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32

Wir wurden nicht wieder nach unserem Haus zurückgeführt, sondern nach dem Königspalast von Mitla gebracht, wo man uns in ein halb unterirdisches Gelaß sperrte, dessen eine Mauer verschüttet war, das aber sonst noch fest genug schien, um einen Fluchtversuch dem Bereich der Möglichkeit zu entrücken. Überdies saßen einige Krieger Tezozomocs vor der Tür und einige vor dem Fenster, das sich oben in der einen Wand befand, und alle Augenblicke glotzte ein Kopf herein, um zu sehen, ob wir noch da wären.

Wohin man die verurteilten Offiziere gesteckt hatte, wußten wir nicht, aber daß man uns nicht mit ihnen dasselbe Gefängnis gab, war die einzige Wohltat, die man uns erwies.

Wir hätten nun die schönste Gelegenheit gehabt, nach dem Vorbild des verurteilten Sokrates erhebende philosophische Gespräche zu führen, über den Wert der Tugend, die Nichtigkeit des Daseins und die Grundlosigkeit der Furcht vor dem Tod oder dergleichen hier passende Gegenstände. Aber es schien keiner von uns den Ehrgeiz zu haben, als leuchtendes Vorbild von Seelengröße in eine Geschichte der Philosophie zu kommen, abgesehen davon, daß kein Plato da war, um diese Unterredungen aufzuzeichnen.

Wir hockten auf einigen Bündeln Maisstroh herum, die man uns aufgeschüttet hatte, bis auf Richard, der seine Empörung in einem ratlosen Hin und Her spazieren führte.

»Diese Schurken«, sagte er grimmig, »es ist natürlich nur ein Schreckschuß!«

Er warf einen Seitenblick auf Thea und fuhr nach einer Weile fort: »Sie werden sich hüten, mit den Vereinigten Staaten anzubinden.«

Und dann, nachdem er wieder einen halben Kilometer abgelaufen hatte: »Eine neue Art von Erpressung selbstverständlich ... aber daß man sich das gefallen lassen soll ... das ist das niederträchtigste an der Geschichte.«

Er sandte abermals einen Blick zu Thea hinüber, aber wenn er glaubte, beruhigend auf sie einwirken zu sollen, so erwies sich dies als durchaus unnötig. Sie war von einer bewunderungswürdigen Gefaßtheit, sie saß neben Paul auf demselben Maisstrohbündel und schien es als ein Glück anzusehen, daß sein Kummer über den Verlust der Mumie groß genug war, ihm alles andere nebensächlich erscheinen zu lassen.

Im Grunde war Richard vielleicht ebenso wie ich davon überzeugt, daß es schief gehen werde. Er mußte sich sagen, daß Tezozomoc wohl gewiß großen Wert auf finanzielle Unterstützung seiner Kriegsführung legte, daß jedoch in der Seele dieses Mischlings das Verlangen nach Rache vielleicht noch mächtiger war. Und die Ansicht, diese durch allerhand Ausfälle herausgefordert zu haben, trug wohl nicht wenig zu Richards Empörung bei, die zum Teil eine Empörung über sich selbst war.

Nachdem ich lange genug über einen Ausweg aus unserer wenig glorreichen Lage nachgesonnen hatte, fiel mir ein, Enrico zu befragen, dessen seltsames Durchdringungsvermögen verhüllter Dinge sich oft genug bewährt hatte.

»Sagen Sie, Enrico«, sprach ich ihn an, indem ich vor seinem Maisstrohbündel stehenblieb, »wissen Sie, was geschehen wird?«

Der Mann ohne Namen schaute mich mit einem höchst unpassenden Lächeln von unten an. Dann hob er die Arme, als nehme er ein Gewehr in Anschlag, und sagte schlicht und einfach: »Bum!«

Ja, er sagte bum, und ich hätte ihm am liebsten eine Ohrfeige gegeben. Bum! So viel wußten wir auch, dazu bedurfte es keinerlei okkulter Fähigkeiten. Aber sie schienen ihm abhanden gekommen zu sein, seit er sie nicht mehr gegen Domingos geheime Künste aufzubieten hatte. Seit Domingo tot war, hatte sich nichts Absonderliches mehr ereignet, alles, was geschah, war durchaus natürlich und erklärlich, sehr erklärlich sogar, aber ich weiß nicht, ob mir die magischen Künste des alten, ehrlichen Gauners nicht lieber gewesen waren als die kriegsgerichtlichen Tezozomocs.

Gegen Abend brachte man uns etwas zu essen, und ich glaube, sie müssen unsere ehemalige Kantinenwirtin aufgeboten haben, uns die Henkersmahlzeit zu bereiten. Sie schmeckte nach Hexenküche, und Gift und Galle waren die hervorstechendsten Zutaten. Immerhin fühlte sich Richard dadurch so gestärkt, daß er es unternahm, zum Fenster hinaufzuklettern, als es dunkel geworden war. Aber da traf ihn ein Gewehrkolben auf den Schädel, und daraufhin wurde Richard für eine längere Weile vollkommen ruhig und saß in einem Winkel.

»Ich denke, es ist am besten, wir versuchen zu schlafen«, sagte Thea etwa um zehn Uhr.

Wir versuchten es, aber wenn die anderen damit so wenig Erfolg gehabt haben wie ich, so mag die Gesamtsumme an Schlaf innerhalb dieser vier Mauern verschwindend klein gewesen sein.

Ich hatte es hauptsächlich mit einer Art Lichtreklame zu tun, so einem laufenden Band von leuchtenden Worten, wie es vor unserem Wiedersehen mit Richard zu seinem Dauertanz geladen hatte. Es begann mit »Die«, und dann kam »Nacht«, und dann flackerten zwei kleinere Worte vorbei: »vor der«, zuletzt ganz große brennende Buchstaben, förmlich optisch hinausgeschrien: »Hinrichtung!«

»Die Nacht vor der Hinrichtung«, das lief unaufhörlich durch die Dunkelheit vor mir vorbei, und es nützte nichts, wenn ich die Augen zumachte, das Band lief und lief, haspelte sich unablässig auf einer Rolle ab, betrieben von einer Maschine, die in der untersten Hölle geheizt wurde.

Auf einmal riß das Band entzwei, und seine Bruchstücke zerflatterten in der Finsternis. Es war ein ganz kleines, schwaches Lichtchen, das diese Unterbrechung bewirkt hatte, das Licht einer elektrischen Taschenlampe, und der Mann, der mit ihr in die Ecken unseres Kerkers hineinleuchtete, war Mister Forst.

»Sind Sie es, Mister Forst?« fragte Richard, er hatte sich ein Taschentuch um den Kopf gebunden, und es sah aus, als hätte er Zahnweh.

»Haben Sie daran gezweifelt, daß ich kommen würde?« gab Forst zurück.

»Wenn ich Sie so vor mir sehe ... eigentlich nicht! Nun? Sind Sie mit dem Erfolg Ihrer Bemühungen zufrieden?«

»Ich muß es sein ... man muß die Dinge nehmen, wie sie kommen.« Und dann fragte er: »Sie meinen also, daß ich es gewesen bin, der Tezozomoc geholt hat?«

»Gewiß! Ich will Ihnen etwas sagen ... Sie haben zuerst diesen Domingo für sich arbeiten lassen. Und dann, wie es für ihn übel ausging, haben Sie wieder selbst eingegriffen.«

»Ihrem Scharfsinn habe ich schon immer die größte Hochachtung entgegengebracht«, erwiderte Forst mit einer kleinen, höflichen Verneigung.

»Und schon vorher ... der Überfall auf unseren Zug! Ich glaube nicht zu irren, wenn ich annehme, daß wir es Ihrer Liebenswürdigkeit zu verdanken gehabt hätten, wenn wir damals beinahe gebraten worden wären.«

»Gewiß«, sagte Forst mit sichtlicher Genugtuung, »ich habe mir erlaubt, Tezozomoc den diesbezüglichen Wink zu geben, allerdings ohne ihn wissen zu lassen, daß gerade Sie in dem Zug sind.«

»Dann werde ich auch mit der Vermutung nicht fehlgehen, daß Sie es waren, der den Motor unseres Flugzeugs auf so merkwürdige Weise aus dem Takt gebracht hat.«

Diese Vermutung schien Forst einigermaßen peinlich zu sein: »Ich habe Ihnen gesagt, daß ich von Haus aus Ingenieur bin«, antwortete er kurz.

»Allerhand Hochachtung vor Ihrer Tüchtigkeit«, konnte ich mich nicht enthalten zu sagen.

Und Richard setzte hinzu: »Sie haben sich redlich – sofern dieses Wort am Platze ist – Mühe gegeben, Breadsleys Auftrag auszuführen.«

»Ich sehe nicht ein, warum ich Ihnen jetzt noch verschweigen sollte, daß Breadsley in der Tat das größte Interesse daran hat, Sie auf die eine oder andere Weise ...« – er machte mit der flachen Hand einen Strich durch die Luft – »verschwinden zu sehen. Aber das allein hätte mich nicht bestimmt, so sehr ich Breadsley sonst verpflichtet bin.«

Richard ließ ihn ein höhnisches Lächeln sehen: »Von anderen gemeinsamen Unternehmungen her.«

Darauf ging Mister Forst nicht weiter ein, der Ausdruck seiner Mienen war zusammengepreßte Bitterkeit, tiefes, hartgehämmertes Leid: »Es war noch etwas anderes ... ich habe es mit ansehen müssen, wie die Frau, die ich liebte, an ihrer Liebe zu einem anderen zugrunde gegangen ist ... an der Liebe zu Ihnen ...«

»Nun, was das betrifft«, sagte Richard ruhig, »geben Sie sich keiner Täuschung hin ... Sie wären es auf keinen Fall gewesen, der auch nur einen Schimmer von Aussicht gehabt hätte ...«

Es war ein Dolchstoß der Vergeltung auf Forsts Herz. Der Mann zuckte zusammen, und sein Blick flammte in unverstelltem, unauslöschlichem Haß auf: »Und Sie haben es geschehen lassen, Sie sind ihr Henker gewesen ... die Frau, die sich Ihnen so gegeben hat, daß nichts anderes neben ihrer Liebe bestand, haben Sie von sich geschleudert wie einen unsauberen Lappen ... Sie haben es mit angesehen ...«

»Ich denke«, meinte Richard kühl, »wir werden mit einer Erörterung über das Wesen der Liebe hier zu keinem greifbaren Ergebnis kommen. Lassen wir das Vergangene und beschäftigen wir uns mit der Gegenwart. Ich habe Ihnen einen Vorschlag zu machen. Ich halte es für meine Pflicht, obzwar es mir, wie Sie sich wohl denken können, völlig gegen den Strich geht ... Handelte es sich um mich allein, so könnte er warten, bis er schwarz wird, noch schwärzer, als er von dem Negerblut in seiner Mischung ohnehin schon ist. Aber es sind die Schicksale anderer Menschen mit dem meinen verbunden, anderer Menschen, die mir wertvoller sind als ich selbst. Also, ich bitte Sie, fragen Sie Señor Tezozomoc, welchen Betrag er für ausreichend hält, um die Freiheit des Vaterlandes und seine kriegerischen Operationen auf eine gesunde finanzielle Grundlage zu stellen.«

»Richard«, warf ich ein, obzwar ich augenblicklich erkannte, daß der einzige Weg zum Herzen des Obersten Kriegsherrn wirklich über Richards Scheckbuch ging. Aber ich glaubte mir und ihm diesen Widerspruch schuldig zu sein. »Richard«, sagte ich, »du wirst doch nicht ...«

»Und auch Sie«, fuhr Richard unentwegt fort, »werden imstande sein, abzuschätzen, in welcher Höhe Sie sich an der Ablösung dieser Empörung über unseren Verrat an der Freiheit des Vaterlandes zu beteiligen wünschen.«

Das runde Auge der Taschenlampe in Forsts Hand richtete seinen grellen Schein mit offenkundigem Hohn auf Richards Gesicht, während Forsts Mienen unkenntlich blieben. »Was mich betrifft«, sagte er endlich nach einem längeren Schweigen, »so werden Sie mir wohl eine Antwort erlassen. Meine Gefühle für Sie sind tatsächlich unbezahlbar. Aber auch bei Tezozomoc dürften Sie mit Ihrem Anerbieten kein Glück haben. Sie haben ihn vor seinen Leuten Hanswurst genannt. Und Sie dürfen nicht einmal auf einen Aufschub rechnen. Tezozomoc hat allen Grund, die Hinrichtung zu beschleunigen ... Die Regierungstruppen scheinen irgendwo in der Nähe zu sein.«

Er wartete wieder, um seiner Antwort Zeit zu geben, unsere Hoffnungen völlig abzuwürgen. Dann setzte er hinzu: »Übrigens ... Ich darf Ihnen die Beruhigung geben, daß ich eben deshalb hier bin, um wenigstens einen Ihrer Freunde zu retten, den, der Ihnen wohl der wertvollste ist.« Er wandte sich nach Thea um, die hinter ihm stand: »Eine mir teuere Tote hat Sie durch diese Kette meinem Schutz empfohlen. Das ist ihr Vermächtnis an mich. Sie werden ins Leben zurückkehren.«

»Was denken Sie von mir?« sagte Thea mit einem Beben in der Stimme, »ich soll meine Freunde verlassen?« Ich konnte ihr Gesicht nicht ausnehmen, aber ich sah den Ausdruck zorniger Entrüstung vor mir, der Forst antwortete.

»Nehmen Sie Vernunft an. Sie können nichts ändern. Wem nützt es etwas, wenn Sie darauf bestehen, mit den anderen zu sterben?«

»Thea, ich bitte Sie«, sagte da Richard, »er hat recht. Es wäre Wahnsinn, ein so nutzloses Opfer zu bringen.« Seine Stimme klang erlöst, fast heiter.

»Sie waren unser Gegner, Mister Forst«, entgegnete Thea, »wir wissen es jetzt, was Sie alles getan haben, um uns zu schaden und uns zu verderben. Ich konnte Sie trotzdem bis zu diesem Augenblick immerhin noch achten, aber das, was Sie mir jetzt zumuten, das ist eine Gemeinheit, für die ich Sie verabscheue.«

Der Schein des runden Lampenauges wanderte herum und traf Theas blasses, empörtes Gesicht.

»Sie würden mich nötigen, Gewalt anzuwenden, wenn Sie nicht freiwillig gehen«, schwang Forsts Stimme mit dunkler Drohung. »Ihr Eigensinn, oder wie Sie schon Ihre Weigerung schöner nennen mögen, soll mich nicht daran hindern, ein heiliges Vermächtnis zu erfüllen. Einmal schon haben Sie mich in Gefahr gebracht, mein Wort zu brechen. Damals, als Sie durchaus in dem Flugzeug mitwollten. Ich war damals nicht geistesgegenwärtig genug. Ich gestatte es Ihnen aber kein zweites Mal, meine Sendung zu vereiteln. Ich gebe Ihnen drei Minuten Bedenkzeit, ob Sie freiwillig mit mir gehen wollen, oder ob ich Sie dazu zwingen muß.«

Er wandte sich ab und ließ uns im dunkeln, und wir warfen uns zugleich zu dritt mit allen Überredungskünsten, deren wir fähig waren, auf Thea. Sogar Paul schien seinem archäologischen Kummer entrissen und beteiligte sich an unserem Bemühen, Gründe dafür aufzubringen, daß Thea am Leben bleiben müsse, und vielleicht war er es, der schließlich das Entscheidende fand.

»Das Schicksal will nicht, daß wir ... unser Leben ... also ... wie gesagt ... es will nicht ... Vielleicht hätten wir Kinder gehabt, Thea!« Es war immerhin allerhand für Paul Noster, daß ihm jetzt auf einmal diese Möglichkeit einfiel, an die er sicher bis zur Stunde noch niemals gedacht hatte. »Das alles soll nicht sein; wir müssen uns damit abfinden ... aber du sollst übrigbleiben, Thea! Wer anders könnte mein Werk fortsetzen und vollenden als du?«

Das mochte den Ausschlag gegeben haben, denn Thea, die bisher unseren Bemühungen ein starres, ablehnendes Schweigen entgegengesetzt hatte, hob den Kopf, und es schien, als fasse sie einen Punkt ins Auge, der jenseits dieser Mauern lag. Was eigentlich in ihr vorging, weiß ich nicht, ich fühlte nur, daß sie schwankend wurde, und in dieser Minute bat ich der Archäologie eine ganze Menge geheimer Beleidigungen ab. Sie war wohl doch nicht so verstaubt und lebensfeindlich, wie ich gedacht hatte, wenn es ihr gelang, Theas Sinn zu wandeln.

»Komm!« sagte ich und zog Richard fort, denn es schien mir unsere Freundschaftspflicht, die beiden allein zu lassen. Sie hatten nur noch etwa eine Minute Zeit zu eiligem Flüstern, dann kam Mister Forst zurück und warf den unerbittlichen Schein seiner Lampe auf das Paar.

»Es ist gut!« sagte Thea, »ich gehe mit Ihnen.«

Mister Forst nickte, schritt zur Tür voran, dann knipste er seine Lampe ab und ließ den Raum für einige Zeit völlig im Dunkeln. Wir sahen nicht, wie Paul und Thea diese Gnadenfrist benützten, wir hörten nur ein leises Schluchzen, dann tappte Thea auf uns zu, und ich fühlte, wie meine Hand ergriffen wurde.

»Ich verlaß euch nicht«, flüsterte sie mir leise zu.

Ich hielt ihre Hand fest, denn es war mir plötzlich unmöglich, mich dieses Glückes sogleich wieder zu entäußern, das mir so selten beschieden gewesen war und mir nun zum letztenmal zuteil wurde. Und ich glaube, wenn es ihr bisher verborgen geblieben war, jetzt muß sie wohl dahinter gekommen sein, wie sehr ich sie liebte. Endlich entzog sie mir sanft die Hand und reichte sie Richard zum Abschied, und ich hörte, wie dieser sagte: »Machen Sie sich keine Sorgen, Thea, ich habe damals, wie Paul und ich im Hügel des Tlaloc verschüttet gewesen sind ... gleich nachher an meinen Geschäftsfreund in Veracruz ein Kodizill zu meinem Testament geschickt. Ein durchaus verläßlicher Mensch ... er hat die Weiterbeförderung übernommen ... ich schätze, es liegt jetzt bereits sicher im feuerfesten Schrank meines Rechtsanwalts in London. Für den Fall, daß wir beide vor Ihnen ... hm ... um die Ecke gehen, sind natürlich Sie die Universalerbin.«

»Richard, ich bitte Sie«, sagte Thea heftig, und wie mir dem Ton nach schien, ehrlich aufgebracht.

Aber Richard nahm den Abschied offenbar nicht im mindesten rührselig, sondern ganz als Mann der Praxis: »Na ja ... es ist nur, damit Sie das Werk Pauls in durchaus würdiger Form herausbringen können. Ich bitte mir eine Luxusausgabe aus, womöglich auf Menschenhaut und mit Elfenbeinschnitzereien auf dem Deckel.«

»Hören Sie auf!«

»Und wenn Sie ein übriges tun wollen, so erzählen Sie dem amerikanischen Botschafter in Mexiko, was sich hier zugetragen hat.«

Mister Forsts Lampe suchte seinen Schützling, ihr Schein zog ihn an sich und schluckte ihn in seine Helle, und dann schlug das Tor der Finsternis hinter den beiden zu.

Meine Hand brannte von der Berührung, die sie beglückt hatte, als sei meinen Fingern die Haut abgezogen worden. Und ich war froh, daß wir in undurchdringlicher Finsternis steckten, denn so konnte niemand sehen, daß ich diese Hand, die in der Theas gelegen hatte, mit aller Inbrunst küßte. Wie hatte sie gesagt? Ich verlasse euch nicht. Ja, gewiß, sie würde um uns sein, sie würde unsichtbar zugegen sein bis zum letzten Ende. Und – vielleicht, wer konnte es wissen – auch nachher, irgendwann, irgendwo ... So wenigstens verstand ich es damals, und wir sollten erst später dahinterkommen, daß es von Thea ganz anders gemeint war.

Wahrscheinlich faßte es auch Richard ähnlich auf wie ich. »O Männer von Athen«, sagte er, und es klang beinahe übermütig, »was jetzt noch kommt, ist wahrhaftig nur mehr geradezu ein Vergnügen.«

»Wenigstens für mich!« setzte er bescheiden einschränkend hinzu.

Er sagte wieder »Männer von Athen«, wie früher, und ließ damit keinen Zweifel, daß er sich ganz zu seinem einstigen Ich zurückgefunden hatte.


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