Robert Schweichel
Um die Freiheit
Robert Schweichel

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Neuntes Kapitel.

Die Hausfrau des Ritters mit der eisernen Hand lag im Kindbett. Das frohe Ereignis fand keinen Spiegel in den Mienen Götzes, der in der Stube nebenan auf den dicken Tuchsohlen seiner Hausschuhe auf und ab ging oder zeitweilig an einem der Fenster stehen blieb. Auf dem schweren Eichentische stand eine Kanne mit Neckarwein; aber er trank nicht. Es war ein unfreundlicher Tag. Ein kalter Westwind peitschte den unaufhörlich niederrauschenden Regen gegen die schmalen in Blei gefaßten Burgfenster, entstellte die Schönheit des Tales und gab dem Neckar, der in der Tiefe an der Hornburg vorüberglitt, ein graues Ansehen. Die Stimmung des Burgherrn glich dem Tage: Gegenwart und Zukunft ein unheimliches Grau, und fröstelnd zog er den mit Pelz gefütterten Hausrock enger um seine gedrungene Gestalt. Wiederholt rieb er sich mit der Rechten, die er allein noch besaß, über die runde Stirn und den kahlen Scheitel, aber es wollte kein glücklicher, kein erhellender Gedanke herausspringen. Wohl hatte er gleich nach seiner Rückkehr von Schönthal den fränkischen Adel zu einer Versammlung eingeladen, jedoch nur einige wenige hatten sich eingefunden. Denn die Tat von Weinsberg war dazwischengetreten und sie trieb die große Mehrzahl in die Arme der Fürsten, während die anderen sich beeilten, auf Grund der zwölf 398 Artikel ihren Frieden mit dem Bauernheere zu schließen. Seine eigenen Brüder waren dem evangelischen Bunde der Bauernschaft beigetreten.

Im ersten Schrecken hatte er seine Kostbarkeiten und wichtigen Papiere nach Frankfurt geflüchtet, war aber unverrichteter Sache zurückgekehrt. Denn die Stadt hatte sie nicht anders in Verwahrung nehmen wollen, es sei denn, daß er auf jeden Schadenersatz verzichtete, wenn sie in der Revolution, die ja auch Frankfurt bedrohte, verloren gehen sollten. Er hätte jetzt viel darum gegeben, wenn er nicht nach Schönthal geritten wäre. Was sollte er beginnen, wenn Wendel Hipler seiner Einladung folgte? Wollte er noch geschwind wie so viele seiner Standesgenossen in die Dienste eines Fürsten treten, so würde er dadurch nur um so schwerer den Zorn der Bauern auf sich ziehen, und nahm Hipler ihn bei seinem so gut wie gegebenen Worte, wie wollte er sich vor dem schwäbischen Bunde rechtfertigen? Er hatte in diesem schon so wie so manchen Feind, und wiederum lag für ihn eine gewisse Süßigkeit in dem Gedanken, es ihnen vergelten zu können, wenn er die Hand der Bauern ergriff. Daß sie die Hand ihm entgegenstrecken würden, daran konnte er nicht zweifeln, hatte er doch die untrüglichsten Beweise dafür.

Florian Geyer war von Weinsberg zunächst nach Neckarsulm zurückgegangen, um das dortige Geschütz an sich zu nehmen und war dann auf seinem Wege nach Würzburg den Neckar abwärts bis zu Gundelsheim gezogen, welches Städtchen ganz nahe der Hornburg lag. Die Schwarze Schar war zwar weitergeeilt, ohne sich um Götz zu kümmern; allein nach ihr kamen die Streifkorps des hellen Haufens, der bei Heilbronn lag. Sie schwärmten nach allen Richtungen hin, plünderten die Klöster, verbrannten die Zinsrollen und zwangen die Burgherren, in die evangelische Brüderschaft zu treten. Götz von Berlichingen sah bald hier bald dort den Himmel von Feuerschein gerötet. 399

Eine von diesen Streifscharen, denen Gundelsheim zum allgemeinen Sammelplatz bestimmt war, folgte den Spuren Florian Geyers. Nachdem sie das Schloß zu Neckarsulm vollends ausgeräumt hatte, setzte sie sich auf dem deutschherrischen Schlosse Scheuernberg, das für besonders fest galt, an die eben gedeckte Tafel, von der die Ordensritter bei ihrer Annäherung jählings entflohen waren. Ebenso tapfer benahm sich der Kommentur von Schloß Horneck, das zwischen Götzens Burghaus und Gundelsheim lag. Trotzdem er der Stadt seinen Schutz mit großen Worten zugesichert hatte, entwich er mit dem Konvent, Kleider, Briefe und selbst die Kleinodien im Stiche lassend. Nicht weniger als fünf Wagen konnten die Bauern mit Hausrat, Mehl, Korn und Wein beladen.

Und jetzt rückte der helle Haufen heran. Sein Reiterknabe, den Götz nach Gundelsheim geschickt, hatte gegen Mittag die Nachricht davon gebracht. Es hatte keiner Gewalt bedurft, um die freie Reichsstadt Heilbronn in den evangelischen Bund zu bringen. Das Erscheinen der bewaffneten Scharen, denen der jammervolle Einzug der Gräfin von Helfenstein vorausgegangen war, hatte vollendet, was die Spaltung im Stadtrate, der Hochmut der Patrizier, die revolutionäre Partei, zu der viele wohlhabende, ja reiche Bürger zählten, und der Hunger der Armen längst vorbereitet hatte.

Ein solch reicher Mann war der Bäcker und Weinschänk Hans Müller, genannt Flux, auf der Deutschhausgasse, und seiner Vermittlungen hatte es die Stadt zu danken, daß keinem Ratsherren noch Bürger ein Leid geschah, sondern die Bauern mit einer Brandschatzung von 8500 Gulden, die sie den Klöstern auferlegten, sich zufrieden gaben. Nur das Haus des Deutschen Ordens wurde gründlichst ausgeplündert, da dessen Kommentur hier wie überall durch seine feige Flucht den Orden schändete. Auch hier waren es wie überall dessen Untertanen, die am fleißigsten rafften und wegtrugen. Hans 400 Flux war mit Jörg Metzler verwandt, ein Bruder von ihm saß im Rate der Bauern und deren Schultheiß, Hans Reyter aus Bierlingen, war sein Schwager. Er wußte sich mit dieser Verwandtschaft nicht wenig, wie er sich denn gern aufspielte und zu verstehen gab, daß er in die geheimsten Pläne der Bauern eingeweiht sei. Aber er war trotz seines Radikalismus, der ihn nach Neckarsulm und Weinsberg geführt hatte, ein gutmütiger Mann und er liebte seine Vaterstadt.

Der Rat nahm ihn daher schleunigst beim Worte, als er sich gegen ihn rühmte, daß er ihm Frieden mit den Bauern schaffen könnte. Nur in einem Punkte blieben dieselben trotz aller seiner Bemühungen unerschütterlich. Sie verlangten, daß die Stadt ein wohlgerüstet Fähnlein zu ihrem Heere stoßen lasse, und zwar mit den Heilbronner Farben. Der Rat aber fürchtete, wenn er darein willigte, die Verantwortung vor dem Schwäbischen Bunde. Um sich gegen diesen auf alle Fälle zu decken, hatte er Hans Flux zu dessen Unterhandlungen mit den Bauern überhaupt keine urkundliche Vollmacht aufgestellt, so daß man ihn nachträglich verleugnen konnte. Vielleicht ließ sich auch in betreff des Fähnleins, um das nicht herumzukommen war, ein Ausweg finden, der Hans Flux die Verantwortlichkeit auflud.

Und er fand sich. Der Rat verweigerte, das Fähnlein zu stellen, aber er gab Hans Flux an die Hand, ein solches aus Freiwilligen zu bilden, welches ein schlicht weißes Banner ohne den schwarzen Adler im silbernen Schilde, das Wappen Heilbronns, führte. Hans Flux ahnte die Falle, allein Gutmütigkeit, Eitelkeit und Liebe zu seiner Vaterstadt ließen ihn hineintappen. So ging er denn mit dem hellen Haufen den Neckar hinunter. Auch zwei Bürgerinnen von Heilbronn zogen unter seinem weißseidenen Banner; die eine im blanken Harnisch, den Spieß auf der Schulter, die andere einen Bundschuh tragend. Die Leidenschaft 401 und Tatkraft der Frauen hatte bei der Entscheidung der Stadt kein geringes Gewicht in die Wagschale geworfen.

Das Horn des Torwächters unterbrach Götzens unerquickliches Sinnen. Es ging schon auf den Abend. Wie Götz hinausschaute, war es sein eigener Amtmann, der auf dem Hofe vom Pferde stieg und bald darauf, von Nässe triefend, zu ihm auf die Stube kam. »Ei, mein Lieber, was ist's so Wichtiges, das Euch bei dem Hundewetter noch so spät herauftreibt«, redete der Burgherr ihn an.

»Wichtig ist's freilich, Euer Gnaden, und ich wollte, daß es auch was Gutes wäre«, antwortete jener. »Der Bauernrat schickt mich. Er läßt seinen Gruß entbieten und der gnädige Herr möchte morgen zu ihm nach Gundelsheim ins Wirthaus kommen. Er hätte mit Ew. Gestrengen dringlichst was zu reden.«

Die blühende Gesichtsfarbe des Ritters hatte sich darüber zu einem dunkeln Rot vertieft. Jetzt mußte er sich entscheiden. Seine Antwort überlegend, stützte er die mit einem Handschuh verhüllte eiserne Linke auf die Tischkante. Der Amtmann beobachtete ihn. »Wie sie erzählen, hat sich fast der gesamte Adel zwischen Jaxt und Kocher in die Genossenschaft der Bauern ergeben«, sagte er mit gedämpfter Stimme.

»Und Ihr wisset, was sie von mir begehren?« fragte Götz.

»Ja, Ew. Gnaden, der Jörg Metzler hat trotz des Regens den hellen Haufen zusammentreten lassen und der Kanzler im Ring vorgestellt, was es ihrer Sache für einen Schein geben würde, wenn sie einen solchen bewährten Kriegsmann, wie Ihr es seid, Herr Ritter, zum Hauptmann hätten, und welchen Schaden sie davon hätten, wenn Ihr Euch zu den Feinden schlüget.«

»Worauf der Haufen ihm zufiel«, äußerte Götz, indem sich sein Mund spöttisch verzog.

»Mit nichten, edler Herr«, antwortete der Amtmann 402 zögernd. »Es erhob sich viel Geschrei dagegen. Sie hätten einen Bauernkrieg und bedürften des Adels nicht, hieß es. Einer schrie sogar, mit Verlaub von Ew. Gnaden sag' ich's: .Schadet er uns, warum hängt man ihn nicht an einen Baum?' Erst als Jörg Metzler und der Schultheiß Reyter gesprochen hatten, nahmen sie den Vorschlag des Herrn Wendel an.«

»Gelt, es war der Rohrbach, der mich gehenkt haben wollte?« lächelte Götz.

»Halten zu Gnaden, der hat sich mit etlichen von Neckargartach schon gen Maulbronn gewendet, um mit dortiger Bauernschaft und der von Baden auf Stuttgart zu rücken, während bei Tübingen schon alle auf sind. Sein Haufen aber ist nach Böckingen heim gegangen; er hat wohl einstweilen Beute genug gemacht.«

»Ihr seid ja gut unterrichtet,« meinte Götz etwas trocken, und jener erwiderte, daß er es von Georg Metzler wisse. Auch seien die Weinsberger in ihrem Tal zurückgeblieben, um ein Auge auf die Stadt und Heilbronn zu haben, fügte er hinzu.

Götz, der ihm aufmerksam zugehört, füllte seinen Becher und reichte ihn dem Boten mit den Worten: »Bei dem wüsten Wetter braucht's der inneren Wärme. Trinket, Schultheiß, und saget dem Rat, daß ich kommen werde. Ich muß halt, oder wisset Ihr anderen Rat?«

Er wußte keinen und war froh des Bescheides, den er den Bauern zu überbringen hatte.

So ritt denn Götz von Berlichingen am nächsten Morgen nach Gundelsheim. Das Wetter hatte sich aufgeschönt; nur ein kalter Wind blies noch das Tal herauf. Dem Ritter war es heiß im Innern.

Wie er im Wirtshaus die Treppe hinanstieg, kam ihm sein Waffenbruder Max Stumpf von Schweinsberg entgegen, der sich eben seinen Schirmbrief von dem droben versammelten Bauernrat geholt hatte. »Glück auf zur Hauptmannschaft!« begrüßte er Götz. Dieser aber 403 seufzte: »Gott, mir nicht. Das tu' der Teufel! Warum tust Du es nicht? Tue Du es doch ja an meiner Statt!«

»Aber sie wollten Dich, nicht mich,« rief Max Stumpf. »Und bei Gott, Du mußt annehmen, Götz. Dem ganzen Adel kommt es zu gut, und er wird es Dir hoch verdanken und nimmer vergessen. Ich bitte Dich, Götz, tu's!«

»Du weißt nicht, was es mich kosten würde, keiner weiß es! Mir ist, als ob diese Stiege hier der Kalvarienberg wär'.« Mit einem melancholischen Blicke reichte Götz dem Freunde die Hand.

»Lieber, wir alle müssen in dieser schweren Zeit ein Opfer bringen und Du rettest den Adel,« rief Stumpf von Schweinsberg ihm noch nach.

Droben fand Götz den Ausschuß der Bauern versammelt, der, außer dem obersten Hauptmann Jörg Metzler, dem Kanzler Hipler und dem Schultheißen Hans Reyter, aus sieben Mitgliedern bestand. Hans Flux gehörte zu diesen. Es war unter den Fürnehmsten dieses Rates der Sieben keiner, der Götz nicht wohlgewollt hätte, und demgemäß wurde er auch empfangen. Nachdem Wendel Hipler ihm mitgeteilt, was man von ihm begehre, bat er in gar beweglichen Worten, daß man ihn mit der Übernahme der Hauptmannschaft verschone. Seine Pflichten gegen den Schwäbischen Bund, sowie gegen Fürsten und Herren gestatteten ihm dieselbe nicht. Die zwölf Artikel aber seien ganz und gar gegen sein Gewissen; auf sie könnte er sich nimmer verpflichten. Sie redeten scharf auf ihn ein, nur Wendel Hipler schwieg. In seinen klugen Augen lag etwas wie ein leises Lächeln. Götz aber vermied es, diesen Augen mit seinen Blicken zu begegnen. Er heuchle nicht, versicherte er mit der Eisenfaust auf der gepanzerten Brust, aber er könne die Wahl nicht annehmen.

»So gönnt mir wenigstens noch ein Wort bei Seite,« sprach jetzt Wendel Hipler. »Ich hoffe, Euch solche 404 Gründe anzuführen, daß Ihr Euren Widerstand fahren lasset, Herr Ritter.«

Sie gingen in das Gärtlein hinter dem Wirtshause, wo der Kanzler sofort das Wort ergriff. »Ihr werdet mir zugeben, Herr von Berlichingen, daß die Ideen des Sickingen durchaus unausführbar sind. Der Bauer ist für eine Adelsrepublik nicht zu haben. Aber auch eine Bauernrepublik wäre eine Unmöglichkeit. Sie würde die Beute des ersten besten Abenteurers werden, der es versteht, die Welt- und Geschäftsunkenntnis des Bauern auszubeuten. Nein, Herr Ritter, kein Stand soll den andern beherrschen. In dem Reiche, das wir aufrichten wollen, sollen Bauer, Bürger und Adel gleich frei sein und kein ander Oberhaupt haben als den Kaiser. Dazu ist es nötig, daß Ihr den Adel zu uns bringet.«

»Aber das ist schier unmöglich nach dem, was in Weinsberg geschehen ist,« rief Götz lebhaft.

»Doch, doch!« antwortete Hipler und zog ihn auf eine Bank nieder, die im Schatten eines Birnbaumes stand. »Der Adel ist gegen seinen Vorteil nie blind gewesen; daß er nur ihm allein gefolgt ist, hat das Reich verderbt. Wohlan, Herr Götz, er soll jetzt seinen Vorteil darin finden, das Reich wieder zu erheben, indem er uns hilft, es wahrhaft frei zu machen. Er soll mehr als reich für den Verlust entschädigt werden, der ihm aus der Aufhebung der Leibeigenschaft und Hörigkeit und der Fronden der Bauern erwächst – aus dem Grundbesitz und Vermögen der Kirchen, Stifte und Klöster und des Deutschen Ordens, Herr Götz.«

»Alle Wetter«, entfuhr es diesem unwillkürlich.

»Die Kirche wird sekularisiert und mich dünket, daß sie genug zusammengerafft hat, um nicht nur den Adel für alle Opfer, die er dem gemeinen Wohl bringen muß, mehr als schadlos zu halten, sondern auch den Bauer zum freien Eigentümer seines Landes zu machen,« verfolgte sich Wendel Hipler. »Und was die Fürsten und 405 Herren sind, so wird Bauer und Adel sie zwingen, ihrer Souveränität sich zu entkleiden und in die Gemeinfreiheit sich einzufügen. Wenn nicht, so werden sie ausgetrieben und was ihnen persönlich eigen war, zum Gemeingut gemacht. Wie dünket Euch das, Herr Götz?«

»Potz Velten, das Ding läßt sich hören,« rief dieser aufgeregt. »Dafür wäre der Adel wohl zu haben, sollte ich meinen. Aber der Kaiser, der Kaiser? Dieser Karl!«

»Der Kaiser würde als das Oberhaupt eines solch freien Staates nicht nur fester, sondern auch mächtiger dastehen wie jetzt,« erklärte der Kanzler. »Der bigotte Spanier taugt allerdings wenig zu solchem Oberhaupt. Aber Deutschland ist ein Wahlreich und es gibt, Gott sei Dank! noch deutsche Fürsten, die milde, gerecht und weise genug sind, um zu erkennen, was dem Vaterlande not tut, Fürsten, die an der Wiege der Reformation standen und bis heute ihre Hand schirmend über sie halten. Doch das sind Fragen, die uns itzt nicht zu bekümmern brauchen.«

Götz ging auch hierauf nicht weiter ein. Er verstand, daß jener den Kurfürsten Friedrich von Sachsen im Auge hatte. »Hm,« sagte er, und rieb sich die Stirn, von der er den Helm gehoben hatte, denn ihm war heiß. »Ihr seid bekannt als ein feiner und geschickter Mann, Herr Wendel, und Ihr habet mir ein Licht angezündet, daß mir schier die Augen weh tun. Aber wie, wenn das Ding schief geht? Denn auch das muß ich bedenken. Hab' ein Weib und liebe Kinder, an denen mein Herz hängt. Aber auch ohnedem wäre die Verantwortlichkeit zu groß, nicht nur dem Adel gegenüber, der mir vertraut hätte. Ich sprach schon vorhin oben von meinen Pflichten gegen den Schwäbischen Bund, dessen Mitglied ich bin. Wie sollte ich mich vor ihm entschuldigen, wenn's schief geht? Ich hätte keinen Grund anzugeben und müßte den Kopf auf den Block legen.«

Wieder zeigte sich in dem von Gedanken 406 durcharbeiteten Gesicht des Bauernkanzlers jenes kaum merkliche Lächeln, mit dem er Götz im Rate zugehört hatte. Er sprach: »Allerdings kommt es in der Welt weniger darauf an, Recht zu haben, als es siegreich zu behaupten und niemand weiß so gut wie Ihr, daß Kriegsspiel Glücksspiel ist. Verlanget Ihr für Eure Sicherheit Bürgschaft, so wollen wir sie leisten, so weit als wir dazu imstande sind. Eines aber möget Ihr wissen! Wir lassen Euch nicht wieder aus, es sei denn, daß Ihr unser Hauptmann werdet. Tut Ihr es nicht im guten, so brauchen wir Gewalt.«

»Ihr seid gar schrecklich,« seufzte Götz ob dieser Drohung.

Sie kehrten zu dem Rat der Siebener zurück.

Einen Schirmbrief, den dieser Götz ausstellte, nahm er an und meinte, indem er die Augen ein wenig zusammendrückte, wenn sie dem Bischof zu Mainz ein Haus, zwei oder drei herumrückten, so würden sie, falls er sich ergäbe, hernach desto stattlicher mit dem zu Würzburg zu Handen kommen. Aber die Hauptmannschaft bat er, ihm zu erlassen. Seine beschworenen Pflichten gestatteten es nicht, so schwerwiegend auch die Gründe wären, die Wendel Hipler geltend gemacht habe. Gern wolle er auf seine Kosten zum Schwäbischen Bunde, zu Fürsten und Herren reiten und allda nach seinem Vermögen zum Frieden und zu aller Billigkeit für sie handeln. Darauf bemerkte Hans Reyter, der Götz schon seit vielen Jahren kannte, daß nicht der Rat, sondern der helle Haufen ihn gewählt habe; an diesen müßte er sich daher wenden, wenn er die Wahl abzulehnen entschlossen sei.

»Da kommt es denn gut zu paß, daß Ihr Euch sogleich an den hellen Haufen wenden könnt,« äußerte Jörg Metzler. »Es ist just die Stunde, in der sich die Fähnlein vor der Stadt sammeln sollten, um weiter zu ziehen.«

Götz war es zufrieden, sich an die Quelle selbst zu 407 wenden. So stiegen denn alle zu Pferde und ritten vor die Stadt, wo wirklich jedes Fähnlein unter seinem Hauptmann bereits zum Aufbruch sich geordnet hatte. Die Kunde, daß Götz nicht annehmen wollte, ging rasch um, und als er nun von Fähnlein zu Fähnlein ritt und seine Gründe vorbrachte, bekam er mehr Murren als Zustimmung zu hören. Das Fähnlein der Hohenloher aber umringte ihn mit wildem Geschrei, schlug die Büchsen auf ihn an, fällte die Spieße gegen ihn, und drohte ihn umzubringen, wenn er sich noch länger weigere, ihr Hauptmann zu werden. Gezwungen ergab er sich in sein Schicksal und versprach mit einem Eide, am nächsten Tage in Buchen, wohin das Heer sogleich aufbrach, sich einzufinden.

Traurigen Herzens ritt er nach Hause und wünschte sich lieber in dem tiefsten Turm zu liegen, der in der Türkei stand. Er hatte mit dem Feuer gespielt und sich die Finger verbrannt. Für die großen Gedanken und Pläne sich zu erwärmen, die Wendel Hipler ihm angedeutet hatte, war er unfähig und ebenso wenig liebte er das Volk, das für seine Freiheit in den Waffen stand. Er mußte sich gestehen, daß die Gewalt, die ihm auf seinen geheimen Wunsch geschah, seine Gegner schwerlich täuschen würde, während sein Verhalten auf der anderen Seite die Bauern mit Mißtrauen gegen ihn erfüllen mußte. Wurde dieses auf die eine oder die andere Weise gerechtfertigt, so durfte er auf eine um so schrecklichere Vergeltung gefaßt sein. Seine eigenen Bauern samt ihrem Amtmann hatten sich der Revolution angeschlossen. Nur einen lichten Punkt gab es in diesem Dunkel für ihn. Das Blut des alten Faustrechtsritters regte sich wieder. Er konnte wieder zu Pferde steigen, wieder raufen, seinen alten Gegnern, insonderheit dem Bischof von Bamberg, scharf zu Leibe gehen.

Anderen Tages ritt er mit zwei Knechten nach Buchen. Die Bauern standen im Ring; es wurde über Wichtiges abgestimmt. Schon in Ballenberg hatte Florian Geyer 408 vorgeschlagen, die aus Welschland heimkehrenden Lanzknechte anzuwerben, um durch sie dem Bauern einen festen kriegerischen Stamm zu geben. Wie nun Hipler, Metzler, Reyter und andere vom Rate diese Maßregel vorschlugen, wollten die Bauern sie nicht annehmen. Sie befürchteten, durch die Lanzknechte in ihrem Anteil an der Beute geschmälert zu werden. Denn es gab unter ihnen eine sehr große Menge, die zur wahren Bedeutung des Aufstandes noch nicht durchgedrungen waren, sondern nur um der Beute willen mittaten und zu ihren Dörfern zurückkehrten, wann ihre Habgierde befriedigt war. Es war eine lustige Fahrt gewesen, von der sich noch lange erzählen ließ.

Um diesen Krebsschaden auszuschneiden, hatte Wendel Hipler vorgeschlagen, daß fortan jeder, der zum Zuzug aufgemahnt würde, bis zur Beendigung des Volkskrieges bei der Fahne bleiben müßte. Es gelang aber ihm und den Räten nicht, die Bauern davon zu überzeugen, wie notwendig zu ihrem eigenen Wohle die vorgeschlagene Bestimmung sei. Eben wie Götz dem Ring sich näherte, erhob sich ein überwiegend Mehr der Hände auch hiergegen. Ein Dorfschneider hielt Götz seinen Spieß vor und forderte ihn auf, sich gefangen zu geben und vom Pferde zu steigen. Götz, der weit und breit gefürchtete Haudegen, vermochte über das Komische seiner Lage nicht zu lachen. »Du hast gut reden,« antwortete er, »so viele hast Du um Dich stehen; wenn Du mich draußen im Feld allein fingest, wollte ich Dich loben. Ich bin doch zuvor gefangen.«

»Und ich sag' Dir, es ist Dein Tod, wenn Du nit unser Hauptmann wirst,« drohte der Schneider.

»Ich will aber nicht!«

»Daß Dich Gott's Marter schänd', Du mußt,« fluchte der Dorfschneider. »Herunter vom Pferd!«

Götz stieg ab und jener führte ihn in den Ring. Die erregten Stimmen der Räte und des Haufens bedeuteten ihm, daß die Zeit des Hinhaltens vorüber sei. »Wohlan 409 denn,« sprach er, »da Ihr mich also dränget und zwänget, so sollet Ihr wissen, daß ich nicht anders handeln will, sofern mir Gott die Gnade gibt, denn was ehrlich, redlich und christlich ist und ehrenhalb geziemt und gebührt; und wo Ihr nicht ehrliche und christliche Handlungen vornähmet, wollt' ich eher sterben, als mich zu Euch bewilligen. Wenigstens werd' ich niemals in eine so tyrannische Handlung willigen, wie die Ermordung von Weinsberg war.«

»Es ist geschehen,« antwortete ihm Jörg Metzler mit einem Achselzucken, »wo nicht, geschäh es vielleicht nimmer.«

»Die Verräter und Pfaffenfreunde müssen alle dran,« gellte eine weibliche Stimme und die Bauern schlugen klirrend ihre Wehren zusammen. Die schwarze Hofmännin schrie es. Seitdem Jäcklein Rohrbach nach Maulbronn gegangen war, zog sie mit dem hellen Haufen. Die Bauern sahen mit scheuer Ehrfurcht seit dem Tage von Weinsberg auf sie. Sie hielten sie für eine Prophetin und glaubten an ihre übernatürliche Macht.

Götz gelobte, ohne jede Bedingung, auf vier Wochen zunächst ihr Hauptmann zu sein und leistete den Eid auf die zwölf Artikel. Kaum aber saß er mit den Hauptleuten in der Herberge, so begann er an den Artikeln zu mäkeln. Sie sollten der Obrigkeit wieder gehorsam sein, verlangte er, Zinsen, Gülten und Fronden leisten, wie es Herkommen sei und die Beseitigung aller Mängel ihren Herren anheimstellen. Die Bauern lachten ihn aus und er brauchte für Spott nicht zu sorgen.

»Meinet Ihr, daß wir Euch darum zum Hauptmann gemacht haben?« fragte Wolf Gerber von Öhringen mit stechenden Blicken. »Dann hätten wir keinen Aufstand zu machen nötig gehabt, sondern hätten ruhig daheim bleiben können.«

Hans Flux warnte ihn, das sei ein böslich Gelüsten. 410

Götz bestand vorläufig nicht weiter darauf. Jedoch erlangte er das Versprechen, daß die festen Häuser und Burgen der Edelleute auf dem weiteren Zuge verschont werden sollten. Daß dieser Zug auf Würzburg ging, war ihm sehr wider den Strich. Er brauchte, um sich in seiner Stellung zu befestigen, einen Erfolg und er fürchtete, daß sein Feldherrentalent die Probe durch die Belagerung des sehr starken Marienberges schlecht bestehen würde. Er schlug deshalb vor, zunächst die Reichsstadt Schwäbisch-Hall in den Bund zu bringen, was kein schwieriges Unternehmen sei, und verbürgte sich, daß er nur zu schreiben brauche, um sogleich zweihundert Pferde dem Heere zuzuführen. Dann sollten alle Haufen herangezogen werden und mit dieser ungeheuren Macht wolle er dem Schwäbischen Bunde im freien Felde entgegengehen. Nach ein oder zwei Schlachten, an deren glücklichem Ausgange er nicht zweifelte bei solcher Übermacht, mußten dann alle Festungen, Schlösser ihnen von selbst zufallen.

Aber auch damit drang er nicht durch. Das Heer zog weiter durch das mainzische Gebiet auf das reiche Benediktinerkloster Amorbach, Götz von Berlichingen und Jörg Metzler als oberste Hauptleute an der Spitze. Das Kloster erlitt das Schicksal von Schönthal. Der helle Haufen brach herein und raubte alles, was nur einigen Wert hatte: Kleider, Gefäße, silberbeschlagene Bücher, Infule, und verschonte weder Orgel noch Altar noch Reliquien. Und nach den Bauern kamen die Amorbacher und ihre Nachbarn und trugen alles bewegliche Gut fort, bis auf die Bretter, die Dachziegel und die vorrätigen Backsteine. Das Niederbrennen des Klosters, wozu schon der Befehl erteilt worden, unterblieb auf die Bitten des Rates von Amorbach. Nur die Zinsbücher wurden dem Feuer überantwortet. Die Beute wurde verkauft und jede Rotte erhielt ihren Teil. Götz erstand außer seinem Teil noch für einhundertundfünfzig Gulden Kleinodien, darunter eine blaue 411 Inful, die seine Hausfrau zertrennte, und aus deren Perlen und Edelsteinen sie sich ein Halsgeschmeide machte. Von dem Kaufpreis ließen ihm die vergnügten Bauern fünfzig Gulden nach.

Die schwarze Hofmännin beteiligte sich an der Plünderung nicht. Sie hatte es bei früheren Gelegenheiten nicht getan, und tat es auch bei späteren nicht. Was sollten ihr Schätze? Ja, sie stieß sie mit dem Fuße fort oder zertrat sie, wann sie auf ihrem Wege lagen. Ihr Anteil an der Beute war die Wollust, mit der sie zuschaute, wie das Eigentum ihrer bittergehaßten Feinde geraubt und verwüstet wurde. Wild machte es sie, daß das Kloster nicht niedergebrannt wurde. Sie fuhr Jörg Metzler an, ob man die Nester nur stehen lasse, damit das Nachtgevögel sich flugs wieder einnisten könne, sobald die Bauern den Rücken wendeten? Er und die Siebener seien Weiber, denen die goldenen Sporen des Götz in die Augen stächen. Diesem legte ihr Mißtrauen die Verantwortung für die Schonung auf. Anstatt ihm bei seinem Beute-Einkauf fünfzig Gulden nachzulassen, hätte man sie auf einen Strick verwenden sollen, um ihn zu hängen. Ihr Haß gegen den Adel nahm nur Florian Geyer aus; er allein meine es ehrlich mit den armen Leuten. Und so hatte sie nur grimme Verachtung für die Junker und Ritter, welche jetzt erschreckt aus der ganzen Umgegend nach Amorbach geeilt kamen, um durch den Schwur auf den Artikelbrief Sicherheit der Person und des Eigentums zu gewinnen! O, wie klein sie sich jetzt machten und Rat und Hauptleute umschmeichelten, diese hochmütigen Edellinge! »Ja, bück' Dich nur, so tief Du kannst,« rief sie dem Junker von Gollersdorf zu, den sie schon an der Tür des Wirtshauses, in dem die Siebener ihr Quartier aufgeschlagen hatten, sein Barett lüften sah. »Gott hat uns, die Unedlen vor der Welt und die Verachteten erwählet, daß er zunichte mache, was etwas ist und kein Fleisch vor ihm sich rühme.« 412

Aber nicht nur die kleinen Tyrannen, welche gleich Wespen und Hornissen bislang die armen Leute blutig gestochen hatten, fanden sich ein. Von dem großen und mächtigen Grafen von Wertheim am Einfluß der Tauber in den Main kam das Anerbieten, in den evangelischen Bund zu treten und ihn mit Geschütz, Pulver und Kugeln zu unterstützen. Seine Macht war vor der Empörung seiner Bauern zergangen, die sein stolzes, auf einem Rebenhügel thronendes Schloß stürmten, als er sie mit Feuer und Schwert zwingen wollte. Götzens alter Freund, der Ritter Max Stumpf, geleitete eine Gesandtschaft nach Amorbach, die kein Geringerer schickte als der Erzbischof und Kurfürst von Mainz, Albrecht von Brandenburg. Ein Vetter des Ansbachers Kasimir, trug er sich lange mit dem Gedanken, das Beispiel von dessen Bruder Albrecht nachzuahmen und sein Erzbistum in einen weltlichen Staat umzuwandeln, wie jener das Deutschordensland Preußen zu einem Herzogtum gemacht hatte. Er liebäugelte mit der Reformation, erwies sich den Humanisten günstig und zog Ulrich von Hutten an seinen üppigen Hof, der sich mit Wissenschaften und Künsten putzte. Seine Maitresse redete ihm schließlich seinen Ehrgeiz aus, bei dem für sie nichts herauskommen konnte. Denn es war nicht daran zu denken, daß er als weltlicher Kurfürst sie zu seiner Gemahlin machen würde. Jetzt schickte er seinen Statthalter, den die Straßburger von seinem Bischofsstuhl verjagt hatten, als Legaten an die Bauern,

Denn, ach! selbst in dem goldenen Mainz und rheinauf- und abwärts krachte und barst die alte Herrenherrlichkeit, sodaß Erzbischof Albrecht es für weise erachtete, sich anderwärts in Sicherheit zu bringen. Sein Schlemmerleben hatte seine ganze Energie aufgezehrt und er erinnerte sich, daß sein Oheim Friedrich noch immer als Gefangener seiner liebevollen Söhne in dem Turm der Pleißenburg schmachtete. 413

Aber die Bauern gaben ihm eine über die Maßen harte Nuß zu knacken. Der Statthalter mußte mit dem Domkapital zu Mainz die zwölf Artikel annehmen und geloben, alles, was durch den hellen Haufen und andere gemeine Haufen hernach von frommen, geschickten, gelehrten und verständigen Leuten in diesen Sachen und in allen anderen christlichen Dingen und Anliegen gemeinen Landes erkannt und geordnet werden würde, ohne Ausnahme zu befolgen. Alle Städte und Flecken sollten, wo es vonnöten wäre, dem hellen Haufen Beistand und Zuzug tun mit Leib, Geschütz und anderem Vermögen, ohne von dem Erzbischof gehindert zu werden, und alle Städte dem hellen Haufen offenstehen. Alle Klöster und Klausen, Mönchs- und Nonnenhäuser sollten denen geöffnet werden, die darinnen ihren Habit ablegten, wo es nicht geschähe, sollten Hauptleute und gemeine Bauernschaft Macht haben, solche ihres Gefallens abzustrafen. Aller Adel des Stiftes sollte binnen eines Monats bei den Hauptleuten des hellen Haufens persönlich erscheinen und in die Vereinigung eintreten, jeder, der es nicht täte, überzogen werden. Endlich mußte der Statthalter geloben, dafür, daß die Bauern das mainzische Gebiet verließen, binnen vierzehn Tagen dem hellen Haufen für das Domkapital und die ganze Pfaffheit des Stifts 15 000 Gulden zu Handen zu stellen. Max Stumpf erbot sich aus freien Stücken, mit vor Würzburg zu ziehen.

Wendel Hipler durfte stolz darauf sein, einen solchen Vertrag zu stande gebracht zu haben. Er wurde dessen jedoch ob der Sorge nicht froh, mit der Götz ihn bedrängte. Götz kam immer wieder auf seine Forderung zurück, daß die zwölf Artikel geändert, gemäßigt, abgeschwächt würden. Hipler hielt solches für unmöglich, obgleich er Götz gerne gefällig gewesen wäre, denn einesteils glaubte er die jüngsten großen Erfolge an den Namen des Ritters geknüpft, andernteils war er selbst überzeugt, daß manche Forderung der zwölf 414 Artikel ermäßigt, ja ganz gestrichen werden müßte, wenn der Staat, den er erstrebte, verwirklicht werden sollte.

In dieser Verlegenheit erhielt er den Besuch eines Mannes, den Hans Flux und seine Heilbronner nicht mit wohlwollenden Augen betrachteten. Auch Hipler kannte ihn schon seit längerer Zeit von Heilbronn her, das Hans Berle zu wiederholten Malen auf Reichs- und Bundestagen und bei anderen politischen Verhandlungen mit den besten Erfolgen vertreten hatte. Er war in allen Künsten und Kunststückchen der Diplomatie erfahren und gewandt wie ein Wiesel. Schon in Neckarsulm und Weinsberg war er zu den Bauern gekommen, um zu erspähen, ob sich nicht unter ihnen Beziehungen anknüpfen ließen, die zum Vorteil seiner Vaterstadt ausgenützt werden könnten. Nach seinen Ratschlägen war dann deren Rat verfahren und hatte derselbe Hans Flux zu seinem Sündenbock erkoren. Jetzt schickte ihn die Stadt nach Amorbach, um bei den Siebenern über die Böckinger, welche die Eigentumsrechte Heilbronns rücksichtslos verletzten, Beschwerde zu führen, und er kam zu Wendel Hipler, um sich dessen Beistand und Vermittelung zu sichern.

Hans Berle wußte dem Kanzler einen Ausweg aus seiner Verlegenheit anzugeben. Nein, ändern konnte man den Artikelbrief nicht; aber man konnte ihn auslegen. Und sie setzten sich hin und verfaßten einen Nachtrag zu demselben in acht Paragraphen, welche sie »Deklaration der zwölf Artikel« nannten. Darnach sollte die Abstellung der meisten Beschwerden, die der Artikelbrief sofort verlangte, bis zur Reichsreform vertagt werden. Andere erfuhren eine Einschränkung. Am wichtigsten waren die Zusätze, wonach Zinsen, Gülten und Schulden bis zur Reichsreform weiter bezahlt und besonders das geistliche Besitztum von der weltlichen Obrigkeit jeder Gemeinde sorglich geschützt werden sollte. 415

Es kostete Wendel Hipler die größten Anstrengungen, um für diese »Deklaration« im Siebenerrat eine geringe Mehrheit zu erhalten. Sie aber sogleich vor den hellen Haufen zu bringen, wagte man nicht. Hans Berle nahm sie auf seiner Rückkehr nach Heilbronn mit, um ihre Wirkung erst bei einigen verbündeten Gemeinden zu versuchen.

So kam die Sache in Amorbach aus und schlug wie ein Funken in ein Pulverfaß. Das Heer trat ohne die Hauptleute zu einer Gemeinde zusammen. Ihre Wut traf hauptsächlich Götz von Berlichingen. Er sei ein Pfaffenfreund, erscholl es aus dem Tumulte, es täte nit anders gut, als daß man ihn durch die Spieße jage. Ihm, der kein Raubnest zerstören lassen wolle, zum Trotze wurde beschlossen, die in der Nähe gelegenen Schlösser Wildenberg und Limbach zu verbrennen, und es stürmte auch gleich eine Schar zu diesem Zwecke fort. Die Odenwälder schlugen vor, die Geschütze zu nehmen, umzukehren und alle Geistlichen auszuplündern. Andere drangen darauf, daß alle diejenigen, die zu der Deklaration geholfen hätten, totgeschlagen würden. »Zuerst den Hans Berle, denn der ist an allem schuld«, schrien die Heilbronner. Andere verlangten, daß alle Fürsten, Herren und Junker, die nicht auf die zwölf Artikel schwören, erschlagen würden. Hans Berle hatte längst das Lager verlassen, Wendel Hipler war zufällig abwesend. Als sie nicht gefunden wurden, erhob sich das Geschrei: »Götz! Götz!« Ein wilder Haufen lief zu dessen Herberge und plünderte sie aus.

Götz war dem Grafen Georg von Wertheim entgegengeritten, mit dem er ein Stelldichein verabredet, um die Bedingungen seines Vertrages mit den Bauern festzustellen. Auf dem Rückwege kam ihm Hans Flux entgegen und warnte ihn. Er aber ritt achtlos weiter. Die Flammen des Schlosses Wildenberg erregten seinen Zorn.

»Wer hat das befohlen?« fuhr er die Hauptleute an, 416 und da von ihnen niemand darum wußte, schalt er die Bauern aufs heftigste wegen ihrer Treulosigkeit. »Er selbst ist treulos«, scholl es ihm mit funkelnden Augen entgegen. »Stecht ihn vom Gaul herunter.« Die Spieße fällten sich gegen ihn. Mit Mühe gelang es den Hauptleuten, ihn zu retten.

Von Stund an hatte er das Vertrauen der Bauern verloren, und sie überwachten ihn auf Schritt und Tritt, wie einen Gefangenen. 417



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