Karl Simrock
Die Edda
Karl Simrock

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10. Thrymskvidha oder Hamarsheimt.
Thryms-Sage oder des Hammers Heimholung.

       

Wild ward Wing-Thôr   als er erwachte
Und seinen Hammer   vorhanden nicht sah.
Er schüttelte den Bart,   er schlug das Haupt,
Allwärts suchte   der Erde Sohn.

Und es war sein Wort,   welches er sprach zuerst:
»Höre nun, Loki,   und lausche der Rede:
Was noch auf Erden   Niemand ahnt,
Noch hoch im Himmel:   mein Hammer ist geraubt.«

Sie gingen zum herlichen   Hause der Freyja,
Und es war sein Wort,   welches er sprach zuerst:
»Willst du mir, Freyja,   dein Federhemd leihen,
Ob meinen Miölnir   ich finden möge?«

 
Freyja.

Ich wollt es dir geben   und wär es von Gold,
Du solltest es haben   und wär es von Silber. –

Flog da Loki,   das Federhemd rauschte,
Bis er hinter sich hatte   der Asen Gehege
Und jetzt erreichte   der Joten Reich.

Auf dem Hügel saß Thrym,   der Thursenfürst,
Schmückte die Hunde   mit goldnem Halsband
Und strälte den Mähren   die Mähnen zurecht.

 
Thrym.

Wie stehts mit den Asen?   wie stehts mit den Alfen?
Was reisest du einsam   gen Riesenheim?

 
Loki.

Schlecht stehts mit den Asen,   mit den Alfen schlecht;
Hältst du Hlorridis   Hammer verborgen?

 
Thrym.

Ich halte Hlorridis   Hammer verborgen
Acht Rasten unter   der Erde tief,
Und wieder erwerben   fürwahr soll ihn Keiner,
Er brächte denn Freyja   zur Braut mir daher.

Flog da Loki,   das Federhemd rauschte,
Bis er hinter sich hatte   der Riesen Gehege
Und endlich erreichte   der Asen Reich.
Da traf er den Thôr   vor der Thüre der Halle,
Und es war sein Wort,   welches er sprach zuerst:

10 

Hast du den Auftrag   vollbracht und die Arbeit?
Laß hier von der Höhe   mich hören die Kunde.
Dem Sitzenden manchmal   mangeln Gedanken,
Da leicht im Liegen   die List sich ersinnt.

 
Loki.

11 

Ich habe den Auftrag   vollbracht und die Arbeit:
Thrym hat den Hammer,   der Thursenfürst;
Und wieder erwerben   fürwahr soll ihn Keiner,
Er brächte denn Freyja   zur Braut ihm daher. –

12 

Sie gingen Freyja,   die schöne zu finden,
Und es war Thôrs Wort,   welches er sprach zuerst:
Lege, Freyja, dir an   das bräutliche Linnen;
Wir beide wir reisen   gen Riesenheim.

13 

Wild ward Freyja,   sie fauchte vor Wuth,
Die ganze Halle   der Götter erbebte;
Der schimmernde Halsschmuck   schoß ihr zur Erde:
»Mich mannstoll meinen   möchtest du wohl,
Reisten wir beide   gen Riesenheim.«

14 

Bald eilten die Asen   all zur Versammlung
Und die Asinnen   all zu der Sprache:
Darüber beriethen   die himmlischen Richter,
Wie sie dem Hlorridi   den Hammer lösten.

15 

Da hub Heimdall an,   der hellste der Asen,
Der weise war   den Wanen gleich:
»Das bräutliche Linnen   legen dem Thôr wir an,
Ihn schmücke das schöne,   schimmernde Halsband.

16 

»Auch laß er erklingen   Geklirr der Schlüßel
Und weiblich Gewand   umwalle seine Knie;
Es blinke die Brust ihm   von blitzenden Steinen,
Und hoch umhülle   der Schleier sein Haupt.«

17 

Da sprach Thôr also,   der gestrenge Gott:
»Mich würden die Asen   weibisch schelten,
Legt' ich das bräutliche   Linnen mir an.«

18 

Anhub da Loki,   Laufeyjas Sohn:
»Schweig nur, Thôr,   mit solchen Worten.
Bald werden die Riesen   Asgard bewohnen,
Holst du den Hammer   nicht wieder heim.«

19 

Das bräutliche Linnen   legten dem Thôr sie an,
Dazu den schönen,   schimmernden Halsschmuck.
Auch ließ er erklingen   Geklirr der Schlüßel,
Und weiblich Gewand   umwallte sein Knie;
Es blinkte die Brust ihm   von blitzenden Steinen,
Und hoch umhüllte   der Schleier sein Haupt.

20 

Da sprach Loki,   Laufeyjas Sohn:
»Nun muß ich mit dir   als deine Magd:
Wir beide wir reisen   gen Riesenheim.«

21 

Bald wurden die Böcke   vom Berge getrieben
Und vor den gewölbten   Wagen geschirrt.
Felsen brachen,   Funken stoben,
Da Odhins Sohn reiste   gen Riesenheim.

22 

Anhob da Thrym,   der Thursenfürst:
»Auf steht, ihr Riesen,   bestreut die Bänke,
Und bringet Freyja   zur Braut mir daher,
Die Tochter Niörds   aus Noatun.

23 

»Heimkehren mit goldnen   Hörnern die Kühe,
Rabenschwarze Rinder,   dem Riesen zur Lust.
Viel schau ich der Schätze,   des Schmuckes viel:
Fehlte nur Freyja   zur Frau mir noch.«

24 

Früh fanden Gäste   zur Feier sich ein,
Man reichte reichlich   den Riesen das Ael.
Thôr aß einen Ochsen,   acht Lachse dazu,
Alles süße Geschleck,   den Frauen bestimmt,
Und drei Kufen Meth   trank Sifs Gemahl.

25 

Anhob da Thrym,   der Thursenfürst:
»Wer sah je Bräute   gieriger schlingen? –
Nie sah ich Bräute   so gierig schlingen,
Nie mehr des Meths   ein Mädchen trinken.«

26 

Da saß zur Seite   die schmucke Magd,
Bereit dem Riesen   Rede zu stehn:
»Nichts genoß Freyja   acht Nächte lang,
So sehr nach Riesenheim   sehnte sie sich.«

27 

Kusslüstern lüftete   das Linnen der Riese;
Doch weit wie der Saal   schreckt' er zurück:
»Wie furchtbar flammen   der Freyja die Augen!
Mich dünkt es brenne   ihr Blick wie Glut.«

28 

Da saß zur Seite   die schmucke Magd,
Bereit dem Riesen   Rede zu stehn:
»Acht Nächte nicht   genoß sie des Schlafes,
So sehr nach Riesenheim   sehnte sie sich.«

29 

Ein trat die traurige   Schwester Thryms,
Die sich ein Brautgeschenk   zu erbitten wagte.
»Reiche die rothen   Ringe mir dar
Eh dich verlangt   nach meiner Liebe,
Nach meiner Liebe   und lautern Gunst.«

30 

Da hob Thrym an,   der Thursenfürst:
»Bringt mir den Hammer,   die Braut zu weihen,
Legt den Miölnir   der Maid in den Schooß
Und gebt uns zusammen   nach ehlicher Sitte.«

31 

Da lachte dem Hlorridi   das Herz im Leibe,
Als der hartgeherzte   den Hammer erkannte.
Thrym traf er zuerst,   den Thursenfürsten,
Und zerschmetterte ganz   der Riesen Geschlecht.

32 

Er schlug auch die alte   Schwester des Joten,
Die sich das Brautgeschenk   zu erbitten gewagt.
Ihr schollen Schläge   an der Schillinge Statt
Und Hammerhiebe   erhielt sie für Ringe.
So holte Odhins Sohn   seinen Hammer wieder.


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