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17

Mitla liegt östlich von Oaxaca auf einer Stufe der Sierra Madre del Sur im Staat Oaxaca, mit dessen Hauptstadt es durch eine Bergstraße verbunden ist – was man in diesem Teil des Landes eben Bergstraße nennt, also eher ein Verkehrshindernis als etwas anderes.

Dessenungeachtet hatten wir es fertiggebracht, den größten Teil unserer Kisten von der letzten Bahnstation, auch wieder diesem Oaxaca, glücklich hierherzubefördern. Nur etwa zwei Dutzend von ihnen und eines unserer Lastautos lagen auf dem Grund einer Schlucht inmitten einer Mustersammlung von Kakteen, die zu rasieren wirklich kein Vergnügen gewesen wäre.

Mitla bestand, als wir ankamen, aus Ruinen, Schutthügeln, Ameisenhaufen und einigen Hütten, in denen Indianer wohnten, die unbegreiflich weit in die Bergwerke der Nachbarschaft zur Arbeit liefen. Alles war eingebettet in eine grüne Wildnis, und über den nächsten Bergrücken schaute der Kegel des Vulkans Zempoaltepetl, eines ansehnlichen Viertausenders.

Vier Wochen später standen Baracken für etwa hundert Arbeiter, eine Kantine zu ihrer Verköstigung, deren Wirtin jetzt auf uns böse war, weil wir eine eigene gastronomische Front gegründet hatten, und bei dem Wasserfall, der über die Felswand hinter der kleinen Pyramide stürzte, summte unsere Dynamomaschine. Sie trieb die Bohrapparate und den Bagger, und ganz Mitla hatte elektrische Beleuchtung, es gab sogar etwas wie Straßen durch die Wildnis, und auf der Plattform der größeren Stufenpyramide ragte das Wahrzeichen der neuen Zeit: die Antenne.

Mitla hatte sich mächtig verändert, nur der Vulkan schaute noch wie früher über den Bergrücken mit dem Wasserfall. Den Zempoaltepetl hatten wir ungeschoren gelassen, der ging uns nichts an.

Das Trümmerfeld, soweit es für uns in Betracht zu kommen schien, war in Lose eingeteilt, wovon jedes einer Gruppe von Arbeitern zugewiesen war, Leuten, die sich früher in den Gruben von Ixtlan und Etla geschunden hatten und bald dahintergekommen waren, daß man bei uns für höheren Lohn bedeutend mehr faulenzen konnte. Maschinen! – Das war so was für sie, wenn jemand das für sie tat, was sie sonst hätten tun müssen, und sie bloß dabeizustehen und zuzusehen brauchten. Es war ein recht arges, schmutziges, verwahrlostes Gesindel, aber von einer Großartigkeit der Haltung, daß man hätte meinen mögen, man habe es mit lauter verkleideten Hidalgos zu tun.

Wir hatten also alles säuberlich eingeteilt: Parzelle eins bis zwölf, und neben Parzelle fünf lag der Tlaloc auf seinem Hügel, der plötzlich für uns solche Bedeutung gewonnen hatte. Diese Tlalocs sind die altmexikanischen Regengötter, und man findet ihre Steinfiguren im ganzen Land, in liegender Stellung, den einen Arm ausgelümmelt, den Kopf zur Seite gedreht. Sie sind also keine Seltenheiten, allein in Mitla hatten wir ihrer vier oder fünf gefunden, in verschiedener Größe, und der beim Los fünf war der größte von ihnen.

Aber Paul hatte sich, Gott weiß aus welchen scharfsinnigen archäologischen Erwägungen, in den Kopf gesetzt, nach der entgegengesetzten Seite hin zu suchen, in der Richtung nach dem kleinen Teich, der einmal zu dem jetzt ganz verfallenen Tempel der Maisgöttin gehört hatte. Auf den Hügel, der den Tlaloc trug, war auch nicht das Streiflicht einer Vermutung gefallen.

Man kann sich aber denken, wie Paul die Sache jetzt anfaßte und wie er den Hidalgos Beine machte. Was man auch von der Art halten mochte, wie wir zu der Kunde gelangt waren, der Hinweis war nun einmal gegeben, und Paul war nicht der Mann, ihn ungenützt zu lassen.

Er sagte, es sei ihm wie Schuppen von den Augen gefallen.

Und er sagte, er begreife nicht, wie er diesen Hügel habe so ganz unbeachtet lassen können, und dann erzählte er lange Geschichten von einer mythologischen Verwandtschaft seines Quetzalcoatl mit dem Regengott und daß der gefiederten Schlange sehr häufig das Regenzeichen beigegeben sei zum Beweis irgendeiner inneren Beziehung.

Er schien in diesen Tagen nichts so sehr zu bedauern, als daß er nicht anstatt der Hände Grabschaufeln hatte wie ein Maulwurf, um sich allen voran in den Hügel einwühlen zu können.

Jedenfalls war es eigentümlich genug, daß wir, nachdem erst einmal die obere Humusschicht beseitigt war, auf Mauerwerk stießen. Zuerst versuchten wir es mit Vorsicht und Bedachtsamkeit, die Quadern aus ihrem Verband zu heben, aber sie erwiesen sich sanfter Behandlung als unzugänglich, und Pauls Ungeduld war zu brennend, um sich mit langsamem Vordringen zu begnügen. Es wurden also Bohrlöcher angebracht und mit Dynamit gefüllt, und es wurde – sehr gegen meinen Rat – eine Sprengung vorgenommen.

Es kam natürlich, wie ich es vorausgesehen hatte, der Gang, der durch die Explosion wirklich aufgerissen worden war, wurde zugleich auf eine ganze Strecke hin verschüttet, und Paul stand mit hängenden Ohren da und mußte seine Ungeduld noch bis auf weiteres zügeln. Es war eben Abend geworden, und Paul ordnete an, daß der Gang während der Nacht ausgeräumt werden müsse. Die Leute hatten wenig Verständnis für eine solche Steigerung des Arbeitstempos. Mein Gott, ob man ein paar Stunden früher oder später in dieses Loch kriechen konnte! Bei der langen und glorreichen Geschichte Mexikos kam es darauf doch gewiß nicht an.

Paul wurde aber grob und donnerte und versprach Extralöhne, und so machten sie sich doch schließlich widerstrebend an die Arbeit.

Es war mir nicht ganz unbegreiflich, daß sie für heute genug hatten. Das war ein Tag gewesen, der an Glut alles Bisherige übertroffen hatte, man befand sich wie in einem Backofen und brauchte kein geübter Wetterkundiger zu sein, um irgendeine meteorologische Mißhelligkeit vorauszusagen. Die Nerven spielten alle möglichen unliebsamen Stücke, Zustände schrecklicher Erschlaffung wurden von Unruhe und kaum erträglicher Spannung abgelöst, vielleicht waren das schon Vorboten der nicht mehr fernen Regenzeit, die ganze Natur schien von einem inneren Zittern ergriffen, und auf der Kegelspitze des Zempoaltepetl hing ein dunkler Hut von Wolken oder Rauch.

Man konnte das von der Plattform unserer Pyramide ganz deutlich sehen, der Mond goß ein grelles Licht aus einem sonst ganz regungslosen und bleiernen Himmel, und die Sternbilder, diese fremden Sternbilder, glitzerten unnatürlich trotz des Mondlichtes.

Richard und ich waren allein hier oben. Mister Forst war nach Oaxaca gefahren, und Paul und Thea befanden sich in der Dunkelkammer unseres Hauses, um die Filme zu entwickeln, die heute von dem Fortschreiten der Arbeiten und dem Mauerwerk gemacht worden waren.

»Das bringt auch nur Paul fertig«, sagte ich, »sich am Abend eines solchen Tages noch bei rotem Licht in die Dunkelkammer zu sperren.«

Richard entgegnete nichts, er lag auf dem Strecksessel und schien zu faul, um zu sprechen.

»Und nur eine liebende Frau bringt es fertig, ihm dabei zu helfen«, fuhr ich fort, »eine liebende Frau, die zugleich eine Hoffnung der Wissenschaft ist.«

Ich hatte das mit Bedacht gesagt, um Richard aus seiner Stumpfheit zu reißen, denn ich war entschlossen, heute bei so guter Gelegenheit einiges von dem zur Sprache zu bringen, was mir auf dem Herzen lag. Der Brandpfeil hatte getroffen, denn Richard nahm die Beine aus ihrer lässigen Hingegossenheit und setzte sich rittlings auf, indem er in seiner Pfeife zu stochern begann, als sei er mit ihr in eine Meinungsverschiedenheit geraten.

»Sie liebt ihn wohl sehr?« fragte er mit erheucheltem Gleichmut.

»Vermutlich! Und da die Liebe blind macht, so müssen wir um so schärfere Augen haben.«

»Hm!« machte Richard. »Hast du irgend etwas Bestimmtes?«

»Es ist da einiges, was mir nicht gefällt. Die ganze Geschichte ist mir verdächtig.«

»Verdächtig?«

»… Das mit dem Hügel. Und überhaupt.«

»Domingo? Was?«

»Ja. Daß dieser Domingo sich schließlich doch bereit erklärt hat. Er hält sich offenbar für den Hüter dieser Stadt der Toten und nimmt die Sache ernst. Wenn ein Indianer nichts von Geld wissen will! Und dann gibt er doch nach.«

»Auf Mister Forsts Zureden!«

»Eben das. Denn darüber müssen wir uns doch klar sein, daß Mister Forst nicht unser Freund ist ... Wenigstens nicht dein Freund.«

»Bin mir sehr klar darüber«, sagte Richard.

»Weißt du die Gründe?«

»Ich glaube, ich weiß einiges. Da war doch diese Indianerin, die Anita. Du hast einige Male schon auf den Strauch geschlagen. Nun ja ... es war so ein Abenteuer wie hundert andere. Man sagt sich nachher Lebewohl und geht. Aber diese ... so eine halbwilde Frauensperson! Macht ein Kinodrama daraus. Das ist nun einmal nicht nach meinem Geschmack. Unbeherrschte Weiber gehen mir auf die Nerven. Aber dieser Mister Forst scheint irgendwie daran beteiligt zu sein. Unglückliche Liebe und so. Das ist es wohl. Und dann ...«

»Und dann?«

»Mein vortrefflicher Oheim Breadsley. Mit dem Strick um den Hals. Und Mister Forst hängt am gleichen Strick. Bei allen seinen Heldentaten war Forst sein Knappe und Helfershelfer. Und ich glaube immer, wir verdanken es Breadsley, daß wir diesen Menschen mitbekommen haben.«

»Du hältst es also für durchaus möglich.«

»Ich halte alles für möglich. Der Überfall damals auf der Bahn ... Und vielleicht steckt er auch hinter der Geschichte mit dem Flugzeug.«

Ich merkte, daß es durchaus nicht nötig war, mit meinen Sommernachtsträumen und sonstigen Indizienbeweisen anzurücken.

»Ich finde es nur eigentümlich«, sagte ich, »daß Thea immer, wenn uns ein Unheil bevorsteht, irgendwie in Sicherheit gebracht wird. Oder daß er wenigstens den Versuch dazu macht, wie damals in Ponta Delgada.«

»Wenn das nicht wäre«, sagte Richard grimmig, »so hätte ich diesen Mister Forst längst –« Er ließ unausgesprochen, was er Forst unter anderen Umständen anzutun gesonnen wäre.

»Aber solange wir uns in der Gefahrzone befinden«, setzte er dann hinzu, »müssen wir um ihretwillen ... vorsichtig sein.«

Ein Geheul schwoll durch die Nacht zu uns herauf. Es war wieder der Mico oder Domingo, unsere ungeübten Ohren konnten die beiden nicht so recht unterscheiden.

Wir schwiegen eine Weile und spannen, jeder für sich, unsere Gedanken weiter.

»Ich bitte dich ...«, sagte Richard wütend, »das ist ja unerträglich, schalte den Lautsprecher ein.«

Ich tat es, und sogleich kam aus dem tuchüberspannten Rahmen eine andere Art von Gesang hervor, der ohne Zögern die Herrschaft über die Nacht an sich riß.

Richard, der sich in den Strecksessel hatte zurückfallen lassen, fuhr wieder empor, als habe sich indessen ein Gewürm hinter ihm geschlichen. »Diese Stimme –«, sagte er mit einer unerklärlichen Aufgeregtheit, »diese Stimme –«

Es war irgend etwas aus Carmen, das da draußen in einem Konzertsaal oder vor dem Sender gesungen wurde, eine Frauenstimme, sehr laut in der Höhe, erdfarben in der Mittellage, eine Stimme, die mir selber bekannt vorkam.

»Es ist«, tastete ich mich der tönenden Perlenschnur entlang, »ich habe sie lange nicht gehört ... und der Lautsprecher verändert alles ein wenig ...«

Ein Triller auf einem hohen Ton, wo er ganz gewiß nicht hingehörte, überzeugte mich. Auf der ganzen Welt gab es nur einen einzigen solchen Triller an den unmöglichsten Stellen. Er war die unverkennbare musikalische Besonderheit einer Dame, wie ich vorzeiten zur Genüge festgestellt hatte.

»Es ist Martha Mirar!« sagte ich.

Es war wirklich Martha Mirar, der Ansager bestätigte es uns, nachdem der Beifall verrauscht war. Sie sang in Mexiko und würde in fünf Minuten mit der Arie aus »Samson und Dalila« fortfahren. Sie war uns näher gerückt, aber ich setzte meine Hoffnung auf unsere verhältnismäßige Geborgenheit in Mitla.

»Martha Mirar?« sann Richard sichtlich beruhigt, »Martha Mirar? Wer ist diese Martha Mirar?«

»Eine Sängerin, die ich kenne. Ein Stern im Aufgang. Ich habe schon einmal von ihr gesprochen. Sie wollte dich in London kennenlernen. Dieser Señor Herrera ist ihr Manager hier drüben.«

»So, so ... Herrera«, sagte Richard, wie es schien, nicht wenig belustigt, »ein talentvoller Jüngling. Kennst du sie schon lange?«

»Lange genug für sie.«

»Merkwürdig ... Eine merkwürdige Ähnlichkeit ... Ich hätte geschworen ...«

»Was denn?«

Aber da begann Martha Mirar mit der Arie aus »Samson und Dalila«.

»Schluß! Schluß!« rief Richard heftig abwinkend, »stell ab! Da ist mir doch noch der Mico lieber.«

Es blieb jedoch still, und auch wir rauchten wortlos in die schwüle Nacht.

»Hör einmal, Bernhard!« sagte Richard dann mit einer plötzlichen Wendung zu mir. »Ich habe ein Anliegen an dich.«

»Heraus damit!«

»Da es sich heute so günstig trifft, daß wir allein sind ... also ich möchte dich bitten, dich darum zu kümmern, daß mein Testament seinem ganzen Umfang nach erfüllt wird. Ich habe dich zu seinem Vollstrecker ernannt.«

»Sehr verbunden. Aber ich glaube kaum, daß ich je in die Lage versetzt werde, diesen ehrenvollen Auftrag auszuführen.«

»Weißt du, Paul, das gute Schaf, wäre imstande, sich irgendwie übers Ohr hauen zu lassen.«

»Todesgedanken, Richard? Ich glaube, Señora Luisas Kost liegt dir im Magen.«

»Du wirst mich doch nicht für einen sentimentalen Waschlappen halten, Bernhard! Du solltest mich besser kennen. Wenn ich davon spreche, so habe ich meine guten Gründe dafür.«

»Bist du krank?«

»Auf die Gefahr hin, daß du ein ungläubiges Gelächter anstimmst ... obzwar du eigentlich schon durch die Sache mit dem Kopf etwas nachdenklicher geworden sein solltest. Aber du gehörst nun einmal zu den unentwegten Leugnern.«

»Ich bin für den gesunden Menschenverstand. Soweit er überhaupt bei einem Journalisten in Betracht kommt.«

»Aber trotzdem ... du wirst dich erinnern, daß mein Landhaus bei London in der Nachbarschaft eines Buddhistentempels steht und daß ich dort eine Zelle für mich belegt habe. Für Zeiten der Einkehr, des Abscheus vor der Welt, des Bedürfnisses, mich von allem zurückzuziehen. Unter den Brüdern war ein Eingeweihter, einer von denen, die zu den Auserwählten gehören, ein Yogi, dessen Blick weiter reicht als der eines andern Menschen. Ich will deinen Spott nicht durch die Aufzählung der seltsamen Dinge herausfordern, die mir mit ihm begegnet sind und die mir den Glauben an ihn gegeben haben. Ich beschränke mich darauf, was mich selbst angeht.«

»Ich höre.«

»Einmal überkam mich der verwegene Übermut, meine Zukunft wissen zu wollen. Er liest sie nicht aus dem Kaffeesatz oder den Karten oder den Linien der Hand, sondern aus den Adern des Augapfels. Er weigerte sich lange, und ich mußte ihm gewaltig zureden. Man sollte das nicht tun, man sollte es den Propheten und Ärzten überlassen, einem nur so viel zu sagen, wie sie selbst für nötig halten.«

»Nun und?«

»Er hat mir kein allzulanges Leben vorausgesagt.«

»Esel! Das ist zum Lachen.«

»Vielleicht hat er mir angemerkt, daß ich mir etwas dergleichen gedacht habe. Denn er hat es für nötig gehalten, mir zwei Zeichen anzugeben, aus denen ich die Wahrheit seiner Prophezeiung würde entnehmen können. Das eine für gleich, das andere für später. Es würde einer neben mir gehängt werden, sagte er.«

»Da brauchst du einfach bloß zu keiner Hinrichtung zu gehen.«

»Am anderen Tag fuhr ich auf dem Dach eines Omnibusses. Mein Auto war gerade nicht da, und es hat mir oft Spaß gemacht, mit so einem Volksbeförderungsmittel zu fahren. So von der Höhe eines Omnibusses herab nimmt sich das Londoner Straßenleben ganz phantastisch aus. Neben mir sitzt ein Mann. Plötzlich greift er röchelnd nach dem Hals und wird vom Sitz geschleudert.«

»Vom Schlag getroffen?«

»Nein. Eine Leine, wie sie von den Leitrollen der elektrischen Straßenbahn herabhängen, ist vom Wind über das Verdeck des Omnibusses geweht worden und hat sich dem Mann um den Hals gewickelt, die Straßenbahn, in entgegengesetzter rascher Fahrt, reißt ihn herunter, schleift ihn mit, und ehe sie ihm den Strick vom Hals lösen können, ist er tot. Erhängt.«

»Gewiß ein sonderbarer Zufall. Und das andere?«

»Ist auch schon eingetroffen. Er meinte, ich solle mich davor hüten, die Ruhe der Toten zu stören. Und wenn es mit mir soweit wäre – es würde eine Schlange aus dem Kopf des Toten kriechen ...«

»Erlaube, ich sehe weit und breit keine solche Schlange.«

»Offenbar bildlich zu nehmen, die Schlange ... das ist der Gedanke, der aus dem Mumienkopf in den meinen gekrochen ist.«

»Lächerlich. Eine Erklärung hintenherum, so eine psychoanalytische Spitzfindigkeit. Aber wenn du dir solche Sachen einbildest, dann bin ich dafür, morgen hier Schluß zu machen und heimzufahren.«

»Und Paul? Und Fräulein Siebertz? Was sollen die denken? Nein, mein Junge, das ist nun einmal begonnen und muß zu Ende gebracht werden. Du lachst? Ich habe es ja gewußt, daß du keine andere Erwiderung haben wirst. Aber ich habe es dir sagen müssen, damit du später die Zusammenhänge begreifst.«

Ich lachte, obzwar mir keineswegs danach zumute war.

»Ich habe ein bewährtes Mittel gegen die Weisheit deines Yogi«, sagte ich, indem ich aufstand, »eine halbe Flasche Kognak und dann einige Stunden Schlaf.«

Ich lachte, aber ach, ich wußte, was es war, das Richard bewog, der Prophezeiung seines Wundermannes zu trotzen. Nichts anderes als der Wunsch, mit Thea beisammen zu sein, eine Gemeinsamkeit mit ihr zu haben, ungeachtet aller Lebensgefahren, die in seiner Einbildung damit verbunden waren.

Er war ein mutiger Kerl, mein Freund, denn der Mut besteht ja nicht darin, nichts zu fürchten, sondern sich auch trotz aller Furcht von nichts abbringen zu lassen, was man sich vorgesetzt hat.


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