Robert Schweichel
Um die Freiheit
Robert Schweichel

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Siebentes Kapitel.

Die Glocken des Cisterzienserklosters Schönthal sandten ihr melodisch-feierliches Morgengeläute weithin durch das lieblich grüne Jaxttal. Das altgotische Kloster war eine Stiftung des Herrn von Berlichingen, deren Stammburg eine Stunde entfernt auf einer Anhöhe am Flusse lag. In dem von gewaltigen Mauern und mächtigen Türmen geschützten Schlosse Jaxthausen hatte Götz als jüngster Sohn des verstorbenen Kilian von Berlichingen vor 45 Jahren das Licht der Welt erblickt. Zur Zeit saß dort sein ältester Bruder Hans, während er selbst auf der Hornburg am Neckar hauste. Seine Vorfahren lagen in der Klosterkirche zu Schönthal bestattet. Die Mönche waren bei ihren Gemüsebeeten. Sie zogen allerlei neue Arten, wie Kohl, Rüben, Spinat und Zwiebeln und sorgten für deren Kultur unter den Landleuten.

In das verhallende Geläut begann sich das Stimmengewirr einer großen Menschenmasse zu mischen, die das Tal heraufkam. Lauter und lauter wurde es und jetzt umbrauste es das Kloster. Es waren die Bauern der Reichsstadt Hall und des Schenken von Limburg, welche als die ersten auf dem allgemeinen Sammelplatze sich einfanden. Sie kamen aber in solcher Unordnung und Eile daher, als ob sie sich auf der Flucht befänden. Wie allerwärts im Reiche, wo die Bauern nicht schon früher 352 aufgestanden waren, hatten auch sie am Sonntag Judika zu den Waffen gegriffen. Aber unerfahren in ihnen, waren sie wie auf einem Spaziergang hin und her gezogen, wobei sie die Hakenbüchsen, als ob es Holzkloben gewesen wären, auf Wagen mit sich führten, und wo in den Dörfern die Pfarrer noch am alten Glauben hingen, da hatten sie ihnen die Kästen gefegt und die Säckel geleert. Eine lustige Fastnacht war es gewesen, bis die Bürgerschaft von Schwäbisch Hall und der Limburger mit seinen Knechten über die sorglos Lagernden gefallen waren. Bei dem ersten Schuß über ihre Köpfe weg, waren sie davongestoben, sechs Wagen mit Frucht, Mehl, Wein, Brot, Hühnern, Fleisch, Geschütz und Munition im Stich lassend. Ihre Führer waren bis auf einen einzigen nach Öhringen im Hohenloheschen, wo inzwischen die von Wendel Hipler ausgestreute Saat ebenfalls aufgegangen war, geflohen.

Wegmüde, hungrig und durstig, waren sie an dem Stammschloß der Berlichingen vorübergezappelt und lagen sie nun vor dem reichsfreien Kloster. Seine Pforten waren geschlossen, und sie zu erschöpft und niedergeschlagen, um sich mit Gewalt Eingang zu verschaffen. Da rasselte eine Trommel, Jörg Metzler aus Ballenberg zog heran. Im Schüpfgrunde hatte er seine Odenwälder und die Bauern aus den vielen Herrschaften, die dort zusammenstießen, gesammelt. Auch die Mergentheimer waren zu ihm gekommen und wie er das Jaxttal herunterzog, strömten die Hörigen des Klosters seiner Schar zu. Seine Standarte war ein Bundschuh auf einer Stange. Wie die Haller das jedem Bauernherzen teure Zeichen erblickten, da ertoste das grüne Tal von ihrem Freudengeschrei und als ob es die Zauberkraft einer Wünschelrute besessen hätte, so sprang plötzlich das Klostertor vor ihm auf. Der schon betagte Abt erschien an der Spitze seiner Mönche. Hatte er die Absicht, eine Ansprache an die bedenklichen Pilger zu halten, so kam sie nicht zur Ausführung. Die weißen 353 Gestalten mit den schwarzen Kapuzen machten die Bauern wohl einen Augenblick stutzig. Im nächsten aber schoben, drängten und stießen sie die frommen Hirten beiseite und durchfluteten plündernd das ganze Kloster. Die Hörigen suchten vor allen Dingen nach den Zinsbüchern. Der Abt hatte aber alles, was er von wichtigen Papieren und Kostbarkeiten in der Eile hatte zusammenraffen können, bereits nach Frankfurt am Main in Sicherheit bringen lassen. Dennoch ward den Bauern noch viel silbernes und goldenes Kirchengerät zur Beute. Den reichsten und ihnen augenblicklich willkommensten Schatz bargen die Weinkeller. Die Geister der edelen Trauben, die sie bisher kaum dem Namen nach gekannt, waren es dann, die sie zu manchem Unfug verleiteten. Beichtstühle wurden zerschlagen, Altäre beschädigt, Heiligenbilder mit dem Spieße durchstochen, manch gemaltes Fenster eingeworfen. Der Wein erhitzte den Ärger der Leibeigenen und Fronbauern darüber, daß sie die Zinsbücher nicht fanden, zur Wut und sie drohten, die Mönche totzuschlagen. Georg Metzler nahm sich ihrer jedoch so nachdrücklich an, daß die Bauern sich begnügten, sie aus dem Kloster zu jagen. Nur einem von ihnen wurde dazubleiben gestattet, wofür er die Hauptleute bedienen mußte.

Die Ankunft eines neuen Haufens lockte diese aus dem Refektorium, wo ihnen Pater Eusebius, so hieß der zurückgebliebene Mönch, mit dem Besten aufwartete, was die Klosterküche zu bieten vermochte. Wagenhans von Lehren, ein ehemaliger Kriegsmann, kam mit den Bauern des Weinberger Tales, in deren Banner ein Dreschflegel und eine zweizackige Gabel über einem Bundschuh sich kreuzten.

Und so langte Schar nach Schar bei dem Kloster an, dessen Weinkeller und Wirtschaftshof Wein, Mehl und Korn mehr als genug für alle auf viele Tage bot, und schlug ihr Lager in dem freundlichen Tale den Ufern der Jaxt entlang. Zunächst hielt unter Trommelschlag 354 und Pfeifenklang ein Fähnlein seinen Einzug, das allgemeines Staunen erregte. Es mochte mehr als 2000 Mann zählen und war durchaus kriegerisch geordnet und gegliedert. Ihr Oberster, der auf einem Rappen saß, trug schwarze Rüstung, jedoch keine goldenen Sporen. Schwarz war auch das wallende Banner und darein in Gold gestickt eine aufgehende Sonne. Schwarz waren die Schärpen der Führer und jeglicher Mann trug eine schwarze Binde um den linken Oberarm. Alle waren vortrefflich, wenn auch verschieden bewaffnet und demgemäß geordnet. Die einen trugen den nackten Flammberg auf der Schulter, den Dolch am Gürtel; die anderen Spieße oder Hellebarden nebst Schwert und Dolch. Die Mehrzahl war mit Büchsen versehen und erschien in Eisenhüten und Krebsen, das Schwert an der Hüfte.

»Der Florian Geyer!« rief Jörg Metzler in das beifällige Stimmengebrause und drängte sich durch die Menge, unter der er stand, um den Obersten der Schwarzen Schar zu begrüßen. Fritz Büttner aus Mergentheim aber rief laut den Hauptmann der Schützen an, der niemand anders als sein Freund Simon Neuffer war.

Es waren die Ohrenbacher und Reichardtsroder, verstärkt durch eine auserwählte Schar von Lanzknechten, die Florian Geyer geworben und mit denen er zu jenen gestoßen war, als sie auf dem Zuge nach Schöntal unweit seiner Burg Halt gemacht hatten. Schon von Reichardtsrode aus hatte Simon ihn an sein Versprechen, das er in Ballenberg gegeben, erinnert. Wie wenig er dasselbe auch nur einen Augenblick vergessen, davon zeugte die schwarze Fahne, in welche Frau Barbara selbst die aufgehende Sonne gestickt hatte. Sie und das Söhnlein hatte er zu ihrem Bruder Hans nach Rimpar unter dem Vorwande geschickt, dort das Osterfest gemeinsam zu feiern. Mit tausend Schmerzen war sie von dem geliebten Manne, 355 dem Vater ihres Kindes geschieden; ihn zurück zu halten hatte sie nicht versucht. Ihre Liebe sollte ihm in dem Bild der Sonne voranleuchten zum Siege. Paul Ickelsamer, der feurige Krauskopf, trug das Banner.

Ebenfalls eine Sonne, aber eine vollstrahlende über einem goldenen Bundschuh mit der Umschrift: »Wer frei sein will, der zieh' unter diesem Sonnenschein«, leuchtete von der weiß damastenen Fahne, welche der Bauernschaft der vier Dörfer der freien Stadt Heilbronn und vieler anderer am Neckar auf und abwärts voran flatterte. Die schwarze Hofmännin schritt ihr voran an ihrem weißen Stecken und neben ihr als oberster Hauptmann der Schüler und Erbe ihres glühenden Hasses: Jäcklein Rohrbach aus Böckingen. Er entstammte einem sehr alten reichsfreien Geschlechte, das zu Weinwirten geworden war. Es schien, als ob in dem letzten Sprossen desselben alle Untugenden und Leidenschaften des adeligen Blutes noch einmal zum Durchbruch kommen sollten, ehe es erlosch. Er lebte wild und wüst, war mit Schulden überhäuft und sollte selbst Blut vergossen haben. Seine Gläubiger fürchteten ihn und die Gerichtsdiener, die ihn verhaften sollten, trieb er mit Gewalt ab. Sein Trotz, seine Tollkühnheit und sein überlegener Verstand gewannen ihm die Dorfjugend. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß der Widerspruch seiner wirklichen Stellung zu derjenigen, auf welche ihn seine Herkunft wies, ihn für den Haß besonders empfänglich machte, den er aus dem Verkehr mit der schwarzen Hofmännin gegen Sporen und Glatzen in sich aufnahm. Auch ihm erschien die Unglückliche als eine Sybille, als eine Prophetin, und so verbreitet war ihr Ruf, daß die Leute sich herbeidrängten und sie mit ahnungsvollen Schauern betrachteten, als sie jetzt nach Schöntal kam.

Jakob Rohrbach hatte seinen Weg über Öhringen genommen. Noch hatten die beiden Grafen von 356 Hohenlohe in ihrer Hochfärtigkeit vermeint, den Sturm mit ein wenig Ernst und vielen Versprechungen beschwören zu können. Als Jäcklein mit den Seinigen nach Öhringen kam, brach er mit unwiderstehlicher Gewalt aus. Die Hohenloher folgten ihm auf dem Fuße; Wolf Gerber war ihr Hauptmann. Wendel Hipler kam mit ihnen.

Noch an demselben Abend traten die Hauptleute der verschiedenen Haufen in dem Konventssaal des Klosters zusammen und wählten Jörg Metzler zum obersten Hauptmann des vereinigten Heeres, das sich den hellen Haufen des Odenwaldes und Neckartals nannte. Wendel Hipler wurde dessen Kanzler.

Dieser schlug sein Quartier in den Stuben des Abts auf, wo Pater Eusebius die Spuren der Plünderung möglichst vertilgt hatte. Er kam aber erst spät zur Ruhe; denn es gab unter den Genossen, die sich nun wieder zusammengefunden hatten, viel zu berichten und zu erzählen. Überdies waren die Geister erregt, wie es am Vorabend erfolgreich vorbereiteter Ereignisse natürlich ist. Da ward in hoffnungsfroher Stimmung mancher Becher des edlen Klosterweines geleert. Und auch in den Lagern und Dörfern des Tals wurde es gar spät erst stille.

Noch verzehrte Wendel Hipler am nächsten Morgen, allerdings etwas später als es seine Gewohnheit war, sein Frühmahl, das aus einem Stück Brot und einem Trunk Wein bestand, als Jörg Metzler einen vom Kopf bis Fuß Geharnischten bei ihm einführte. Er war von untersetzter Gestalt, welche der gewölbte Brustpanzer und die Achselstücke noch breiter und gedrungener erscheinen ließen. Der offene Helm zeigte ein apfelrundes, von einem kurzen weichen Vollbart umfaßtes Gesicht. Die nicht großen Augen standen etwas weit von einer eingebogenen, stumpf und fleischig ausgehenden Nase über dem schlicht herabhängenden Schnurrbart ab. Die Augen schauten eher 357 treuherzig als heldisch aus dem rotwangigen Antlitz, in das Wendel Hipler kaum einen Blick getan, als er sich aus dem weich gepolsterten Sorgenstuhl des Abts überrascht mit dem Ausruf erhob: »Götz von Berlichingen!«

»Er selbst«, erwiderte dieser. »Ihr kennt mich also noch? Es ist lange her, seitdem wir einander nicht begegnet.«

»Freilich; ich aber sah Euch zuletzt in Heilbronn«, antwortete Hipler. »Doch Ihr kommt sicher nicht also gerüstet, um mich zu befehden. Nehmt also Platz, Herr Ritter.«

Götz von Berlichingen folgte der Einladung, wobei er den Helm abnahm und eine über den starken Brauen etwas gewölbte Stirn entblößte, die bereits weit hinauf kahl war. Das Haar, welches schlicht auf die Halskrause herabfiel, war an dem Ende noch dicht und dick.

Wendel Hipler fuhr fort: »Ich war just zum Gerichtstag in Heilbronn, als der Rat die ritterliche Haft, auf die Ihr Euch zu Möckmühl ergeben hattet, in Gefängnis verwandeln wollte. Der schlaue und herzlose Truchseß von Waldburg hatte ihn dazu angestiftet, wie ich später erfuhr. Zum Glück konnten der Bruder Eures Schwagers, der Franz von Sickingen und Florian Geyer, die auf ihrem Zug gen Stuttgart in der Nähe waren, den wohlweisen Rat eines besseren belehren. Man erzählte nachher, wie dieser schreckensbleich in die Höhe gefahren sei, als Ihr ihm mit einem Schlage Eurer eisernen Faust auf den Tisch Euer Recht bewieset, und darob die ehrsamen Bürger, die mit Spießen und Stangen bereit standen, um Euch zu fahnden, zur Tür hinauswischten.«

Jörg Metzler, der an einem schmalen Stehpulte lehnte, lachte aus vollem Halse. Götz stimmte etwas gezwungen ein. Die Erinnerungen an Möckmühl gehörten nicht zu seinen angenehmen Erinnerungen, und die leise Ironie in dem Tone des Erzählers machte sie nicht angenehmer. 358 Ablenkend sagte er: »Der gute Franz! Hätte er noch warten können, heut: würd' ihm sein Fürnehmen gegen den Erzbischof von Trier nicht zu scheitern gehen, und die Bauern hätten an ihm einen Führer, wie es keinen zweiten im Reich gibt. Hui, würd' er die Pfaffen und Fürstlein von den Stühlen fegen!«

Wendel Hipler schaute ihn mit seinen klugen Augen durchdringend an. »Ihr habt die alten Projekten noch immer nicht vergessen?« fragte er.

»Was wollet Ihr?« erwiderte Götz. »Dergleichen vergißt man nie wieder. Ich war nie der Pfaffen und der Fürsten Freund, und itzt weniger denn je. Findet die Reichsritterschaft doch kaum mehr Luft genug zum Atmen.«

»Aber mit den alten Karten ist in der heutigen Zeit kein Spiel mehr zu gewinnen, schaut nur um Euch«, bemerkte Hipler.

»Das ist's just«, erwiderte der Ritter mit der eisernen Hand. »Es ist nit um des Rühmens willen, wenn ich sage, daß ich von jeher ein Freund der armen Leute war. Ist es doch bekannt genug, wie manchem ich wider bischöfliches oder städtisches Regiment beigestanden bin und ihm zu seinem Recht verholfen habe.«

»Freilich ist's bekannt«, unterbrach Jörg Metzler ihn. »Wie der Ritter vor dem Kloster vom Pferd stieg und es hieß: Das ist der Götz! da liefen die Leut' herbei, um ihn zu sehen.«

Götz strich seinen schlichten Schnurrbart mit kaum verhehltem Wohlgefallen und nahm den Faden seiner Rede wieder auf. »Franz schätzte die Bauern gering, hätten sie aber einen Feldhauptmann wie ihn, er brächte den Adel zu ihnen. Das wollte ich sagen. Ein solcher Hauptmann, der dazu die Geltung beim Adel hätte, und das Spiel wäre gar fein gemischt.«

Hipler, der ihm aufmerksam zugehört hatte, schwieg nachdenklich.

»Aber da schwätz' ich von alten Zeiten und bin doch 359 von wegen ganz anderem hergekommen«, rief Götz. »Schaut gar übel aus im Kloster, wohin mein Blick fiel. Nu, Krieg ist halt Krieg.«

»Nennet nur das Kind beim rechten Namen,« äußerte Wendel Hipler mit einiger Schärfe. »Aber die Bauern sind keine Heckenreiter und Straßenräuber. Was da an Kostbarkeiten, Wein und Früchten in den Klöstern und Schlössern aufgehäuft ist, das ist dem Schweiß der Bauern von denjenigen abgepreßt, die faulenzen.«

»Dann kann ich wieder nach Jaxthausen zurückreiten, wie ich kam«, rief Götz, indem er sich mit glühender Stirn erhob. »Mein Begehren ging auf einen Schutzbrief für meinen Bruder Hans und die Seinigen.«

»Da müsset Ihr Euch an den da wenden, das ist unser oberster Hauptmann«, erwiderte Hipler, ohne dem Beispiel Götzes zu folgen, und deutete auf Georg Metzler. »Ich mache nur den Sekretarius, just wie Anno 1513 bei der von dem Herzog Ulrich und dem Grafen Georg von Hohenlohe eingesetzten Kommission, welche es mit Euch, Herr von Berlichingen, zu schlichten hatte, daß Ihr dem Antoni Welser einen Wagen mit Kaufmannswaren, so auf Straßburg ging, ohnweit Öhringen weggenommen hattet.«

»Der Wagen kam von Nürnberg und ich lag in ehrlicher Fehde mit der Stadt«, erklärte Götz.

In den geistvollen Mienen des Kanzlers blitzte es ironisch auf. Aber er unterdrückte diese Regung und sprach mit Ernst und Nachdruck: »Heute gibt es nur noch eine einzige große Fehde: diejenige, in welcher die Bauern zu den Waffen gegriffen haben. Da ist es denn nicht mehr als recht und billig, Herr von Berlichingen, daß diejenigen, welche den Bauer zu diesem Kampf um seine Freiheit zwingen, auch die Kosten dafür tragen und zahlen. Und ich denke, Herr Ritter, haben's Adel und Geistlichkeit verstanden, ihrer Ausbeutung der armen Leute ein Mäntelchen umzuhängen, das sie Recht und Gesetz nennen, so wird sich auch 360 eine Ordnung für die Kriegskontribution, die jetzt der Bauer von jenen einziehen muß, finden lassen. Was aber den Schutzbrief anlangt, nun, Bruder Jörg, da könnte wohl Rat werden, was meinst Du?«

Dieser erklärte sich damit einverstanden. Wendel Hipler entnahm seinem Mantelsack Papier, Feder und Tinte und entwarf den Schutzbrief. Durch denselben gebot der oberste Hauptmann des hellen Haufens des Odenwaldes und Neckartals männiglich, weß Standes oder Wesens er sei, wider Hans von Berlichingen, seine Diener, Untertanen oder Verwandten im argen oder unguten, mit tätlicher oder gewaltsamer Handlung, in was Weg das wäre, nitznichts zu üben oder fürzunehmen, sondern ihn und der Seinen Leib, Hab und Gut helfen schützen und schirmen bei Verlierung Leibs und Lebens.

Götz schaute unterdessen, an den Enden seines Schnurrbartes kauend, aus einem der Spitzbogenfenster, an das er getreten, auf den grünen, von dem Kreuzgang umschlossenen Rasenplatz, auf dem die Mönche begraben lagen. Kein Hügel, Kreuz oder Stein bezeichnete die Gräber. Der von den ersten Frühlingsblumen durchwirkte Rasen war ganz eben. An die Flüchtigkeit und Vergänglichkeit alles Ehrgeizes dachte Götz schwerlich dabei. Jörg Metzler hatte sich in den Sorgenstuhl des Abts geworfen und gähnte vor Ungeduld. Einmal rief er: »Eile Dich, Kanzler, ich hab' einen ganzen Berg zu schaffen!« Er entfernte sich auch ohne Umstände, nachdem Wendel Hipler den Schutzbrief vorgelesen und er ihn unterzeichnet hatte. Hipler setzte seinen Namen ebenfalls als Kanzler darunter und drückte sein Insiegel auf das Papier.

»Jaxthausen ist jetzt sicher wie in Abrahams Schoß«, sagte er, dem Ritter das Dokument überreichend. »Ja, Herr Götz, es ist eine große Zeit, in der wir leben. Darum wundert es mich, daß Ihr sie in Euren vier 361 Pfählen versitzet. Ihr scheutet doch sonst nicht Sturm noch Ungewitter.«

»Ein Heuchler bin ich mein Lebtag nicht gewesen«, rief Götz mit einem tiefen Atemzuge. »So gesteh' ich Euch, daß es mit meinem Reiterblut ist, wie mit dem Wein im Faß, der gährt, wann es Herbst ist. Die Pfaffen haß' ich und die Fürsten möchten uns ohnmächtig machen; ich nehme mein Wort nicht zurück. Und der Adel denkt wie ich, das weiß ich, und er folgte mir wohl. Aber –.« Er brach ab und begann mit schweren Schritten auf und ab zu gehen. Nach einer Weile blieb er vor Hipler stehen, der unterdessen sein Schreibgerät weggeräumt hatte, rieb sich heftig die Stirn und sprach dumpf: »Reden wir nicht weiter davon. Dringet nicht weiter in mich. Ihr werdet es mir verübeln und auch der Adel; aber es darf nit sein.«

»Lebet denn wohl und Dank für die Mühe«, verabschiedete sich Götz nach einem kurzen Zögern und griff nach seinem Helm. »Und wenn Euch Euer Weg nach Gundelsheim führt, Herr Hipler, so gehet an meinem Haus nicht vorüber.«

»Der guten Aufnahme gewiß, Herr von Berlichingen, mag es wohl geschehen, daß ich komme«, erwiderte Hipler mit Bedeutung. Eine kleine Weile später stülpte er sein Barrett auf und ging, um Florian Geyer aufzusuchen.

Auf dem Klosterhofe stand ein alter Ahorn mit weit nach allen Seiten hin sich ausbreitenden Ästen, aus dessen dicken gelblichen Knospen bereits das junge Grün hervorschaute. Unter demselben hatte sich ein lebhafter Handel aufgetan. Ihr feiner Spürsinn hatte etliche Männer hergeführt, welche ihre gelben Hüte und langzipfeligen Kapuzen sowie ein gelbes kreisrundes Stück Tuch auf der linken Schulter als Kinder Israels kennzeichnete, wenn es ihr morgenländischer Gesichtsschnitt nicht getan hätte. Den Bauern waren sie willkommene Käufer ihrer Beute. Da wurde denn um 362 silberne Becher, Kruzifixe, Abendmahlsbecher und aus kirchlichen Geräten herausgebrochene Edelsteine, um das Krönlein der Jungfrau Maria und ihre Festgewänder von starrer Seide, sowie um die Bestandteile priesterlicher Trachten von feinen Leinen, Spitzen und Brokat, als Casula, Cingulum, Dalmatika, Alba, Pallium usw. mit Streiten und Zanken gehandelt und gefeilscht.

Bruder Eusebius schaute aus der Ferne zu. Er hatte die Kapuze abgelegt und die weite weiße Kutte gegen einen kürzeren Arbeitsrock mit anschließenden Ärmeln vertauscht. In seiner Miene prägte sich nur zu deutlich die Wut aus, die in ihm kochte, wie er diese heiligen Dinge von den schmutzigen Fingern der gottverfluchten Juden betasten und hin und her wenden sah.

Wendel Hipler lächelte, trat zu ihm und sprach: »Frommer Bruder, auch der Jude ist ein Mensch wie Du. Der Gott, den Du anbetest, erschuf auch ihn. Aber Ihr, die Ihr Euch Christen nennt, habt ihn noch tiefer in den Schmutz getreten als die Bauern. Die Befreiung der Bauern wird auch ihn frei machen; denn das Evangelium der Freiheit wendet sich an jeden, der Menschenantlitz trägt. Auch an Dich, Bruder Eusebius. Aber Dein Ohr ist taub. Warum? Weil Du nur ein halber Mensch bist, weil Du Dich durch dicke Klostermauern von Deinen Nebenmenschen abgesondert hast, nicht fühlst für sie und mit ihnen, nicht mit ihnen arbeitest für das Wohl aller. Schäme Dich! Schäme Dich der Knechtschaft Deiner Seele! Du bist noch jung und ein kräftiger Kerl; wirf ab die Kutte, die Dir die Hälfte Deiner Mannheit nimmt, in der Du nicht Fisch nicht Fleisch bist. Stecke Dich in einen Panzer, nimm ein Schwert zur Hand und werde selbst frei, indem Du für die Freiheit Deiner unterdrückten Nebenmenschen streitest.«

Er klopfte ihm auf die Schulter und ging. Der junge Mönch stand mit hochrotem Gesicht und starrte ihm mit wogender Brust nach; er wußte nicht wie ihm 363 geschah. Kriegerisches Getöse riß ihn aus sich heraus. Wieder ließen sich Trommeln und Pfeifen vernehmen. Wendel Hipler ging ihnen entgegen und von allen Seiten strömten die Bauern herbei, um die heranziehenden Brüder zu empfangen. Der lange Lienhart und Leonhard Metzler aus Brettheim kamen mit der Rothenburger Landwehr, den Laudenbachern und Haltenbergstettern, denen sich die Weikersheimer angeschlossen hatten. Wie die Brandung aufgestürmter Wogen brauste der Jubel durchs Tal.

Begrüßt und begleitet von den alten Freunden und Bekannten, nahmen die neuen Ankömmlinge den Lagerplatz ein, den ihnen Jörg Metzler nach Florian Geyers Bestimmung neben der Schwarzen Schar anwies. Während ein jeder sich einzurichten suchte, stand plötzlich die schwarze Hofmännin vor dem langen Lienhart. Simon, den sie schon Tags zuvor aufgesucht hatte, um sich zu erkundigen, ob die Rache an dem Junker von Rosenberg vollstreckt sei, sagte ihm, wen er vor sich habe. Der lange Lienhart blickte sie mit einer Mischung von Mitleid und Verlegenheit an. »Arme Frau«, sagte er und faßte ihre knöcherne Hand, ohne ihre Ansprache abzuwarten, konnte er sich doch denken, weshalb sie kam, »wir hatten den Schuft und er hatte schon so gut wie die Schlinge um den Hals, trotzdem ist er entschlüpft.«

Ihre schmalen Lippen krümmten sich bitter. »Gibt's denn keinen unter Euch Mannsleuten, der hassen kann?« rief sie. »Wenn Du ihn hattest, mußtest Du erst auf einen Strick warten, anstatt ihn mit Deinen Händen zu erwürgen? Und Du hast meinen armen Buben doch lieb gehabt, wie der Neuffer mir erzählt hat!«

»Freilich war er mir ans Herz gewachsen«, versicherte der Riese. »Aber der Ausschuß von Rothenburg hat dem Junker durchgeholfen, indem daß er uns 364 gegen sein Leben die Bundsgenossenschaft der Stadt mit einem Eid gelobte!«

»Rothenburg im Bund mit uns, und das sagst Du erst jetzt?« rief Simon erregt.

Die Frau lachte mit bitterem Hohn auf. »Ihr wollt frei werden und lasset Eure Feinde am Leben, die Gott in Eure Hand gibt«, rief sie schneidend. »Und der auch!« fügte sie hinzu und deutete mit dem Finger auf Geyer, der hinterwärts von den beiden anderen sich näherte. Der lange Lienhart wandte sich um und ein froher Schein flog über sein bärtiges Gesicht, als er seinen ehemaligen Hauptmann erblickte, der ihn mit den warmen Worten die Hand gab: »Grüß Dich Gott, Brenneken!«

»Ihr kennt mich noch und wißt noch meinen Namen, Herr Ritter?« rief der ehemalige Lanzknecht hoch erfreut,

»Ich wußte schon, daß Du Dein Schwert von der Wand herunter gelangt hattest, alter Kriegskamerad«, erwiderte Florian Geyer mit einem freundlichen Blick. »Aber nichts mehr von Herr und Ritter; aus den alten Wämsten bin ich herausgewachsen.«

»Was hoch ist unter den Menschen, das ist ein Greuel vor Gott«, sprach die schwarze Hofmännin.

»Seid Ihr so kundig der heiligen Schrift, gute Frau?« fragte Florian Geyer. »Soll's mir gelten? Ihr wieset vorhin mit dem Finger auf mich.«

»Dir soll gelten, daß Du die hohen Bäume stehen lässest«, erwiderte sie. »Was hilft's, daß Du Dein Herz den armen Leuten gibst und würgest den Wolf nicht, der sie mit seinen gierigen Zähnen bedroht?«

Florian Geyer schüttelte den Kopf; er verstand sie nicht. Sie antwortete langsam, um ihren Worten mehr Nachdruck zu geben: »In gleißend Stahl sah ich ihn entrinnen, wie dem langen Lienhart der Rosenberg. Schon einmal war er in Deiner Hand und Du ließest ihn leben.« 365

»Sprichst Du von dem Götz von Berlichingen?« fragte Florian Geyer. »Ich hörte, daß er hier war, um sich einen Schutzbrief für Jaxthausen auszuwirken.«

»Gleichviel, um was er gekommen ist; ein Wolf wird nimmer zahm«, versetzte sie, »Du wirst es bereuen; denn ich sage Dir, Florian Geyer von Geyersberg, er wird Dich zerreißen und uns alle. Sie müssen alle hin sein, die Wölfe, Bären, Löwen, Tiger, Adler, alle, alle; Gott will es!«

Sie schritt langsam davon.

Ihre Prophezeihung bewegte Florian Geyer nicht. Er würde darüber gescherzt haben, wenn er nicht gewußt hätte, daß ihr Haß aus dem unsäglichen Elend des Volkes aufbrodelte. »Geduld, armes Weib, wir werden das Elend ausmisten«, murmelte er ihr nach. Indem kam Paul Ickelsamer dazu, und schon von weitem rief er dem langen Lienhart die Frage zu: »Ist's wahr, daß Ihr den Nönnlein von Schäftersheim zum Tanz aufgespielt habt? Der Metzler erzählt es.«

»Die armen Jungferlein«, lachte jener in seinen Bart. »Sie flogen lustig in die Welt zurück wie gefangene Vögel, denen die Tür des Käfigs aufgetan wird.«

»Und dabei geriet der Käfig in Brand«, scherzte der Fähndrich der Schwarzen Schar.

»Durch Zufall«, zuckte der lange Lienhart leicht die Schultern. »Wir fanden die Zinsbücher und verbrannten sie, das war die Ursach. Dabei sind denn auch alle die schönen Kerzen und Gotteslämmlein zerschmolzen, die sie von dem Wachs ihrer Bienen anfertigten, und in Rom weihen ließen. Sie verdienten damit ein schön Stück Geld, das sie sorgfältig für uns aufgehoben hatten.«

»Und das ist nun verzettelt?« fragte Herr Florian, die Brauen zusammenziehend. Seine Mienen wurden jedoch hell und er nickte befriedigt, als Simon Neuffer bemerkte: »Aber die Rothenburger haben einen guten 366 Beute- oder Brandmeister. Schon in Reichardtsrode haben wir ihn gewählt.«

Vom Kloster her erklang eine Glocke. Es war diejenige, die sich gewöhnlich im Tale nur vernehmen ließ, wann im Tale einer vom Leben geschieden war. Jetzt diente sie, um die Hauptleute zur Beratung zu rufen. Es gab viel zu beraten und zu schaffen, wenn die zwölf Artikel, welche das Programm der gesamten deutschen Bauernschaft waren, erfüllt werden sollten. Über das Ziel waren wohl alle einig, die täglich in dem Konvent zusammen kamen, wo sonst die frommen Väter um das Reich Gottes und die Mehrung ihres Klostergutes gesorgt hatten, auch darüber, daß sie aus den Klöstern ausgeräuchert werden müßten, wie die Hamster aus dem Bau, in dem sie die Frucht des Bauern aufspeicherten, und daß die Burgen, in denen das Volk nur Zwingvesten sah, gebrochen werden müßten. Aber über die Mittel und Wege zur Freiheit gab es unter ihnen nur zwei klare Köpfe: Wendel Hipler auf dem politischen und Florian Geyer auf dem Gebiet des Krieges.

Florian Geyer hatte, seitdem ihm das Scheitern von Herzog Ulrichs Unternehmen die Brust befreit, auf Giebelstadt einen Feldzugsplan entworfen, den er nun mit Unterstützung Hiplers in den Grundzügen zur Annahme brachte. Danach sollten die Grafen von Hohenlohe, deren Besitzungen, wenn auch nicht als ein zusammenhängendes Ganzes, bis an das Gebiet der Rothenburg sich erstreckten, sowie deren Nachbarn, die Grafen von Löwenstein, Weinsberg und Heilbronn zur Bundesgenossenschaft mit den Bauern genötigt und auf diese Weise Württemberg von der österreichischen Herrschaft befreit werden. Dann wollte man sich nach Franken wenden, wo der Hauptschlag geschehen, die Bischöfe von Würzburg und Bamberg vertrieben, das mächtige Nürnberg in den Bauernbund aufgenommen werden sollte. Auf diese Weise 367 verstärkt und auf dem rechten Flügel durch Württemberg unterstützt, traf der letzte, vernichtende Schlag den Schwäbischen Bund, der zu Ulm saß und dessen oberster Feldhauptmann, der Truchseß von Waldburg, gegenwärtig noch in österreichischem Solde, zur Zeit an der oberen Donau gegen die aufgestandenen Bauern operierte.

Nachdem die Bauernheere sich solchergestalt verbündet und verbrüdert hatten, zog Metzler aus Brettheim mit dem größeren Teil der Rothenburger Landwehren zu dem Tauberhaufen wieder zurück, um Rothenburg in Schach zu halten und seine Verbindung mit dem Markgrafen Kasimir zu verhindern. In den Lagern zu Schöntal blieben 8000 Bauern stehen.

Aber mit Ausnahme der Schwarzen Schar und der Rothenburger unter dem langen Lienhart waren es nur lockere Haufen, ungeübt in den Waffen, und vor allen Dingen fehlte es an Geschütz. Florian Geyer ging daran, aus ihnen eine Armee zu schaffen, wobei er von Simon, dem langen Lienhart, Fritz Mölkner und einigen anderen nachdrücklichst unterstützt wurde. Er schuf eine Heerordnung, trug im Verein mit Wendel Hipler Sorge, daß der helle Haufen in Albrecht Eisenhut einen Beutemeister und in Hans Reyter aus Bierlingen einen Schultheißen erhielt, und ließ die Bauern in den Waffen üben. Das fehlende Geschütz sollten die Herren und Städte liefern. Er war unermüdlich tätig. Mit soldatischer Kürze und Bestimmtheit gab er seine Befehle, und man gehorchte ihnen, weil man herausfühlte, daß er seine Sache verstand. Seitdem er die Scheide seines Schwertes weggeworfen, wie er Max Eberhard geschrieben, durchglühte ihn eine innere Freudigkeit, die sich allen mitteilte, die mit ihm zu tun hatten. Er stand in einer Tätigkeit, die seinen kriegerischen Neigungen und Fähigkeiten entsprach, Fähigkeiten, die sich immer weiter entfalteten, und diese Tätigkeit galt der 368 Verwirklichung jener Ideen, welche er im Verkehr mit Ulrich von Hutten genährt und entwickelt hatte. Endlich, endlich war der Tag angebrochen, der sie zur Tat machen, das Joch der Unterdrückten zerbrechen, ganz Deutschland frei machen sollte! Sein ganzes Wesen wurde darüber zu Stahl. An sich selbst verschwendete er keinen Gedanken. Er hatte alle Schiffe hinter sich verbrannt und wußte, daß er siegen oder untergehen mußte; aber er arbeitete und dachte nur für den Sieg, den Sieg der Freiheit und Gerechtigkeit.

Wendel Hipler hatte inzwischen als Kanzler des hellen Haufens an die Grafen von Hohenlohe ein Ultimatum erlassen, die zwölf Artikel anzunehmen, wenn sie Frieden haben wollten. Sie machten Ausflüchte, und nun zog das Heer auf Neuenstein, wo die beiden Grafen residierten. Als sie solchen Ernst sahen, erschienen sie im Lager. »Hei«, rief sie der kleine Krees aus Niedersall an, der die Schultern eines Atlas hatte, »Bruder Albrecht und Bruder Georg, kommet her und gelobet den Bauern, bei ihnen als Brüder zu bleiben und nichts wider sie zu tun. Denn Ihr seid nimmer Herren, sondern Bauern, und wir sind die Herren von Hohenlohe. Und unseres ganzen Heeres Meinung ist, daß Ihr auf unsere zwölf Artikel schwören und mit uns auf 101 Jahr zu halten Euch unterschreiben sollet.« Wendel Hipler, der von ihnen so schwer Gekränkte, genoß die Genugtuung, sie auf die zwölf Artikel schwören zu hören, daß sie bis zur nächsten Reformation Frieden halten, die Gefangenen frei geben und den Bauern in den nächsten Tagen Geschütz und Pulver liefern wollten. Sie mußten zu dem Gelöbnis die Handschuhe ausziehen, wie auch die Häupter von den Helmen entblößen. Kein Wunder, daß ihnen ob dieser Demütigungen die Augen übergingen. Die Bauern aber feierten das wichtige Ereignis mit unzähligen Freudenschüssen.

Jäcklein Rohrbach war unterdessen vor Löwenstein 369 gezogen, nachdem er das Frauenkloster Lichtenstern, dessen Konvent geflohen war, geplündert hatte. Die schwarze Hofmännin schritt seinem Banner voraus gleich einem Rachegeist. Die beiden Grafen Ludwig und Friedrich von Löwenstein hatten sich in Sicherheit gebracht. Jäcklein Rohrbach ließ ihnen kund tun, daß sie sich in den nächsten Tagen in dem Lager einzufinden hätten, um den Eid auf die zwölf Artikel zu leisten, widrigenfalls ihnen mit der Verwüstung aller ihrer Güter gedroht wurde.

Unter dem Haufen Rohrbachs befanden sich viele Untertanen des Deutschen Ordens zu Neckarsulm. Ihre Erbitterung gegen denselben, der sie als Ritter und als Geistliche doppelt hart bedrückte, trieb es durch, daß das Heer zunächst nach Neckarsulm sich in Bewegung setzte. Der Marsch ging an Weinsberg vorüber, von dem das Ordensstädtchen zwei Stunden neckarabwärts entfernt war. Nach Weinsberg sandte der helle Haufen einstweilen ein Schreiben mit der Aufforderung, dem christlichen Bunde der Bauernschaft sich anzuschließen. 371



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