Zeisig und Häuslein und nahm dann beides mit sich fort, denn die Walburg nahm das viele Geld nicht umsonst an.

Darüber verflossen etliche Tage.

Wieder tags drauf kam der Propst Unseren Lieben Frauen zum Ratsherrn Wilprecht und dessen Ehfrau. Dort traf er einen Amtmann des Herzogs Christoph, namens Herwart. Selber war von freundlichem Aussehen, und weil man sich mit solchen Menschen gut spricht, sprachen sich Propst und Amtmann auch in kurzem gut, als kennten sie sich schon lange Zeit, bis sie auf die Eh' zu sprechen kamen.

Da sagte Herr Herwart lächelnd: »Damit sei es eine solche Sache. Er habe viel zu tun und deshalb keine Zeit, sich nach einer Jungfrau, wie er sie wünsche, umzuschauen. Wer nun nicht suche, finde nicht leicht, und geschäh' bei ihm kein Wunder und Zeichen, bleib' er sicher ledig.«

Als er so sprach, begann der Zeisig zu singen; die Frau Wilprecht erzählte, wie sie dazu gekommen sei, und sagte: »Wäre die Walburg nicht so überaus arm, wüßte sie dem Amtmanne keine bessere Wahl.« Dann setzte sie bei: »Der Gulden habe die Walburg ganz wehmütig glückselig gemacht, und wenn doch nur zu ergründen wäre, wozu sie ihn so vonnöten gehabt.« Über dies alles war der Liebfrauen-Propst betroffen, fragte um Tag und Stunde, und als er das erfahren, sagte er: »Da sei weiters kein Zweifel und Geheimnis. Die Walburg habe ihr liebes Vögelein verkauft, den Goldgulden zum Bau Unseren Lieben Frauen geschenkt, er selbst habe das Geld in Empfang genommen, und ganz verdächtig hätte ihn das viele Geld bedünkt, wäre in der Jungfrau Antlitz nicht aller Tugend Spur zu sehen gewesen.«

Als der Propst so sprach, achtete der Amtmann Herwart auf jedes Wort, und als jener am Ende war, sagte er hinwieder: »Was ich da gehört, ist trefflich, und ich weiß nicht, wie das ist – aber schier bedünkt es mich, mir sei Zeichen und Mahnung durch denselben Zeisig geworden. Dem Zeichen geh' ich nach, meiner Seel' – und gefällt mir die Jungfrau, arm oder reich, selb ist mir dann gleich.«

Er hatte diese Worte kaum gesprochen, so läutete es an der Haustür', und als die Stubentür' aufging, trat die Walburg mit den fertigen Kleidern herein. Die war ganz bestürzt, als sie dort den Zeisig und hier wieder den Propst Unserer Lieben Frauen erblickte. Denn sie dachte, nun könnte ihre Gottesgabe verraten werden.

Das empfanden die anderen auch und verstanden ihren Schrecken gar wohl. Herr Herwart ging deshalb sogleich auf sie zu, erzählte ihr in Rührung, was er von ihr gehört, wie sich alles gefügt habe – und es verging weiter kaum eine Viertelstunde, so bot er ihr schon Herz und Habe.

Da sah die Jungfrau dankend zu Gott auf und willigte sonder Zögern ein.

Eh' die vierte Woche verflossen, war der Walburg Ehrentag. Alle guten Menschen freuten sich ihres Glückes, manches Angebinde bekam sie, und als sie zur Seite des Bräutigams beim Hochzeitsmahle saß, kam gar der Herzog Christoph, redete gnädig und leutselig mit ihr und versprach ihr auch ein Geschenk. Darauf sprach er mit dem Amtmann und mehr anderen, zuletzt mit dem Ratsherrn Wilprecht und dessen Ehfrau. Die begleiteten ihn dann wieder hinaus und hinab.

Nun zerbrach sich jeder den Kopf, was der Walburg wohl beschert werde und warum Herr Wilprecht die Tür hinter sich geschlossen habe.

Die Walburg schüttelte auch ihr Haupt und konnte nichts ergründen.

Als jene zwei aber wieder eintraten und der Wilprecht, ins Vorgemach hinaus deutend, sagte: »Ei! seht doch, Walburg, da schaut hinaus, was da droben hängt –« da erhob sich dieselbe in glückseligster Ahnung, eilte an die Tür' und rief in Wonne: »O, du guter Gott, die Freud' auch noch – jetzt ist der Zeisig wieder mein!«

So war's auch.

Der Zeisig schwebte vor ihr in Lüften und war ihr eigen, wie vor demselben Goldgulden. Aber er war nimmer in seinem armseligen Häuslein, sondern in einem wunderschönen. Das glänzte im Strahle der Sonne von oben bis unten in lauterstem Silber und mit einem herrlichen Kranz und Gehänge von Rosen, Lilien und Tag- und Nachtblumen war's reich geziert. –

* * *

Die Kirchenräuber.

Wenn einer von Unserer Lieben Frauen, wo der Chor ist, gen das Sporergäßlein schreitet, geht er über den Fleck, wo die Sankt-Michaels-Kapelle stand. Von der habt ihr schon Bericht, und daß dort eine Gruft war.

Weil's nun zu allen Zeiten Menschen gab, die schwarzer Tat fähig waren, traf es zu München auch zu, und etliche Monde, vor die Michaelskapelle weichen mußte, unternahmen es ihrer fünf in stürmischer Nacht einzubrechen, um die Gruft zu berauben. Machten sich sofort daran – und erhoben mit vereinter Kraft den Stein. Den sollten hierauf drei halten, damit er sonder Müh' wieder gelegt werden könne. Die anderen zwei aber sollten hinab und die Särge aufreißen.

Wie nun die unten ihr arges Werk beginnen wollten, schauderten sie plötzlich auf, denn greulich heulte und tobte es von außen und von innen der Kapelle und fuhr in Wetterschlägen hin und her, daß es schien, die ganze Hölle rücke an oder Gottes Gericht über ihren Frevel. In dem großen Schrecken vergaßen die oben den Stein zu halten, er bekam das Übergewicht, schlug rück- statt vorwärts und schlug die drei Gesellen auf einen Schlag darnieder. Die anderen zwei flüchteten herauf, stürzten fort und ließen ihr Werkzeug zurück. Der eine auch ein Stück vom Mantel – das war in einem Sarg eingeklemmt, denn der war bei der Flucht zugefallen.

Am kommenden Tage sah man, was geschehen, erfuhr von den Sterbenden, daß es ihrer fünf gewesen seien, und jeder wunderte sich, daß die drei zugleich auf einen Schlag darniedergeschmettert worden seien.

Herzog Christoph aber, der sich auch eingefunden, sagte: »Das ist wundersam genug und Gottes Gericht. Nun wär's dennoch wunderbar, wenn die anderen Gottes rächender Hand entgehen sollten!«

Da hatte er ganz wahr gesprochen.

Denn eine Stunde darauf kam Kunde, drüben auf dem Haberfelde lieg' vom Blitze erschlagen einer, dem fehle ein Stück vom Mantel. Der zweite liege unweit davon – und hinter ihnen sei eine Leiter an die Mauer gelehnt.

Über die waren sie entflohen. Da sie sich aber gesichert dachten – erschlug sie Gott mit seines Zornes Blitzen.

* * *

Herr Dietrich von Tauden.

Als man 1473 zählte, kam Herzog Siegmund von Tirol nach München. Weil nun in großer Herren Gefolge gut und sicher zu reisen ist, hatte sich ein Straßburger Abenteurer mit anher gemacht, führte Kleinode in einem Kästlein bei sich, damit trieb er Handel – und sein Name war Dietrich von Tauden.

Da kam es so, daß er seine Ware vorzeigen durfte, und als er es zu einem Teile getan, kauften ihm Herzog Christoph und etliche vom Adel ein und das andere ab und zahlten bar aus.

Als nun der Abenteurer das Geld eingestrichen hatte und wieder einpackte, behauptete er mit einemmal, es fehle ihm ein Ring mit einem Saphir von großem Werte, der sei in einem Schublädlein gewesen und das sei leer. Dazu wagte er zu behaupten, einer von den Rittern, und zwar der Seckendorf, müsse ihn haben.

Nun kann sich wohl jeder denken, daß der Seckendorf doch sicher den Ring nicht genommen habe. Herr Dietrich blieb aber auf seiner Behauptung, geriet ganz außer sich und vermochte kaum einzupacken, soviel plapperte und bewies er durcheinander. Als er fort war, ließ er sich auch allerorten zu München aus, und da er gewarnt wurde, tat er überaus stolz und sagte: »Ihm sollte kein Mensch ein Haar krümmen, er fürchte da selbst keinen Herzog in Bayern, und das geringste, so ihm geschähe, müsse ein solcher büßen. Also werde er es wohl bleiben lassen – er sei ein Bürger von Straßburg!«

Auf diese Reden hin wandte sich Christoph an seinen Bruder Albertus und fragte ihn: »Ob er sich derlei gefallen lasse, sei doch ihnen allen arger Spott und hohe Schmach angetan.« Herzog Albert wußte aber dies und jenes und beteuerte ihm: »Daß auf des Abenteurers Getu und Lästerrede kein Mensch was gebe, zudem müsse man ein Auge zudrücken des Handel wegen,« und was dergleichen Ausreden waren. Sagte darauf Herzog Christoph: »Nun sei er schier verwundert, daß ein schäbiger, also böse Rede führender Geselle straflos ausgehen sollte, da er doch Fürsten und Grafen gleichauf verunglimpft habe. Wenn ihm der Herr Dietrich zur Unzeit ankomme, wolle er ihn für sich allein strafen und damit des Albertus Ehre retten, weil er die seine und des Seckendorfs seine nicht in Schutz nehme.«

Da nun Herr Dietrich von Tauden ein paar Tage nimmer in die Burg kam, dachte sich jeder, er traue sich nicht mehr in der Herzoge Nähe. Dem war aber keineswegs so, sondern als Herzog Siegmund von Tirol München verließ, von da weg und gen Freising derselbe von Herzog Christoph und mehreren Grafen nebst ihren Knechten begleitet wurde, nahm Herr Dietrich von Tauden keinen Anstand, sich an des Siegmunds von Tirol Gefolge anzuschließen, sondern gleich auf und ritt auch mit den anderen zum Tor hinaus.

Das ward Herzog Christoph durch den Seckendorf bald inne und billig über soviel Keckheit entrüstet. Besprach sich hierauf ein wenig, und der Seckendorf ritt zu seinen und des Christophs Knechten.

Wie nun Herr Dietrich von Tauden ein wenig später zurückblieb, weil er sein Pferd tränkte – sofort etliche von Herzog Christophs und des Seckendorfs Knechten auch ab vom Zug, auf den Dietrich zu und ihn gefangengenommen. Der schrie und tobte heftig, was ihm aber nichts frommte, sondern die Knechte nahmen ihn in die Mitte, ritten mit ihm gen München, und von da weiter bis in den Ammergrund nach Schloß Pähl und legten ihn daselbst ins Verließ.

Über die Angelegenheit erhob sich viel Streit und Lärmen. An die Sache wegen des Ringes wurde nirgends geglaubt, aber die Haft ward heftig angestritten, Schadenersatz und Freilassung betrieben – und wer die meisten Sorgen hatte, war Herzog Albertus. Der machte dem Herzoge Christoph Vorwürfe und meinte, er sollte doch den Abenteurer loslassen und eine Summa zahlen. Herzog Christoph aber ging auf nichts ein und sagte spottend: »Spracht Ihr nicht, auf des Abenteurers Getu und Lästerwort gebe kein Mensch was? Darauf verließ ich mich etwan, weil Ihr stets der weisere seid. Habt Ihr nun schlecht geraten, so büßt es auch und zahlt!« Davon wollte Albertus nichts wissen, der Christoph aber sagte: »Es sei ihm auch recht. Er, der Albertus, zahle nichts, und er, der Christoph, gebe den Schelm nicht frei, also bleibe der, wie billig, in Strafe. Und so Albertus auch Entschädigung gebe, so sei der Herr Dietrich deshalb noch nicht frei, so daß er sie in Empfang nehmen könnte.«

Bei so gestalter Sache ward dem Albertus ganz warm. Nächst erwuchs ihm große Sorge, die fremden Kaufherren möchten in Furcht geraten und es möchte der Güterzug Schaden leiden. Item so hart es ihn ankam, mit dem Geld herauszurücken, und so zornig er selbst auf Herrn Dietrich von Tauden war, es blieb ihm zuletzt nichts übrig, als ins Mittel zu treten. Die Summe von 1000 resp. 1093 fl. wollte Albertus durch Abzug am Jahresgehalt Christophs wieder decken, woraus dieser keineswegs einging und auch mit einer Gegenrechnung für an Albertus abgelassene Rosse anrückte. Die Schuld an sich leugnete Albertus nicht, aber er fand den Betrag zu hoch. Die Sache kam dann vor Herzog Ludwig von Niederbayern als Schiedsrichter. Sein Spruch lautete: Albertus müsse an Christoph 450 fl. für die Rosse bezahlen und dürfe ihm an seinem Einkommen nichts abziehen.
Reichsarchiv-Nachrichten.
Machte sich deshalb anheischig, tausend Gulden an Herrn Dietrich auszuantworten, und drang in Herzog Christoph, seinerseits den Gefangenen loszugeben. Der ließ sich aber nicht alsogleich herbei. Endlich gab er nach, weil er ohnehin nach Pähl ritt. Dort langte er mit dem Seckendorf bei einbrechender Nacht an, und da er, den hohen Steig hinauf, im Schloß ankam, befahl er, den Dietrich von Tauden vorzuführen.

Über ein kurzes ward er hereingebracht und Herzog Christoph sagte: »Mein Bruder, merkt's wohl, nicht ich, gibt Euch tausend Gulden Ersatz und das Geld könnt Ihr zu München erheben. Wär' ich Albertus, Ihr bekämt keinen schwarzen Pfennig, daß Ihr's wißt! Vielmehr verdientet Ihr tausend Gulden Strafe und auf fünf Jahre zwo Dutzend eiserne Kettenringe an Eueren Fuß für gottlos, böswillige Reden und denselben kostbaren Schmaraldring – um das Geld könnt Ihr drei Schmaraldringe kaufen.«

Da beteuerte Herr Dietrich fest und keck: »Der Ring sei ihm, bei seinem Ehrenworte, weggekommen, und habe ihn der Seckendorf nicht, müsse ihn ein anderer haben. Schon er aber tausend Gulden bekomme, sei es ihm dennoch unmöglich, einen gleich schönen Schmarald zu bekommen, so trefflich sei jener im Ringe gewesen.«

»Ha, Ihr verdammter Lügenmacher,« fuhr Herzog Christoph auf, »hab' ich Euch Euer Gespinnst zerrissen?! Zu München sagtet Ihr, in den Ring sei ein Rubinstein gefaßt, und hier sagt Ihr mir nach, es sei ein Schmarald zu finden!«

»Ich hab' mich nur versprochen –« fiel Herr Dietrich ein, »es war –«

»Ein Rubin war es!«

»Freilich, ein Ru– – – nein, ein Saphir war es –« rief der Abenteurer, denn eben war es ihm eingefallen, was er zu München behauptet hatte – »ein Saphir, und nichts anderes – in dem Verließ da unten ist mir aller Verstand vergangen.«

»Ha, Ihr grundschlechter Geselle,« fuhr Herzog Christoph auf, »kein Schaden wär's für die Welt, so Ihr die Hälfte Euerer Praktiken aus dem Kopfe verlört, die Ihr Verstand nennt, mittlerweil' es schnöde Verschlagenheit und Unverschämtheit ist! Wie Ihr Euch da sichtlich selbst Lügen straftet, das mag dem edlen Grafen beste Genugtuung sein! Hier ist Euer Geschmeid – und dort hinab geht der Steig. Fort', sag' ich – und laßt Ihr Euch noch einmal blicken in Land Bayern, daß ich Euerer ansichtig werde, so sperr' ich Euch zum zweitenmal ein, dann kommt Ihr mir nimmer ans Tageslicht!« Er stellte ihm sein Kästlein hin und schloß: »Weil Ihr aber die Fürsten schmäht, in deren Schutz Ihr doch so gerne reiset und deren Gold Ihr nie verschmäht habt, so reitet einmal sonder Schutz! Wenn Euch heute Nacht ein Räuber, ein Bär oder Wolf packt, um Euch ist kein Schad'n, Ihr heilloser Geselle, Ihr!«

Darauf ließ er ihn fort vor das Schloß und an den Steig führen.

Über den eilte Dietrich hinunter, so schnell er konnte. Unten fand er sein Roß, dran hing am Sattelknopf sein Stoßdegen. Neben dem Roß aber war ein berittener Knecht Herzog Christophs.

Da meinte Herr Dietrich, es werde ihm dennoch ein Geleit, weil der Knecht mit fortritt. Der ritt aber nicht weiter mit ihm, als bis sie an das Gehölz kamen, wo weitaus keine Herberge mehr zu finden war. Da hielt der Knecht an, befahl jenem in Herzog Christophs Namen, seinen Pfad zu verfolgen, und drohte ihm: »Er steche ihn tot, wenn er es wage, umzukehren.« Blieb darauf mit seinem Roß quer über dem Waldpfade stehen, Herr Dietrich von Tauden aber ritt in Schrecken und Angst von dannen und dachte: Wärst nur schon durch den Wald und hättest deine tausend Gulden, mit demselben Christoph ist nicht gut Kirschen essen! Als er nach München kam, erhob er sein Geld, sobald es möglich war, machte sich damit fort, so schnell er nur konnte, und wenn ihn dann einer nicht wo anders traf – in Land Bayern traf er ihn gewiß nimmer.

* * *

Der Spruchreim.

Während Herzog Siegmund im Schlößlein Blutenburg lebte, kam der Maler Wohlgemuth von Nürnberg nach München, folgends nach Blutenburg, und von dem Wohlgemuth ließ sich Siegmund abkonterfeien. Da fand jeder, das Bildnis sei ganz kenntlich, hatte jener seine Freude daran und hing es auf.

Der Reim aber, welchen Siegmund unter das Bildnis gesetzt, lautete:

»Sei frummb, gedultich und verswiegen,
Was nit Dein ist, das laß liegen!«

Als Herzog Christoph zur selben Zeit nach Blutenburg kam, gefiel ihm das Bildnis ganz wohl und sagte zum Wohlgemuth: »Wie der Bruder sei und der Spruch laute, so spreche es sich in dem Gemäl aus.«

Der Wohlgemuth meinte hierauf: »Das sei eines Meisters Aufgabe. Was so in einem liege, müsse er zu erfassen suchen.«

Herzog Siegmund aber wollte seinen Bruder bewegen, sich auch abkonterfeien zu lassen.

Sagte Christoph: »Er sei nicht dagegen, der Wohlgemuth sollte ihn zu erfassen suchen, und damit er es leichter habe, wolle er ihm seinen Reim voraus sagen, der laute etwan:

»Sei tapfer, tugendhaft und frummb,
Was ich mehr hab, bringt mich brueder Albrecht drumb!«

Wie da der Meister sein billiges Bedenken hatte und der Siegmund riet, er sollte seinen Reim ändern oder ein Wort mehr oder minder nehmen, sagte Christoph, da habe er auch nichts dagegen, also sollte der Spruch lauten:

»Sei frummb, gedultich und verswiegen,
Was dein ist, laßt Albertus nit liegen!«

Über diesen Reim schüttelte der Meister den Kopf nicht minder, weil er an Herzog Alberti gerechten Zorn dachte, und sagte: »Herr Herzog, ich sag' Euch treu offen, ich bin bei den Reimen nicht ganz wohlgemutet!«

»Mir ist auch nicht so fast froh zumute«, entgegnete Herzog Christoph. »Also lassen wir's besser bleiben. Denn ließ ich auch den Reim weg – wir beede sind der Sachen eingedenk – so maltet Ihr mich sicher recht finster und zornig, und da hätte keiner eine Freude dran.«

»Sicher keiner, Herr Herzog –« erwiderte der Meister.

»Ja, einer doch –« setzte Christoph rasch hinzu, indem er sich lächelnd zum Siegmund wandte – »unser aller vielliebster Bruder Albertus.«

* * *

Etliche Reime Herzog Christophs.

Einst machte Herzog Wolfgang auf den Christoph Reime, die gingen auf seine Verwegenheit, taugten aber nichts. Nun sagte jener: »Der Christoph bringe auch keine besseren zuweg', und wann er es vermöge, sollte er auf ihn etwelche machen.« Dabei galt es einen Humpen Malvasier.

Sagte Christoph: »Das möcht' ich wohl seh'n, ob ich Euch nicht in Reime setze!« Und eh' eine halbe Stunde verging, waren sie auch schon fertig und lauteten:

»Meins brueders Wolfgang ich lob vnd preis sag,
Das thu ich dann an jedem tag.
Wann er ist nit höfisch, mer auf dem land,
Thät auf sein mildigliche hand,
Geht geren zu den bawren auf's feld,
Daß es schier kein fürst so hält.
Als er nit speiste öftermal viel,
Hätt etwan in Gejaid mer ziel,
Ihme das braun vnd wein nit so fast taug',
Nit auf hübsch Dirnen würf sein aug,
Fehlt ihme zum Heiligen so viel nit mer –
Ist aber ein frumm, lustig, fauler Herr!«

Als Herzog Wolfgang die Reime las, lachte er, erkannte ihm den Sieg zu und ließ den Malvasier bringen.

Da schenkte Herzog Christoph sogleich ein und sagte: »Das hätt' ich meines Lebens lang nicht gedacht, daß ich mit Reimen zu solchem Preise gelangte. Wann Euch die Reime so wohl gefallen, als mir Euer Malvasier, wettet nur öfter mit mir. An den Reimen soll's nit fehlen, bedünkt mich schier – so Ihr nur genug Malvasier habt!«

* * *

»Vergißt gott vnd folgt weltlichen freuden,
Bist hie vnd in ewigkeit nit zu neiden!«

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»Als vil Vnrechts geht vnd stat,
Möcht schlagen drein gotts Majestat,
Denkt aber, straf ich zeitlichen nicht,
Ruckt veber sie das jüngste Gericht.«

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»Hät ich baß guet vnd Geld, Stünd's wol auch mit der welt, Weil's aber Albrecht thet han, Schau gott mein guten Willen an.«

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»O heiliger Christophore,
Hast etwan gelitten viel Plag vnd Weh,
Bist aber lang in himmel du,
Wollt', ich wär's, dann hätt ich auch ruh.«

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»Nun hab' ich auf guts Recht viel stritten
Vnd nichts, dann leids vnd zoren litten.
Das ist mein ganze praktic vnd verstand,
Daß ich hab' mein Recht zur hand.
Hab' bestes gewißen mehr zv jeder Frist,
Denn mein brueder in seiner weisheit vnd list.
Deß mag ich mich wohl trösten in Gott
Anso ficht mich an kein Irrsal vnd not.«

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Die Silberadern zu Werdenfels.

Einst sagte Herzog Christoph etwas, was zutraf – nämlich zu Werdenfels in den Bergen habe sich gute Spur von Silbererz gezeigt. Auf die Spur hin ließ Herzog Albertus sogleich graben, obschon er kein Recht hatte, weil die Grafschaft den Bischöfen von Freising gehörte – also wohl der Bergbau desgleichen. Damit nun Herzog Christoph die Sache nicht aufmäulig mache, versprach ihm Albertus eine große Summa von der ersten Fahrt Silber, die gen München gebracht würde. Die kam auch – wer aber keine Summa ausantwortete, war Herzog Albertus.

Da sagte Herzog Christoph: »Herr Bruder, ich schwieg und will ferner schweigen, weil es des Bischof Sixt seine Angelegenheit ist, die ihn selber angeht – verlang' auch nichts von dem, was Ihr mir versprochen habt. Und hättet Ihr mir's geboten, genommen hätt' ich's doch nicht, denn was wollt' ich Silber nehmen, wovon ich nicht weiß, ob's Euer mit Rechten ist. Weil Ihr aber so leicht vergaßt, will ich Euch doch dran erinnern und sagen, warum Ihr mir das Versprochene nicht anbotet. Ihr meint, der Bischof Sixt von Freising ließe sich's gefallen und erkennte Euer Recht an, weil er noch keinen Lärm schlug – dabei hätt' es sein Verbleiben, und wo nichts zu fürchten wäre, dabei brauchtet Ihr mich nicht abzufinden! Da seid Ihr aber in aller Weise fehlgegangen. Denn das Silber, damit Ihr Großes vorhabt, wird Euch täuschen, wie Ihr mich mit ihm getäuscht habt, und was viel Ihr da herausgraben ließt, wer weiß, ob Ihr noch soviel erhebt, daß Ihr nicht daraufzahlen müßt!«

Über diese Worte lächelte Herzog Albertus. Es kam aber doch so, wie Christoph vorausgesagt hatte. Jener ließ fort und fort graben, bis übereins der Bischof Sixt Einsprache tat und auch Bergleute nach Werdenfels schickte. Da kamen erst diese mit denen des Albertus hintereinander und drauf entstand langwierige Fehde zwischen dem Herzog und dem Bischof. Der Streit fraß alles Silber auf, was Albertus hatte münzen lassen, zuletzt machte Gott selber einen Strich durch die Rechnung, weil er nicht wollte, daß sich weltlich und geistliche Gewalt um etlich leidiges Metall bekämpften – und da wieder gegraben werden sollte, waren die Silberadern wie abgeschnitten und verschwunden. Herzog Albertus aber mußte noch für manches in den Seckel greifen, was sich von der Fehde herschrieb.

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Die unwillige Glocke.

Ein andres Mal traf Herzog Christophs Wort wieder ein. Das war so.

Als Herzog Albertus die Stadt Regensburg in Pflicht nahm, die sich ihm freiwillig ergeben hatte, befahl er, die große Glocke vom Domturme zu heben und wollte sie nach München führen und im linken Turme der Frauenkirche aufhängen lassen. Da entstand großer Jammer unter den frommen Regensburgern und es fand sich die längste Zeit keiner, der die Glocke fortführen wollte.

Nun Herzog Christoph von der Sache Bericht bekam, schrieb er nebst anderem an den Albertus: »Er sollte doch den Regensburgern ihre Glocke lassen. Er habe ohnehin kaum einen Segen, anlangend die ganze Einnahme, und solle vielmehr das alles halten, was er den Regensburgern versprochen habe, statt mit Nehmen anzufangen. Wolle er der brüderlichen Ermahnung kein Gehör schenken, werde sicher nichts Gutes entspringen, denn die Tat bedünke ihn als ein Frevel.«

Auf diese Worte gab Herzog Albertus nichts, und hätte ihm Christoph geschrieben, er sollte die Glocke nur fortführen lassen, wäre er weit leichter zum Entschlusse gekommen, sie da zu lassen. Denn so war er. Kurz, er blieb bei seinem Vorsatze, ließ eine gute Summa ausbieten, zuletzt fand sich doch ein Schiffer und der brachte die Glocke isaraufwärts gegen München. Dabei stürzte ihm schon ein Roß ums andere am Zug. Er langte aber doch zu München an. Dort war man mit Unserer Lieben Frauen Dom schon bis zur Vollendung geschritten, hatte an der Glocke durchaus keine Freude und stellte sie vor der Hand nächst dem »Riesentor« an dem einen Turm auf, bis es drin zum Aufziehen derselben kommen sollte. Da ging noch manches Bedenken an Herzog Albertus, der blieb aber bei seinem Sinn, und als sich niemand zum Aufziehen gebrauchen lassen wollte, dachte er: »Wie in Regensburg, so hier, und tun es die von hier nicht, tun es andere!«

Also ward der Tag bestimmt, auf eine Woche hinaus.

Mittlerweil' trug sich's wundersam zu. Über jede Nacht rückte die Glocke um etliche Schritte weg und wie auf Regensburg zu, so daß den Münchnern gar nimmer geheuer zumute war und alles aufgeregt wurde.

Weil nun Herzog Albertus glaubte, es sei das ganze von Widersachern geschehen und die Glocke rühre sich nicht, wenn sie niemand anrühre, sah er in der Nacht selbst nach. Es kann aber kein Mensch sehen, wie allgemach ein Blatt wächst. Gerade so wenig konnte Albertus sehen, wie die Glocke fortrücke. Irgend an einem Morgen ist das Blatt eben da – und die Glocke war morgens eben auch um etliche Zoll weiter weg, als wohin Albertus das Zeichen mit der Schwertscheide gemacht hatte.

Über das war er sehr betroffen, wollte sich aber nicht bloßgeben, und damit die Sache zu Ende käme, befahl er über den nächsten Tag die Glocke aufzuzieh'n. Dazu fand er fremde Arbeiter.

Richtig, die Glocke hängt im linken Frauenturme. Da ging's wieder an. Nachts hörte man dies und das, viele sagten, sie hätten eine luftige Gestalt gesehen, andere hatten deutlich gehört, daß die Glocke von selbst geklungen habe. Zuletzt stellte sich heraus, daß die Sache so beschaffen sein müsse. Die Gestalt sei etwan die Seele des Meisters, der vor uralter Zeit die Glocke gegossen habe. Der habe keine Ruhe und lasse die Glocke klingen. Das glaubten die meisten, und ist schon möglich, daß dem so war, denn was sollt' es sonst gewesen sein?

Wer aber auf kein Bitten, die Glocke wieder vom Turme zu schaffen, einging, war Herzog Albertus, vielmehr befahl er, daß am Weihnachtstage damit zum erstenmal geläutet werden sollte.

Das geschah. Erst war es aber, als ob die Glocke unbeweglich sei, und mußten eine Menge Leute zieh'n, bis sie nachgab. Kaum hatte sie dann zwei Minuten lang geklungen, so bekam sie einen Riß von oben bis unten, daß sie klaffte – da war's mit dem Läuten aus. Aus dieser Glocke mit Beisatz wurde Anno 1490 die 1250 Pfund schwere sogenannte » Susanna«-Glocke gegossen von Meister Hans Ernst von Regensburg. Sie wurde allgemein »Salveglocke« genannt, weil Herzog Albrecht IV. bestimmte, daß jeden Samstag abends in der Liebfrauenkirche das Salve Regina im Choral gesungen werde, desgleichen in der Fastenzeit täglich, auch an allen Frauenabenden, und daß man dann mit der Susanna das Zeichen gebe.
A. Mayer, Domk. zu U. L. Frau in München.

Zwei Tage darauf kam Nachricht, der Schiffer, welcher sie nach München gebracht hatte, sei in der Isar ertrunken, von etlichen anderen, die behilflich gewesen waren, verlautete auch böses – kurz, jeder erkannte ein Strafgericht. Im Turme war's umgegangen, und viele sagen, es geh' noch heutzutage um.

* * *

Das gefährliche Eck.

Zu München durften die Barfüßer allmonatlich auf die Geschlechterstube schicken, da bekamen sie einen großen Krug Wein zum Kloster geschenkt. Den Wein holte dazumal und lange Jahre der Pater Gabriel, ein gar lustiger Mann und von gutem Verstand. Als er nun wieder einmal seinen Wein geholt hatte und mit seinem vollen Krug um das Eck der Burggasse lenkte, sah er, wie öfters, zu einem Fenster auf und grüßte eine hübsche Maid. Darüber glitt er aus, daß er sich kaum halten konnte, der Krug aber schlug nieder zu Trümmern und der ganze Wein floß aus. Das waren zwölf Maß.

Der Pater Gabriel war ganz verzweifelt, rief aber sogleich, weil er gerade den Herzog Christoph daherkommen sah: »O heiliger Christophore, was wird der Pater Guardian sagen!«

Da ging Herzog Christoph auf ihn zu und sprach lächelnd: »Das ist nicht schwer zu erraten. Er wird sagen: ›Pater Gabriel, du bist ein feiner Gesell, daß du gleich zum rechten Heiligen rufst!‹ Der Herzog Christoph ist zwar keineswegs so heilig wie sein Schutzpatron, aber er tritt statt seiner ein. Dem sei aber, wie da wolle, des Herzogs Wein ist noch besser als der von der Geschlechterstube – also geht Eurer Wege sonder Gram, Pater Gabriel, und laßt Euch zwölf Maß Wein vom meinigen geben!«

»Gottes tausend Dank –« rief der Pater – »aber – aber wo hinein soll der Wein, hoher Herr? Letzt verehrt Ihr uns den Krug auch dazu?«

»Wohl!« entgegnete Christoph. »Wann Ihr ihn aber dann tragt, nehmt einen anderen Weg, als da ums Eck. Denn schaut und grüßt Ihr dort noch öfter hinauf, so könntet Ihr wieder einmal ausgleiten und den Krug zerbrechen – da wüßt' ich dann auch nicht, was der Pater Guardian sagte!«

Drauf grüßte er ihn, ging seiner Wege. Der Pater Gabriel aber merkte sich die Worte und ging fürhin durch die Dienersgasse.

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Weltlich und geistlich Verdienst.

Die Augsburger waren mit Herzog Christoph und Wolfgang stets gut befreundet, hatten ihnen öfters viele Ehr' angetan, und wenn einer oder der andere in Geldsachen anstand, fanden sich leicht reiche Kaufherren, die streckten was vor. Versteht sich, daß die Herzoge dann wieder pünktlich heimzahlten.

Das ist in Land Bayern schon so Herkommen.

Wie nun der Christoph und Wolfgang wieder einmal zu Augsburg waren, gab sich die Rede, daß des ersteren Hofhaltung soviel koste und daß er nicht viel dafür habe. Etliche Tage darauf wurden die zwei Herzoge von den Patriziern zu einem Gastmahle eingeladen, das fand in der Herren-Trinkstube statt, und im ganzen waren es dreizehn Tische. Bei selbigem Gastmahle zeigte sich jeder ganz froh und heiter, weil bester Verkehr war, und was die Speisen und das Getränk betraf, fehlte sich's in nichts. Als es vorüber war, fragte der Bürgermeister: »Wie hoch Christoph die Persona anschlüge, wenn er das bei seiner Hofhaltung bereiten ließe?« Da nannte der keine kleine Summa. Der Bürgermeister aber sagte ihm, was sie zu Augsburg treffe –. »Das seien sechs Groschen auf den Mann und dabei gingen noch sie, die zwo Herzoge, ledig aus. Aber es hätte auch nur ein Koch und Küchenjunge gekocht und was sonst zur Billigkeit beitrage.«

Den Wink verstand Herzog Christoph gar wohl und sagte lächelnd: »Ihr habt mir da ganz gute Lehr' gegeben. Wenn ich es aber auch so richten könnte, so möcht' ich doch nicht, denn ich bin ein Fürst, und ein solcher muß mehr Leuten zu leben geben. Im übrigen dank' ich Euch für Eure Lieb' und kommt die Gelegenheit, wollen wir Euch sicher auch was Liebes antun!«

Mehr Jahre darauf gab sich diese. Denn die Augsburger fanden zu »Sankt Ulrich« den Leib des heiligen Simpert, erhoben denselben und wollten ihn in einem schönen Sarge von Messing wieder beisetzen.

Da erlebten sie nun große Freud' und Ehre. Denn nicht allein, daß Kaiser Friedrichs Sohn, der deutsche König Maximilian, beiwohnte, Herzog Christoph hatte auch Sorge gepflogen, und so trugen er selbst, Herzog Wolfgang, Rudolf, Fürst von Anhalt, und der Graf Eberhard von Württemberg den Sarg mit des heiligen Simperts Leib zur Ruhestätte.

Als die Feier vorüber war, dankten die Stadtobristen allen, insonderheit auch den zwei Herzogen aus Bayern.

Drauf sagte Herzog Christoph: »Liebe Herren, glaubt nicht, daß wir damit unser Wort auf Gegendienst getilgt haben wöllen. Ganz anders! Und eh' sind wir erst recht eure Schuldner geworden. Denn vorher habt ihr uns leiblich geehrt und erfreut – nun habt ihr uns zu fromm demütiger Tat Anlaß gegeben und unsere Seelen mit heiliger Empfindung genährt. Habt ihr mir da früherhin einen Wink für das Weltliche gegeben, so war er fruchtlos, und hätt' ich noch soviel irdischen Reichtum, ich gäb' ihn eben von mir und mit Freuden an die Menschheit. Was viel lieber aber möcht' ich austeilen meiner Liebe zu Gott und allem Heiligen unerschöpflichen Reichtum. Aber da verlangen ihrer gar wenige darnach.«

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Das neunte Weltwunder.

Weil Herzog Christoph so gern verschenkte, traf sich's oft, daß er kein Geld mehr bei sich hatte, ob er auch noch nicht lange von der Hofburg war. Wie nun seinerzeit zu München ein Schießen vor der Stadt gehalten wurde, begaben sich die Herzoge nachmittags auch unter die Schützen und Bruder Albertus spielte Karten, bis er kein Geld mehr hatte. Drauf bat er den Herzog Christoph spöttisch, er möchte ihm fünfundzwanzig Gulden leihen. Der griff sogleich in die Manteltasche, zählte die Summa lächelnd auf und Herzog Albertus gewann mit derselben alles wieder, was er zuerst verloren.

Die Münchner aber sagten: »Sieben Weltwunder geb' es. Das achte sei, daß Albertus vom Christoph Geld borge – das neunte, daß der Christoph fünfundzwanzig Gulden gehabt habe, und dieses eine neunte sei größer als alle übrigen achte miteinander.«

* * *

Acht Briefe.

Als man 1476 schrieb, machte Herzog Albertus dem Christoph Vorwürfe über eine angebliche böse Nachrede.

Die leugnete Christoph, zog die Sache wegen des Mitregierens mit hinein und bot dem Albertus gar einen Zweikampf an. Der sollte auf der Grenze zwischen Ober- und Niederbayern stattfinden, und zwar zwischen Erding und München.

Wer aber keine Lust hatte, war Albertus. Denn der dachte wohl: »Ich bin der Herr, was soll ich mich um das Regiment kampfweise verhalten, als stellte ich mein Recht in Frage?«

Also ließ er sich auf nichts ein.

Es kam aber noch etwas dazu.

Nämlich, als Herzog Christoph und Wolfgang desselben Jahres von München, wo sie etliche Tage gewesen, fortritten, wollten sie mehrere Diener da lassen, weil das freie Geleit, so ihnen Albertus gegeben hatte, noch anwährte und sie etwa selbst bald wieder einträfen.

Das ließ Herzog Albertus nicht zu, sondern schickte die Diener fort.

Auf dies wurde siebenmal hin- und hergeschrieben, der Streit führte aber zu nichts – und zuletzt ging's an Bürgermeister und Rat zu München aus. An die schrieben Herzog Christoph und Wolfgang und selb achter Brief lautet so:

»Von Gottes Genaden Christoff vnd Wolfgang Gebrueder, Herzogn in Obern vnd Niedern Bayern.

»Vnsern Grues zuvor Fürsichtig Weyse vnd liebe getrewn. Wir zweiveln nit, Ir seid gedächtig vnd bericht von allem so gegen vnns vnd vnnsern Brudern hertzogn Wolfgang, durch Hertzog Albrechtn vnd anndrn, yetz am Sambstag, nechst vergangen, zu München fürgenommen beschehen vnd gebraucht seien. Ist Vnns, herzog Christoffn, darinnen von dem gedachtn hertzog Albrechtn ein Brief nachgeschickt, des wir Euch hiemit eine Copei verschlossen zuschickn vnd hätten der billigkait nach wol gemaint, das sölichs vermiden wär worden. Drauf Wir, Herzog Christoff, Ime vnnser schriftlich antwurt vnd Maynung auch zugeschickt han, davon wir ew hiemit auch Copei zusenden.

»Nun ist Vnns glaublich angelangt, das Herzog Albrecht vnnser Beder Dienern vnd Hofgesind – über sein Glaitt, so vnns vnd den Vnnserrn von Im vnnder seinem Brief, auch mündlich gebn vnd zugesagt ward vnd noch nit aus ist – gar die Stat München verboten habe. Das vnns nit vnbillich hart befrömdet, vnd wir da abermals fueglich vnd tapferlich betrachtn mögn, daß er, Herzog Albrecht, alle Vnbillichkait vnd stetiger Händl vnd fürnemmen gegen Vnns vnd der Vnnsern swärlich übet, dem wir billig zufürkommen vnd es nit zuleiden gedenken. Dieweil wir aber ungezweivenlich bericht vnd gut wißn habn, das Ir vns für ewr rechten erbherrn vnd natürliche Lanntfürsten erkennt vnd vnns mit Erbhuldigung vnd Glübd gleich pflichtschuldig und pflichtig seyt, als andernn vnsern Bruedern, hielten wir gemaint, Herzog Albrecht sollt durch ew davon gewisen vnd abgeschlagn sein worden. Vnd wiewol wir Vnns deß zu Euch als vnsern vnderthanen vnd lieben getrewn versahen, so will Vns doch gedunken, das Ir darin nit trewen Vleis vnd arbeyt gehabt.

»Betracht vnd nembt zu herzen ewr Huldigung Glübd vnd pflicht, stet der in all Weg der billichkait nach, nimmer vergessend, kainen tail zu gevärden, secht an den vnlöblichen Hanndl, Vnns von Hertzog Albrechtn angehenngt, damit Ir vnns nit vrsach vnd anzeichen gebt, das wir Euch von dazumal her vnnser, Herzog Christoff's, Gefänknuß – als das an vnns durch hertzog Albrechtn über Brief vnd Sigl wider alle billichkait beschehn ist, verdächtig halten. Habt wol Augen, was merklicher schadn vnd Verderbn Vnns vnd vnnserern Armenleuten aus Herzogs Albrecht's vnbillichem Fürnemen gegen Vnns wordn erstanndn vnd geflossn ist vnd sich noch begeben wirdet, all das wir doch in kainen weg lennger Geduld noch, harr habn welln. Stets ansehend ewr erber vnd redlich zusagn das mer dann einemal zu Vnns, Herzog Christoffn, von ew beschehn ist. Tut das treulich bedenken, damit Ir nit in bösen Arkwan erkennt werdet vnd verfallet.

»Sölich Allem nach begern Wir nun an Euch mit sonndern Vleis bittend, Hertzog Albrechten gütlich von seinen unbillichen übungen, vnbrüederlichen Fürnemen vnd vnlöblichen Hanndl gegen Vnns, bisher ganz wider recht vnd alle Ordnung geschechen, zu weysen, Ime in nichts Vnrecht zu helffn, raten noch gestattn vnd demnach vnnserm Hofgesind vnd Dienern weder durch Hertzog Albrechtn, noch die Seinen, in vnser Statt München so maßen nit vergwaltigen vnd arge Vngnad vnd Hochmut erzaign lassn, noch andern Yemand zu tun gestatn. Als Ir ewr pflicht vnd glübd nach wol schuldig seyt. Des wöllet ew faß gegen Vnns vnd die Vnnsern dermassn beweysn, als den getrewn vnd frummen vnnderthanen wol gepürt. Des wir vnns gänzlich in Euch versehn vnd zu der pillichkait mit sonndern Gnaden erkennen welln, damit vnradt, verderbn vnd schaden zwischen vnns Bruedern vnd auch vnsern Lannd vnd Leutn vermidn beleib.

»Wo aber sölichs von Euch nit beschäh, so gebt Ir Vnns arge Vrsach, vnd müßten vnd wöllten dann dafür halten, das Ir am Anfanng vnd bisher an allen sachen vnd Taten an vnns, vnpillich durch hertzog Albrechtn begangen vnd beschehn, schuldig vnd Mittäter wärt vnd gegen Vnns aller glübd und pflicht vergessn hättet. Solich tat fürpas an Ewren lieben Herrn vnd gute fründt ab Euch zu ertragn, wir nit gesinnt wären. Wöllt demnach mit großn vleis jedes bedenken, vnd das soliche Smähe – am Hause zu Bayrn geschehn vnd durch Euch gefördet gegn Vns vnd die Vnnsern – an Euch nach wirdn zue seiner Zeit mit swärer Vngnad vngestraft nit blieb. Das haben wir Euch verkündt vnd nit verhalten wöllen, ew darnach zu richtn, vnd begeren darauf ewr verschriebene Antwurt bei dem vnnsern potn, Vns verner darnach wissen zu richtn. Datum am Sambstag nach dem Sunntag Jubilate 1476.

»An Burgermaister, Rat vnd gemaine Vnnser Stat München.«

Als die wohlweis' und gelahrten Herren diesen Brief empfingen, war ihnen sogleich nicht zum besten zumute, gab's viel Gered' und Gezänk', viel gegenseitiges Verwarnen und Mahnen, zuletzt kamen sie schier ebenmäßig aus dem Konzept und sah man sie ganz zerstört und zerzaust hin- und wiedereilen. Denn sie wußten sich keine Hilfe vor Herzog Christophs Zorn, minder vor des Albertus Gewalt, wenn sie jenem auch was einräumten.

So war die Angelegenheit bei Rat und Bürgermeister beschaffen. Unter den Gebrüder Herzogen aber entbrannte der Zwist erst recht lichterloh. Da meinten dann wohl etliche, der Christoph habe stets den Frieden gebrochen und der Albertus sei stets im Rechte gewesen. Aber dem ist doch nicht so, vielmehr ganz anders. Denn wenn der Albertus recht hatte, so hatte der Herzog Christoph doch noch weit mehr recht. Das kann da nur nicht alles ins weite auseinandergesetzt werden. Der Albertus hatte eben nicht umsonst den Namen des Weisen oder besser des Klugen und wich gar schlau von manchem ab, wozu ihn altes Recht und Herkommen verpflichtete. Damit stimmte der Christoph nicht ein. War demnach nicht abzusehen, warum sich der Albertus hätte gar so frei rühren dürfen, Christoph aber nicht auch ein weniges, damit er eben auch seine Meinung sagte, zu seinem Rechte gelange und zum Regimente käme.

Nun war's aber da, wie stets. Gott lenkt alles. Herzog Christoph ward wieder beruhigt, auch des Zwistes überdrüssig, und die Sache ging um 1485 folgenderweise:

Es wurde der Handel an ihrer vierundsechzig aus den Ständen zur Entscheidung überlassen.

Die wurden am 12. Juni nach München berufen und da kam es so: Herzog Christoph verzichtete für alle Zeit auf das Regiment und stellte sich zufrieden mit Schloß Pähl am Ammergrunde, mit der Stadt Weilheim, von der die Leute so lustige Stücklein erzählen, dann bekam er noch die Stadt Schongau, weiters das Schloß Rauhenlechsberg mit allen Ämtern, Gilden, Nutzungen, auch Gerichten, Wildbannen und was überhaupt zu einer Herrschaft gehört. Das wurde ihm eingeräumt und damit sollte er schalten und walten können, wie's ihm beliebe. Das war nun freilich wenig, wenn man will, aber Herzog Christoph hatte den Streit um irdische Herrschaft satt und dachte sich: »Sie nennen ihn wohl den Weisen – diesmal bin doch ich der Gescheitere, denn ich geb' nach.«

* * *

Nun gäb' es wieder gar viel von früherhin zu erzählen, wie Herzog Christoph zu Regensburg beim Turnier einen Pagen auf den Schaft seines Spießes setzen ließ und damit um die Schranken ritt, weiters vom Turniere zu Ingolstadt, wo dreihundert Helme gezählt wurden und kein anderer Fürst mitkämpfte als er, und wie er in voller Turnierrüstung wieder frei übers Roß sprang, sonderlich auch, was er auf der Jagd allerorten im flachen Land und in den Bergen drin schier unglaublichen Mut, große Kraft und Behendigkeit an den Tag legte. Denn hatte er schon in früher Jugend öfters einen Bären gepackt und ihn vom Forste bis in die Hofburg geführt, so kann sich jeder denken, was er erst später vermochte. So steht's ganz wohl in alten ungarischen Büchern verzeichnet, wie er dem Grafen Dobroki das Leben rettete, als ein mächtiger Auerochse auf ihn losstürzte. Da war Herzog Christoph zur rechten Zeit auf, ballte die Rechte zusammen und schlug den Auerochsen mit einem einzigen Streich links aufs Haupt tot. Der mußte es demnach schwer büßen.

Einmal traf es sich aber anders zu.

* * *

Da könnt' jeder kommen!

Item eines Tages jagte Herzog Christoph im Forste gegen Starnberg zu, hatte sich von den anderen entfernt und war nur der Förster bei ihm. Da verspürte Herzog Christoph Verlangen nach einiger Speise, setzte sich demnach unter einen alten Eichbaum und öffnete seine Weidtasche, weil da er etwas Weniges an Vorrat wußte. Er hatte aber nichts zu trinken. Sagte nun zum Förster, er möchte ihm Wasser holen. Der Förster eilte auch sogleich fort an ein Brünnlein, wo heuzutage das Jägerhaus steht, und schöpfte Herzog Christophs Jagdhut voll, denn Becher hatte er keinen.

Während nun der Förster schon wieder nahe war, hörte er es im Forste rauschen und plötzlich kam ein ungeheuer großer Bär heraus, der machte sich auf Herzog Christoph zu, brummte gewaltig, stand nächst demselben auf und wollte mit den Tatzen nach ihm greifen.

Da erschrak der Förster, denn er wußte, daß das Jagdzeug seitab liege und Christoph nichts zur Wehr habe.

Herzog Christoph aber erschrak keineswegs, sondern, als der Bär ihn so grimmig anschnauzte, als wollte er sagen: »Haben wir dich jetzt, der du uns schon soviel Übles angetan hast –« sah ihn Christoph auch nicht sonderlich günstig an und sagte: »Willt du mich, will ich dich!« Dazu holte er mit der rechten Hand aus und gab dem Ungetüm eine Maulschelle, daß es über und über fiel, bis es sich zuletzt wieder aufraffte, da es sich dann davonmachte, so schnell es möglich war.

Wie das der Förster alles mit ansah, war sein Schrecken bald verändert und bedünket ihm die Sache so narret, daß er laut auflachte, und drüber verschüttete er den ganzen Hut voll Wasser.

Also wollte er schnell umkehren und wieder eines holen.

Herzog Christoph aber hatte schon genug gespeist und wollte sich selbst ans Brünnlein begeben. Winkte demnach, daß ihm der Förster seinen Hut gebe, stand auf und sagte, indem er selber seinen Jagdhut ausschlenkte und dann aufsetzte: » Da könnt' jeder kommen!«

Mit dem meinte er den Bären.

Die Worte kamen dann weit herum, gelten noch heutzutag und schreiben sich von nichts anderem her als vom Herzog Christoph, dem Bären und der Maulschelle.

* * *

Wie einer fasten soll.

Auf Herrn Ignatius Matthias Prätzl zu kommen. Zur Zeit der noch lebte, nahte wieder einmal Fastenzeit und da mußte Herr Prätzl auf des Albertus Befehl nach Salzburg um Fastenspeise reiten.

Als Herzog Christoph das vernahm, hatte er seine Bedenken darüber, weil Müh' und Geld von Überfluß seien, und was sich für die Fasten zieme, sei in München genug zu haben. Da sagte Albertus lachend: »Tut Ihr doch, als wüßte kein Mensch zu fasten und tät sich keiner soviel christliche Gewalt an, denn Ihr!«

»Mehr denn Ihr sicher,« entgegnete Herzog Christoph, »denn an hohem Fasttage speis' ich gar nichts und zu anderer Zeit, meinem Gelüsten nach Fleisch zum Trutz, zum öfteren Fastenspeise, weil ich die nicht mag.«

»Da werdet Ihr sicher noch heiliggesprochen!« sagte Albertus.

»Das weiß und glaub' ich nicht,« erwiderte Christoph, »aber daß Ihr's nit werdet, drob waltet mir kein Zweifel!«

* * *

Die zwei Bäcker.

Wenn ein Bäcker zu München unchristlich verfuhr und das Brot zu klein machte, wurde er zum »Schlenken« Das Bäckerschlenken fand noch gegen Ende des 18. Jahrhunderts statt. Der hölzerne Gitterkasten, in welchen der Schuldige gesetzt wurde, ist noch im unteren Raum des Bayrischen Nationalmuseums zu sehen. verurteilt, an die Roßschwemme hinter Sankt Peter hinabgeführt, an einem Strick aufgezogen und vor aller Welt ins Wasser geschlenkt. Zuletzt konnte es soweit kommen, daß ihm sein Recht entzogen ward.

Nun fanden sich da zwei Bäcker, die haßten sich und sagte einer vom anderen das Böseste, sonderlich tat jeder überaus ehrlich in Sachen des Brotes und hetzte aus allen Kräften, damit der andere dann geschlenkt werde. Es fand sich aber lange nichts. Mit einemmal tat der eine Anzeige, und als man zu seinem Feinde kam, war alles Brot um vieles zu leicht. Als nun dieser sein Verderben sah, verlangte er in seinem Grimme, man sollte nun auch beim andern nachschauen. Wie das geschah, war dessen Brot gleichfalls zu leicht. Über alles das kam es unter ihnen zum Streit, wer zuerst geschlenkt werden sollte, und als Herzog Christoph, so eben zugegen war, gefragt wurde, sagte dieser: »Da ist ganz treffliches Urthel zu fällen und kein besserer Entscheid, denn der: Die Stadt mische sich keineswegs in den Handel. Sie haben sich einander in Worten schlecht gemacht und in böser Tat es sich vorher gleich getan. So sollten sie sich auch einander strafen und in der Schmach keinen Vorzug haben.«

Da entstand ein großes Gelächter. Aber es geschah, wie Herzog Christoph gesagt. Die zwo Bäcker mußten um den Anfang würfeln, und da entschieden war, zog der eine Schelm, so die mehreren Augen geworfen hatte, und schlenkte den anderen ins Wasser – und als der letztere wohl durchnäßt wieder ans Ufer kam, schlenkte er jenen.

Also war beiden recht und gleich geschehen und alle Münchener fanden das Urthel fürtrefflich.

Nun gäbe es da von allerlei Strafen bei verschiedenen Zünften noch gar manches zu berichten, denn wie da allerorten in alten Zeiten auf Ehrlichkeit gesehen ward, so traf das insonderheit zu München zu. Drob waren die Leute hoch berühmt und sind es, Gottsdank, noch heutzutage.

Will aber von solchen Strafen hie nichts weiter gesagt werden, sondern etwas von weiter ab und noch von einer »Bärenangelegenheit«.

* * *

Der Bärenritter.

So Herzog Christoph mit dem Albertus außer Zwist war, erzeigte er sich stets gar leutselig und war zu scherzhaftem Ding wohl geneigt, dabei er etwan Kraft und Mut zeigen konnte. Da sah er dann nicht viel um und tat unversehens ein und das andere, daß sich jener mit den Brüdern und allen anderen verwunderte.

Wie nun eines Tages mehr fremde Grafen und Ritter in der Hofburg einritten und zu Albertus auf Besuch kamen, war Herzog Christoph auf der Jagd im Forst gen Starnberg zu. Der Albertus aber entsandte einen reitenden Boten, dem Bruder die Kunde zu bringen, auch daß da einer unter den Grafen sei, der sich großer Dinge rühme, zumal getraue er sich mit einem Bären zu ringen und ihm Herr zu werden, daß das Tier die Flucht ergreife.

Als Herzog Christoph solches vom Boten vernahm, sagte er: »Kehr' nur heim und melde, ich und zwo andere seien viel bewegt von des Ritters Kraft und wir kämen zu dritt in die Hofburg, daß wir den sähen, der so Gewaltiges vollbringen kann.«

Drauf sah der Bote verwundert drein, weil er niemand außer Herzog Christoph sah, ritt dann wieder heim gen München und hinterbrachte, was ihm jener aufgetragen hatte.

Da wußte keiner von den Grafen und Rittern, wie Herzog Christoph die Worte meine, Herzog Albertus auch nicht aufs nähere, doch dachte er, der Bruder habe etwas vor, damit er den Ritter beschäme.

Wie nun die Zeit dahinschwand und der Abend herankam, erschien Herzog Christoph noch immer nicht. Machten sich demnach der Albertus und die Fremden auf, setzten sich zu Roß und wollten jenem entgegenreiten – als sie einen großen Lärmen und großes Jauchzen vernahmen. Da sie nun zum Burgtore sprengten, um alsbald zu sehen, was es gäbe, kam eine große Menge Volkes daher, voraus aber schritt der Herzog Christoph mit ihrer zwo. Die zwo waren aber zwo grimmig wilde, große Bären, die hatte er im Wald ergriffen, bei den Ohren gepackt – also kam er mit den Getieren daher, und wie gewaltig sie sich zuzeiten wehrten und ganz entsetzlich brummten, das focht ihn wenig an.

Da Herzog Albertus und die anderen das alles mit ansahen, erhoben sie freudiges Lob, derselbige Ritter aber stand zumeist verwundert da und sagte: »Herr Herzog, was ich da seh', draus mag ich wohl erkennen, wer die zwo seien, so mit Euch kommen sollten. Solcher Dinge will ich mich nicht vermessen. Ich vermag mit Waldgetieren zu ringen und treib' sie in die Flucht, Ihr aber nehmt sie bei den Ohren und zwingt sie, da zu bleiben und mit Euch zu gehen. Da will ich weiters nichts wissen, glaub' alles, was ich von Euch gehört und vernommen habe, und räum' Euch in aller Kraft das Feld, so 's mir an Mut auch sicher nit fehlt.«

»Wenn dem so ist,« sagte Herzog Christoph lächelnd, »bin ich leicht zum Siege gelangt. Kommt her da, ihr Herren, und schaut den Herrn wohl an –!«

Dabei ruckte er schnell und gewaltig, daß die zwo Bären sich aufrichteten, ein grauses Gebrumm anhoben und den Ritter mit so grimmigen Gesichtern anschauten, daß er ganz verlegen um einen Schritt zurückwich.

Da erhob sich rings lautes Lachen, Herzog Christoph aber führte die zwo zottigen Gesellen durch den Burghof und sperrte sie in ein Gitterhaus, drin schon ein Bär war. Da wurde ihnen plötzlich Mut und Unmut los und unglaublich tobten und brummten sie durcheinander. Herzog Christoph aber und die anderen begaben sich in die Dürnitz und blieben bei vollen Humpen beisammen bis spät, und da ward dem Herzog noch viel Lob und Preis, dem Bärenritter aber Scherz und Spott auf manche Weis'.

* * *

Die Glocke von Menzing.

Seinerzeit ward zu München eine Glocke gegossen. Die ward schön geziert und geweiht, hienach auf einen Wagen gesetzt und gen Piping gefahren, daß man sie im Turm aufhänge. Die Herzoge Siegmund, Wolfgang und Christoph aber ritten mit, denn sie wollten sich nach Blutenburg begeben, und das liegt unweit davon.

Wie man nun auf etliche hundert Schritte bei der Kirche war, brach ein Rad, der Wagen fiel um und die Glocke rollte in die Wiese seitab.

Da war Herzog Christoph rasch beschlossen, schritt zur Wiese, lüpfte die Glocke, kehrte mit ihr auf das Sträßlein zurück, hielt sie im Gleichgewicht auf der Schneide und trug sie festen Schrittes bis zum Turme, als läge ihm ein Waldglöcklein auf der Hand.

Da kann sich jeder denken, wie drob hoch und nieder in Staunen geriet, Herzog Christoph aber lächelte und sagte: »Merkt wohl, es ist hie, wie schon oft mit anderem. Gilt es Gottes Lob und frommes Ding, wird mir das schwerste leicht und 'ring!«

* * *

Der Gilg und der Dolein.

Einstmals begab sich's daß der Torwart am Sendlingertore das Zeitliche segnete. Da ward ein anderer hingesetzt, noch jung an Jahren, der hieß Gilg, und der versah seinen Dienst soweit ganz wohl.

Nächst kam einmal Herzog Christoph in der Nacht daher und wollte Einlaß verlangen. Da hörte er etwas, das war auf einer Posaune, so gar übel nicht zu vernehmen, und wie er da eine Weile gehorcht, sagte er zu seinen Begleitern: »So da der Gilg so fein blast, taugt er seinerzeit besser an meines Bruders Albertus Hof, denn hierein.« Verlangte dann Einlaß, da öffnete der Gilg das Törlein und es fand sich, daß er fürwahr geblasen hatte und große Sehnsucht nach der Musika in sich trage. Also ließ ihm Herzog Christoph ein gnädiges Wort zurück, ritt in die Hofburg, sagte kommenden Tages, was vorgefallen war, und eh' sich's der Gilg versah, ward er zum Albertus gerufen. Der schenkte ihm acht Gulden, daß er auch das Pauken lernen könne – item in kürzester Frist war der Gilg bei den Paukern und Posaunenbläsern allnächst beim Herzog Albertus.

Nun hatte Herzog Christoph einen Diener, namens Dolein. Mit dem war er nie recht zufrieden, wollte ihn aber nicht entlassen, damit er nicht brotlos werde. Wie man nun eines Torwarts am Sendlingertore bedurfte, verwendete sich Christoph, der Dolein bekam die Stelle, dankte Gott und dem Herzog aus ganz gerührtem Herzen und schwor, er wolle dafür alles tun, was nur in seinen Kräften liege.

Weil nun der Dolein nicht soviel klug als gut war und wußte, wie es mit dem Gilg ergangen sei, sah er zu, wie er billig zu einer alten Posaune käme. Denn er war des festen Entschlusses, sich nachts auf dem instrumento zu üben, und wenn dann seinerzeit der Herzog Christoph daherkäme, wollte er ihn überraschen, wie der Gilg es getan hatte, und sagen, er habe das Blasen ihm zuliebe gelernt.

Nun verstrichen da etliche Wochen und der Dolein blies halbe Nächte, hörte es auch niemand, denn der Turm stand noch weitab von den ersten Häusern in der Sendlingergasse. Zu der Zeit war Herzog Christoph wieder einmal über Land geritten, davon wußte der Dolein nichts, jener aber kam spät in der Nacht ans Stadttor und wollte eben klopfen, als er blasen hörte.

»Was soll denn das sein und bedeuten?« fragte Herzog Christoph.

Zugleich begann der Dolein just unglaublich heftig zu blasen, denn er fühlte sich schon etliche Tage her sicherer, und jetzt geriet er in solchen Eifer, daß die Leute aus dem Schlafe geweckt wurden, soweit sie auch vom Turm entfernt waren.

Weil nun der Dolein ganz arge Töne hervorbrachte, wollte Herzog Christoph ein Weiteres nicht vernehmen und verlangte Einlaß. Der Dolein hörte aber in seinem Eifer nichts, und je heftiger geklopft wurde, desto wütiger stieß der Dolein in die Posaune.

Drüber wurde Herzog Christoph fast zornig, setzte die Faust an das Törlein und drückte, daß die Schlösser aus den Schrauben fuhren.

Das weckte Herrn Dolein freilich, daß er herausstürzte und schrie: »Alle guten Geister loben Gott! Ist da der Teufel im Spiel?«

»Da nicht,« sagte Herzog Christoph, »aber bei dir drin scheint er im Spiel zu sein. Was treibt dich denn, daß du so grauenvoll Getös machst, hab' ich doch mein's Leben solch Getu' nicht vernommen!«

Da erkannte der Dolein, wie da der Herzog Christoph vor ihm stehe, entdeckte ihm, daß er ihm zulieb' das Posaunenblasen lerne, und wär' er nur um etliche Wochen später gekommen, so hätte er ihn sicher soviel belobt, als nun geschmäht.

Wie Herzog Christoph das hörte, ward ihm sein Zorn alsbald in lustigen Sinn verkehrt und sagte er: »Du hast's demnach gut vermeint, dafür sei dir vergeben, was du meinem Ohr angetan, und für deinen guten Willen nimm hier den Goldgulden. So du's aber noch einmal wagst und blasest allen Menschen zuleid, so nehm' ich dich, du heilloser Gesell, und werf' dich über den ganzen Turm hinüber!«

Drauf schwang er sich aufs Roß und wollte weiter und in die Stadt reiten, hielt aber wieder an und sagte: »Halt ein, da müssen wir besser sorgen, denn verbotenes Ding will alle Zeit am besten munden – heraus da mit deiner Posaun'!«

Da brachte der Dolein seine Posaune heraus, einer aus Christophs Gefolge nahm sie zu sich aufs Roß, drauf gab Herzog Christoph seinem Rosse die Sporen und ritt mit allen von dannen.

* * *

Wie Herzog Christoph beim Kaiser war.

Wieder aus früherer Zeit ist das:

Im Jahre 1473 hielt Kaiser Friedrich zu Augsburg einen Reichstag.

Weil sich nun Herzog Christoph auch daselbst einfand und alles mit ansah oder dabei war, möchtet ihr sicher wissen, wie der Kaiser angekommen und was weiter.

Die Angelegenheit war aber so:

Acht Tage nach Ostern, am 23. April abends um die siebte Stunde, kam der Kaiser mit fünfhundert Pferden von Salzburg dahergeritten, des Willens in Augsburg einzuziehen. Da waren bei ihm Herzog Albertus, Christoph und Wolfgang von Bayern. Die hatten fünfhundert Pferde. Nebst ihnen befanden sich in des Kaisers Gefolge der Markgraf Karl von Baden und der Graf Eberhard von Württemberg.

Als der Kaiser mit den Fürsten heranrückte, wurde er vom Erzbischof Adolf von Mainz, den beiden Fürsten von Sachsen, vom Pfalzgraf Ludwig und dem ganzen Rat der Stadt Augsburg mit hundert Pferden eingeholt und es ritten ihm sämtliche Herren bis Sankt Servazi entgegen. An der Stadtgrenze angekommen, stiegen Bürgermeister und alle anderen der Stadt ab und empfingen ihn nebst seinem Sohne Maximilian mit einer Anrede, dabei sie niederknieten.

Beim Hinzug war aber die Ordnung so:

Voraus zogen die sächsischen, brandenburgischen und bayerischen Soldknechte – auf diese kam der anderen Fürsten Begleit.

Drauf zogen vierzehn Trumetter und Heerpauker einher, die bliesen fest und tapfer auf und ward scharf dazu gepaukt.

Weiters zeigten sich sechs kaiserliche Ehrenholde.

Folgends erblickte man den Pfalzgrafen Wolfgang von Veldenz und den Herzog Wilhelm von Sachsen.

Weiters des Kaisers Sohn, den Erzherzog Maximilian – und zur Linken desselben den Kalixtus Osman. Selber Kalixtus Osman war des türkischen Kaisers leiblicher Bruder und zu Rom getauft worden. Daselbst hatte ihn Kaiser Friedrich beim Papst getroffen, mit sich gen Österreich geführt und ihm alle Gnade und Liebe erwiesen. Selbiger ritt gerne mit dem Kaiser im Land umher, wo er dann überall mit Verwunderung gesehen ward. Als er diesmal zu Augsburg ankam, nahm er sein Losament im Wirtshaus zur »güldenen Glocke«, das stand den Welsern zu. Da er aber später wieder zu Wien anlangte, starb er und nannte ihn jeder einen gottesfürchtigen, freundlichen und kunstliebenden Herrn.

Item darauf kamen die Fürsten und Grafen, so mit dem Friedericus angekommen waren, dann sah man den Kurfürsten Ernst zu Sachsen, so das Reichsschwert trug, hinter dem ritt der Kaiser und ihm folgten der Erzbischof von Mainz und der Bischof von Eichstätt – zuletzt kam eine Schar Soldknechte.

Am Tore ward der Kaiser von vier Ratsherren empfangen. Die trugen auf vier güldenen Stangen einen herrlichen Himmel von Damast, in dem der kaiserliche Adler samt den kaiserlichen Erblandswappen eingestickt war. Unter den begab sich der Friederikus und so hielt er seinen Einzug in die Stadt bis zum Dom. Weil es nun am gedachten Abend regnete, kam dem alten Herrn der Damasthimmel ganz gut zustatten, dem Bischof von Augsburg und den Domherren aber desto weniger, und die trugen ihm das Heiligtum nicht weiter, als bis zu Sankt Johannis entgegen. Im Dom ward der Kaiser zum Chor geführt, daselbst das Te Deum laudamus über ihn gesungen und etliche Kollekten gelesen, drauf ging der Zug wieder hinaus, begleitete den Kaiser bis zur bischöflichen Pfalz und nächst sind Fürsten, Grafen und alle sonst in ihre Herbergen geritten.

Auf dem Reichstage ging's wie auf mehr anderen vorher. Es ward nichts ausgerichtet. –

Kaiser Friedrich eilte nun, daß er wieder fortkäme. An Sankt-Veit-Abend machte er sich auf gen Ulm und von da gen Baden und belehnte dort den Pfalzgrafen von Neumarkt auf öffentlichem Platze mit dem Bistume Straßburg. Als dies geschah, waren dabei des Belehnten Bruder, der Pfalzgraf Otto, wißt ihr, derselbe, welcher den Schwänen zu München die Hälse abhieb, dann die Erzbischöfe von Mainz und Trier, der Erzherzog Maximilian, der Pfalzgraf Ludwig, Graf zu Veldenz, Herzog Albertus und Christoph von Bayern und der Graf Eberhard von Württemberg.

Nachdem der Kaiser anderthalb Monde zu Baden gesessen war, machte er sich auf gen Straßburg. Dort war's, wo er den Fürsten des Reiches so zornig fürhielt: »Daß sie zum Kurpfalzgrafen Friedrich hielten, der stets ungehorsam und widerspenstig sei, gegen ihn und jede Treue im Reiche Frevel verübt habe, weiters den rechtmäßigen Landeserben, Pfalzgraf Philippum, der doch längst der Vormundschaft entwachsen sei, nicht ans Regiment lasse, ihm die Kurwürde verletzt, selbst aber weder Kurlehen noch Regalien empfangen habe.« Wie da alle ihren Teil bekamen, ging mitsamt der Herzog Christoph auch nicht leer aus, er war aber an nichts schuld und sicher auf des Philippus Seite. Denn derselbige Pfalzgraf Friedrich machte es dem Philipp so, wie es ihm, dem Christoph, sein vielgeliebter Bruder Albertus angetan.

Kaiser Friederikus blieb etliche Zeit zu Straßburg, dann schickte er an die Schweizer Eidgenossen, sie sollten sich auf Sankt-Augustini-Tag zu Basel einfinden, zog mittlerweil' den Rhein herauf und nahm dies und das vor. Dabei war wohl Herzog Albertus von Bayern, vom Christoph aber verlautet nichts weiter. Der war also von dannen gezogen und war ihm das Reden zuwider und die viele Reverenz.

Kann auch sein, daß es ihm zu teuer kam. Denn dem Kaiser wurden allerorten gleich tausendweise Goldgulden in güldenen Geschirren und Wein, Fische und Ochsen und Schafe über Maß und Ziel verehrt, den Haber für seine Rosse ganz ungerechnet.

Von dem, daß Herzog Christoph etwas verehrt bekommen habe, ist aber nirgends etwas zu finden.

* * *

Kaiser und Magister.

Zur Zeit Herzog Christoph auf demselben Reichstag zu Augsburg war, hörte er vom Magister Petrus Engelbrecht sprechen.

Der war des Erzherzogs und künftig römischen Königs und Kaisers Maximilian Lehrmeister – und ein trefflicher Mann. Nur daß er aufs Lateinische und Griechische zuviel gab und dem Maximilian schier alle Lust zum Studieren verleidete, weil er die Sache zu heftig angriff.

Wie nun Maximilian und Herzog Christoph über das zur Sprache kamen, verlangte der letztere den Magister kennen zu lernen.

Er besuchte hierauf seinen fürstlichen Freund, und als sie eine Zeitlang von Abenteuern zu Feld und Jagd gesprochen hatten, ließ Maximilian dem Magister sagen, Herzog Christoph sei da und wolle mit ihm reden.

Als Herr Petrus Engelbrecht eintrat und sich ehrfurchtsvoll beugte, schritt Christoph huldsam auf ihn zu, lobte ihn in allem, worin er Gutes von ihm gehört habe, fand, daß er ein rechter Gelehrter sei, und beteuerte ihm seine Verehrung.

Herr Petrus nahm derlei so ganz ungern nicht an, hielt sich aber doch recht bescheiden und sagte: »Hoher Herr, so einer all seine Zeit auf die Studia verwendet, mag er es wohl dahinbringen ein gelahrter Mann zu werden und das war von je mein Lebensziel und meine Absicht. Dafür versteh' ich mich wieder auf manch' anderes nicht sowohl. Das will eben alles getrieben und gelernt sein.«

»Da habt Ihr wohl recht, Herr Magister,« erwiderte Herzog Christoph, »und habt mir selbst gesagt, was ich gern fürgebracht hätte. Glaubt Ihr denn, der Erzherzog wolle dereinst ein lehrender Magister werden? Dem ist keineswegs so. Er ist zum Regiment und etwan vom ganzen Heiligen Römischen Reich bestimmt. Was nützt es ihm dann, so er noch so gut griechisch und lateinisch spräch', und verstünd' sich auf die deutsche Angelegenheit und Sache des Regiments nit? Vergebt, Herr Magister, aber mit dem überflüssigen Tand lockt Ihr keinen Hund hinterm Ofen herfür.«

»Was Ihr doch sagt, hoher Herr,« fiel der Magister Petrus ein, »da – das ist doch zu gering vom Griechischen und Lateinischen gesprochen!«

»Ei, so versucht es!« gab Herzog Christoph lächelnd zurück. »Seht Ihr, dort liegt des Erzherzogs schöner Rüde. Sagt Ihr auf griechisch oder lateinisch, er soll aufstehen!«

Da kann sich jeder denken, wie verlegen der Magister Petrus über des Herzogs schelmische Rede war, der Erzherzog Maximilian aber lachte von Herzen über den Einfall. Drüber kam die Sache ganz ins Lustige, der Magister Petrus lachte zuletzt selbst mit, war aber keineswegs zur Erfüllung des Verlangens zu bringen.

Da besann sich Maximilian nicht lange, sondern befahl dem Rüden auf griechisch und dann auf lateinisch in längerem sich zu erheben. Der Rüde stand aber nicht auf. Als es nichts fruchtete, trat jener einen Schritt näher, winkte mit der Hand und sagte: »Da komm her!« Auf dies fuhr der Rüde sogleich auf und schritt ganz freudig auf ihn zu.

»Seht Ihr, Herr Magister,« sprach Herzog Christoph, »selb ist nun nichts, denn ein armer Rüde. Nun denkt, ein Mensch, ein freier, deutscher Mann und das ganze deutsche Volk – was gäb' es einem deutschen König oder Kaiser für alle fremde Gelehrsamkeit, so er sonst nichts wüßte!«

Da fuhr sich der Magister Petrus Engelbrecht mehrmals über den Scheitel und sagte: »Ja, ja, hoher Herr – so Ihr's auf die Weise nehmt, habt Ihr wohl recht gesprochen –« ließ auch weiters ein weniges vom zu großen Eifer ab.

Das währte aber nicht zu lange, so war's der alte Tanz und trieb es Herr Petrus wieder so heftig, daß sich Maximilian noch oft drüber ausließ, als er längst Römischer Kaiser war – Herr Petrus Engelbrecht aber löblicher Pfarrherr zu Neustadt.

* * *

Das rechte Maß.

Einst war Herr Christoph um ein kleines Besitztum in Streit, ging schier im Bewußtsein vermeintlichen Rates zu weit, und als ihm ein Ratsherr, namens Pütrich, in den Weg kam, fragte er ihn um sein Urteil und ob er nicht recht habe – und dazu erzählte er ihm alles.

Drauf sagte der seine Ansicht, die lautete nicht günstig und schloß: »Das ist meine Meinung. Ihr seid so wenig im Recht und so sicher im Unrecht, als Ihr mir leider und sicher dafür zürnt, daß ich Euch widerspreche und die Wahrheit sage. Vergebt, ich seh' wohl ein, ich sagte zuviel – das taugt nichts auf einmal

»Da seid Ihr auf ganz falschem Weg,« entgegnete Herzog Christoph, »ich zürne nicht Euch, sondern denen, die mich zu einer Ungerechtigkeit verleiteten, weil sie mir von meinem Rechte lang und breites in Fürtrag brachten. Dem Bauern bleibt sein Besitz und Euch sag' ich von Herzen Dank, Herr Pütrich!«

Dazu bot er ihm seine Rechte.

Die ergriff Herr Pütrich mit Wärme und sagte: »Das ist mir lieber, o hoher Herr, als all anderes. Nicht daß Ihr glaubt, der Ehre wegen allein, sondern weil ich mit Händen greifen darf, woran ich zu zweifeln gar viel Gelegenheit fand. Das ist aber – daß ein Fürst offene, harte Wahrheit hören mag – und den Rat befolgt.«

»Da ist schon was daran,« erwiderte Christoph, »so arg ist's aber wohl nicht, wie Ihr glaubt. Ein kluger Fürst wird Euer offenes Wort nie übelnehmen – Ihr müßt ihm Eure Meinung nur nicht aufdrängen, vielmehr warten, bis er Euch fragt. Dann kann's wohl sein, daß er in der Erst unmutig ist und dem einiges erweist, der ihm ein schmeichlerisch Wort gespendet. Es kommt aber etwan bald ein besseres Bedenken, dann steht der eine als Schmeichler da und hat bald nichts mehr, denn sein bißlein Habe – der andere aber steht da als ein ehrlich, offen, deutscher Mann, der kein Unrecht will und keine Lüge über seine Lippen bringt. Dem beut dann ein kluger Fürst seine Hand und schenkt ihm sein bestes Vertrauen.«

Tief beugte sich Herr Pütrich und sagte schier schelmisch –: »Aber, hoher Herr, wo wär' denn ein nicht so kluger Fürst zu finden?«

»So meint Ihr?« fiel Herzog Christoph ein, ihm lächelnd auf die Schulter klopfend: »Lieber Herr Pütrich, ich wollt's Euch wohl sagen – aber zuviel auf einmal taugt nichts.«

Damit grüßte er ihn huldreich und ging seiner Wege.

* * *

Das Glasbild von »Sankt Wolfgang«.

Zum Glasbild von St. Wolfgang.

Die Kirche unweit Polling, welche Propst Johannes baute, bestand bis Anfang vorigen Jahrhunderts, worauf sie teilweise abgetragen und in ein anderes Gebäude verwandelt ward. Die Glastafel selbst, auf welcher Herzog Christoph kniend dargestellt war, verkam. Eine kolorierte Abbildung auf Papier befindet sich, von Anno 1730 stammend, in der Coll. vet. Hist. Bav. des Freiherrn Edmund von Oefele zu München. Durch dieses Blatt hat sich das bis jetzt einzig sichere Konterfei Herzog Christophs aus dessen dreißiger Jahren erhalten.

Einmal verhielt sich Herzog Christoph gegen seinen Bruder Wolfgang frumm schalkhaft.

Damit war es so:

Kloster Polling liegt, wie jeder weiß, im Weilheimer Gebiet. Selbiges Kloster war von je hochberühmt und die Pröpste und Brüder erhöhten den Ruhm mehr und mehr durch das Beispiel heilig Augustinischen Lebens, große Wohltätigkeit und Erhöhung der Gottesfurcht, soviel und weithin sie es nur vermochten.

Nun war da einer Propst, des Namens Johannes Bend.

Der hatte schon dreißig Jahre regiert, vielerorten Segen gebracht und nun drängte es ihn wieder einmal etwas Rechtes zu vollführen – nämlich ein Gotteshaus mittlerer Größe zu bauen, nicht gar zu weitab vom Kloster. Denn die Leute in der gemeinten Gegend hätten eben gar zu gerne eine Kirche ganz nahe gehabt.

Nun hatte der Propst Johannes zur Zeit zwar nicht über mächtig viel Geld zu verfügen, dachte sich aber, Gott wird schon weiter helfen, ging also ans Werk und das Bauen hob sich Anno 1483 an, drei Tage vor dem Fest des heiligen Georg, Märtyrers – gleichwohl sollte das Kirchlein nicht ihm geweiht werden, sondern aus mehr Gründen dem heiligen Wolfgang.

Wie nun einige Zeit verstrichen war, bedurfte der Propst seine Mittel zu anderem, denn es kam mit einemmal viel Unheil über Land und Leute umher, und da mußte geholfen werden.

Dachte er sich: »Soll nun der ganze Bau stillstehen? Lass' es den gnädigen Herzogen vermerken, wie die Sache beschaffen ist – werden dann wohl offene Hand haben, daß das Kirchwerk gefördert werden mag.«

Und tat, wie beschlossen.

Da spendete Herzog Albertus etwas, aber nicht gar zuviel, denn Sparsamkeit war sein Brauch – Herzog Siegmund ließ sich um vieles besser an – Herzog Wolfgang gab ungefähr soviel, wie der Albertus – Herzog Christoph aber gab mehr als alle drei Gebrüder miteinander.

Als das Wolfgang inne ward, sagte er zum Christoph: »Herr Bruder, 's hört einer stets, Ihr habt kein Geld, und wann die Zeit kommt, seid Ihr damit über uns sämtlich auf – so wohl ist's uns nicht!«

Sagte Christoph: »Ja, ja, so wohl ist's Euch nicht! Ihr hättet wohl Geld, wollt es aber nicht ausantworten und gar zu der Zeit nicht, da es doch Eurem eigen Namenspatron gilt. Nun denn, diesmal hatte ich was und vermochte das Meine beizusteuern. Hätt' ich's aber von mir aus nicht gekonnt, hätte mir irgendeiner die Summa wohl dargeliehen. Dem wäre sie sicher wieder zugekommen aus meiner Provision – und ob mir dann auch weniges von der geblieben wäre, was Schaden? Mit dem weggegebenen Geld hätt' ich mir die Herzensfreude erobert bei heiligem Werk mitzuhelfen. Nun vielleicht bezeigt Ihr Euch noch besser, als bis da, – stünd' Euch wohl an, seid doch sonst gütig.«

Sagte Herzog Wolfgang: »Ja was –« ließ sich aber nicht herbei dem Gespendeten etwas beizufügen. Propst Johannes baute mit dem, was er hatte, weiter und es kamen ihm dann von da und dort weiterher noch mehr Mittel zu Händen. Schließlich brachte er sein Vorhaben völlig zu Ende, und als es daran ging, daß der Bischof von Augsburg das neue Gotteshaus einweihe, lud jener die herzoglichen Gebrüder ein, der Feier beizuwohnen. Die fanden sich auch insgesamt ein und es ging alles trefflich frumm und eindrucksreich von statten.

Sagte Herzog Christoph zum Wolfgang, als sie nach der Einweihung noch etliche Weile in der Kirche blieben und umhersahen: »Nun, was meint Ihr, Herr Bruder? Etliche hundert Ziegelsteine am Gebäu haben Euch wohl Dank zu wissen, drauf könnt Ihr stolz sein.«

Sagte Wolfgang: »Versteh' Eueren Spott gar wohl!«

Und Christoph: »Ist nicht schlimm gemeint. Aber wahr ist's. Ihr habt damals wenig beigesteuert und aufs weitere nichts mehr beigelegt. Nun könntet Ihr's hereinbringen, was Ihr versäumtet – durch Schmuck der Kirche. Wißt Ihr was? Laßt etwan vom Ägidius Trautenwolf zu München ein richtiges Glasgemäl fertigen, Euerem Namenspatron zu Ehren!«

Sagte Wolfgang: »Ihr eßt Euch vor eitel Frömmigkeit und heiliger Mahnung bei lebendigem Leib in den Himmel hinein. Laßt mich jetzt! Kommt Zeit, kommt Rat – ich hab' alljetzo unglaublich viele Ausgab', sonderlich wegen Rossen, und kann mich zu nichts verstehen – später etwan!«

Drauf Christoph: »Fürchte nur, mag Zeit kommen, wird doch kein Rat da sein. Seid mir nicht grollig! Also wenn Ihr für jetzt nichts tun wollt oder könnt, will mindest ich etwas Zier des Gotteshauses tun durch ein heiliges Gemäl dort im rechten Chorfenster.«

Sagte Wolfgang: »So ist's, geht Ihr mir mit dem Beispiel voran und laßt Euch konterfeien zu Füßen Eueres Schutzpatrons Sankt Christophori!« Drauf verließ er die Kirche und Herzog Christoph folgte ihm sinnend.

Übernächsten Tag kehrten die vier Brüder nach München zurück.

Da entbot Herzog Christoph sonder Wissen Wolfgangs und der anderen den alten Meister Trautenwolf, gab ihm Auftrag zu einem Werk und sagte: »Er wisse wohl, daß er viel zu schaffen habe, drum wolle er ihn mit der Arbeit nicht drängen, und ob es sich mit dem Glasgemäl auch in die Länge ziehe, so es nur vor Ablauf des Jahres zu stande käme, wäre alles recht – es dürfe aber niemand von der Sache erfahren.« Da ließ sich der Trautenwolf mit Freuden herbei und versprach ein ganz schönes Werk zu schaffen.

Das ward auch rechtzeitig vollendet und vom Herzog Christoph sonder Wissen seines Bruders Wolfgang zum Kloster Polling gesandt. Dort trug der Propst Johannes Sorge, daß es rechten Ortes eingesetzt werde – und als wieder später zu Sankt Wolfgang die erste Kirchweih nahte, lud er die Herzoge sämtlich dazu ein. Da konnten Albertus und Siegmund nicht wohl abkommen, baten aber die Brüder Christoph und Wolfgang, der Feier beizuwohnen und sie zu vertreten.

Dazu waren sie bereit und machten sich auf den Weg.

Als nun das Amt in Sankt Wolfgang vorüber war und sie wieder aus dem Gotteshaus kamen, sagte Wolfgang zum Herzog Christoph: »Was soll denn das, Herr Bruder? Ihr wißt, ich hab's in der letzten Zeit mehr mit Fluß in den Augen, so daß ich nicht so wohl sehen kann. Aber soviel sah ich doch, daß Ihr im rechten Chorfenster nicht vor Euerem Patron Christophoro kniet.«

Sagte Christoph: »Lieber Bruder, mein Patron weiß wohl, daß ich seiner im Herzen gedenke und jeder Zeit Demut hege. Aber der Eure, Sankt Wolfgang, könnte vermeinen, ich ließe es etwa an Ehrfurcht gegen ihn fehlen. Also hab' ich durch den Trautenwolf ihm die Ehr' mit dem Gemäl antun lassen – kommt nur nochmals herein und schaut es Euch nähender an!« Und traten wieder ein bis in den Chor. »Nun könnt Ihr wohl deutlich sehen? Da steht auf dem Spruchband: › Sankt Wolfgang, durch dein heiliges Leben tu auch Gott unsere Sünd' vergeben –‹«

»Wohl, wohl,« sagte Wolfgang, »der Spruch trifft alle Menschen und sonderlich uns zwei, aber –« dabei rieb er sich das eine Auge ein wenig, »aber ob dem unser steht noch was – selb lautet, wie mich bedünkt, meine –«

»Habt Ihr's richtig gesehen?« fiel Christoph ein. »Ja das steht drüber.«

Und Wolfgang: »Ja weshalb denn?«

Und Christoph: »Weshalb? Selbiges › unser‹ gilt, wie Ihr sagtet, aller Christenheit und zuvörderst uns zweien – das › mein‹ aber gilt insbesondere Euch und Euerer Unterlassungssünde, daß Ihr Eurem Patron nicht doch später ein Opfer brachtet, nachdem Ihr Euch vordem so karg anließet. Und damit man es für alle Zeiten sicher wisse, daß nicht Ihr, Herr Bruder, sondern ich ihm zu Ehren das Gemäl schaffen ließ, steht unterhalb › durch Herzog Christoff hochgebohren ist das‹.«

Sagte Wolfgang: »Da habt Ihr mich mit arg' und doch frummer List aus dem Felde geschlagen. Nun, ich will Eure Sorge für mein Seelenheil höchlich anerkennen und bin fest erfreut. Wär' nur der Trautenwolf,« setzte er ein wenig spottsam bei, »auch schon so guten Mutes! He, hat er sein Geld für das Gemäl schon? Wieviel verlangte er denn?«

Sagte Christoph: »Gar nichts – dem Sankt Wolfgang zu Ehren! Das ließ ich nicht gelten. Da meinte er, zehn Goldgulden verdiente er: Die gab ich ihm und gab ihm zehn dazu als Ehrensold.«

Lachte Herzog Wolfgang und rief: »Verzeih' mir's Gott, daß ich daherin so laut bin – zehn Goldgulden Ehrenlohn? Das sieht Euch gleich – da war's Euch wieder einmal, als sei Geld eitel Heu!«

Das Glasgemälde von Sankt Wolfgang.

Und Christoph: »Wohlan, seh' mir's gleich – Euch wohl nicht! Deshalb trug ich Fürsorge. Das heißt, ich gab ihm die Zehn drüber und dachte dabei: Halb Teil von mir aus – und halb Teil für meinen geizigen Bruder Wolfgang!«

Drauf Herzog Wolfgang: »Wetter, geht Ihr mich heut' scharf an und wollt mich in jeder Weise besiegen! Nun denn, etwan lass' ich mich einmal aufs Gleiche, zu Eurem Patron bittend, konterfeien und geb' dann dem Trautenwolf auch soviel Ehrensold –«

Sagte Christoph: »Ja etwan und einmal – auch Wetter! Da dürfte Sankt Christophorus lange Geduld han und der alte Trautenwolf nicht minder.«

Und recht hatte er. Der Trautenwolf ward immer älter, bis er endlich starb, und hatte er dann noch gar viel Schön und Heiliges für die Liebfrauenkirche und für sonst geschaffen – zum Gemäl mit Herzog Wolfgang im Flehen zum St. Christophorus war er nie gekommen.

* * *

Vom großen Reichstag zu Nürnberg.

Als man 1487 zählte, schrieb Kaiser Friedrich den großen Reichstag gen Nürnberg aus, von dem ihr früherhin vernommen habt, als Christoph von Ungarn heimzog. Es war aber dem Kaiser zumeist um Hilfe gegen die Ungarn und ihren König Matthias zu tun – der lag vor Neustadt.

Nun ist seines Ortes Bericht, wie die ungarische Angelegenheit geschlichtet ward. Weil aber Herzog Christoph auch auf dem Reichstage zu Nürnberg war, möchtet ihr wohl wissen, was weniges oder viel sich zugetragen und wie die ganze Sache beschaffen.

Auf Okuli war der Tag ausgeschrieben, der Kaiser aber langte am siebten Februarii zu Nürnberg an. Zwei des Rates, Herr Gabriel Nützel und Sebald Rieter begrüßten ihn schon zu Eschenbach, näher zu wieder andere zwei, die hießen Ruprecht Haller und Niklas Groß, und als er einritt, hielten wieder ihrer sechse einen güldenen Himmel über ihm und auf der Burg stieg er nach allem weiteren Empfang ab.

Nach wenigen oder mehr Tagen kam ein Kurfürst um den anderen an und brachte jeder eine ganze Schar Grafen und Herren mit sich. Herzog Albrecht zu Sachsen, die Markgrafen Siegmund und Friedrich zu Brandenburg ritten auch mit großem Gefolge ein und so noch viele Fürsten, Bischöfe oder ihre Abgesandte, die der Städte desgleichen und Reisige in Unzahl.

Die Kurfürsten und der Bischof von Bamberg wurden alsbald mit Wein und Fischen beschenkt, und daß der Kaiser nicht leer ausging, denkt wohl jeder. Der war in vieler Art gnädig, und als die Nürnberger baten, daß die fremden Soldknechte keine Waffen tragen sollten, sagte er sogleich ja, denn es war um der Händel wegen und je weniger, desto lieber war es ihm.

Nächst ließ er auf dem runden Turme vor der Feste ein qroßmächtig zinnernes Horn legen, »so gleich ainer Orgelpfeif mit dem fues treten ward, da das sodann fast laut brummete, das mans über die ganz statt nürenberg wol hören kunnt. Vnd wurd desselben horens auf tag vnd nacht von etlich Wächtern gepfleget, da sie dann, all so lang der Richstag wäret, di stunden damit ausblaseten.«

Zum erstenmal saß der Reichstag im Rathaussaal. Weil aber der Kaiser merkte, daß die Herren nicht zurechtkamen, ließ er sie an Sankt-Petri-und-Pauli-Abend auf die Feste kommen und nahm jedweden einzeln vor. Also bracht' er's zuwege, daß sie ihm 150&nbsp;000 fl. Reichshilfe genehmigten. Damit sollten Völker geworben und vor Neustadt gegen den Matthias geführt werden, und den Herzog Albrecht von Sachsen verordnete er zum Feldherrn. Das war nun ganz gut und die 150&nbsp;000 fl. lauteten auch ganz schön, wenn sie nur schon herin gewesen wären. Aber »selb Richsgelder, anwerbung vnd sämtlicher Veldzug vorzogen sich in so lang, allbis die zeit versaumbt was, vnd ganz Neustatt an kunig mathias verloren ginge«. Drauf ward traktiert auf Frieden und sollten dem Matthias seine Kriegskosten erstattet werden. Solang sollte er das Land innehalten, dann aber von dannen zieh'n.

Mittlerweil' nun Kaiser Friedrich mit den Reichsgeschäften zu tun hatte, gefiel es ihm in Nürnberg ganz wohl und tat Verschiedenes.

» Item an 17. Aprilis ging kayser fridrich kirchfarten. Da er dann von der vestn zu st. Egidien ins kloster kam vnd in das new spital, selb er jedwedn krankn mit sain aign kayserlichen hand ein fünfer schilling gabe. Ging dann in st. laurenzen's kirchen, fürders in st. Jacob's spitl vnd zuruck in s. sebald's kirchn vnd von da ginge er ins prediger kloster, letzt wieder auf die vestn vnd zu sein kaiserlich hofläger.

»Weil er dann über vil ding fast vnmutig was vnd seim zeitvertreib nachsann, erlies er an ein rate der statt nürnberg, es sollten alle kinder mit kreuzfart in den stattgrabn hinderm schlosz komen. Da dann viel meng kinder daher zugen, deß sich der kayser viel letzet, ganz genaigt mit ine sprach vnd aus sunderlicher verordnung jedem kind ain gebacken lebküchlein zustelln liess, diemal ainem selbs darreichte. Vnd heißt selber Ort, wo das gescheen von da der kayser, das dann woll auch fürder so bleiben wirdet.

Auf das hett der kayser wieder an ain rat der statt begert, der schüler halbn, auf frohnleichnamstag. Da sie dann an die 600 mit ihren schulmaistern vnd mönch vnd weltlich geistliche an die 300, die Kartauser vnd die Nonnen aber nit, auf st. sebald's kirchhof sich sambleten, von da, an dem pfarhof vorbei veber den platnmarkt zum herrnmarkt hinab, dann an dem schön brunnen vorbei zur vnser lieb Frawenkirch vmb den ganzen markt gangen seind, weiters durch die waggaß vnd den weinmarkt vnd in st. sebald kirchn zuruck. Da dann der kayser die prozession aus des sebald Rieter behausung am markt zugesehn. Vnd hat der rat die zeit veber ihn das Tuch vnd kirschener haus 200 gerüstet burger geleget.

» Item am 23. Aprilis belehnete der kayser den churfürstn friedrich zu Sachsen vnd am 2. May churfürstn Johannsen, auch Friedrich vnd Sigmundn Marggraven zu brandenburg. Selbe belehnunge fanden auf offenem markt statt in mitten des Rieter hauses obgenannt. Da was ein lehentron aufgebawet vnd ain rennban zugericht, davon die churfürstn vnd marggrafn an den lehenstuhl reiten kunten. Da saß der kayser in sein ornat vnd belehnet den von sachsn mit 13, die andern drei mit 10 ihrer lande fähnlein, so sammtlich vnters volk geworfen wurden. Vm den kayser saßn die andere schon belehnet churfürsten in irn churhabit.

» Item die zwo marggravn zu Brandenburg hetten 700 pfert, Derselben riten erstlich 200 zu zwomaled vmb den markt, dann hinterm rathaus hinauf durch die tuchscherergassn vnd den herrnmarkt darnieder, alsdann aber seind sie mit denen andern samt 700 in gueter ordnung auf dem selbn weg herumgerennt.

»Vnd da das Alles geschah, hieltn die zunft der platner oder harneschmacher ze nürenberg auf eins rats gesuch Wach beim lehenstron, solche ehr fast groß was, vnd seind derselben bei 90 wolgerüstet platner zu beed seiten des kayser lehenstuels gestanden.

» Item der Rat nebenst der stätt abgesandtn stunden auf dem Heilhumstuhl, so auf dem fischmarkt am schwäbischen haws stat.

»Das genannt der Rieter behawsung anbelangend, ist der brauch, da wird ain tür ausbrochen, daraus der kayser vnd die churfürstn zue dem lehentron komen, davor sie in des rieters kapellen ir ornat vel Pontificalia umgelegt. Vnd dafür das geschiecht, haben die Rieterischen ein herkomens recht, dem new belehneten die erste bitt in ain irer angelegenheit ze tun.

» Item am 3. Junii gaben beede chur- vnd fürsten zu sachsen ain gastmal. Das was geben in des Retzel's behawsung auf st. egidien's hof, vnd waren dazue samtlich anwesende fürsten, mer die alte burgermeistere der statt, auch etzlich erbare Frawen geladen. Was das ganze bei 20 essen, vnd hielten darnach ainen Danz, darbei lies sich herzog christoff zu ain schönen ungarischem Danz herzu, als er mit der Tetzlin danzte.

»Und auf die drei Wochen hiernach was wieder ain banket, das hieltn Friedrich vnd Sigmund, marggrafen zu brandenburg in des Topler's garten zu wört. Da warn 9 taflen zugericht in 3 zelt. Da sassen an der tafl im ersten zelt der churfürst von Maynz, bernhardein von Polheim, des röm. kunigs botschafter, vnd saß bei Ine herzog christoff aus bayrn.

»Vnd saßn an andern 15 tischen viel geladne graven, herrn, ritter, die alten burgermeistere vnd bei 60 erbar Frawen von nürenberg. Bei dem banket seind wie zum ersten 20 speisn gewesn. Vnd vor dem mahl rennten ir viere vor dem Frawenzimer vnd wieder vier nach dem mahl, die warn in rot gekleidt. Von denen brach der ain ein bein, der was ein rosenberger. Nächst ward zu abends ain sunnwendfewr anzündet vnd darumb gedanzt. Es hat ain rat ze nürnberg auch zue der fürsten kurzweil ein armprostschießn geordnet vnd ain glückshavn, da künnt für 4 pfennig auf ain zettel das best zwanzig guldin gewonnen werdn.

» Item es was da zu nürenberg conradus Celtes, ain fränkischer von Sweinfurth, so überaus gelahrt vnd ain gewaltiger poet was, demselben berühmte churfürst friedrich von Sachsen so fast, daß Ine der Kayser ersten tag mayens auf die vestn berufte. Da er dan demselben mit aigen kayserlicher handt ain lorbeernkranz aufsetzet vnd Ine zu ersten poeten unter alln deutschen krönete. Vnd hat dieser conradus Celtes, inzwischen seins aufenthalts ze Nürenberg in fürtrefflicher weis all der statt gelegenheit, herkomen vnd denkwürdig ding aller gestalt beschrieben.

» Item es hat sich da zugetragn, daß ain kayserlicher sein roß vor dem tiergärtnerthor tumlet, das sich dann scharf spreinzet vnd setz machet. Drüber stürzt es über die maur vnd in den stattgrabn, daselbst es wol aufspringet, aber am andern tag war es tot, der reuter aber ist wol vnd frisch darvonkomen.

» Item ist zu merken, es was viel stehlns und einbrechens in herbergen, sunder auch in almosenstöck in denen klöstern vnd kirchn. Da seind vil vebeltäter ze haft komen vnd etwelche hart bestraft worden, viel Ir seind von den fürsten losgebetn wordn.

»Vnd es was auf dem reichstag zu nürenberg, da was die erst sprach vom schwäbischen Pund vnd erließ kayser friedrich ein schreyben an die zu augspurg in der sach des fürnehmenden punds halbn. Vnd auf 17. Decembris ist kayser friedrich hinwieder von nürenberg in ein wagen gereist, seines wegs gen swabach, da Ime ruprecht Haller vnd niklas Groß, beed vörderst des rats vnd Losungere bis in gostenhofer vorstatt Glait gabn, es hat aber der kayser weiters Glait nit wölln annemen, vnd die zwo niklas Groland vnd ulman Stromer in die statt zurückgeschickt, so Ine beede bis in sein erstes nachtlager glaitten wölltn.«

* * *

Der Graf von Schwarzburg.

Als Herzog Christoph auf genanntem Reichstage zu Nürnberg war und sich Herzog Albrecht von Sachsen mit etlichen hundert Reisigen gegen Neustadt aufmachte, in Erwartung, das große Kriegsvolk um die bewilligten 150&nbsp;000 fl. sollte bald angeworben werden und folgen, machte sich ersterer vor allem auf. Es kamen aber alle, wie bekannt, zu spät, weil sich Neustadt ergeben hatte und der Kaiser Friedensunterhandlungen pflog. Denen Zufolge sollte vier Monate Waffenstillstand sein und also der Matthias im Besitze des Eroberten bleiben, bis ihm die bewußten Kriegskosten erstattet seien.

Obschon nun jeder sich sagte, die paar hundert Knechte seien zu nichts, ward doch Herzog Christoph hoch angeschlagen.

Es befand sich aber der junge Graf Balthasar von Schwarzburg zu Nürnberg. Derselbe war ein spöttischer, hochprahlender Herr und auf Christoph nie gut zu sprechen. Diesmal spottete er über sein Drängen, mit wieviel oder wenig Reisigen aufzubrechen und sagte: »Herzog Christoph hole sich so wenig Lob und Ruhmes, daß er sich nimmer auf den Reichstag zurückwage. Er für sich aber bleibe hier, lasse sich wohl sein und das halte er für klüger.«

Als Herzog Christoph solches hörte, ward er billig entrüstet und hielt dem Grafen seine kecke Rede vor. Drüber kamen sie in heftigen Streit, so daß sich der Rat ins Mittel legen mußte. Auf dies gab Herzog Christoph in einigem nach und sagte: »Wohlan, gelehrt, wohlweise Herren, ich will euch den Reichstagsfrieden nit stören. Also bin ich euch zu Willen und hab' das Meine getan. Nun aber seht zu, daß der Graf auch das Seine tut und mit dem Bleiben Wort hält, so ich etwa doch wiederkehr'! Dann werden wir euch den Frieden mehr nicht brechen, denn jetzt – mein Schwert sollt ihr mir deshalb doch nicht wehren, das merkt euch, denn mir ist ganz wohl bewußt, wo der Ort zum Kampf ist und die Straß' auf Fürth geht. Dahin mag er mir dann folgen und seinen Lohn davon tragen, dafür bin ich euch gut!

Ritt hierauf mit Herzog Albrecht von Sachsen und den paar hundert Reisigen davon, der Graf von Schwarzburg blieb zu Nürnberg, ließ sich ganz wohl sein und war in keiner Weise besorgt. Auch ritt er eines Tages hinaus auf den alten Kampfplatz und sagte spöttisch: »Herzog Christoph sollte ihm wenig anhaben und wär' er nur da, so möcht er das alsogleich beweisen.« Drauf ritt er wieder gen Nürnberg, ließ sein Roß gewaltige Sprünge machen und benahm sich im ganzen, als wäre er ein ganzer Mann und kein kleiner Held.

So floß einige Zeit dahin, bis die Kunde von der Übergabe Neustadts eintraf. Da ward dem Herrn Balthasar von Schwarzburg zusehends weit weniger wohl zumute, denn kurz vorher. Als aber die Nachricht eintraf, Herzog Christoph komme wieder gen Nürnberg gezogen, währte es nicht zwei Tage, so verlangte ein reitender Bote nachts am Stadttor Einlaß, sprengte an des Schwarzburgers Herberge und meldete ihm, sein Bruder liege auf den Tod darnieder. Am Morgen war der Graf äußerst niedergeschlagen über diese Nachricht, hinwieder schien er aber sehr ergrimmt, daß er den Herzog Christoph nicht abwarten könne. Harrte darauf noch bis abends um die fünfte Stunde, weil er glaubte, daß der Christoph erst den nächsten Tag eintreffe. Es scheint ihm aber urplötzlich ein anderes Licht aufgegangen zu sein. Denn mit einemmal ließ er sein Roß satteln, ritt unter lautem Unmut vergeblich gewartet zu haben zum einen Tore hinaus – und kaum war er zu dem Tore hinaus, ritt Herzog Christoph beim anderen zu Nürnberg ein und alsogleich auf des Schwarzburgers Herberge zu.

»Wo ist er?« fragte er.

Da hieß es, er sei von dannen und war dem Herzog ein Schreiben eingehändigt. Drin stand:

»Weil wir dann wol erkennen, Ir maintet etwan, hertzog, Wir seien aus anderer vrsach von dannen, so ist dem keineswegs so. Vielmehr Vnser brueder am sterben liegen sol. Ob sodann selbiger Vnser brueder zu gesund gelanget oder stirbet, mögen Wir Euch wol beweisen, das Vns in keiner weis vor ein Zweikampf bangete. Item so macht Euch bereit, vnd alsbald Ir botschaft von Vns habt, wie sich Vnsers brueders angelegenheit verhalt, seind wir Vnsern theils hinter der kundschaft her vnd laßen Ew länger nit warten, dann zwo täg. Da wöllen wir Euch dann wol Vnsere kraft erzeigen, deß seind Wir vor der Welt jeder zait erbötig vnd wol berümbt. Datum Nürnberg.

Balthasar,
Graf ze Schwarzburg der jünger.«

Als Herzog Christoph das Schreiben gelesen hatte, lächelte er und sagte: »Da mag ich wohl lange harren, denn mit Worten ficht er zwar gut und einem Zaunjunker mag er ankommen, aber wo's Ernst gilt, sucht er das Weite. Im Lügen aber wirft er jeden in den Sand, denn ehegestern hab' ich seinen Bruder mit eigenen Augen gesehen. Der war gesund wie ein Fischlein im Brunnwasser.«

Über das lachten alle ringsum, und was Christoph sagte, traf wohl ein. Denn wär' er hundert Jahr' alt geworden, es kam nimmer Botschaft, ob des Schwarzburgers Bruder gesund oder tot sei.

* * *

Die Weilheimer Rebellion.

Daß die zu Weilheim mehr' Sonderliches verübten, will fest behauptet werden. Etwan, daß sie seinerzeit ein Öchslein auf den Turm zogen, drauf Gras wuchs – daß sie beim Rathause die Stiege vergaßen, soll auch wahr sein und nicht minder, daß sie das Gebäu an einen anderen Ort hinschieben wollten und glaubten, es sei gelungen, weil das Tuch nicht mehr zu sehen war, das sie als Ziel hingelegt hatten.

Das hatte aber einer entführt.

Nun gibt's von anderen Städten solcher Dinge genug zu sagen und zu erzählen. Aber wie's kömmt, die ehrsamen Weilheimer mußten stets und zumeist herhalten. Das ist Gott keineswegs gefällig gewesen. Denn sie handelten in bester Absicht, waren weiters zu jederzeit klug, fürsichtig, fromm und tapfer – und sonderlich trugen sie gerechten Ehrgeiz im Herzen. Dagegen kann keiner aufstehen. Und wenn sie sonderlich gerne für reich galten, hat wieder kein Mensch dagegen zu streiten – – ob sie auch einst dafür neunhundert Goldgulden zahlen mußten.

Das war aber so:

Mittlerweil' Herzog Christoph zu Pähl saß, kam er von seiner alten Gewohnheit nicht ab, daß er allerorten seine milde Hand auftat. Drüber ging ihm dann das Geld aus. Nun hatten die Weilheimer zwar sichere Steuern zu erlegen, aber die reichten gar oft nicht hin. Wenn demnach Not an Mann ging, ließ Herzog Christoph den Bürgermeister herüber kommen, eröffnete ihm, was er Gutes vorhabe, dazu ihm das Geld fehle, und da traf es dann öfters zu, daß die Weilheimer zahlen mußten, wenn sie auch nichts schuldig waren. Weil nun die Sache stets guten Verlauf genommen hatte und einmal die Zeit drängte, dachte Herzog Christoph, es bedürfe der Anfrage beim Bürgermeister nicht, sondern ließ kurzweg dreihundert Goldgulden ausschreiben und den Zettel ans Rathaus heften. Da waren aber die Weilheimer just übelgelaunt, sämtliche Gemüter gerieten in Feuer und Flammen, es entstand großes Gemurmel mit unterschiedlichem Geschrei, auch sonderliche Zusammenrottung und weiters gewaltiger Auflauf und wenig fehlte, so hätte man die Sturmglocke geläutet – männiglich aber sagte: »Der Zettel sei ein Befehl und eine offene Gewalttat und des verlangten Geldes zuviel.«

Da geriet der Bürgermeister in Angst, denn es ward ihm alles früheren wegen die Schuld aufgebürdet. Er versprach, sein Bestes anzuwenden, ließ sein Rößlein zäumen, ritt zu Weilheim aus und trabte scharf auf Pähl zu. Wie er da hoch auf dem Berg angelangt war, trat er vor Herzog Christoph. Der meinte, er bringe das Geld mit sich. Da zeigte sich aber nichts, vielmehr bewies sich der Bürgermeister als rechter Mann, redete auf das beweglichste und tapferste und sagte: »Die zu Weilheim ließen sich einmal kein unpflichtiges Geld abfordern, zumal nicht soviel, und alljetzt sei zu Weilheim Rebellion.«

Sagte Herzog Christoph: »Das soll nicht sein und will mich doch selber einfinden, denn mich bedünkt, sie haben den Zettel unrecht ausgelegt.« Drauf ließ er satteln und zäumen und auf dies ritten sie selbzweit vom Schloßberg herab und weiter – er und der Bürgermeister.

Wie nun die Weilheimer sahen, daß der Herzog Christoph in eigener Person daher komme, rechneten sie es dem Bürgermeister hoch an, schlugen ihm, nebst günstigem Wort, auf sein Rößlein, versahen sich des besten und drängte sich alles mit bis zum Rathaus. Dort ritt Herzog Christoph an die Wand, dran der Zettel hing, den las er, schüttelte das Haupt, als sehe er, wo's etwa gefehlt sei und sagte dann laut, so daß es jeder vernehmen konnte, aber weiters ganz freundsam' und heiteren Antlitzes: »Guten Tag, ihr da zu Weilheim! Macht schier großen Rumor, als ob euch was angetan wär'! Also weshalb so? Mich bedünkt, ihr meint, es sei da Zwang und Gewalt im Spiele?«

»Das ist's auch!« fiel's von allen Seiten ein.

»So?« entgegnete Herzog Christoph. »Ich sag' euch aber, dem ist nicht so!«

»Aber da steht's ja geschrieben, hoher Herr!« fiel der Bürgermeister äußerst mutig ein. »Ihr habt die Steuerpflichtigen benannt, jedem seinen Teil zugelegt und all das insämtlich tut dreihundert Goldgulden – dafür, habt Ihr hie schreiben lassen, seien Euch diejenigen wohl gut daß sie's entrichten. Das heißt aber anderes nichts, denn dies: So sie das Geld nicht entrichten, verfallen sie zu Haft oder anderen Pön.«

Drauf sah der Bürgermeister ganz siegreich umher und ein großes Beifallsgemurmel erfolgte.

Das ließ Herzog Christoph vergehen, dann lächelte er anmutig spottsam und sagte: »Nun versteh' ich euch zuletzt! Ei wohl, Weilheimer, was habt ihr sonst scharfen Sinn und all übereins schießt ihr ins Blaue?! Hie steht wohl geschrieben: ›Die sind mir gut, daß sie's entrichten!‹ Das will aber nicht heißen, daß ich sie zwing' – vielmehr, daß ich sie für wohlhäbig halte und mir wohl zugetan, also daß es ihnen ein kleines sein möchte, aus freiem Willen zu steuern und freundlichen Dank zu gewinnen.«

»Aus freiem Willen –?!« erscholl es von Mund zu Mund.

»Ja, aus freiem Willen«, rief der Bürgermeister. »So hat der Herr Herzog gesagt – und daß er jedweden für so reich halte, daß ihn die Last der Steuer keineswegs bedrücke! Das müßt Ihr wohl erfassen und bedenken! Denn selb' dies alles könnte der Angelegenheit ganz verschiedene Wendung geben, anders sich der hohe Herr durch geschehene, falsche Interpretation vel Auslegung des Steueraufrufs-Zettuls etwan gar auf ein Empfindliches verletzt fühlen dürfte!«

»Ei, das kömmt mir nicht zu Sinn,« sagte Herzog Christoph, »obschon mir selb' euere Zusammenrottierung und Rumoren zum besten nit gefällt. Denn freien Willen habt ihr – und wer nichts hat, dem könnt' ich mit Gewalt nichts nehmen! Demnach sind wir bald beschieden. Ich will einem richtigen Klösterlein aufhelfen, dem hat der Wetterschlag viel Schaden getan und mehr anderes. Wollt ihr zahlen, zahl' ich wieder – habt ihr nichts, hab ich desgleichen nichts. Damit bescheid' ich offen des Klösterleins Bitten und der anderen. Und damit Gott befohlen, ihr Weilheimer, allzeit ist gute Freundschaft unter uns!«

Dazu entbot er guten Gruß und wollte von dannen reiten.

Den Weilheimern aber war's, als wären ihnen Schuppen von den Augen gefallen. Traten auch sogleich etliche vor und sagte der eine: »Das sei ferne von uns, daß wir für arm gelten möchten! Erkennen weiters ganz wohl, daß wir Euch unrecht ganz und gar angetan haben. Als wir dann reden und sprechen, gleichwie aus einem Munde: Uns ficht dasselbe Geld nimmer an und weil Ihr meinen könntet, wir hätten kein Geld – wollt Ihr, so wird Euch das dreifache zuteil!«

Darüber entstand ein frohes Gemurmel und das wuchs und wuchs bis in ein Geschrei und jeder wollte zur Stelle heim und seinen Teil erlegen.

Wie Herzog Christoph solchen Eifer sah, bot er ab und sprach: »Viel Dank, das freut mich wohl zu seh'n und zu vernehmen und will nicht nein sagen. Schickt sich's dereinst, daß ich der Steuer nicht bedürfte, mag ich sie etliche Zeitlang nicht erheben. Dann habt ihr euer Geld zurück. Vorerst richten wir's so und sag' ich: Ihr wollt mir neunhundert Goldgulden erlegen. Das könnt' euch dennoch weh tun. Demnach begnüg' ich mich mit sechshundert. Die anderen drei erlegt ihr mir zur nächsten Steuer – und weil's vergnügsamer ist nicht einzufordern, so verseh' ich mich, daß ihr mir selber zusprecht. Das tut ihr dann anderes nicht, denn ich. Hab' ich den Säckel voll, so harr' ich vielen Bittens und Mahnens nimmer. Vielmehr komm ich selbst und spreche: Ihr bedürft's – ich hab's – also da ist's!«

Über diese Worte zerfloß den Weilheimern ihr Herz, denn sie wußten gar gut, daß die Worte wahr seien. Der Herzog Christoph aber ritt heim gen Pähl und bis weit hinaus hatte er freudiges Geleit.

Also hatte die Weilheimer Rebellion ein glückliches Ende gewonnen, die sechshundert Goldgulden waren am selben Tage beisammen, die dreihundert trafen seinerzeit desgleichen auf Schloß Pähl ein, der Bürgermeister stand für bewiesenen Mut all sein Leben und nach seinem Tod in großen Ehren – und die Weilheimer hatten ihrer Wohlhäbigkeit Ruhm gerettet.

Ob aber Herzog Christoph in einem Jahre die Steuern erlassen, davon verlautet nichts. Ist gleichwohl einmal sicher geschehen.

Ward eben nichts verzeichnet und aufgeschrieben – und wem –? wer weiß, wo die Urkund' geblieben!

* * *

Jude und Christ.

Mittlerweil' Herzog Christoph zu Schongau lebte, hörte er von zwei Wucherern. Von denen war der eine ein Jude, namens Aaron, der andere aber war ein Christ und hieß Petrus Großwein. Es wurde beiden der Prozeß gemacht, und weil sie beide gleichauf gefehlt hatten, wurde ihnen gleiche Strafe zuerkannt – die war: Einhundert Goldgulden und zwei Monde Gefängnis.

Das wollten sich die zwei nicht gefallen lassen und beriefen sich auf des Herzogs weiteren Ausspruch.

Da nun der Amtmann kam und die Angelegenheit vorbrachte, sagte Herzog Christoph: »Die beiden haben ganz recht, daß sie an mich kommen. Denn der Aaron wird seinesteils um die Hälfte zu streng bestraft, der Großwein aber desgleichen zu mild.«

»Aber, hoher Herr,« sagte der Amtmann, »das versteh' ich nimmer. Haben sie doch auf gleiche Summa und in gleicher Weise gefrevelt, wie sollten sie dann verschieden bestraft werden?«

»Warum denn nicht?« entgegnete Christoph. »Eben weil sie gleich gefehlt haben, wird ihnen verschiedene Pön. Der Aaron ist ein Jude, hat's als solcher nicht fast zum besten, vor allem aber entbehrt er unserer göttlichen Lehre. Der Großwein hingegen ist wohl auf und in jeder Art geschützt, dabei ist er ein Christ und soll die Lehr' und christliches Gesetz wohl erkennen. So nun er tut, was betrüglich ein Jude tut, ist er mindest viermal schuldiger als jener.«

Wie der Amtmann das hörte, wußte er nichts dagegen zu sagen.

Der Jude Aaron wurde auf einen halben Mond in Haft gesetzt und mußte fünfzig Goldgulden zahlen, der Petrus Großwein aber ward auf zwo Monde gesetzt und mußt zweihundert Goldgulden Pön geben.

* * *

Etliche fromme Sprüche Herzog Christophs.

Was lieb es zu Blutenburg ist, will jeder anerkennen, der's nur einmal gesehen.

So nun Herzog Christoph dann und wann nach Blutenburg kam, ging er auch öfters in das Kirchlein, zumeist in Bank zur Rechten, gleich am Eintritt.

Da verrichtete er dann ein kürzer oder längeres Gebet, je nachdem ihm eben etwas auf dem Herzen lag. So oft er dann wieder hinausschritt, war ihm gar wohl zumute und froh, frisch und freudig ging er an jedes Unternehmen. Hie und da sprach er ein weniges mit den Bauern oder sonst den Leuten vom Schlößlein und davon verlautet ein und das andere, das hat einen guten Sinn für fromme Menschen.

Einst sah er einen Greis. Der war ein Bauer von Menzing und hieß Lorenz. Den sprach er an, fragte ihn um dies und jenes und dann: »Ob er ihm etwas Gutes erzeigen könne?«

Drauf sagte der Lorenz: »O, hoher Herr, besser könnt Ihr mir nichts erweisen, als Ihr mir schon erwiesen habt!«

»Wie das?« fragte Christoph. »Ich weiß von nichts!«

Da erzählte ihm jener, sein Sohn sei auf viele Irrwege geraten, habe Kirche und Gebet gemieden und sei mit jedem Tage dem Bösen mehr verfallen. Vor etlicher Zeit sei er nach Blutenburg hereingekommen, habe ihn, den Christoph, in die Kirche treten gesehen und sei ihm spöttisch nachgegangen. Da sei aber sein Herz von heiligem Empfinden betroffen worden, seit langem hab' er zum erstenmal wieder gebetet und nun sei er auf dem besten Pfad – an dem allen sei Christophs Beispiel schuld.

Darauf sagte Herzog Christoph: »Lieber, des freu' ich mich fast, was du mir da sagst. Nun seh' ich aufs neue, was Segen in gutem Beispiel und in wahrem Gebete liegt. Wär' ich nicht hineingegangen, wär' er nicht nach – und hätt' ich nicht ganz inbrünstig gebetet, wär' er sicher nicht zu besserem Empfinden gekommen. So aber einer von uns nur seine Hände faltet und mit seinen Gedanken nicht bei Gott weilt, da ist kein Segen für ihn und andere. Jedes Auge sieht's – und fühlt es jedes Herz, daß es leerer Trug sei – und statt, daß der Glaube und die Frömmigkeit wachse, erwächst vielmehr Zweifel und Spott und der ganzen, guten Sache kein Frommen!«

* * *

Ein andres Mal sah er die Schloß- Monika, ein frommes, altes Weiblein an der Kirchtüre stehen. Er erinnerte sich, daß heute Monika sei, griff in die Tasche und schenkte ihr zwölf schwarze Pfennige zu ihrem Namensfeste.

Über das viele und unverhoffte Geld war jene ganz glücklich und zumal darüber, daß der Herzog an ihres Namenstages Feier denke. Drum rief sie: »Christophel, du bist schon z'gut für die Welt, Gott ersetz' dir's tausendmal, daß du an die arme Monika denkst!«

Alt-Blutenburg.

Da lächelte Herzog Christoph, klopfte dem Mütterlein sanft auf die Schulter und sagte: »Mit nichten, ich bin keineswegs zu gut für die Welt und lange nicht gut genug für die künftige. Du aber bist stets fromm gewesen und recht zum Himmelreiche bereit. Also erwarten dich tausend Freuden des Himmels – mir aber vergeb' Gott den tausendsten Teil meiner Sünden!«

* * *

Nun Christoph wieder einmal aus dem Kirchlein schritt, traf sich's, daß der Schloß- Peter und etliche Bauern herumstanden, die gar heftig über eine Sache stritten. Da fragte er sie, um was es sich handle.

Sagte der erste: »Ja, siehst Christophl, selb ist halt so! Gelt, Guts soll einer tun – und offenes, gute Beispiel geben?«

»Also wohl«, gab Christoph zurück.

»Aber nachher heißt's wieder,« fuhr jener fort, »es soll da keiner großtun mit seiner Gab', ja, die Linke soll nichts wissen, wann die Rechte gibt. Wie geht dann dasselbe aufeinander?«

»Nun merk' auf, Petres!« sagte Christoph. »Die Angelegenheit ist ganz einfach. Gibst du insgeheim, so sag' es keinem weiter und mach' dich vor dir selbst nicht groß. Dann weiß die Linke nicht, was die Rechte gibt. Willst du aber offen ein gutes Beispiel geben, so gib du keck deine Gab'! Aber in aller innerlichen Demut. Schmähen sie dann in Bosheit und sagen, dich triebe irdische Eitelkeit und du tätst nur groß – das tut dir nichts, lass' sie reden – wenn's nur nicht so ist, wie sie sagen. Siehst du, Petres, da hast du dann gar drei gute christliche Taten auf einmal vollbracht! Fürs erste bist du mildtätig, fürs zweite gibst ein gutes Beispiel – und fürs dritte, tragst du für deine Handlung Verkennung, Hohn, Spott oder Verleumdung böser Menschen – wie voreinst unser Herr Jesu Christ


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