Robert Schweichel
Um die Freiheit
Robert Schweichel

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Fünftes Kapitel.

Bruder Ambrosius hielt in der Kirche von Heidingsfeld einen Trauergottesdienst für die vor dem Marienberge Gefallenen ab. Er hätte gleich der 3000 thüringischen Brüder gedenken können, die selbigen Montags der Landgraf Philipp von Hessen, Ernst von Mansfeld und Georg von Sachsen erschlagen hatten. Richtiger wäre, zu sagen: ermordet hatten; denn sie waren mitten im Stillstand, den sie den Bauern bewilligt hatten, über die dem Fürstenwort Vertrauenden hergefallen. 3000 erschlagen, 300 Gefangene gerichtet, Thomas Münzer und sein Freund Pfeiffer in der Gewalt der wortbrüchigen Herren! Aber noch wußte man davon in Heidingsfeld nichts. Bruder Ambrosius bezeichnete die Gefallenen in seiner tief ergreifenden Predigt als die Blutzeugen der Freiheit. Er verglich sie mit den Märtyrern des Christentums, ohne deren Leiden und Tod dasselbe nie zum Siege gelangt wäre. Also werde auch dem seit Jahrhunderten geknechteten Volke aus solchem Blute der Baum der Freiheit erwachsen. Mit dieser Verheißung entließ er die tief erschütterten und erhobenen Zuhörer, für welche die Kirche sich viel zu klein erwiesen hatte, so daß viele vor den offenen Türen hatten stehen müssen. Die Hauptleute und Räte des Ausschusses blieben zurück. Denn derselbe hielt fortan seine Sitzungen in der Kirche von Heidingsfeld, 535 da die Mainbrücke unter den Kanonen des Marienberges lag. Florian Geyer und Pezold erstatteten einen kurzen Bericht über ihre Gesandtschaft, Ehrenfried Kumpf überreichte das Ratsschreiben, das ihn und Georg Spelt als Vertreter Rothenburgs im Ausschusse beglaubigte. Nunmehr fühlte sich Dr. Karlstadt zum Worte gedrungen. An die Predigt des Bruders Ambrosius anknüpfend, begann er darzulegen, wie mit der politischen Freiheit allein nichts errungen wäre, wenn nicht das gesamte Leben im Geiste der ersten Christengemeinden erneuert würde. Das geriet ihm übel, war er doch von Luther geächtet. Die Pfarrer fürchteten den Einfluß seiner Lehren auf ihre Bauern und fielen ihm daher mit lautem Geschrei in die Rede. Sie bedürften seiner Ermahnungen nicht und wollten vollends von seinem christlichen Kommunismus nichts hören. Ehrenfried Kumpf, der sich von des Doktors Gelahrtheit und Beredtsamkeit viel des Fördersamen versprochen hatte, suchte zu vermitteln, aber seine Ermahnungen zu Frieden und Eintracht blieben ohnmächtig. Just um der Eintracht willen sollte Karlstadt ein Haus weiter gehen, fiel ihm der Pfarrer Bubenleben entgegen; er trüge nur Sektiererei ins Lager. Jakob Köhl gebot mit seiner Stentorstimme Ruhe. Es sei halt genug des Gezänkes; der Doktor möge den Staub von seinen Schuhen schütteln, sie hätten ihn nicht gerufen und begehrten seiner nicht, und im Ausschuß hätte er nichts zu schaffen.

Ehrenfried Kumpf, welcher nach Würzburg mußte, um Bürgermeister und Rat die Grüße der neugewonnenen Bruderstadt Rothenburg zu überbringen, führte den Doktor mit sich aus der Kirche. Das war das Ende von Karlstadts Ausfahrt, die schon unter einem üblen Anzeichen begonnen hatte. Denn unter dem städtischen Geleit der Geschütze war ein Knecht, dessen Gemüt der neue Glauben nicht erfüllte, vielmehr es mit dumpfem Fanatismus verfinsterte. Wie der 536 unter dem Galgentor des Doktors ansichtig geworden, war die Wut über ihn gekommen. »Sollen wir mit einem solchen Bösewicht reiten?«, war er ausgebrochen, und er würde Karlstadt vom Pferde gestochen haben, wenn Jörg Spelt den Lanzenstoß nicht noch glücklich abgewehrt hätte.

Nun hatten die Bauernpfarrer den Doktor symbolisch gesteinigt. »Es ist also, daß die Pfaffen des neuen Papstes, als wie die des römischen voll blinden Eifers und Überhebung in allen Stücken sind. Alle Weisheit vermeinen sie in ihnen zu haben und stinken doch vor Unwissenheit, daß es ein Greuel ist. Auf solchen Bäumen kann für die Menschheit keine süße Frucht erwachsen.« Mit solch' bitteren Worten nahm Karlstadt von dem Altbürgermeister Abschied und kehrte mit dem Geleit aus Gattenhofen nach Rothenburg zurück, Die Wache am Galgentor aber verweigerte ihm den Einlaß und der Bürgermeister Bermeter entschied: wer ihn hätte heißen hinausgehen, der sollte ihn auch wieder hereinlassen. Stephan von Menzingen erfuhr es glücklicherweise, eilte ans Tor und befahl im Namen des Ausschusses, ihm zu öffnen. Fräulein von Badell gewährte dem Heimatlosen Herberge in ihrem Hause.

Ehrenfried Kumpf feierte dagegen auf dem Rathause einen großen Triumph. Seine Begrüßungsrede gefiel männiglich über die Maßen, besonders weil er es aussprach, daß Würzburg durch der Bischöfe Tyrannei von dem Reiche abgedrängt worden sei, zu dem es einstmals gehört habe, und deshalb das Schloß niedergeworfen werden müßte. Die Bürgerschaft erwählte ihn in ihrer Freude zu ihrem Schultheißen, und als solcher saß er fortan im inneren Ausschusse, Spelt im Bauernrate.

Der Altbürgermeister hatte Heidingsfeld kaum durch das Maintor verlassen, als ihm zwei bewaffnete Bauern auf schäumenden Pferden entgegengerast kamen. Er wollte die Männer anreden, aber sie eilten ohne 537 Aufenthalt an ihm vorüber. Es waren Jörg Metzler aus Ballenberg und Hans Müller, genannt Flux, der Hauptmann des Heilbronner Fähnleins. Mit hochroten Gesichtern von dem schnellen Ritt traten sie in die Kirche, wo sie der lange Lienhart mit dem scheltenden Zuruf begrüßte: »Ihr seid mir auch die rechten Brüder, daß Ihr erst jetzt kommt. Weil Ihr bei dem Sturm auf den Marienberg nit dabei waret, lohnte es Euch nit, die Toten zu ehren. Was?«

»Lieber,« versetzte Hans Flux und nahm eine würdevolle Haltung an, »nur ein Wörtlein braucht' ich zu sagen und Du sperrtest das Maul auf, als wie der Walfisch, da er den Jonas verschlang.«

»Geh',« spottete Michael Hasenbart von Mergentheim, »hättest Du vom Walfisch den Rachen, er wäre Dir nit weit genug, um Dich selbst zu rühmen.«

Hans Flux mußte es leiden, daß sich auf seine Kosten ein schallendes Gelächter erhob. Jörg Metzler aber rief: »Nu, lasset das Utzen: Just als wir reiten wollten, brachten die Heilbronner zwei Gefangene ein, die wir erst verhören mußten. Es waren zwei Boten von Frauenberg. Der eine, den sie den langen Wilm hießen, kam von Heidelberg zurück; der andere wollte zum Bischof. Sie waren sich in Waldbüttelbrunn begegnet, saßen im Wirtshaus und schwätzen mit einander von ihren Geheimnissen.«

»Und hier ist das Schreiben des Bischofs an den Markgrafen Friedrich,« fiel Hans Flux ein und schwenkte ein Papier, das er aus seinem Wams gezogen, triumphierend in der Luft. »Im hohlen Spieß vom langen Wilm stak's.«

»Vorlesen! Vorlesen!« rief man von allen Seiten.

Hans Flux willfahrte; was er aber mit einigem Stocken und Stottern vorlas, machte die Stirnen der Hauptleute und Räte sehr ernst. Denn der Bischof schrieb, daß der Schwäbische Bund, der Kurfürst von Trier und der Pfalzgraf ihm die schleunigste Hilfe 538 zugesagt hätten; daß ferner Graf Wilhelm von Henneberg einen Ausgleich mit ihm in die Wege geleitet habe und vereint mit den nach Koburg geflüchteten Edelleuten des Bistums, sobald der Landgraf Philipp von Hessen aus Thüringen heranzöge, das aufständische Meiningen überfallen und von Norden her auf Würzburg rücken wollte.

Kaum schwieg Flux, so brach Hans Schnabel, der Hauptmann des Bildhauser Haufens, der seinerzeit den Grafen von Henneberg auf dessen Begehr in die Bruderschaft der Bauern aufgenommen hatte, in bebender Wut aus: »Daß ihn Gottes Marter schänd', den meineidigen Schuft. Den Handschuh hat er ausgezogen zu Bildhausen und zu Gott dem Allmächtigen geschworen, bei unseren Artikeln zu leben und zu sterben. Über alle Spiel- und Schellerplätze (Freudenhäuser) im ganzen Bistum für Geld die Aufsicht zu führen, das verträgt sich mit seiner hochfürstlichen Ehre. Solches Geld stinket ihm nicht. Aber uns sein feierlich beschworenes Wort halten, das geht ihm wider die Ehr'.«

»Es stehen ja Galgen in Würzburg, schlagen wir seinen Namen daran,« rief Leonhard Metzler.

»Recht hast, und ich will eine saubere Tafel mit seinem Namen machen,« stimmte ihm Hans Schnabel, der ein Schreiner war, zu.

»Aber, Brüder, ich bin noch nit zu End,« so nahm Hans Flux jetzt wieder das Wort: »Der andere Bote, den wir fingen, hatte nichts Schriftliches vom Schloß. Wie er bekannt hat, sollte er den Bischof bei allen Heiligen beschwören, nit eine Stund länger mit der Hilfe zu verziehen, wenn er helfen könnte. Ihre Bedrängnis sei gar groß, schon ginge ihnen das Wasser aus.«

»Nun, lieben Freunde,« rief Florian Geyer in die frohe Erregung hinein, die jetzt Platz griff, »da die Rothenburger Stücke da sind, so dürfen wir uns wohl 539 deß getrösten, daß der Frauenberg unser ist, ehe denn der Bischof kommt.«

Ein klirrender Schritt auf den Steinplatten veranlaßte ihn, einen Blick nach dem Eingang zu werfen, und in höchster Überraschung rief er: »Der Wendel Hipler!« Wie war das möglich? Der war ja in Heilbronn. »Ich bin es aber wirklich, Ihr Brüder,« erwiderte er mit rauher Kehle, Florian Geyers Hand schüttelnd, »und wollet Ihr mich mit einem Trunk Wasser willkommen heißen, so werd' ich's Euch danken.« In einem Zuge war er von Heilbronn nach Heidingsfeld geritten und eben vom Sattel gestiegen. Stiefel, Kleider, Haare, Bart, Gesicht trugen die überdeutlichen Spuren von dem Staube und Schmutz des weiten Weges. Jörg Metzler verließ die Kirche, um den Wunsch des Kanzlers zu erfüllen, der sich auf der nächsten Bank erschöpft niederließ und fortfuhr, während die Räte und Hauptleute ihn neugierig umringten: »Der Verfassungsausschuß hat seine Arbeiten einstweilen einstellen und auseinandergehen müssen; denn in diesem Augenblicke ist der Truchseß wahrscheinlich schon in Heilbronn und bedroht Weinsberg mit seiner Rache. Denn die liegt ihm zunächst am Herzen.«

»Oho, an Heilbronn beißt er sich die Zähne aus,« überbot Hans Flux die Unruhe, welche ob dieser bedenklichen Mitteilung entstand.

»Ihr würdet Recht behalten, wenn seine Bürger so fest wären, wie seine Mauern,« antwortete Hipler. »Aber als ich mich auf die Reis' begab, war Euer eigener Schwager, der Bürgermeister Rieser, mit dem Stadtschreiber und Berle nach Stuttgart hinaufgeritten, allwo der Truchseß bereits sein Hauptquartier hatte, um mit ihm wegen der Unterwerfung Heilbronns zu verhandeln.«

»Pfui Teufel,« rief der Bäck Hans Flux mit purpurrotem Kopf. »Wär' ich dort gewesen, ich hätt's nimmer gelitten.« 540

Das Gelächter, das über diese Prahlerei entstand, bewies die hohe Spannung, in der sich die Gemüter der Anwesenden befanden. Jörg Metzler brachte einen Krug Wein aus dem Wirtshaus zum Hirschen, das neben der Kirche lag, und Wendel Hipler seufzte, nachdem er seinen Durst gelöscht hatte: »Es ist bitter zu gedenken, wie alles anders stünde, vom Schwarzwald bis zum Untersee, wenn Ihr, wie es zu Weinsberg ist beschlossen worden, anstatt hier festzuliegen, dem Truchseß in die Flanke gefallen wäret. Er hätte alsdann das Oberland nicht dämpfen, das Unterland nicht überziehen können.«

»Rück' es ihnen nur auf,« schaltete Florian Geyer ein; »denn der Götz und ich haben leider tauben Ohren gepredigt.«

»Und vor fünf Tagen ist es bei Böblingen zu einer mörderischen Schlacht gekommen,« fuhr Hipler fort. »Die Württemberger haben sich mit großer Tapferkeit gewehrt, wie auch vordem; aber zuletzt haben sie weichen müssen. Über zwei Tausend von ihnen sollen gefallen und auf der Flucht erstochen sein. Alle Wege, alle Wälder sind voll von Flüchtlingen, und wo der Truchseß in ein Dorf oder Städtlein einzieht, da hat der den Henker bei ihm und schaffet ihm reiche Arbeit. Auf die Prediger des gereinigten Glaubens hat er es besonders abgesehen. Es geht ihm aber ein absonderlich großer Schrecken voraus. Das sind seine Eisenreiter und das Volk nennt sie Jörg's Tod.«

»Mag er nur kommen, wir fürchten uns nit,« rief Jakob Köhl und schlug sich mit der Faust auf die Brust.

Wendel Hipler nahm den Faden seines Berichtes wieder auf: »Alsobald wir durch Flüchtlinge von der Schlacht bei Böblingen erfuhren, taten wir, was in unseren Kräften stand, der Locher, Schickmer und ich. Da aber die Neckartaler hier bei den Odenwäldlern liegen, so hatte unsere Aufmahnung keinen sonderlichen Erfolg. Die Landleute waren wohl willig zu fechten, 541 allein die Städte waren zag und hatten bereits ihre Unterwerfungsschreiben an den Truchseß geschickt. Ohne sie als zuverlässige Stützpunkte war bei der geringen Macht, die wir sammeln konnten, jeder Widerstand aussichtslos, zumal der Truchseß die Flüchtlinge von Böblingen, die der Jäcklein Rohrbach bei Hohenasberg sammelte, zersprengte. So bin ich denn hierher geeilt. Helfet, Freunde, Brüder! Der Sieg unserer Sache wird nicht hier, sondern in Württemberg ausgefochten. Schlagen wir den Truchseß aufs Haupt, so schlagen wir damit alle unsere Feinde aufs Haupt.«

Der lange Lienhart stieß sein mächtiges Schwert klirrend gegen den Steinboden und rief: »Recht hat er. Zu den Waffen denn! Auf, dem Truchseß entgegen!«

Der Ruf fand jedoch nur geringen Widerhall. Kunz Bayer, der Pfennigmeister und Schultheiß von Ottelfingen, sagte vernehmlich: »Wir sind halt Franken, keine Schwaben.«

»Und das Hemd ist uns näher als der Kittel«, fügte Jakob Köhl hinzu.

Jörg Metzler und Hans Flux drohten beiden mit den geballten Fäusten und Wendel Hipler starrte sie an, als ob er nicht recht gehört hätte.

»Das ist die wahre Freiheitsliebe, die nur an sich denkt und den Bruder zugrunde gehen läßt«, bemerkte Florian Geyer bitter.

»Aber auch die Würzburger sind unsere Brüder, und wir haben ihnen gelobt, nicht von ihnen zu lassen, bis daß der Marienberg zerrissen ist«, wandte der Pfarrer Bernhard Bubenleben ein, worauf der Brettheimer Metzler murrte: »O weh, itzt ist's gefehlt!«

»Das wäre kein Grund, Bruder Pfarrer«, hielt diesem der oberste Hauptmann des Tauberhaufens, Hans Kolbenschlag, ein breit und fest auf sich ruhender Mann, entgegen. »Denn wir haben just gehört, wie übel es auf dem Schloß ausschaut. Wir haben aber auch gehört, daß der Bischof Konrad mit dem Pfalzgrafen 542 und im Norden der Henneberger mit dem Landgrafen von Hessen uns bedroht.«

»Und im Osten der Markgraf Kasimir«, ergänzte Gregor von Burgbernheim, der Hauptmann der Markgräfischen. Es war ein noch nicht dreißigjähriger Mann, der höchst selten einmal das Wort ergriff. »Er hat sich an der Rothenburger Grenze zusammengeballt und senget und brennt, noch freilich in seinem eigenen Land.«

»Und überdem sind wir nit schlagfertig«, nahm Hans Kolbenschlag von neuem das Wort. »Wir haben viele und just die zuverlässigsten Leute, weil wir sicher sind, daß sie sich auf den ersten Ruf wieder stellen, zu den Feldarbeiten nach Hause entlassen und die Schwarze Schar hat gar schwere Verluste erlitten.«

»Stehet es also?« rief Wendel Hipler betroffen. »Jetzt rächt es sich bitter an uns, daß wir nichts davon haben hören wollen, die nach der Schlacht von Pavia entlassenen Fußknechte anzuwerben. Dem Feind haben wir sie zugetrieben und ihre Waffen auf unsere Brust gekehrt.«

Florian Geyer, der bisher nachdenklich an seinem Schnurrbart gedreht hatte, erhob jetzt den Kopf und sprach: »Unter den Feinden, die uns umdräuen, ist zweifellos der Truchseß der stärkste. Haben wir ihn besiegt, haben wir mit den anderen ein leichtes Spiel. Durch unsere Schuld hat er sich derart ausgewachsen. Ihm müssen wir uns daher vor allen Dingen mit unserer größten Macht entgegenwerfen, ohne unseren Rücken bloßzugeben. Das fürnehmlichste ist daher, und wir müssen es sogleich ins Werk setzen, daß die Fähnlein ihre Beurlaubten zurückrufen und daß der Ausschuß an alle uns verbündeten Gemeinden ein Anschreiben richtet, sich zu rüsten und auf das erste Zeichen mit ihrer gesamten waffenfähigen Mannschaft uns zuzurücken. Denn wir werden unseren Feinden gegenüber unsere ganze Macht brauchen; den mindesten Teil, um 543 den Marienberg im Auge zu behalten, einen anderen gegen den Henneberger und den Landgrafen, den dritten gegen den Markgrafen und den größten von allen, um dem Truchseß die Stirne zu bieten. Beschließet indeß nach meinem Antrage, denn wir haben keine Zeit zu verlieren, und führet's aus.«

»Aber wir müssen doch erst einen Feldzugsplan haben«, wandte Kunz Bayer, der Schultheiß von Öttelfingen, ein.

»Den entwerfen und erwägen wir, derweilen unsere Eilboten laufen«, erwiderte Florian Geyer. »Die Hauptsache wird sein, daß wir uns nicht hier von unseren sämtlichen Feinden umdringen und wie einen Eber von den Jägern stellen lassen.«

»Das ist das richtige«, pflichtete der Kanzler ihm bei, der inzwischen durch einen neuen Trunk sich gestärkt hatte. »Wir müssen eine feste Stellung beziehen, in der wir es dem Truchseß, der nit säumen wird, dem Bischof und dem Pfalzgrafen Ludwig die Hand zu reichen, unmöglich machen, in das Bistum zu fallen. Lasset itzt die Briefe schreiben und sendet die Boten fort, wie es der Hauptmann Geyer vorgeschlagen hat. Mir vergönnet unterdessen, daß ich mich eine kleine Weile verruhe.«

»Wir brauchen wohl alle eine kleine Stärkung. Ich bin allbereits hungrig als wie ein Wolf,« ließ sich Jakob Köhl vernehmen.

»Aber mein Antrag?« fragte Florian Geyer mit gerunzelter Stirn.

»O, da ist halt keiner gegen,« meinte der oberste Hauptmann, und von allen Seiten erscholl ein Nein.

Als Wendel Hipler die Kirche verließ, trat ihm aus der Menge, die das Gerücht von seiner Ankunft vor derselben versammelt hatte, die schwarze Hofmännin entgegen und erkundigte sich, ob er etwas vom Jäcklein Rohrbach wisse.

»Ach, Ihr seid's, Hofmännin?« antwortete Hipler 544 zögernd. »Hm, der Rohrbach! Ja, von dem weiß ich Euch kaum Gutes zu vermelden. Ihr wisset halt selbst, wie es im Krieg zugehet.«

»Tot,« murmelte sie.

»Ich habe halt nur vernommen, daß er gefangen ist worden, bei Hohenasberg von dem Truchseß.«

»O, das ist schlimmer als tot,« stöhnte sie.

»Freilich; denn er befehligt das Strafgericht zu Weinsberg,« gab Wendel Hipler mit einem mitleidigen Blicke zu.

Sie sah ihn forschend an und fragte: »Was meinet Ihr?«

»Nun, Hofmännin, Ihr möget's Euch selber ausdenken. Auch der Melchior Nonnenmacher, der dem Grafen von Helfenstein zum Gang in die Spieße aufspielte, wurde gefangen, schon etliche Tage vor ihm. Es ist eine große Schlacht bei Böblingen gewesen und der Nonnenmacher hatte einen Unterschlupf in Sindelfingen gefunden. Die Bürger lieferten ihn an den Truchseß aus. Als es Nacht wurde, ließ der Truchseß ihn auf dem Schlachtfeld mit einer Kette an einen Apfelbaum binden, so daß er zwei Schritte um denselben laufen konnte, und anderthalb Klafter von dem Baume einen Holzstoß aufschichten. Der Truchseß und seine Ritter trugen Scheite dazu und scherzten, daß sie den Spielmann fein langsam braten wollten. Und die Entmenschten standen dabei und lachten und johlten, wie der Unglückliche in dem feurigen Kreis an seiner Kette hin- und herlief und sprang und vor Schmerzen brüllte als wie ein wildes Tier. Es währte aber lange, bis er zu Boden fiel und verstummte. – Einer von den Gefangenen, die zusehen mußten, und dem es im Lauf der Nacht zu entfliehen gelang, hat es mir erzählt.«

Es gab wahrlich unter den Zuhörern, zu denen sich die aus der Kirche kommenden Bauern gesellt hatten, starke Herzen genug. Selbst die stärksten überfröstelte jedoch 545 bei solch ausgeklügelter Barbarei ein Grauen. Die schwarze Hofmännin lachte wie eine Wahnsinnige auf.

»Ich fasse es nicht, wie ein Feldherr seine Ehre vor Mit- und Nachwelt durch solche Gräuel schänden kann,« äußerte Wendel Hipler, als er sich vor dem Hirschen, in dem er herbergte, von Florian Geyer verabschiedet. »Keine Zeit kann solche Schandtaten im Gedächtnis der Menschen je auslöschen.«

»Der Schwäbische Bund wußte wohl, warum er just ihn zum obersten Feldhauptmann wählte,« erwiderte Florian Geyer. »Wenn eine schlechte Sache, wie es die der Herren, noch zu retten ist, dann bedarf es dazu des gewissenlosesten Mannes. Suchen wir den Schrecken, den er absichtlich verbreitet, uns zum Guten zu wenden!«

Inzwischen hatten sich, seinen tags zuvor erteilten Befehlen gemäß, bei den Geschützen auf dem Platze die Mannschaften gesammelt und jetzt trafen auch die Gespanne ein, um mit dem Transport der Stücke auf den Nikolausberg beginnen zu können. Florian Geyer ließ darüber sein bereits verspätetes Mittagsmahl vollends im Stiche. Ein Imbiß im Hirschen, wohin er sich einige Stunden später begab, um gemeinsam mit Wendel Hipler den Feldzugsplan zu beraten, mußte ihn schadlos halten. Bis in die Nacht saßen sie beisammen.

Eine Stellung, welche den von Hipler angedeuteten Vorteil gewährte, Ostfranken zu decken und das Vordringen des Truchseß zu verhindern, bot das hoch über dem Jaxttale gelegene Städtchen Krautheim. Ein festes Lager daselbst bedrohte nicht nur die ganze noch unentwaffnete Landschaft bis Stuttgart, sondern deckte auch die Tauber und den Mittelmain, von wo man sich ungehindert mit den nötigen Lebensmitteln versehen konnte. Umgangen konnte diese Stellung nicht werden, auf dem rechten Flügel nicht, weil Adelsheim und Morbach sie deckten, und der Umweg über Miltenberg hätte Stuttgart preisgegeben. Auf dem linken Flügel war eine Umgehung unmöglich, so lange Rothenburg nicht 546 genommen war. Nur Haltenbergstedten, die Burg Zeisolfs von Rosenberg, unterbrach diese Linie, weshalb die Burg gebrochen werden mußte. Außerdem war die ganze Stirnseite des Lagers, von der Festigkeit durch die Natur abgesehen, durch eine Reihe von Burgen und Städtlein der Grafen von Hohenlohe verstärkt, die mit den Bauern verbündet waren. Sie mußten unverzüglich aufgefordert werden, die Städte und Schlösser mit Geschütz, Munition, Fußknechten und Lebensmitteln zu versehen.

Als aber Florian Geyer und Wendel Hipler am nächsten Tage diesen Plan der Versammlung vortrugen, stießen sie auf einen zähen Widerstand. Selbst die klarste Darlegung der Vorteile, welche ein festes Lager bei Krautheim gewährte, vermochte die Widersacher nicht zu überzeugen, weil sie nicht überzeugt sein wollten. Simon Neuffer behielt nur zu sehr recht mit dem, was er gegen Florian Geyer über den unter den Führern herrschenden Geist geäußert hatte. Nicht nur der Hauptleute Eitelkeit, Eifersucht und Ehrgeiz und der Pfarrer Streitsucht und Rechthaberei erhoben ihre verwirrenden Stimmen. Man gefiel sich auch zu gut in dem reichen Würzburg, um es ohne Not, wie ihnen dünkte, zu verlassen, und was kümmerten sie die Württemberger, die Schwaben? Nicht einmal die Aufmahnungen an die verbündeten Gemeinden waren ergangen. Welche Unterstützung Florian Geyer und Wendel Hipler auch an dem langen Lienhart, den beiden Vettern Metzler, Hans Kolbenschlag, Gregor von Burgbernheim und Jörg Spelt fanden, die kostbare Zeit verrann ergebnislos. Der Kanzler war der Verzweiflung nahe. »Wohl, wohl,« rief er bitter, »legen wir die Hände in den Schoß und warten wir, bis uns der Truchseß absticht oder brät; das ist unser Heldentum.«

Am folgenden Morgen kam Götz von Berlichingen in den Ausschuß, in welchem er sich seit der Zerstörung der Kirche von St. Burkhard nicht mehr hatte blicken 547 lassen. Er hatte viel Mühe, in den Ausschuß zu gelangen: denn der Kirchenplatz war voll von Bauern von der Schwarzen Schar, dem Rothenburger Fähnlein und dem Evangelischen Heer, das zu Hochberg lagerte. Hiplers Nachrichten hatten alle Lager aufgeregt und der Zwiespalt im Ausschuß drohte auch des Heeres sich zu bemächtigen. Heftiges Geschrei, aus dem Rufe vernehmbar waren, wie: »Helfet den Brüdern!« »Wer nit will, ist ein Verräter!« »Ziehen! Ziehen!« begleiteten den Ritter mit der eisernen Hand. Im Ausschusse selbst standen sich die Parteien drohend gegenüber und nur die gewaltige Stimme Kohls vermochte die Ruhe so weit herzustellen, daß die Sitzung beginnen und Götz das Wort ergreifen konnte. Dieser erklärte, daß die Zeit des Beratens vorüber sei; ob der Ausschuß den Plan Hiplers und Geyers annähme oder nicht, er würde unverzüglich mit dem Evangelischen Heere aufbrechen. Denn die Brüder am Neckar seien auf das ärgste bedrängt und flehten kläglich um Hilfe.

»Und ich erkläre,« fügte Florian Geyer hinzu, indem er seine heldische Gestalt hoch aufrichtete, »wer in dieser Not die Brüder verläßt, der ist ein Verräter an unserer eigenen Freiheit. Er gehört vor das Malefizgericht des Heeres, auf daß ihm das Spießrecht werde wie den Verrätern zu Weinsberg.«

Ein Murmeln erhob sich. Götz warf einen eigentümlichen, fast betroffenen Blick auf ihn und rief: »Ja, Weinsberg! Just deshalb komm' ich. Der Truchseß hat die blutige Tat gerochen, Weinsberg ist nicht mehr. Seine Reisige haben die Stadt, aus der die Männer geflüchtet waren, umzingelt, Greise, Weiber und Kinder gewaltsam herausgeschleppt und den Ort an drei Ecken zugleich angezündet. Ein eilender Bote aus dem Tal hat mirs heut gegen Tag vermeld't. Bis auf zehn Häuslein hat das Feuer die Stadt vernichtet mit allem Hab und Gut, Wein, Frucht und Vieh, so darinnen war. Die Weinsberger haben von ihrem Eigentum nicht das 548 Geringste retten, die Kriegsknechte nicht plündern dürfen. Und während die Flammen bei dem Jammergeheul der Unglücklichen sich gierig vollfraßen, ist ausgerufen worden, daß die Stadt nie wieder aufgebaut werden dürfe, sondern samt dem Schlosse öd' liegen solle für alle Zeiten. Alle Nutzungen auf den umliegenden Feldern seien jetzt Eigentum des Kammergutes; dazu ein unerschwingliches Geld für die Witwe des Grafen von Helfenstein und das Söhnlein. Wie Weinsberg, so ist vordem Böckingen von der Erd' weggebrannt worden, weil es die Heimat Jäcklein Rohrbachs war.«

Das Entsetzen machte die Versammelten stumm. Es brach jeden Widerstand gegen Florian Geyers Plan, der nun einstimmig angenommen wurde. Jetzt wurden die Beurlaubten zurückberufen, Werber ausgesendet, die verbrüderten Gemeinden zur Kriegsbereitschaft aufgemahnt. Den Grafen von Hohenlohe wurde geschrieben, die westlich gelegenen Städtlein und Burgen ohne Zeitverlust in verteidigungsfähigen Zustand zu setzen, und an den Rat von Rothenburg erging der strenge Befehl, das feste Haus von Haltenbergstedten zu zerstören, auch wurde er um eine weitere Sendung von Pulver und Kugeln ersucht.

Götz von Berlichingen und Jörg Metzler brachen in der nächsten Morgenfrühe mit den Odenwäldern und Neckarthalern, 8000 Mann stark, nach Krautheim auf. Die Nachschübe sollten rechtzeitig folgen. Florian Geyer versprach dem Kanzler, der das Evangelische Heer begleitete, daß er auf das erste Wort von ihm zum Zuzuge mit seiner Schwarzen Schar bereit sein würde. Die schwarze Hofmännin schloß sich ihren Landleuten nicht an. Sie wollte in Heidingsfeld ausharren, bis das Schicksal des Marienberges besiegelt wäre.

Inzwischen hatten je zwölf Pferde die Kartaunen auf den Nikolaus geschleppt, und auf dem Tell waren von den Würzburgern zwei Schanzen aufgeworfen, auch Bergleute von ihnen angenommen worden, um die Minen, 549 welche das Schloß in die Luft sprengen sollten, kunstgerecht in den steilen Fels oberhalb St. Burkhard zu treiben. Der Büchsenmeister, Hans Bußler, eröffnete das Feuer. Unaufhörlich krachte, dröhnte, brüllte und donnerte es auf dem Nikolausberge, aus den Tellschanzen und von den Mauern und Türmen Würzburgs. Die Belagerten schonten ihr Pulver, hatten aber auf den Haferboden des Schlosses eine Kanone gewunden und feuerten von dort oben mit schrecklicher Wirkung in die beiden Schanzen, ohne jedoch die Würzburger daraus vertreiben zu können. Die Rothenburger Stücke entsprachen den Erwartungen nicht, weil der Gipfel des Nikolausberges niedriger lag als das Schloß. Man ließ deshalb den Rotgießer Schiller aus Rothenburg kommen, um eine Kanone, der keine Mauer zu widerstehen vermöchte, anzufertigen. Der geschickte Mann machte sich auch sogleich an die Arbeit, allein die Ereignisse überholten ihn.

Die Batterien auf dem Klasberge fügten jedoch durch ihre gut gezielten Schüsse den Bischöflichen manchen Schaden zu und eines Tages warfen die beiden schweren Stücke ein ganzes Eck des Schlosses ein. Darob großer Jubel in Würzburg, wo im Grünen Baum wieder Listen für die freiwilligen Stürmer ausgelegt wurden. Glücklicherweise waren die Erinnerungen an die Schreckensnacht des 15. Mai wirkungsvoller, als die Vorstellungen Florian Geyers und Köhls, daß es ein unverzeihlicher Leichtsinn wäre, jetzt, wo für den bevorstehenden Kampf kein Mann entbehrt werden könnte, wer weiß wie viel Menschenleben zu opfern, da überdies das von jedem Entsatz abgeschnittene Schloß den Würzburgern als reife Frucht von selbst in den Schoß fallen mußte. Es fanden sich nur wenige Sturmlustige. Um so größer war der Durst; denn es war ein schwüler Tag. Bei einbrechender Dunkelheit begann es zu wetterleuchten.

Florian Geyer stand gedankenvoll an dem Fenster seines Stübchens im Pfarrhause. Die Vorkehrungen gegen 550 den Henneberger und den Markgrafen Kasimir waren beschlossen. Die Entscheidung aber, die so lange hingezögert worden, lag im Westen. Florian Geyer erwog noch einmal im Geiste alle Vorteile, welche die feste Stellung bei Krautheim bot, sowie die Kriegstüchtigkeit der bäuerlichen Heerhaufen.

Eben ließ das Wetterleuchten die Kirche wieder hell aus der Finsternis auftauchen. Da sah er zwei in Mäntel gehüllte Gestalten über den Platz kommen. Eine Sekunde später hatte sie die Dunkelheit verschlungen. Dann öffnete sich geräuschlos fast die Stubentür und Florian Geyer fragte, sich schnell umwendend: »Wer da?«

»Mach keinen Lärm«, entgegnete eine gedämpfte Stimme, die Florian bekannt dünkte. »Es darf niemand erfahren, daß ich hier bin.«

Florian Geyer griff nach der Zunderbüchse und schlug Licht. Schon bei dem blauen Flämmchen des Schwefelfadens erkannte er, daß er sich nicht geirrt hatte: sein später Gast war Wilhelm von Grumbach. »Und der andere?« fragte er, ihm kühl die Hand reichend.

»Er wartet vor dem Haus auf mich«, antwortete Wilhelm leise. »Es ist Thes Lang, mein Reitknecht, den Du kennst.«

»Leider! Nun setze Dich. Du kannst laut reden, denn es hört Dich keiner. Was führt Dich zu mir? Du kommst vom Marienberge?«

Wilhelm von Grumbach erhob jedoch seine Stimme nicht über den Flüsterton, indem er, an den Tisch sich setzend, erwiderte: »Ich bin dessen nicht so gewiß, ob nicht jemand vor der Tür lauscht.«

»Du hast ein schlecht Gewissen«, meinte Florian Geyer mit einem Achselzucken.

Sein Schwager antwortete darauf nicht. Er wußte nur zu gut, daß es Dr. Steinmetz war, dem man auf dem Schlosse, so lange dasselbe noch nicht scharf bewacht war, die genauen Nachrichten über alles, was im Rate und Heere der Bauern vorging, schuldete. Er hätte 551 Zeugen dafür genug stellen können, hatte man doch auf dem Marienberge oft genug über die Vertrauensseligkeit der Bauern-Hauptleute sich lustig gemacht. Aber es gebrach ihm jetzt an Zeit, auf den Verrat des Pfarrers einzugehen und Florian Geyer würde diesem die Zeugen nicht haben gegenüberstellen können. Er begnügte sich mit der Vorsicht, fortwährend leise zu sprechen.

»Was wünschest Du also von mir?« wiederholte Florian Geyer seine Frage.

»Ich verließ das Schloß unter dem Vorwand, Hilfe herbeizuschaffen –« antwortete Wilhelm von Grumbach, und Florian vollendete den Satz »die Ihr sehnlichst, aber vergebens erwartet. Wir wissen es; denn wir haben des Domprobst Boten abgefangen.«

»Wir vermuteten es. Nun gut, ich kam, um mit Dir ein vertraulich Wort zu reden. Du wirst darüber schweigen, ich weiß es; doch gib mir Dein Wort darauf.«

»Du forderst zuviel. Über alles, was nur Dich allein betrifft, werde ich schweigen; darüber hinaus binde ich mich nicht!«

»Das genügt mir«, erwiderte Wilhelm von Grumbach. »Ich erbot mich also, Hilfe zu holen. Denn Eure Kugeln haben uns manchen Knecht und Edelmann gekostet, und die Geistlichen haben wohl Mut und Willigkeit, aber sie halten den schweren Dienst Tag und Nacht nit aus. Dazu beginnt uns das Wasser auszugehen. Seit zwei Tagen müssen wir allbereits mit Wein kochen. Meine Haut für den Bischof zu Markt zu tragen, hab' ich von Anfang an keine Lust verspürt. Du weißt, daß es mich stets gewurmt hat, bei den Kutten zu Lehen zu gehen, vollends jetzt, wo der Bischof sich in Sicherheit gebracht hat und uns stecken läßt. Das ist auch eine Hörigkeit durch die Geburt. So hat mir denn droben der Sickingen allwegs im Sinne gelegen. Die Gelegenheit, frei zu werden, dünket mich günstiger als damals. Kurz und gut, ich will zu Euch treten, wie der Götz, der Wertheim, der 552 Henneberg, die Hohenlohe, die Löwensteiner und andere mehr.«

»Es freut mich, daß Du endlich zur Einsicht gelangt bist«, antwortete Florian Geyer und strich sich über Stirn und Augen, um das Bild seines Weibes, an das sein Schwager ihn lebhaft erinnerte, hinwegzuwischen. »Ja, Lieber, es entstehet eine neue Welt, in der Dein Wappenschild nur noch ein eitler Zierat ist und des Adels Vorrechte nicht mehr gelten. Willst Du wirklich ein Bürger dieser neuen Welt werden? Bist Du entschlossen, Gut und Blut an die Gemeinfreiheit zu setzen?«

»Ja, das bin ich, und wenn die Gemeinfreiheit der Teufel wäre«, zischte Wilhelm.

»Die Herrenfreiheit ist des Teufels«, rief Florian Geyer streng. »Kennst Du die Artikelbriefe?«

»Der Götz und Euer Ausschuß haben sie ja auf's Schloß geschickt. Übrigens stand der Götz auch, ich weiß nicht wegen welchen Grundstückes, im Lehnsverhältnis zum Bischof. Er hat ihm aufgesagt, freilich erst, als er schon vor dem Frauenberg lag.«

»Das wirst Du auch tun müssen, oder vielmehr Dein Bruder Hans als Haupt der Grumbachs, wenn Ihr in unseren Bund tretet«, bemerkte Herr Florian.

»Mit dem Hans ist nichts anzustellen, so lang er auf dem Schloß ist«, zuckte dessen Bruder die Achseln. »Einstweilen tret' ich allein in den Bund.«

»Du bist also ernstlich gesonnen, Dich auf unseren Artikelbrief zu verpflichten und ihn zu beschwören?«

»Ja, mit jedem Eide, den Du verlangst, wenn ich dadurch des Bundes Hilfe in allen Fährlichkeiten teilhaftig werde, wie er der meinigen.«

»Natürlich beruht der Bund auf Gegenseitigkeit«, bemerkte Florian Geyer. »Den Eid kann ich Dir jedoch jetzt nicht abnehmen; denn dazu bedarf es der Schwurzeugen.«

»Es eilt ja nicht damit«, äußerte Wilhelm leichthin. 553 »Ich werde von Rimpar aus an den Ausschuß schreiben. Nach Würzburg trau' ich mich vorläufig nit; ich bin dort zu bekannt. Du kennst das Fischerhaus halbwegs zum Burkharder Tor? Wir haben dort unsere Pferde eingestellt. Der Mann will uns übersetzen. Nur einen Schutzbrief hätt' ich gern gleich gehabt.«

»Einen solchen könnte ich Dir als oberster Hauptmann der Schwarzen Schar ausfertigen, so Du Dich durch Handschlag dem Fränkischen Bruderbunde geloben und allen seinen Befehlen und Anordnungen nachleben willst. Du gelobst es?«

»Ich gelobe es«, sprach Grumbach und bekräftigte es durch feierlichen Handschlag.

Florian Geyer stellte den Schutzbrief aus, übergab ihn seinem jungen Schwager und sagte ernst: »Du bist jetzt gebunden. Du wirst gut tun, so wie Du heimkommst, Rimpar und Eure anderen festen Häuser in den besten Verteidigungszustand zu setzen. Der Ausschuß hat an alle verbrüderten Gemeinden einen Aufruf erlassen, durch welchen alle Männer bis zum vierzigsten Jahre unter die Waffen gerufen werden. Ich werde Dir das Ausschreiben zugehen lassen, da Du jetzt ein Mitglied des Bundes bist. Sorge dafür, daß es auf dem Gramschatzer Walde bekannt und befolgt wird. Es gilt einen entscheidenden Schlag gegen unsere Feinde. Adies, grüße mir mein liebes Weib. Ich komme so bald wie möglich nach Rimpar. Bis jetzt konnte ich mir die Zeit dazu nicht abmüßigen, so gern ich's auch gemocht hätte.«

Er reichte Wilhelm die Hand, nicht wärmer als bei dem Empfange. Denn, abgesehen von dessen selbstsüchtigen Beweggründen seines Übertritts, mißfiel es seiner ritterlichen Denkweise, daß Wilhelm seine bisherigen Freunde just in ihrer Not verließ. Der junge Grumbach hüllte sich tiefer in seinen Mantel, den er gar nicht abgelegt, nachdem er seinen Dolch in der Scheide gelockert hatte. Sein Schwager trat mit erhobenem Lichte in die Stubentür, um ihm über den Flur 554 zu leuchten. Er ging erst, als er sich überzeugt hatte, daß die Tür des Dr. Steinmetz geschlossen war. Mit leisen raschen Schritten verließ er das Haus. 555



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