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XXIV.
König, Narr und Herzog.

Wie der deutsche König Maximilian zu Brügge in Gefangenschaft geriet.

Zur Zeit, da des Kaisers Sohn, Maximilian, schon deutscher König geworden war, erhoben sich die in Flandern und machten Rebellion.

Da rief Kaiser Friedrich alle Getreuen in deutschen Landen zur Hilfe, und sein Sohn, der König Maximilian, sollte den Aufruhr erdrücken.

Der stellte sich demnach an die Spitze der Seinen. Herzog Christoph und Wolfgang von Bayern säumten aber auch nicht und zogen mit den Ihren den Rhein hinab, um ihm beizustehen.

Als König Maximilian die zwei sah, zumal den Herzog Christoph, kamen sie ihm ganz erwünscht. Gab auch dem Wolfgang sogleich Auftrag, die Stadt Antorf oder Antwerpen zu besetzen, damit er mit den Östreichischen guten Paß habe. Den Christoph aber behielt er bei sich. So zogen sie längere Zeit miteinander fort gegen die Stadt Brügge, draus es die rebellischen Genter abzusehen schienen, gleichwie auf andere Städte und Burgen, in denen sich kaiserliche Besatzungen befanden.

Wie nun der König Maximilian stets weiter gen Brügge ritt, kamen ihm etliche aus der Stadt entgegen und versicherten ihn der ganzen Treue derselben, luden ihn auch ein, sie heimzusuchen.

Auf dies besprach sich Maximilian mit seinen Räten – des Königs Narr, Kunz von der Rosen, war aber auch dabei.

Wurde sofort hin und her beraten, zuletzt ging sämtlicher Räte Meinung dahin, der König sollte sich denen zu Brügge nicht anvertrauen. So er aber ihnen nicht glaube, möchte er erst Herzog Christophs Rat abwarten. Der lag schon vor Middelburg und hatte sich kurz vorher getrennt.

Wie trefflich aber der Räte Absicht und Meinung war, der König befolgte ihr Wort doch nicht.

Da zuckten alle die Schultern. Zumal Kunz von der Rosen; und so ernsthaft die Sache war, es hätten doch schier alle laut aufgelacht, weil der Kunz eine so drollige Gebärde machte.

»Also du bist auch gegen mich?« sagte König Maximilian.

»Das halt, wie du wilt,« antwortete Kunz von der Rosen, »was ich von dir halt', will ich weislich für mich behalten. Aber soviel will ich dir doch sagen. Ich seh' wohl, daß du deinen getreuen Räten nicht folgst – also sei du so klug und lass' dich narreteien, ich will so närrisch sein und mich nit mit dir fangen lassen. Heißt, ich will dir wohl das Geleit in die Stadt und bis zur Burg geben, aber mich alsobald zum Gentertor hinauspacken. Wenn du aber sehen und hören wirst, daß vor der Stadt die Dörfer und Lusthäuser brennen, so gedenke, daß dein närrischer Kunz solches verursacht habe.«

Sagte König Maximilian: »Kunz, ich sehe, daß du denen drin zu Brügge nichts Gutes zutraust – sie haben uns doch Treue versprochen.«

»Das glaub' ihnen der Teufel!« erwiderte Kunz von der Rosen. »Trau' wohl, ritt' mir das Pferd hinweg! Bleib' du bei deinem königlichen Glauben, ich bleib' bei meinem närrischen Mißtrauen!«

Drauf machte sich Maximilian auf und ritt durch das Kreuztor in die Stadt Brügge. Da ritt Kunz von der Rosen mit in die Stadt, hielt aber nicht an, sondern gleich wieder zum Tor nach Middelburg hinaus und zu Herzog Christoph ins Lager.

Damals zählte man 1488 und es war am 31. Jänner.

Mittlerweil' es so war, fielen dreitausend Genter über Stadt und Burg Cortryk her, drin Deutsche lagen, eroberten Stadt und Burg und jagten die Deutschen davon.

Das vernahm König Maximilian und machte sich mit den Seinen zu Brügge auf, den Gentern Stadt und Schloß wieder abzunehmen. Als er aber zum Tor hinauswollte, war das Fallgitter herabgelassen und das Tor selbst von städtischem Kriegsvolke besetzt. Auf des Königs Frage, was das bedeute, ward ihm die Antwort, es streiften etliche Scharen um die Stadt. Das bedeuchte ihm eine Lüge. Zugleich vernahm er, es rotteten sich sechzig Zünfte zusammen und sammelten sich auf dem Marktplatz. Alsbald erinnerte sich der König der Worte des Kunz von der Rosen, wollte aber doch nicht recht glauben, daß er verraten sei, und meinte, die Sache sei anders beschaffen und zu schlichten. Ritt demnach mutig unter die Bürger und dann auf die Schmiede zu, so das Gentertor besetzten, und fragte: »Was sie mit dem allen wollten?« Drauf erhoben alle ein furchtbares Geschrei und beschworen da mit ihrem Blute zu stehen.

Derzeit der König am Gentertor mit den Schmieden sprach, entspann sich auf dem Markt über ein Mißverständnis Lärmen, denn Graf Friedrich von Zollern hatte etlichen vom flanderischen Adel gewiesen, wie die Deutschen mit den Spießen ausfielen. Etliche Bürger aber meinten, es ginge ihnen ans Leben. Also rannten sie davon, die anderen nach, und als der König vom Gentertor zurückkam, waren die Seinen allein auf dem Markt und mit denen zog er zur Burg zurück und meinte, nun sei es etwan gewonnen.

Dem war aber nicht so.

Vielmehr richteten die von Brügge zweiundfünfzig Banner auf, mit denen zog alles Volk bewaffnet auf den Markt zurück, errichtete eine Wagenburg und schrie alles: »Der König sei gekommen, die Stadt zu plündern!«

Nächsten Tages zogen etliche Zünfte durch die Stadt. Die plünderten die königlichen Häuser, setzten den Stadtobristen und den Schultheiß ab und wählten statt derer zwei andere, Johannsen von Uytkerk und den Peter von Metonay.

Nun hatte der König schon vorerst mit dem Volke reden und fragen lassen, was es gegen ihn habe. Da ward ihm die Antwort: »Sie wollten ihn zum Herrn, aber er sollte ihnen die übergeben, so die Höchsten in den Ämtern wären und das Geld unter sich hätten.« Davon wollte der König nichts hören. Als nun der Uytkerk und Metonay selbst dem Volke Ruhe geboten, König Maximilian selbst auf den Markt ritt und alles Geschehene zu verzeihen versprach, bezeigten die Rebellen große Freude, stellten aber gleichwohl ihr voriges Verlangen.

Also ritt der König wieder in die Burg.

Nun wäre gleichwohl noch Hoffnung da gewesen, denn Herr Uytkerk und Metonay taten ihr Bestes. Was aber sein will, das geschieht.

Der Graf von Zollern hatte zwei Mohrinnen. Die hielten treu zu den Königlichen und glaubten ihr Bestes zu tun, so sie eine Lüge ersännen, um den Städtischen einen Schrecken einzujagen. Sagten demnach der Herbergswirtin: »Die Stadt werde alles in kurzem büßen, denn der Markgraf von Antorf komme mit großer Heeresmacht gezogen.« Das kam herum, bald erscholl die große Glocke, alles tobte und schrie durcheinander, das Banner von Flandern wurde aufgesteckt und in wütigem Gedräng' stürmte es auf des Königs Schoß zu. Das wollten die von Brügge erobern und den Maximilian nebst allen den Seinen ermorden. Dazu wär's auch sicher gekommen, so Herr Johannsen von Uytkerk nicht Mittel gemacht hätte. Also zogen die Aufrührer grollend von dannen auf den Markt, ihrer hundert blieben aber gleichwohl im Schloß und wollten des Königs höchste Beamte ermorden, fanden sie aber nicht. Nächst ward erforscht, wer die Nachricht verbreitet, bis man zuletzt auf die zwei Mohrinnen kam. Den beiden erging's nicht zum besten, denn die zu Brügge waren in großer Wut, und daß sie mit dem Leben aus der Stadt kamen, durften sie Gott preisen.

Nun sah doch jeder, das Gerücht sei eine Lüge gewesen, und hätte billig Grund zu weiterem Mißtrauen gegen ein gleiches gehabt. Das war aber wieder nicht so. Denn als folgenden Tages die von Gent heimlich ein Schreiben schickten, die zu Brügge sollten den König wohl verwahren, weil er entfliehen wolle, gerieten die Gemüter in neuen Aufruhr und wurde das ärgste beschlossen.

Es war um die sechste Abendstunde und König Maximilian saß noch an der Tafel, als etliche Kriegshauptleute und Adrian, der Schmiede Zunftmeister, daherkamen und ihn auf den Markt beriefen – denn das Volk wolle ihn sehen – beteuerten ihm auch sichere Rückkehr und ginge er nicht mit ihnen, sei er und die Seinen in Todesgefahr.

Da sie der König so inständig bitten sah, erhob er sich und folgte ihnen mit seinen Tischgenossen.

Auf dem Markte sprach er mit dem Volk und sagte: »Da sei eine neue Lüge über Brügge gekommen, denn er gedenke nicht zu entweichen, vielmehr zu bleiben und Gutes zu tun, soviel er vermöge.«

Auf dies war der eine Teil zufrieden. Der größere aber nicht, und als der König zur Burg zu kehren gedachte, ließ ihn die Menge nicht mehr fort und hieß es: »Er sei in der Burg nicht wohl beherbergt und versehen, sie wollten ihm ein besseres Hoflager anweisen.« Drängten auch sogleich auf ihn ein, nahmen ihn in die Mitte und führten ihn in eines Krämers Häuslein am äußersten Ende des Marktes. Selbes Häuslein hieß die Kranenburg, und darin ließen sie ihn nebst dem von Nassau und Anhalt, den beiden Polheim, weiters Georg Wolkenstein, dem von Bevern und etlichen anderen. Die alle, vom König bis zum niedersten, mußten die Nacht auf harten Bänken zubringen und ein großes Geschrei' und Getob' vor und in der Kranenburg anhören.

Die, so im Schloß geblieben, verkleideten sich mittlerweile und suchten sich zu verbergen und weiters zu entfliehen. Es kamen aber nicht alle davon.

Alsbald rückten die Genter in Menge gegen Brügge und meinten, man sollte sie einlassen und ihnen den König übergeben, daß sie ihn nach Gent brächten. Die von Brügge wollten aber nichts davon wissen, weil sie sich selbst mit ihm brüsteten, und ließen demnach nur acht Abgesandte und eine kleine Zahl Reisige ein. Diese wurden ganz festlich empfangen und bekamen den Ehrentrunk. Weil nun die Genter darauf wieder um des Königs Übergabe handelten und wieder nichts erzielten, taten ihnen die von Brügge einen anderen Gefallen. Vergitterten sofort die Kranenburg mit dicken Eisenstäben und schossen aus jeder Zunft acht Bewaffnete aus, so den König Tag und Nacht aufs schärfste bewachten und keinen Schritt von seiner Tür wichen.

Bald darauf stürmten eine Zahl Aufrührer in die Kranenburg, schrien von Befreiung und Verrat und durchsuchten alle Winkel, um Gewappnete zu finden. Weil sie aber keine fanden, rissen sie tobend etliche Waffen von der Wand, nahmen König Maximilians Jagdspieß mit und brachten ihn mit wildem Jauchzen auf den Markt. Die Genter hetzten mittlerweile, machten die von Brügge ganz toll, und selben Tages wurden alle Amtleute abgesetzt, unter Erzherzog Philipps und des Königs von Frankreich Namen neue gewählt, der König Maximilian aber ward des Regimentes verlustig erklärt.

Als den Gentern das gelungen, wuchs ihnen das Lüstlein noch mehr und hetzten stets ärger. Drauf überfielen die von Brügge etliche Freunde des Königs und warfen sie ins Gefängnis, den Kanzler Carondelet, Johann von Lannoy, den Abt von Sankt Bertin, den von Dutzell und von Willerthal, der war aus Burgund. Dabei gaben die Aufrührer vor, selbe Herren seien gutem Einvernehmen hinderlich, und boten dem König viertausend Pfund flämisch zum Sold für seine Diener und soviel für seine Leibwache an. Dafür dankte König Maximilian lächelnd und sagte: »Er bedürfe keines Geldes.« Auf dies entspann sich neues Getümmel auf dem Markt und übereins stürzte wieder eine Zahl in die Kranenburg, nahmen dem Könige vor seinen Augen die treuesten Freunde und Ratgeber hinweg und schleppten sie ins Gefängnis. Das hieß zum »Stein«. Nur zwei ließen sie ihm, den Grafen von Zollern und den Grafen Philipp von Nassau. Die sie aber entführten, waren die zwei von Polheim, der Wolkenstein, die von Mingovall und Lalein, Johann von Teschitz, des Königs Stallmeister, weiters Melchior von Maßmünster, Philipp Wette, Rainer von Maine und mehr andere. Den von Bevern führten sie in eine Herberg und verboten ihm bei Todesstrafe, seinen Fuß über die Schwelle zu setzen. Ließen ihn auch trefflich bewachen, so daß er nichts versuchen konnte. Dem Grafen von Zollern und dem Nassauer aber gelang es, in der Nacht zu entfliehen – die warfen Weiberkleider um und kamen früh morgens unerkannt zum Tor hinaus.

Was weiters den Beamten des Königs widerfuhr, zumal dem Wassergrafen Jan von Nieneve und den beiden Gisselin, und wie sie des Königs paar hundert Kriegsleute auf den Markt lockten und sie alle ermorden wollten, wie sie drauf des Königs Freunde den Gentern überlieferten, drauf sie diese auf drei Wägen fortführten,, als ging es zum Hochgerichte – das war ihnen alles nicht Trotz, Hohn und Verrates genug. Vielmehr gingen sie her und wagten dem Könige zu sagen: »Er sei in der Kranenburg nicht ganz sicher und ruhig und er sollte wieder ein anderes Losament bezieh'n.«

Wie in allem vorher, kann sich jeder denken, daß König Maximilian seiner Würde wohl eingedenk war und auch diesmal die rechten Worte sprach. Drob wurden etliche so ergriffen, daß sie in Tränen ausbrachen und auf den Markt zurückeilten, die Angelegenheit zu vermitteln.

Indem kam aber einer von Gent, des Namens Jan Copenol. Der war des Königs ärgster Feind, verkündete alle möglich gute Botschaft vonwegen des Friedens mit Frankreich, erklärte jeden Kaiserlichen für einen Feind, nannte den König einen Herzog von Österreich und dergleichen und zuletzt warf er goldene und silberne Münzen unter die von Brügge. Durch all dieses und weil er mit einer französischen Leibwache gezogen kam, da er doch früherhin nichts, denn ein Handwerker gewesen, erhitzte er die Menge, daß sie in lautes Jauchzen ausbrach, und die, so vom Könige kamen, wurden nicht mehr gehört. Das neue Gefängnis ward mit starken Eisenstäben befestigt, darauf gingen etliche von Gent und Brügge zum König und sagten keck, nun müsse er ihnen folgen.

Als er fragte, wohin? kam's heraus, es sei zu Philipps von Cleve Behausung nächst Sankt Jakob. Das war der einsamste Ort in der Stadt.

Wo die Gewalt zu groß ist und vieler anderer Leben auf dem Spiele, da muß einer weichen.

Also ließ sich der edle König herbei, der Pflichtvergessenen Verlangen zu erfüllen und folgte.

Dabei trug er ein seidenes Kleid von grüner Farbe und einen damastenen, braunen Überwurf, auf dem Haupte aber eine purpurfarbige Mütze von Seide. So schritt er zwischen allen Haufen der Bewaffneten hindurch in die Gezelte der Zunftmeister und verlangte drei Dinge. Die waren: »Sie sollten sich an ihm nicht vergreifen, ihn nicht an den König von Frankreich ausliefern und ihm eine Zahl seiner Diener gewähren, die ihm sein Nötiges besorgten.« Als ihm dies bewilligt war, stieg er zu Roß, das war mit güldenem Stück belegt, und ritt in seine neue Herberge. Dahin geleiteten ihn etliche wenige seiner Hofjunker, aber eine große Menge Volkes. Drauf wurde ihm eine Leibwache zugeordnet, die bestand aus Gentern, Bürgern von Brügge und von Ypern.

Also saß König Maximilian in des Cleve Haus und war seines Lebens nie sicher. Denn die Franzosen hetzten, die Genter auch, und hätten es beide Teile gern gesehen, daß der König umgebracht würde. Die Franzosen aber hatten noch etwas im Sinn, und so es mit des Königs Tod nichts werde, wünschten sie ihm doch viel schlimme Behandlung. Denn da sollte des Königs Maximilian fernab liegendes Heer Krieg anfangen, dabei die Niederlande ins Spiel kämen, so daß der König von Frankreich das Ganze einnähme. Denn an den Sieg glaubten sie sicher. Des Himmels Lenkung fügte es aber anders, und so König Maximilian auch gefangen war, es schien dennoch, als sei er frei. So mutig und mild zugleich bewies er sich und so eingedenk seiner Würde, daß ihn seine ärgsten Feinde wohl dem Leibe nach in Haft hielten, aber die Gewalt und Anmut seiner Majestät hielt ihre Seelen in Fesseln.

Also lehnte er einst am Fenster.

Da erblickte er geradeüber einen von Gent, der spannte seine Armbrust und wollte auf ihn anlegen. Er aber sah fest hinüber und dem Schurken von Gent ins Auge, so daß dieser solchen Blick nicht ertragen konnte, sondern die Armbrust erhob, den Pfeil in die Luft schoß und beschämt entfloh.

So entrann der König der großen Gefahr, weil er ihr so fest ins Antlitz geschaut.

* * *

Wie des Königs Maximilian Hofnarr, Kunz von der Rosen, auf seines Herrn Freiheit Bedacht nahm und wie sich der König dabei anließ.

Mittlerweil' nun König Maximilian zu Brügge gefangen saß, dachte er oft an des Hofnarren Spruch und wie er zur Wahrheit geworden sei.

Der Narr war aber so treu und edel, daß gar mancher von ihm lernen mag, und sobald er seines Herrn trauriges Schicksal vernahm, hatte er weiters keine Ruhe und Rast. Also sann er Tag und Nacht, wie er ihn befreien könnte.

Eines Tages, da sich der König noch im Schlosse befand, machte sich Kunz von der Rosen auf, nahm zwei Schwimmgürtel und ritt gen Brügge. Dort kam er nachts an, machte sich in den Schloßgraben hinab und wollte hinüberschwimmen. Darauf sollte sich der König herablassen, mit dem zweiten Gürtel über den Graben und aus der Stadt gelangen und auf dem Roß davoneilen, welches bereit stand.

Es ging aber dem treuen Narren nicht zum besten. Denn, wie die Schwäne voreinst zu München, in des Otto von Neumarkt Angelegenheit, so machten sie es zu Brügge bei Kunz von der Rosen. Der kam aber noch viel schlimmer weg, denn die Schwäne erhoben nicht allein ein mächtiges Geschrei, vielmehr schlugen sie mit den Flügeln gewaltig auf ihn los, also fehlte da wenig, so hätten sie des Kaisers lustigem Rat Arm und Bein zerschmettert und nichts, denn schleunige Flucht rettete ihn.

Demnach war dem Kunz sein Vorhaben mißlungen. Es sollte ihm aber sein zweites gleichfalls mißglücken – davon sollt ihr wohl hören.

Inzwischen nun derselbe Narr Kunz auf sein neues Wagestück sann, entspann sich der Krieg gar unter den flandrischen Städten selbst. Denn von diesen hielten es die einen mit den Aufrührern, die andern aber mit König Maximilian.

Nun hatte sich Herzog Wolfgang in Bälde trefflich bewährt und trieb die Feinde nicht wenig zu Paaren.

Herzog Christoph aber ging ihnen noch ganz anders zu Leib, und als es vor der Stadt Hulst zur Schlacht kam, erschlug er mit den Seinen so viel Genter, als ihm in den Weg traten. Das waren über die sechstausend, die Franzosen nicht mitgerechnet. Bei dieser Schlacht hatte aber des Kaisers Narr, der ein gar edler Kämpe war, auch mitgefochten und nicht wenige Genter und Französische totgeschlagen.

Auf dies zog Herzog Christoph unter Jubel des Volkes in die Stadt ein, den Empörern weitaus begann der Mut zu sinken und des Königs Freunde gaben sich freudiger Hoffnung hin.

Wer aber vor Ungeduld vergehen wollte, war Kunz von der Rosen.

Zuletzt ward er ganz zornig und sagte zum Herzog Christoph: »Was hilft's, daß ich und du, wir beede, die Genter totschlugen? Hätt's dabei sein Verbleiben, wär's fast eine Schande. Du bist doch nicht so stark, als sie sagen, daß du jetzt ruhest, und bist des Königs Freund nimmer so gut, als ich vermeinte!«

Drauf sagte Christoph: »Kunz, totschlagen heißt nit Krieg führen. Du hast aber zweimal in einem Atem gelogen. Denn ich bin weit stärker, als sie glauben, und mit dem König weit besser Freund, denn du, sein Narr.«

»Also hast du auch zweimal in einem Atem gelogen,« erwiderte Kunz von der Rosen, »denn wärst du so stark, hättest du die Brügger Tore längst zerschmettert und deinen Freund befreit.«

Sagte Christoph: »Die Tore wollte ich sicher zerschmettern. Wenn aber die zu Brügge den König ermorden, eh' ich zu des Cleve Haus komme, dann nützt ihm seine Freiheit nichts mehr, und du machst ihn mit all' deinen Späßen nimmer lebendig – also hab' Geduld, sie werden ihn bald freigeben.«

»Das währt mir zu lange!« sagte Kunz von der Rosen.

Sagte weiter nichts, lernte das Barbieren, und als er es konnte, ging er wieder zum Herzog Christoph und sprach: »Nun ist's dem König ergangen, wie dir, die Schwanen haben sich boshaft erzeigt. Dafür hab' ich einen besseren Weg ersonnen und will diesem meinem Schermesser und erlernter Kunst wohl Ehre machen, wie du deinem Schwert.«

»Was willst du denn tun?« fragte Christoph.

»Was eines ehrlichen Narren Pflicht ist«, gab der Kunz zurück. »Ich weiß zu meinem guten Herrn zu gelangen, so mir Gott einen Zweig steckt. Tut mein Herr, was ich verlange, so magst du jederzeit die Tore zerschmettern, denn sie bringen dann keinen deutschen König ums Leben, sondern nur einen armen, treuen Narren.«

Drauf verriet er jenem sein ganzes Vorhaben.

Da bot ihm Herzog Christoph seine Rechte und sprach: »O lieber Narr, das ist deine größte Narrheit und so groß, wie deine Tugend – der König wird nimmer Folge leisten.«

Kunz von der Rosen ließ sich aber nicht irren und machte sich auf den Weg gen Brügge.

Von dem allen hatte König Maximilian nicht die leiseste Ahnung und mehr nicht davon, wie es sonst stehe. Denn die zu Brügge hatten wohl acht, daß er nichts erfahren könne.

Während er nun eines Abends in des Cleve Haus in seinem Gefängnisse lehnte und über dies und das nachdachte, war sein Narr zu Brügge angelangt, hatte sich vorerst verkleidet und kam unerkannt in die Stadt. Schritt dann sogleich dem Franziskanerkloster zu, trat zuversichtlich in des Guardians Zelle, weil er wußte, wie der dem Maximilian ergeben sei, bat sich einen Klosterhabit aus, dazu einen Konventbruder und sagte: »Der sollte ihn zum König begleiten. Frage man an der Türe, wie und warum, so wolle er sagen, es gelte dem König den Bart zu scheren oder er wolle ihn beichthören. Je nachdem es träfe – für alle Fälle sollte ihm eine Glatze geschoren werden. Käm' er dann hinein, so sei der König gerettet. Denn der müsse seine Kutte anzieh'n und mit dem Konventbruder ins Kloster zurückkehren. Dann könne er von da verkleidet zur Stadt hinaus, wie er, der Narr, verkleidet herein gekommen sei.«

»Wo willst aber du bleiben, Narr? fragte der Guardian.

»Mit tausend Freuden, wo du nicht sein möchtest!« versetzte Kunz von der Rosen, »Ich bleib' im Gefängnis. Dann mögen sie mir vergelten, wie sie wollen. Auf einen Narren kommt's nicht an in der Welt, aber wohl auf einen so edlen König. Sie mögen mich martern oder totschlagen, so ich nur meinen Herrn gerettet weiß!«

Als der Guardian den edlen Entschluß vernahm, lobte er so viele Liebe und Treue, tat, was der Narr verlangt hatte, und trug für ein Schifflein Sorge. Das sollte am Graben bereit stehen, den König in der Nacht zur »Katharinenpforte« zu führen, wo er Pferde und Knechte fände.

In kurzem begaben sich Kunz von der Rosen und sein Gefährte zu des Königs Gefängnis. Da hielt sie der Hauptmann der Wache an und fragte, was sie wollten? Ließ sie aber gar ehrfurchtsvoll ein, als er von Beichthören und christlicher Tröstung hörte.

Wie nun König Maximilian die zwo Klosterbrüder eintreten sah, war er erst befremdet. Noch weit mehr aber, als er die Stimme seines Kunz von der Rosen erkannte, der ganz laut sagte, weil niemand in der Nähe war: »Sieh', nun find' ich dich da, mein frummer König! Daß dich potz Marter schänd'! Warum hast du mir nicht gefolgt, da ich dich gewarnt? Du hast dein Leben für nichts – nun hab' ich das meine für etwas Besseres gewagt – ich will dich mit Gottes Hilf' erledigen!«

Auf diese Worte war der König ganz bestürzt, weil er des treuen Narren Gefahr und Wagestück erwog.

Der aber fuhr fort: »Lieber Max, laß dich's nit befremden, du kennst ja deinen treuen Kunzen. Dem sollst du diesmal besser folgen. Da hab' ich mein Scherzeug, damit will ich dir die Haare schneiden. Das Handwerk hab' ich nur deinethalben gelernt. So sei befreit. Ich will auch meine Kleider mit dir tauschen und hier bleiben. Du aber sollst zum Mönch geschoren werden und in der Kutte durch die Wache kommen. Dann geh ins Kloster, der Guardian wird dir ein Schifflein und Rosse anzeigen. Dann bist du morgen um diese Zeit in Middelburg beim Herzog Christoph von Bayern. Also mach', daß du dich scheren lassest, ich hab mich beim Hauptmanne für deinen Beichtvater ausgegeben, blieb' ich zu lange, möchte mein Handel verdächtig erscheinen.«

Da wollte dem König selber Vorschlag nicht ganz bedünken, sagte aber noch nichts, sondern fragte: »Wie es im römischen Reich und zumeist um sein Kriegsvolk stehe?«

Sagte Kunz von der Rosen: »Es steht und geht allwohl. Denn Herzog Christoph von Bayern, die Grafen von Sonnenberg, Eberstein, der Nassauer, so in Weibskleidern entkommen ist, und ich selbander zu sechst han neulich mit wenig Volk über sechstausend Genter und Franzosen erschlagen und ihrer viele gefangen. Nun kommen der Graf von Zollern und der Herr zu Isselstein aus Brabant und bringen viertausend zu Fuß und dreihundert zu Roß. Dazu hat dein Vater, der Kaiser, das ganze Reich aufgeboten. Die alle wollen dich mit ganzer Gewalt erledigen. Auch hat der Papst den großen Bann und der Kaiser Acht und Aberacht über Gent, Brügge und Ypern ausgesprochen. Nun ist des Raubens und Brennens um Brügge kein Ende, auch hat der Herr von Ravenstein die zwo Schlösser samt dem Turm Burgund inne und läßt denen von Brügge auf dem Wasser nicht ein Fischlein zukommen. Das hilft dir aber alles nichts, denn so sie wütend werden in der Stadt, bringen sie dich um. Also hups dich und laß dich scheren!«

Fragte König Maximilian: »Du mein lieber Kunz, wo willst aber du und wo sollen unsere getreuen Räte bleiben?«

Drauf antwortete des Königs Narr: »Dafür darfst du nit sorgen. Nimm da nur meine Kutte, ich leg' deine Schaube an und stell' mich, als wann ich König Max wär'. Wann dich dann die von Brügge suchen und mich finden, so werden sie den Narren haben und der König wird ihnen entwischt sein.«

Da König Maximilian seines Narren Entschluß vernahm, standen ihm schier die Tränen in den Augen, und er dankte ihm von Herzen für seine Treue. Dann sagte er aber: »Entfliehen will ich nimmer und vergeblich ist jede Bitte. Denn vertrüg' sich's auch mit meiner Würde, die von Brügge haben mir ihr heilig Wort gegeben, nichts Arges gegen meine Person zu unternehmen.«

»Ei, so bist du des Glaubens übervoll!« rief Herr Kunz von der Rosen. »Ein Roß am Baren frißt sich satt, du aber nit an denen von Brügge. Haben sie dir nicht ihr erstes Wort gebrochen?«

»Wohl, wohl,« sagte der König, »ich aber brach das meine nie, und das hab' ich gegeben, also darf ich sonder derer von Brügge Wissen und Willen nicht aus der Stadt.«

Als Kunz von der Rosen seinen Herrn so sprechen hörte und kein Mittel anschlug, ward er überaus zornig und erwiderte: »Ha, du lieber König, ich seh' wohl, daß du so narrend bist, als du zuvor gewesen, da du mir nit folgen willst und ich die gefährliche Reis' umsonst getan hab'. Also behüt' dich Gott, du narrender König, dann du bist mindest zu frumm für die Fläminge!«

Drauf nahm er Abschied und ging weinend und betrübt zur Türe hinaus, so daß er nimmer ja sagen konnte, da ihm der König Gruß und Dank an Herzog Christoph auftrug, sondern nur mit dem Kopfe nickte.

So verließ er mit dem Klosterbruder das Gefängnis.

An der Türe fragte ihn der Hauptmann: »Wie er den König befunden und ob frumm?«

»Frumm und überfrumm!« sagte Kunz von der Rosen und seufzte. Dann ging er seiner Wege fürder ins Kloster und am frühen Morgen verließ er die Stadt Brügge.

* * *

Wie König Maximilian frei wird und mit den Herzogen Christoph und Wolfgang nach Land Bayern zieht.

Als nun Kunz von der Rosen wieder nach Middelburg zum Herzog Christoph kam und ihm meldete, wie sich der König verhalten, war jener keineswegs befremdet. Denn er hatte es dem Narren vorausgesagt. Der wollte aber vor Kummer vergehen, denn schier noch kein Diener liebte seinen Herrn so heiß, und Herzog Christoph hatte genug zu trösten.

Das tat er mit bestem Gewissen, denn er wußte, wie die Angelegenheit stehe, und versprach dem Kunz seines Herrn und Königs Errettung – drüber dürfe der Lenzmond nicht verrinnen.

Eines Abends ließ Herzog Christoph den Kunz vor sich kommen und sagte: »Kunz, nun sei guter Dinge, denn eh' acht Tage verstrichen, räche ich den König und uns alle an denen zu Brügge, wie es besser die ärgste Schadenfreude nit verlangte, denn sie werden sich selbst demütigen.« Drauf erzählte er ihm: »Er habe den Brüggern gedroht, ihrer und ihrer Weiber und Kinder nimmer zu schonen, sondern alle zu vernichten und ihre ganze Stadt in Flammen aufgehen zu lassen. Nun wisse er schon, daß sie in aller Art besorgt seien, der Empörung satt und müde, also sollten sie in Angst ihre Waffen wegwerfen, die sie in frechem Hochmut aufgenommen. Dabei werde alles Ziel und des Königs Freiheit erwirkt und dennoch soviel Blut erspart, sonderlich würden Weiber und Kinder, auch die schöne Stadt verschont.«

Drob war Kunz von der Rosen ganz glückselig, und wie Herzog Christoph gesagt, so traf's in kürzester Zeit ein.

Denn als zwei Tage darauf verhandelt und die Stadt Brügge aufs ernsteste gemahnt wurde, die Waffen niederzulegen, zogen ihrer siebzehntausend Bürger vom Markt ab, rannten in ihre Häuser und verkehrten ihre Rüstung mit Werkelrock und Schurzfell. Die Gesellen und so bis zum niedersten herab, die fremden Zulaufer desgleichen, alle die waren auf solches keineswegs gefaßt, denn die Genter hatten ihnen verführerisches Wort bis vor wenigen Stunden in Fülle angedeihen lassen und hatten sich jene besseren Ausgangs versehen. Da sie nun mit Vorwürfen über die Genter hereinbrachen, wehrten sich die, verhießen aufs neue alles Gute, nannten alles leere Drohung und wollten zur Gegenwehre hetzen.

Wer aber nicht mehr standhielt und Herzog Christophs Drohung und des Kaisers Heranzug mehr beachtete, denn der Genter Verheißungen, waren die Gesellen und ihre Spießgesellen zu Brügge. Wie die Wut vorher, so fuhr die Angst über sie her, und hatten sie die Waffen mit heißer Begierde aus Zeugstädeln und Rüstkammern entführt, mit weit größerer Begierde rannten sie nun auf den Markt, warfen alle Wehre übereinander und verliefen sich in ihre Werkstätten und Häuslein an den Mauern oder in die Schenken und gab einer dem anderen die Schuld des Geschehenen. Zuletzt ging's allerorten an den Gentern aus. Die durften sich nicht mehr blicken lassen.

Tags darauf wurde zwischen denen zu Brügge und dem König ein Vertrag geschlossen. Da sollten Stadt und König etliche Punkte beschwören - der aber sonderlich: »Der Stadt zu vergeben, sich selbst nicht zu rächen und, soviel möglich, keinem anderen zu gestatten, es für ihn zu tun.«

So wurde König Maximilian seiner Haft ledig und traf ein, was Herzog Christoph dem Narren Kunz versprochen hatte. Denn als der König aus des Cleve Haus und seinem Gefängnis trat, war erst der sechzehnte Tag des Lenzmondes. An dem Tage hatten die zu Brügge in ruhiger Gesinnung eine große Kirchfahrt angestellt. Das gefiel König Maximilian, und da er die große Menge Volkes sah, die erst durch etliche Bösewichte verführt, nun aber anders gesinnt war, lächelte er, hob die Hand auf und sagte laut und freudig: »Nun haben wir endlich wieder Frieden!« Als er auf den Markt kam, begab er sich nach der Kranenburg, wo sie ihn zuerst gefangen gehalten. Erst auf seinem Wege dahin fiel denen zu Brügge ein, daß die Schrift nicht verlöscht sei, die sie über die Türe geschrieben hatten, und suchten Mittel ihn von derselben Burg abzulenken. Er schritt aber bis dahin und las die Inschrift. Drin war die Jahreszahl seiner Haft eingeflochten und die Inschrift lautete so:

 

ReX non est hIc: eCCe LoCVs, Vbi
posVerVnt IpsVM.

 

Das gefiel ihm eben nicht am besten, aber dennoch verzieh er den Frevel auf der Stände Bitten und wandte sich wieder zum Markt. Auf dem war ein Gerüst aufgeschlagen. Darauf stand ein Altar und daneben ein köstlicher Thron.

Diesen bestieg der König und beschwor das Seine. Die von Flandern aber beschworen davor, was ihnen auferlegt war.

Hierauf begab sich der König in des Ravensteiners Haus, nahm mit ihrer dreien ein Mittagsmahl ein und über ein kurzes ritt er, von reuiger, großer Menge begleitet, zum »Heilig-Kreuz-Tore« dahin. Dort grüßte er sie noch großmütig und gnädig, dann ritt er frohen Herzens zur Stadt hinaus.

Als er vor das Tor kam, sah er einen mächtigen Zug Ritter vor vielen Reisigen. Die erhoben insgesamt ein großes Freudengeschrei und klirrten mit den Schwertern. An der Spitze von allen aber war Herzog Christoph von Bayern und des Kaisers getreuer Narr, Kunz von der Rosen.

Auf die zwei ritt der König zuvörderst hin, schüttelte dem Christoph die Hand und rief: »O edler, frummer Held, Euch zuvörderst verdank' ich mein Heil! Denn wär's nit gewesen, als daß Ihr die sechstausend Genter und Franzosen erschlugt, da möchte denen zu Brügge nimmer der Mut entfallen sein.« Grüßte dann mit der Hand und Zuruf alle anderen weithin, nächst wandte er sich zu Kunz von der Rosen, deutete auf ihn und rief, allen vernehmbar, indem er seinem Narren die Hand bot: »Seht, ihr Rittersleute und reisig Volk, wie der da vor Freuden weint! Ja, der ist mein viel getreuer, frumm tapferer Narr und auch mein wahrer Freund – und lange wenn wir selbander nimmer sind, wird seine Treue im Herzen der Menschen fortleben! Wohl wär' ich kürzere Zeit in Vänkniß gewesen, so ich seinen Rat befolgt hätte. Aber so ist's noch besser ergangen und für sechzehn statt zehn Wochen hab' ich des Fürsten und Ritters Ehre nun gänzlich gewahrt. Das sei dir aber kein Vorwurf, mein Kunz! Denn wie konntest du wissen, daß mir die Flucht mißfalle? Also sei fein lustig, mein lieber Narr, und wisch' dir die Tränen ab. Dein Herr ist wieder bei dir – und ihn bedünkt, zum zweitenmal soll ihn keiner mit Worten verführen. Also bitt' dir eine Gnade aus!«

»Also wohl,« rief Kunz von der Rosen, »so verlang' ich nichts, als daß du dieses dein gesprochen Wort auch haltest! Denn überfiel' dich die Narrheit zu großen Vertrauens wieder einmal, wär' sie weit größer, als die meine. Dann würde die meine vergessen, deine Narrheit aber lebte fort in den Herzen der Menschen, wann du und wir alle nimmer und nimmer sind!«

Über diese kühnen Worte lachten alle, lenkten in kurzem um und ritten freudig allmitsamt gen Middelburg.

Der König, der Narr und der Herzog ritten voraus.

* * *

Was weiter in Flandern geschah, dafür stand König Maximilian nicht. Denn er tat, wie er versprochen, sein Bestes. Aber sein Vater, der Kaiser, rückte an und wollte sein Schwert nicht umsonst gezogen haben, und der König hatte viel Müh', des Kaisers Zorn zu mildern.

Seinerzeit machte sich Maximilian auf, ritt mit Herzog Christoph und Wolfgang nach Land Bayern und an die Hofburg Alberti des Weisen, damit er seine Schwester heimsuchte, die schöne Kunigunde, und sonst einiges verhandle.

Da könnte keiner beschreiben, wie glückselig die Kunigunde war, als sie ihren Bruder erblickte, den sie vorher in Gefangenschaft wußte, und wie heiß sie dem Wolfgang, sonderlich aber dem Herzog Christoph dankte, der sich so gewaltig und klug erzeigt hatte, und den sie nun zum erstenmal wieder sah – seit dem Turniere zu Wien.

Gar bescheiden nahm da Herzog Christoph den Dank an und sagte: »Mir tut's wohl im Herzen, daß ich meine Pflicht erfüllte und mit frei offener Stirn vor Euch treten kann. Gebt doch dem Kunz auch seinen Lohn, denn er verdient ihn sicher!«

Sagte die Kunigunde: »Dessen will ich mich nit weigern. Mein lieber, ehrlicher Kunz, ich liebe dich für deine Treue und will dich nie vergessen.« Dazu bot sie ihm die Rechte.

Die küßte der Kunz und sagte: »Wann das, so ergeht's dir schier, wie mir. Ich lieb' dich auch für deine Treue und hab' dich nie vergessen, seit der Zeit ich dich als Kindlein auf meinen Armen trug – drüber sind zwei Dinge erwachsen.«

»Und was sind sie?« fragte Kunigunde.

»Ei, wie kannst du fragen!« antwortete Kunz von der Rosen. »Das eine ist, du erwuchsest in Jugend, Schönheit und Verstand – das andere aber trifft zu mir – ich erwuchs zu Alter, wilder Gestalt und Narrheit.«

»Aber warum wurdest du denn so närrisch?« fragte jene.

»Das ist eine närrische Frage –« sagte Kunz – »über was sonst, denn deine Schönheit! Da hab' ich aber doch eines vor deinem Gemahl Albertus voraus. Ich entsagte meiner Sehnsucht, weil ich mich einen armen Narren wußte. Das war große Weisheit. Dein Gemahl Albertus aber freite dich hinter des Vaters Rücken, weil er meinte, der Kaiser lasse mit sich scherzen – das war seine sonderliche Narrheit.«

Auf diese Worte schlug Albertus den Kunz von der Rosen sanft auf die Schulter und sagte: »Also bin ich ein Narr und du bist ein Weiser?«

»Keineswegs,« entgegnete Kunz, »vielmehr bist du erst recht ein Weiser und ich ein Narr. Denn ich sage zuzeiten was Kluges – das ist der Narren und Kinder Brauch – du aber tust zuzeiten was überaus Närrisches – das ist weiser Leute Sitte.«

Mit dem waren alle einverstanden, und solange der Kunz in der Hofburg zu München war, mußte Albertus genug von dessen Zunge ertragen.

Was aber Herzog Christoph betrifft, so besuchte der alsbald den Dom der »Lieb-Frauen-Kirche« und daselbst in rechter Wehmut – ein Grab.

Das war jenes – des Meisters Jörg von Halsbach und seiner ehlichen Wirtin, der Margaret.

Denn die zwei waren gestorben und am rechten Frauenturme zur Ruh' gelegt worden.

Als Herzog Christoph zu dem Grabe trat, war der König Maximilian bei ihm, und dem erzählte jener viel Liebes von den zwo Verlebten. Nächst wandten sich Herzog und König in die Kirche und schritten unter das Orgelhaus. Dahin hatte Jörg von Halsbach den Stein mit Herzog Christophs Fersenspur gesetzt und der König stellte sich selbst darauf.

So sahen sie dies und alles mit aufmerksamen Augen an, all' das Heilige aber in Gebäude und edel einfacher Zier mit ganz frommen Blicken.

Hierauf hielt sich Herzog Christoph zu München, bis König Maximilian von dannen zog. Da ritt er ein Stück Weges mit ihm, und als er sich dann beabschiedet hatte, seitab und fort gegen Schongau – dort hielt er zuletzt Hof.

Wann er von da gen München kam, es traf aber gar selten, war er nicht viel in des Albertus Burg, die sich der neu erbaut hatte, sondern wohnte meist in der Ludwigsburg oder dem »alten Hof«, wie sie von der Zeit an hieß.

Sein seltenes Kommen wußte Herzog Albertus wohl und sicher zu deuten, hütete sich aber wohl, darüber zu sprechen.

Die Kunigunde hingegen glaubte an etwas anderes. Sie meinte nämlich, der Zwist in Landessachen sei zwar vorüber, aber die Gemüter der zwei Brüder seien noch gereizt, so daß Christoph den Albertus nicht oft sehen wolle.

Dem war nicht so.

Herzog Christoph wollte keineswegs einen finsteren Anblick meiden, vielmehr einen schönen – den der Kunigunde selbst. Ihr wollte er ferne sein und bleiben – und bedünkte ihn manchmal – sie fliehe auch ihn.


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