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c) Skâldskaparmâl.
3. Hieran schließt sich nun Skaldskaparmal, welches die Skaldenkunst zum Gegenstand hat, indem es die dichterischen Ausdrücke, namentlich 1. Kenningar, auf Mythen anspielende Umschreibungen, 2. Ukend heiti, einfache Benennungen wie jene, welche Alwismal aufzählt, 3. Fornöfn, der Skaldenkunst gebräuchliche Namen der Männer, Frauen, Schwerter, Schiffe u. s. w. lehrt und aufzählt, erstere auch nach ihren mythischen Beziehungen deutet, wobei auf bekannte Skaldenlieder hingewiesen wird. Einige mal findet sich Veranlaßung, größere Stücke aus der Götter- und Heldensage einzuflechten. Auch dieß ist in Fragen Oegirs und Bragis Antworten eingekleidet und bildet so eine Fortsetzung des vorhergehenden Abschnitts, aber eine unpassende, da Cap. 33 von Oegir selbst erzählt wird, der doch der Fragende sein soll. Doch mag Grimm wohl berechtigt erscheinen, auch Skaldskaparmal zur Edda zu rechnen, besonders da Bragarödur sonst gar zu geringen Umfang erhalten würde. Entgegen steht indes, daß Bragarödur jetzt von Skaldskaparmal durch ein Eptirmali (Nachwort) geschieden ist, welchem Grimm selbst schon ein ziemlich hohes Alter zugesteht.
Vielleicht erklärt sich aber diese Anordnung daraus, daß man die rein-mythologischen Erzählungen von den folgenden Belehrungen über die Skaldenkunst und ihre hergebrachten Umschreibungen und Benennungen sondern wollte, in welcher Absicht man den Eingang des Skaldskaparmals, welchen die Bragarödur jetzt bildeten, von dessen Haupttheile löste und als eine selbständige Sammlung mythischer Erzählungen den in Gylfaginning enthaltenen gleichartigen Berichten anhing. In den Handschriften ließ man aber auch noch den Haupttheil des alten Skaldskaparmals folgen, welcher nun mit den nach Snorris Hattalykill bearbeiteten Bragarhättir u. s. w. die Skalda bildete.
Wenn nun die Dichtkunst Eddulist und die Gesetze des Dichtens Eddureglur benannt wurden, so scheint es allerdings, daß man das ganze, die Skalda mit umfaßende Werk Edda genannt habe. Fragt man dagegen, von welchem seiner Theile dieser Name auf die andern übertragen ward, so wird man nicht auf die letzten rathen, da es der Großmutter wohl geziemt, ihre Kinder und Enkel von Göttergeschichten zu unterhalten, nicht aber sie in die Kunstausdrücke der Dichtersprache einzuweihen.
Hienach glauben wir Skaldskaparmal als zur Edda nicht gehörig betrachten zu müßen, wenn wir auch zugeben. daß Bragis mythische Erzählungen, die wir Bragarödur nennen, ursprünglich selbständig doch einmal dessen Eingang gebildet haben, ein Zusammenhang, welchen wir nur dann wieder herzustellen hätten, wenn es sich um eine Ausgabe jenes Lehrbuchs der Skaldenkunst handelte. Mit diesem aber den Leser zu behelligen, der in der Edda nur mythische Erzählungen sucht, bestimmen wir uns nicht. Doch haben wir die dem Skaldskaparmal eingefügten Stücke aus der Götter- und Heldensage, welche so gut als die Erzählungen der beiden ersten Abschnitte im Munde der Eltermutter klingen, ausgehoben und zu einem dritten Abschnitte vereinigt, so daß wir nicht weniger, wohl aber mehr liefern als man in einer Uebersetzung der Edda zu erwarten berechtigt ist. Auch diese Stücke sind hier gleich den Dämisögur (Capitel, wörtlich Gleichnissreden) der eigentlichen Edda mit fortlaufenden Nummern versehen und so die 58 Dämisögur der beiden ersten Abschnitte auf die Zahl 65 gebracht. Wenn wir künftig eine derselben citieren, so geschieht es mit D (Dämisaga) und der beigesetzten Zahl der Gleichnissrede. Daß Snorri weder unsere beiden ersten Abschnitte, noch Skaldskaparmal verfaßt habe, geht daraus hervor, daß hier wie dort die mythischen Anschauungen des Nordens im Ganzen noch mit unschuldiger Gläubigkeit vorgetragen und dem Urtheile des Verfaßers selten unterworfen werden, wie es Snorri in der Ynglingasaga, dem ersten Theil der Heimskringla, zu thun pflegt, oder wie es gar in der Vorrede (formâli) und den beiden Schlußreden (eptirmâli) geschieht, die wir ihrer barbarischen Mönchsgelehrsamkeit wegen ausgeschloßen haben. In dieser Ueberzeugung hat uns auch Bergmanns Ausführung nicht wankend gemacht.
Wenn es in den isländischen Annalen, deren Abfaßung noch vor 1400 fallen soll, von Snorri heißt: Hann samsetti Eddu ok margar adrar frœdibœkur ok islendkar sögur, so könnte dieß Zeugniss höchstens beweisen, daß er die verschiedenen Theile der Edda und Skalda zusammengesetzt und zu Einem Buche verbunden habe; für seine Verfaßerschaft an Einem dieser Theile kann es nicht geltend gemacht werden. Und selbst das scheint uns nicht wahrscheinlich, daß das ganze Edda und Skalda umfaßende Werk, wie es jetzt vorliegt, aus seiner Hand hervorgegangen wäre, namentlich halten wir die Vorrede mit den beiden Schlußworten für seiner eben so unwürdig als die j. Edda selbst für ihn noch zu rein im altheidnischen Geiste gehalten ist.
Der Zusammensetzer des Buchs, welches außer der Edda noch so vielerlei unter dem gemeinschaftlichen Namen Skalda zusammengesetzte Abschnitte enthält, hatte offenbar ein Handbuch für junge Skalden im Sinn, in welchem sie Alles vereinigt finden sollten, was sie zu ihrem Berufe von der alten Götter- und Heldensage, den Gesetzen der Dichtkunst und Beredsamkeit zu wißen brauchten. Denn an den Höfen christlicher Könige, der Bekehrer des Nordens, lebte das Heidentum noch sehr im Bewustsein und war das Christentum noch so wenig lebendig geworden, daß die Skaldenpoesie stäts auf die heidnische Götter- und Heldensage anspielte, sich christlicher Anschauungen aber gänzlich zu enthalten pflegte. Der Verfaßer von Gylfaginning wollte nun eine Uebersicht der Götterlehre geben, um das innere Verständniss der alten, in der Form einfachen Eddalieder zu vermitteln. Dem Verfaßer von Skaldskaparmal, zu welchem Bragarödur den Eingang bildete, lagen mehr die schwierigen und überkünstelten Skaldenlieder am Herzen, zu deren Erklärung Mancherlei abzuhandeln war. In seinem Hattalykill nahm Snorri ohne Zweifel schon auf Bildung junger Skalden Bedacht und noch mehr hatten die Verfaßer der folgenden Abschnitte, sowie der Zusammensetzer des Ganzen ihr Absehen auf die Unterweisung der Jugend gerichtet.
Unser Verfahren, aus Skaldskaparmal nur die eingeschobenen mythischen Erzählungen auszuheben, hat den Nachtheil, daß die unter den Kenningar sich findenden, in Fragen und Antworten gekleideten kurzen Charakteristiken der Götter und göttlichen Wesen, gleichfalls wegbleiben. Da diese doch Mancher vermissen möchte, weil sie für das Studium der Mythologie so wichtig sind als manche Dämisaga der jüngern Edda, so laße ich sie nachstehend folgen:
1. (C. 4.) »Wie ist Thor zu bezeichnen? So, daß er der Sohn Odhins und der Jörd genannt wird, Magnis und Modis Bruder, Sifs Gemahl, Ullers Stiefvater, Miölnirs und des Stärkegürtels sowie Bilskirnirs Besitzer, Asgards und Midgards Vorfechter, der Jötune und Zauberweiber Feind und Tödter, Hrungnirs, Geirröds und Thriwaldis Besieger, Thialfis und Röskwas Herr, des Midgardwurms Gegner, Wignis und Hloras Pflegesohn.
2. (C. 5.) Wie ist Baldur zu bezeichnen? Als der Sohn Odhins und der Frigg, Nannas Gemahl, Forsetis Vater, Hringhorns und Draupnirs Besitzer, Hödurs Feind, der Hel Geselle, der beweinte Gott.
4. (C. 6.) Wie ist Niördr zu bezeichnen? So, daß er Wanengott, Wanensprößling oder schlechtweg der Wane heiße, Freys und Freyjas Vater, der spendende Gott.
5. (C. 7.) Wie ist Freyr zu bezeichnen? So, daß er Njörds Sohn, Freyjas Bruder genannt wird, oder gleichfalls Wanengott, Wanensprößling oder schlechtweg der Wane, Erntegott und Reichtumspender. Er wird auch Belis Feind, Skidbladnirs und des Ebers Gullinbursti, der auch Slidrugtanni heißt, Besatzer genannt.
6. (C. 8.) Wie ist Heimdal zu bezeichnen? Als der Neun Mütter Sohn und der Götter Wächter, oder der weise Ase, Lokis Gegner, der Wiedererkämpfer Brisingamens. Heimdals Haupt heißt das Schwert, denn es wird gesagt, er sei mit eines Mannes Haupt durchbohrt worden. Von ihm handelt das (verlorne) Heimdalslied, und das Schwert heißt seitdem Manns Miötudr (Meßer, Schöpfer), denn das Schwert ist des Manns Miötudr (Durchbohrer). Heimdal ist Gultops (des Rosses) Besitzer, Wagaskers und Singasteins Heimsucher, weil er dort mit Loki um Brisingamen stritt; desgleichen heißt er Windhler. Ulf Uggis Sohn hat in der Husdrapa diese Sage ausführlich dargestellt, wobei erwähnt wird, daß die Kämpfer die Gestalt von Meerkälbern annahmen. Er ist auch Odhins Sohn.
7. (C. 9.) Wie ist Tyr zu bezeichnen? Als der einhändige As, des Wolfs Fütterer, Kampfgott und Odhins Sohn.
7. (C. 9.) Wie ist Bragi zu bezeichnen? Als Idhuns Gemahl, der erste Liederschmied, der langbärtige Ase, und Odhins Sohn.
8. (C. 11.) Wie ist Widar zu bezeichnen? Ihn mag man den schweigsamen Asen heißen, des Eisenschuhs Besitzer, des Wolfs Fenrir Feind und Tödter, der Götter Rächer, der väterlichen Stätten Bewohner und Erben, Odhins Sohn, der Asen Bruder.
9. (C. 12.) Wie ist Wali zu bezeichnen? So, daß er Odhins Sohn und der Rinda heiße, Friggs Stiefsohn, der Asen Bruder, Baldurs Rächer, Hödurs Feind und Tödter, der väterlichen Stätten Bewohner und Erbe.
10. (C. 13.) Wie ist Hödur zu bezeichnen? Als der blinde Ase, Baldurs Tödter, Mistilteins Schießer, Odhins Sohn, der Geselle Hels, Walis Feind.
11. (C. 14.) Wie ist Uller zu bezeichnen? Als Sifs Sohn, Thôrs Stiefsohn, Schrittschuh-Ase, Bogen-Ase, Jagd-Ase, Schild-Ase.
12. (C. 15.) Wie ist Hönir zu bezeichnen? So, daß er Odhins Gefährte, Sitz- und Redegeselle heiße, oder der schnelle Ase, der Langfuß, der Pfeil- (oder Ernte-) König.
13. (C. 16.) Wie ist Loki zu bezeichnen? Als Farbautis und Laufeyjas, die auch Nal heißt, Sohn, als Byleists und Helblindis Bruder, als Vater Wanargandrs (des Wolfs Fenrir) und Jörmungandrs (des Midgardswurms), so wie der Hel, Naris (oder Nörwis) und Alis; als Blutsfreund und Vaterbruder der Asen, Odhins Sitz- und Reisegefährte, als Geirröds Heimsucher und seiner Truhe Zierde, als der Dieb des Bocks, der Riesen, Brisingamens, und der Aepfel Iduns, als Sleipnirs Verwandter, Sigyns Gemahl, der Götter Feind, als Beschädiger des goldnen Haars der Sif, als Unheilschmied, der verschlagene Ase, der Götter Verleumder und Betrüger, als Anstifter des Mordes Baldurs, der gefeßelte Ase, Heimdals und der Skadi Gegner.
14. (C. 19.) Wie ist Frigg zu bezeichnen? Als Fiorgyns Tochter, Odhins Gemahlin, Baldurs Mutter, Jörds Nebenbuhlerin, so wie der Rinda, der Gunlöd und Gerdas, Nannas Schwieger, der Asen und Asinnen Herscherin, Fullas, des Falkenhemdes und Fensals Herrin.
14. (C. 19.) Wie ist Freyja zu bezeichnen? Als Njörds Tochter, Freys Schwester, Odhs Gemahlin, der Hnossa Mutter, als des Walfalls (der auf dem Schlachtfeld Fallenden) und Sessrumnirs Eigentümerin so wie der Katzen und Brisingamens, als Wanengöttin, Wanenjungfrau, die thränenschöne Göttin. Die Asinnen können alle so bezeichnet werden, daß man sie mit den Namen einer andern Göttin benenne und von Besitztum, Werk und Erlebniss oder Geschlecht eine nähere Bezeichnung hernehme.
15. (C. 21.) Wie ist Sif zu bezeichnen? Als Thors Gemahlin, Ullers Mutter, die haarschöne Göttin, Jarnsaxas Nebenbuhlerin, die Mutter Thruds.
15. (C. 22.) Wie ist Idun zu bezeichnen? Als Bragis Gemahlin, der Aepfel Hüterin (die das Heilmittel sind gegen der Asen Altern), als des Riesen Thiassi Raub, der sie den Asen entführte.
17. (C. 23.) Wie ist der Himmel zu bezeichnen? Als Ymirs Hirnschädel, und daher der Riesen Schädel und der Zwerge Arbeit oder Last, oder als Westris, Austris, Sudris, Nordris Helm, als der Sonne, des Monds und der Sterne Land, als der Luft, der Erde und der Sonne Helm oder Haus.
18. (C. 24.) Wie ist die Erde zu bezeichnen? Als Ymirs Fleisch, Thors Mutter, Onars Tochter, Odhins Braut, Friggs und Rindas und Gunlöds Nebenbuhlerin, Sifs Schwieger, als des Hofs der Winde und des Wetters Grund und Boden, als der Thiere Meer, als der Nacht Tochter, Audrs und des Tags Schwester.
19. (C. 25.) Wie ist das Meer zu bezeichnen? Als Ymirs Blut, der Götter Heimsucher, Rans Gemahl, der Oegirstöchter Vater, deren Namen diese sind: Himingläwa, Duwa, Blodughadda, Hefring, Udr, Hrön, Bylgia, Bara, Kolga; als die Erde Rans, der Oegirstöchter und der Schiffe (wobei alle Schiffsnamen, Kiele u. s. w. zu brauchen sind), so wie der Fische und des Eises; als der Seekönige Weg und Straße, als der Eilande Ring, als des Sands, des Seetangs und der Riffe Haus; als der Angelruthen, der Seevögel und der Winde Haus.
20. (C. 26.) Wie ist die Sonne (Sôl) zu bezeichnen? Als die Tochter Mundilföris, als des Mondes (Manis) Schwester, Glenurs Gemahlin, als Feuer des Himmels der Luft.
21. (C. 27.) Wie ist der Wind zu bezeichnen? Als Forniots Sohn, Oegirs und des Feuers Bruder, der Bäume Brecher, Schade und Mörder, als Hund oder Wolf der Bäume, Segel und Segelstangen.
22. (C. 28.) Wie ist das Feuer zu bezeichnen? Als des Windes und Oegirs Bruder, des Holzes und der Häuser Mörder und Verderber, als Halfs Mörder, als Sonne der Häuser.
23. (C. 29.) Wie ist der Winter zu bezeichnen? Als Windswalis Sohn, der Würmer Mörder, der Vögel Krankheit, Zeit der Stürme.
24. (C. 30.) Wie ist der Sommer zu bezeichnen? Als Swasudrs Sohn, der Schlangen Trost, der Vögel Freude, fruchtbare Zeit.
25. (C. 32–34.) Wie ist das Gold zu bezeichnen? Als Oegirs Feuer, Glasirs Laub, als Sifs Haar, Fullas Haarband, Freyjas Thränen, der Riesen Wort, Stimme und Rede, als Draupnirs Tropfen, Draupnirs und der Augen Freyjas Regen oder Schauer, als der Asen Buße für Otrs Mord, als Saat auf Fyriswall, Helgis Grabdecke, als der Hand und aller Flüße Feuer, als Stein und Klippe oder Glanz der Hand. Oegirs Feuer heißt es, weil Oegir, als er von Odhins Gastmal heimfahren wollte, Odhin und die Asen nach dreier Monden Frist zu sich einlud. Bei dieser Fahrt waren Odhin, Niördr, Freyr, Tyr, Bragi, Widar, Loki und die Asinnen Frigg, Freyja, Gefion, Skadi, Idun, Sif. Thor war nicht zugegen, weil er gen Osten gefahren war Riesen zu tödten. Und als die Götter saßen, ließ Oegir leuchtendes Gold auf den Estrich tragen, das wie Feuer die Halle durchstralte und erleuchtete, wie in Walhall Schwertfeuer gewesen war. Hier schmähte Loki alle Götter und erschlug Oegirs Diener Fimafeng; sein anderer Diener hieß Eldir. Ran hieß Oegirs Gemahlin, deren neun Töchter oben genannt sind. Bei diesem Gastmal trugen die Speisen und das Oel sich von selber auf, und alles geschah von selbst was zur Bedienung gehörte. Da bemerkten die Asen, daß Ran ein Netz habe, womit sie alle fing, die sich der See vertrauten. Darum heißt das Gold Oegirs Feuer. Glasirs Laub heißt es, weil in Asgard vor Walhall ein Hain steht, Glasir genannt, dessen Laub ganz aus rothem Golde besteht, wie diese Zeilen bezeugen:
Glasir steht mit goldnem Laub |
Dieß ist das schönste Holz bei Göttern und Menschen.«