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Sigurd ritt hinaus nach Hindarfiall und wandte sich südwärts gen Frankenland. Auf dem Berge sah er ein großes Licht gleich als brennte ein Feuer, von dem es zum Himmel emporleuchtete. Aber wie er hindurchkam, stand da eine Schildburg und oben heraus ein Banner. Sigurd ging in die Schildburg und sah, daß da ein Mann lag und schlief in voller Rüstung. Dem zog er zuerst den Helm vom Haupt: da sah er, daß es ein Weib war. Die Brünne war fest als wär sie ans Fleisch gewachsen. Da ritzte er mit Gram die Brünne durch vom Haupt herab und darnach auch an beiden Armen. Darauf zog er ihr die Brünne ab; aber sie erwachte, richtete sich empor, sah den Sigurd an und sprach:
Was zerschnitt mir die Brünne? Wie brach mir der Schlaf? |
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Sigmunds Sohn: eben zerschnitt |
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Lange schlief ich, lange hielt mich der Schlummer, |
Sigurd setzte sich nieder und frug nach ihrem Namen. Da nahm sie ein Horn voll Meths und gab ihm Minnetrank.
Heil dir Tag, Heil euch Tagessöhnen, |
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Heil euch Asen, Heil euch Asinnen, |
Sie nannte sich Sigrdrifa und war Walküre. Sie erzählte, wie zwei Könige sich bekriegten: der Eine hieß Hialmgunnar, der war alt und der gröste Krieger, und Odhin hatte ihm Sieg verheißen:
Der Andre hieß Agnar, Adas Bruder: |
Sigrdrifa fällte den Hialmgunnar in der Schlacht; aber Odhin stach sie zur Strafe dafür mit einem Schlafdorn und sagte, von nun an solle sie nie wieder Sieg erfechten im Kampfe, sondern sich vermählen. »Aber ich sagte ihm, daß ich das Gelübde thäte, mich keinem Manne zu vermählen, der sich fürchten könne.« Sigurd antwortete und bat sie, ihn Weisheit zu lehren, da sie die Mären aus allen Welten wiße.
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Bier bring ich dir, du Baum in der Schlacht, |
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Siegrunen schneide, wenn du Sieg willst haben; |
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Aelrunen kenne, daß des Andern Frau |
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Die Füllung segne vor Gefahr dich zu schützen |
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Bergrunen schneide, wenn du bergen willst |
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Brandungsrunen schneide, wenn du bergen willst |
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Astrunen kenne, wenn du Arzt willst sein |
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Gerichtsrunen kenne, wenn du der Rache willst |
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Geistrunen schneide, willst du klüger scheinen |
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Auf dem Berge stand er mit blankem Schwert, |
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Auf dem Schilde stünden sie vor dem scheinenden Gott, |
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Auf des Bären Tatze, auf Bragis Zunge, |
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Auf Gold und Glas, auf dem Glück der Menschen, |
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Geschabt wurden alle, die geschnitten waren, |
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Das sind Buchrunen, das sind Bergrunen, |
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Wähle nun, da die Wahl dir geboten ist, |
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Nicht werd ich weichen, wär gewiss mir der Tod, |
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Das rath ich zuvörderst, gegen Freunde stäts |
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Das rath ich zum Andern, keinen Eid zu schwören, |
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Das rath ich zum dritten, daß du beim Dingmahl nicht |
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Schlimm bleiben sie stäts, denn schweigst du dazu, |
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Das rath ich zum vierten, wenn eine Vettel wo |
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Muntrer Augen braucht ein Menschensohn, |
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Das rath ich dir fünftens, wo du schöne Frauen |
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Das rath ich dir sechstens, wo Männer gesellig |
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Tobende Trunkenheit hat Betrübniss schon |
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Das rath ich zum siebenten, wo du zu schaffen hast |
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Das rath ich dir achtens, Unrecht zu meiden |
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Das rath ich dir neuntens, nimm dich des Todten an |
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Ein Hügel hebe sich dem Hingegangenen, |
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Das rath ich zum zehnten, zögre zu trauen |
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Wähne Streit und Haß nicht eingeschlafen, |
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Das rath ich dir eilftens, betrachte das Uebel, |
Sigurd sprach: Kein weiseres Weib ist zu finden als du, und das schwör ich, daß ich dich haben will, denn du bist nach meinem Sinn. Sie antwortete: Dich will ich und keinen Andern, hätte ich auch zu wählen unter allen Männern. Und dieß befestigten sie unter sich mit Eiden.