Karl Simrock
Die Edda
Karl Simrock

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36. Gudhrûnarhvöt.
Gudruns Aufreizung.

Da ging Gudrun ans Meer, nachdem sie Atli getödtet hatte. Sie ging in die See, sich umzubringen, mochte aber nicht versinken. Da ward sie von den Fluten über den Sund getragen an das Land König Jonakurs. Der nahm sie zur Ehe. Ihre Söhne waren Sörli, Erp und Hamdir. Dort wurde Swanhild, Sigurds Tochter, erzogen und Jörmunrek dem reichen zur Ehe gegeben. Bei dem war Bicki: der gab den Rath, daß Randwer, des Königs Sohn, sie zur Ehe nähme. Das verrieth Bicki dem Könige. Da ließ der König Randwern henken und Swanhilden von Pferden zertreten. Als Gudrun dieß hörte, sprach sie den Söhnen zu.

 

                 

Nie hört ich Worte   so herzzerschneidend,
Aus tödlicher Trauer   emporgetragen,
Als da die grimme   Gudrun die Söhne
Zur Rache reizte   mit der Rede Schärfe:

»Was sitzt ihr säumig,   verschlaft das Leben?
Wie freut euch fürder   noch frohes Gespräch,
Da Jörmunrek   die blühend junge
Von Pferden zerstampfen ließ,   eure Schwester,
Auf offenem Wege   von weißen und schwarzen,
Grauen, gangzahmen   gotischen Rossen.

»Sehr ungleich seht ihr   Gunnars Geschlechte,
Nicht hohes Herzens   wie Högni war.
Ihr würdet ihr, wähn ich,   nicht weigern die Rache,
Hättet ihr Muth   wie meine Brüder
Und hunnischer Herscher   herben Sinn.«

Da hub Hamdir an   aus hohem Muth:
»Läßiger warst du wohl   Högni zu loben,
Als er Sigurden   vom Schlaf erweckte.
Deine Bettdecken waren,   das blauweiße Stickwerk,
Roth von des Gatten Blut,   ganz von dem Schwall bedeckt.

»Zu rasch warst du   mit der Rache der Brüder,
Die Söhne zu schlachten   mit grausamem Sinn.
Wir könnten die junge nun   an Jörmunrek
Atlis Söhnen gesellt,   die Schwester, rächen.

»Doch hole das Heergeräth   der Hunnenkönige,
Weil zum Waffenspiel   du uns erwecktest.«

Wie gerne ging da   Gudrun zum Rüstsaal,
Kor aus den Kisten   königlichen Helmschmuck
Und breite Brünnen,   brachte sie den Söhnen.
Die Muthigen luden   den Mähren sich auf.

Da hub Hamdir an   aus hohem Muth:
»Dir kehren nicht mehr   die Mutter zu schauen
Die Fechter, gefällt   im Volk der Goten,
Bis uns du Allen   das Erbmal rüstest,
Swanhilden gesamt   und deinen Söhnen.«

Ging da Gudrun,   Giukis Tochter,
Bei Seite sitzen   mit Leid beschwert.
Sie zählte der Freunde   Unfälle sich auf
Hin und her,   die Harmbeschwerte:

10 

»Drei Häuser hatt ich,   drei Herdgluten,
Drei Gatten ward ich   ins Haus begleitet.
Sigurd allein war mir   werther als alle;
Meine Brüder haben   ihn umgebracht.

11 

»So bittern Leides   ward mir nicht Buße.
Noch mehr gedachten   sie mich zu betrüben,
Als mich die Edlinge   dem Atli gaben.

12 

»Die kühnen Knaben   kos't ich herbei:
Ich sollte nicht Sühne   der Schmerzen gewinnen
Bis ich vom Halse hieb   der Niflungen Haupt.

13 

»Den Nornen gram   ging ich an den Strand,
Der Falschen Verfolgung   wollt ich entfliehn.
Mich hoben, nicht schlangen   die hohen Wellen:
Zu längerm Leben   stieg ich ans Land.

14 

»Im neuen Ehebett   hofft ich Verbeßerung,
Zum dritten Mal   vermählt einem König.
Kinder gewann ich   zu Wächtern des Erbes,
Zu Schützern des Erbes   die Söhne Jonakurs.

15 

»Mägde saßen   um Swanhilden;
Der Erzeugten liebt ich   zärtlicher keinen.
So schien Swanhild   in meinen Sälen
Wie ein Sonnenstral   die Sinne labte.

16 

»Ich gab ihr Gold   und gutes Gewebe
Eh sie gegiftet ward   ins Gotenreich.
Da hab ich den härmsten Harm empfunden,
Als die leuchtenden   Locken Swanhildens
In den Staub stießen   stampfende Rosse.

17 

»Das war mir das Schwerste,   als den Sigurd sie,
Den siegberaubten,   mir erschlugen im Bett,
Und das am Grimmsten,   da Gunnarn dort
Das Leben fraßen   die falschen Schlangen;
Aber am schärfsten   schnitt mir ins Herz,
Da sie lebend zertheilten den tadellosen.

18 

»Viel Leides gedenkt mir,   viel langen Kummers.
Säume nicht, Sigurd!   dein schimmernd Ross,
Das laufgeschwinde,   lenk es hieher.
Nun sitzt hier weder   Schnur noch Tochter,
Der Gudrun gäbe   goldene Zierden.

19 

»Gedenke, Sigurd,   was wir sprachen,
Da wir beide   im Bette saßen:
Daß du kommen wollest,   Kühner, zu mir
Aus der Halle der Hel,   mich heimzuholen.

20 

»Schlichtet nun, Jarle,   die Eichenscheite,
Daß sie hoch sich heben   unter dem Himmel,
Die leidvolle Brust mir   das Feuer verbrenne,
Vor Hitze der Harm   im Herzen schmelze.

21 

»Allen Männern   werde sanfter zu Muth,
Allen Schönen   lindr es die Schmerzen,
Wenn sie mein Harmlied   zu Ende hören.«


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