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1 |
Einst nahmen die Walgötter die erwaideten Thiere,
Zu schlemmen gesonnen noch ungesättigt:
Sie schüttelten Stäbe, besahen das Opferblut,
Und fanden, Oegirn fehle der Braukeßel. |
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2 |
Saß der Felswohner froh wie ein Kind,
Doch ähnlich eher der dunkeln Abkunft.
Ihm in die Augen sah Odhins Sohn:
»Gieb alsbald den Göttern Trank.« |
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3 |
Der Ungestüme schuf Angst dem Riesen;
Doch rasch erdachte der Rach an den Göttern:
Er ersuchte Sifs Gatten: »Schaff mir den Keßel,
So brau ich alsbald das Bier euch darin.« |
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4 |
Den mochten nicht die mächtigen Götter
Irgendwo finden, die Fürsten des Himmels,
Bis Tyr dem Hlorridi getreulich sagte,
Ihm allein, Auskunft und Rath: |
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5 |
»Im Osten wohnt der Eliwagar 5
Der hundweise Hymir an des Himmels Ende.
Einen Keßel hat mein kraftreicher Vater,
Ein räumig Gefäß, einer Raste tief.« |
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6 |
Meinst du, den Saftsieder sollten wir haben? –
»Mit List gelingt es ihn zu erlangen.«
Sie fuhren schleunig denselben Tag
Von Asgard hin zu des Uebeln Haus. |
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7 |
Selbst stellt' er die Böcke, die stattlich gehörnten;
Sie eilten zur Halle, die Hymir bewohnte.
Der Sohn fand die Ahne, die er ungern sah;
Sie hatte der Häupter neunmal hundert. |
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8 |
Eine andre kam allgolden hervor,
Weißbrauig, und brachte das Bier dem Sohn. |
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9 |
»Verwandte der Riesen, ich will euch beide,
Ihr kühnen Männer, unter Keßeln bergen.
Manches Mal ist mein Geselle
Gästen gram und grimmes Muthes.« |
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10 |
Der übel Gesinnte spät Abends kam,
Der hartmuthge Hymir, heim von der Jagd.
Er ging in den Saal, die Gletscher dröhnten;
Ihm war, als er kam, der Kinnwald gefroren. |
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11 |
»Heil dir, Hymir, sei hohes Muths:
Der Sohn ist gekommen in deinen Saal,
Den wir erwartet von langem Wege.
Ihm folgt hieher der Freund der Menschen,
Unser Widersacher, Weor genannt. |
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12 |
»Du siehst sie sitzen an des Saales Ende;
So bangen sie, daß die Säule sie birgt.«
Die Säule zersprang von des Riesen Sehe,
Und entzweigebrochen sah man den Balken. |
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13 |
Acht Keßel fielen, und einer nur,
Ein hart gehämmerter, kam heil herab.
Vorgingen die Gäste; der graue Riese
Faßt' ins Auge den Feind sich scharf. |
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14 |
Wenig Gutes sagte der Geist ihm voraus,
Als der Troldenbetrüber in den Vorsaal trat.
Da sah man Stiere drei geschlachtet,
Die alsbald zu braten gebot der Riese. |
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15 |
Man ließ um den Kopf sie kürzen beide
Und setzte sie zum Sieden ans Feuer.
Sifs Gemahl, eh er schlafen ging,
Zwei Ochsen Hymirs verzehrt' er allein. |
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16 |
Da schien dem grauen Gesellen Hrungnirs
Hlorridis Malzeit so mäßig nicht:
»Nun müßen wir drei uns Morgen Abend
Mit des Waidwerks Gewinn selber bewirthen.« |
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17 |
Bereit war Weor ins Waßer zu rudern,
Wenn der kühne Jötun den Köder gäbe.
»Geh hin zur Heerde, wenn du das Herz hast,
Zerschmettrer des Berggeschlechts, und suche den Köder. |
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18 |
»Ich weiß gewiss, dir wird nicht schwer
Die Lockspeise vom Stier zu erlangen.«
Zum Walde wandte sich Weor alsbald:
Da fand er stehen allschwarzen Stier. |
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19 |
Der Thursentödter, abbrach er dem Thiere
Der beiden Hörner erhabnen Sitz.
»Im Schaffen scheinst du schlimmer um Vieles,
Lenker der Kiele, als in bequemer Ruh.« |
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20 |
Da bat der Böcke Gebieter den Affengott,
Ferner in die Flut das Seeross zu führen.
Aber der Jötun gab ihm zur Antwort,
Ihn lüste wenig, noch länger zu rudern. |
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21 |
Da hob am Hamen Hymir der starke
Zwei Wallfische aus den Wellen allein.
Am Steuer inzwischen Odhins Erzeugter
Festigte listig ein Fischseil Weor. |
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22 |
An die Angel steckte der Irdischen Gönner
Als Köder den Stierkopf zum Kampf mit dem Wurm.
Gähnend haschte der gottverhaßte
Erdumgürter 34, 48 nach solcher Atzung. |
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23 |
Tapfer zog Thôr der gewaltige
Den schimmernden Giftwurm zum Schiffsrand auf.
Das häßliche Haupt mit dem Hammer traf er,
Das felsenfeste, dem Freunde des Wolfs. |
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24 |
Felsen krachten, Klüfte heulten,
Die alte Erde fuhr ächzend zusammen:
Da senkte sich in die See der Fisch. |
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25 |
Nicht geheuer wars auf der Heimkehr dem Riesen:
Der starke Hymir verstummte ganz;
Wider den Wind nur wandt' er das Ruder: |
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26 |
»Willst du die Hälfte haben der Arbeit:
Entweder die Wallfische zur Wohnung tragen,
Oder das Boot fest binden am Ufer?« |
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27 |
Hlorridi ging und ergriff am Steven,
Ohn erst auszuschöpfen das Schiff erfaßt' er
Allein mit Rudern und Schöpfgeräth;
Trug auch die Fische des Thursen heim
In das keßelgleiche Berggeklüft. |
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28 |
Aber der Jötun wie immer trotzig
Mit Thôr um die Stärke stritt er aufs Neu:
Der Macht ermangle der Mann, wie er rudre,
Könn er dort den Kelch nicht zerbrechen. |
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29 |
Als der dem Hlorridi zu Händen kam,
Zerstückt' er den starrenden Stein damit:
Sitzend schleudert' er durch Säulen den Kelch;
In Hymirs Hand doch kehrt' er heil. |
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30 |
Aber die freundliche Frille lehrt' ihn
Wohl wichtgen Rath; sie wust ihn allein:
»Wirf ihn an Hymirs Haupt: härter ist das
Dem kostmüden Jötun als ein Kelch mag sein.« |
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31 |
Der Böcke Gebieter bog die Kniee
Mit aller Asenkraft angethan:
Heil dem Hünen blieb der Helmsitz;
Doch brach alsbald der Becher entzwei. |
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32 |
»Die liebste Lust verloren weiß ich,
Da mir der Kelch vor den Knieen liegt.
Oft sagt' ich ein Wort; nicht wieder sag ichs
Von heut an je; zu heiß ist der Trank! |
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33 |
»Noch mögt ihr versuchen ob ihr Macht habt,
Aus der Halle hinaus zu heben die Kufe.«
Zwei Mal ihn zu rücken mühte sich Tyr:
Des Keßels Wucht stand unbewegt. |
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34 |
Aber Modis Vater erfaßt' ihn am Rand,
Stieg vom Estrich in den untern Saal.
Aufs Haupt den Hafen hob sich Sifs Gemahl;
An den Knöcheln klirrten ihm die Keßelringe. |
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35 |
Sie fuhren lange eh lüstern ward
Odhins Sohn sich umzuschauen:
Da sah er aus Höhlen mit Hymir von Osten
Volk ihm folgen vielgehauptet. |
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36 |
Da harrt' er und hob den Hafen von den Schultern,
Schwang den mordlichen Miölnir entgegen
Und fällte sie all, die Felsungetüme,
Die ihn anliefen in Hymirs Geleit. |
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37 |
[Sie fuhren nicht lange, so lag am Boden
Von Hlorridis Böcken halbtodt der eine.
Scheu vor den Strängen schleppt' er den Fuß:
Das hatte der listige Loki verschuldet. |
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38 |
Doch hörtet ihr wohl (wer hat davon
Der Gottesgelehrten ganze Kunde?),
Welche Buß er empfing von dem Bergbewohner:
Den Schaden zu sühnen gab er der Söhne zwei.] |
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39 |
Kraftgerüstet kam er zum Göttermal
Und hatte den Hafen, den Hymir beseßen.
Daraus sollen trinken die seligen Götter
Ael in Oegirs Haus jede Leinernte. |