Robert Schweichel
Um die Freiheit
Robert Schweichel

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Dritter Teil

Erstes Kapitel.

Lustig flatterten und rauschten im Maienwinde die zahllosen Banner, Fahnen und Fähnlein der Bauern auf beiden Ufern des Mainstromes und hoch über allen auf dem Kirchturm von Heidingsfeld das schwarze Banner mit der golden aufgehenden Sonne. Florian Geyer war allen Haufen voraus in dem Städtlein am linken Mainufer schrägüber Würzburg mit seinen Schwarzen eingerückt und die Rothenburger Landwehr ihm auf dem Fuße gefolgt. Tags darauf, am Sonntag Jubilate, während die Odenwälder und Neckarthaler ihr Lager bei Höchberg schlugen, war das große Fränkische Heer erschienen, zu dem sich sämtliche Bauernscharen des Bistums aus Nord und Süd bei Ochsenfurt unter Jakob Köhl aus Eivelstadt als ihrem obersten Hauptmann zusammengeschlossen hatten. Etwas später waren noch 2000 Bauern aus dem Ansbachischen angekommen und hatten sich neben den Rothenburgern gelagert.

Die Würzburger waren eitel Freude und Hans Bermeter frohlockte auf der Tanzlaube der Bürger im Grünen Baum, wo er und seine Freunde ihr Hauptquartier hatten: »Itzt sitzen die Ratten in der Falle. Und wenn der Barfüßlermönch, den sie auf dem Schlosse haben, nicht nur ein großer Schwarzkünstler, wie sie sagen, sondern der Teufel selbst wäre, er hülfe 452 ihnen nicht davon.« Die weite Tanzlaube schwärmte und lärmte tags und nachts von Bewaffneten, die sich teils mit Karten und Würfeln die Zeit vertrieben, teils bei ewig vollen Kannen schwätzten, stritten, sangen, oder auf den mit Polstern belegten Bänken an den Wänden entlang sich reckten, streckten und schnarchten. Es waren vorwiegend Bürger von den niederen Zünften und Bauern, die der Rat aus den nächsten Dörfern in die Stadt zugezogen hatte, um die wohlhabende Bürgerschaft nicht mit Wachen und Waffenübungen zu beschweren. Der Rat entgalt die Dienste mit einem Solde, Brot und Wein in Fülle lieferten die geistlichen Stifter und manch' Bäuerlein aß sich in dem reichen Würzburg zum ersten Male in seinem Leben an Brot satt. Allerdings gaben die geistlichen Herren nichts freiwillig her, aber der Rat und die Viertelsmeister vermochten es nicht zu hindern, daß Bürger und Bauern ihnen auf die Fruchtböden und in die Keller stiegen, auch sonst manchen Unfug verübten und aus den geistlichen Häusern mitgehen hießen, was ihnen in die Augen stach.

»Aber der Rattenkönig ist entschlüpft«, goß der Maler Grünewald einiges Wasser in den Wein seines jüngeren Freundes, des Musikers.

Bischof Konrad von Thüngen hatte das Erscheinen der Bauernheere vor dem Marienberge nicht abgewartet. Vergebens hatte er sich um Hilfe an Bamberg, Eichstedt und Brandenburg, sowie an den Statthalter von Mainz und den Pfalzgrafen Ludwig gewendet. Sie staken alle in Sorge und Bedrängnis, und von den Grafen, Edelleuten und Herren, die bei dem Bistum zu Lehen gingen, waren auf das Aufgebot, unverzüglich gewappnet und gerüstet auf dem Marienberge sich einzufinden, nur wenige erschienen. Die Gelegenheit dünkte manchen günstig, seiner Lehenspflicht sich zu entledigen. Der mächtigste Vasall des Bischofs ging mit seinem schlechten Beispiele den 453 anderen voraus. Graf Wilhelm v. Henneberg, ein Fürst des Reiches, Erbmarschall und Burggraf von Würzburg, war nicht nur unter leeren Vorwänden ausgeblieben, sondern verband sich auch zu Bildhausen mit den fränkischen Bauern. Anderen verlegten die Bauern die Wege zum Schlosse, und Häcker von Würzburg schossen aus ihren Weinbergen auf diejenigen, die ober- oder unterhalb der Stadt auf Kähnen oder auf ihren schwimmenden Rossen den Main übersetzen wollten.

In dieser Not griff Bischof Konrad zu einem letzten Mittel. Er berief den Landtag, der seit undenklicher Zeit nicht mehr versammelt gewesen war. Die Städte schickten auch mit geringen Ausnahmen ihre Abgeordneten, allein sie weigerten sich, in die Unterhandlungen einzutreten, es sei denn, daß auch der vierte Stand, den die Bauern bildeten, einberufen würde. Zugleich überreichten sie dem Bischof, der persönlich zur Eröffnung des Landtags in der Stadt erschienen war, eine Bittschrift, welche von den unerträglichen Bedrängnissen durch die bischöflichen Beamten handelte, die meistens vom Adel und von der Geistlichkeit waren. Und der Bischof beschickte die Bauern, die zu Geroldshofen standen, wo auch Florian Geyer sich mit ihnen vereinigt hatte. Sie aber ließen zurücksagen, sie könnten alleweile nicht viel tageleisten, sie kämen jedoch balde allesamt nach Würzburg, bis dahin wollten sie die Sache sparen. Da übertrug Bischof Konrad dem Dompapste Friedrich von Brandenburg, einem Bruder des Markgrafen Kasimir, den Oberbefehl auf dem Schlosse unserer lieben Frau und entwich nach Heidelberg zu dem Pfalzgrafen Ludwig.

Götz von Berlichingen hatte am Morgen nach seinem Einrücken in Höchberg den Artikelbrief auf den Marienberg geschickt und die Besatzung aufgefordert, sich auf Grund desselben mit den Bauern zu verbünden. Infolgedessen kam nun der Domdechant Johann von 454 Guttenberg mit einigen Rittern vom Schlosse herunter, um mit den Hauptleuten und Räten der Bauern zu verhandeln. Hans Bermeter, der Musiker, empfing sie am Zeller Tor mit einer Rotte Bewaffneter zum freien Geleit durch die Stadt nach dem Neumünster auf dem Kürschnerhofe in nächster Nähe des Domes, wo die Verhandlungen stattfinden sollten.

Hans Bermeter war ein noch junger Mann, dessen volle Lippen unter dem gekräuselten Schnurrbart lebensdurstig glühten. Die nichts weniger als prüde Bischofsstadt wußte manch' tolles Stücklein von dem heißblütigen Künstler zu erzählen. Noch jüngst, während des Faschings, war er mit Adam von Thüngen, dem Vetter des Bischofs, hart aneinander geraten, und zwar auf offener Straße am hellen Tage. Vor der Marienkirche hatten er und seine Freunde den Junker gestellt, wie man wissen wollte, weil letzterer seine Angel in dem Fischteich des Musikers ausgeworfen. Aber auch der aus der Messe kommende Junker Adam war nicht allein gewesen, sondern von einen paar jungen gespornten Hähnen begleitet, unter ihnen von Wilhelm von Grumbach, der seiner Schwester hofierte. Von scharfen Worten war es zu scharfen Schlägen gekommen und daß Hans Bermeter dabei den Kürzeren gezogen, hatte seinen Haß gegen Pfaffen und Pfaffenadel wahrlich nicht gemindert. Zur Vergeltung hatte er jetzt dem Junker, der sich auf der Marienburg befand, den Profoß der Rothenburger nebst zwei Gehilfen in das Stadthaus gelegt, das von seiner verwitweten Mutter und seiner jüngeren Schwester bewohnt wurde und die Aufnahme der unliebsamen Gäste mit Gewalt erzwungen, da der Haushofmeister sie verweigerte.

Bei dem Empfange der Gesandten schauten seine blaugrauen Augen noch übermütiger als sonst unter dem schief in die breite Stirne gedrückten Barett. Der Domdechant, der sehr wohl wußte, daß seine Tatkraft 455 und Beredsamkeit viel dazu beigetragen hatte, das zähe Bürgertum zu erregen, rief bei seinem Anblick mit einem leichten Anflug von Ironie: »Ei, siehe da, der große Volkstribun, Würzburgs Cola Rienzi!« Zu dem neben ihm haltenden Ritter sich wendend, fügte er hinzu: »Um so größer die Ehre seines Geleites für uns, da er auch ein großer Meister auf der Laute ist, mein Herr Graf von Schaumburg.«

»Auch der Nonnenmacher auf der Weibertreu war ein Spielmann«, versetzte Bermeter mit flammendem Gesicht und gab seiner Mannschaft das Zeichen zum Aufbruch.

Die Hand Kaspars von Reinstein, der dem Dechanten zur Linken ritt, zuckte nach dem Schwerte. Der Domdechant warnte ihn mit einem raschen Blicke und flüsterte, ohne die wohlwollende Miene seines runden Gesichtes mit dem Doppelkinn aufzugeben: »Behaltet seine Worte in Eurem Herzen.« Es blieb nicht die einzige in ihren Ohren mißtönende Äußerung, welche die Gesandten in den belebten Gassen zu hören bekamen. Der Domdechant von Guttenberg schaute mit unverändertem Wohlwollen auf die Menge, selbst als ihnen jenseits der Mainbrücke bei dem Graf-Eckards-Turm am Rathause aus hundert Kehlen, darunter vielen weiblichen, das Geschrei entgegen gellte: »Tod den Marienbergern! Tod den Rittern und Pfaffen! Tod den Ratten!« Silvester von Schaumburg aber blickte mit hochmütiger Verachtung darein und Kaspar von Reinstein mit ohnmächtigem Grimm. Er hatte noch einen besonderen Grund, die Würzburger zu hassen. Denn als er, um seiner Lehenspflicht gegen den Bischof nachzukommen, bei dem Kloster Himmelspforten, unterhalb der Stadt, über den Rhein schwamm, hatten ihm die Winzer sein bestes Pferd unter dem Leibe erschossen und er wäre fast ertrunken.

Eine Ehrenwache in blankem Harnisch, mit Schwert und Hellebarde stand im Neumünster auf den 456 Treppenstufen zur Kapitelstube. Sie war vom Rate bestellt, jedoch nicht um der bischöflichen Gesandtschaft willen, sondern als Ehrenbezeugung der Stadt für die obersten Hauptleute und Räte der Bauern, die auf der Kapitelstube ihre Sitzungen hielten. Die Wache wehrte den Neugierigen nicht, die hinter dem Dechanten und seinen Begleitern die Treppe heraufdrängten. Die Kapitelstube war nicht groß genug, sie alle zu fassen. Für die Gesandten waren in der Mitte der Tafel, um welche die Bauern saßen, Sessel hingestellt, und der Dechant, des Reitens ungewohnt, ließ sich bequem nieder. Er liebte überhaupt die Bequemlichkeit, die zuweilen etwas schwer in die Wagschale seines Mutes fiel. Das Gepräge des Wohlwollens in seinen Mienen verwischte sich ein wenig, als er sich jetzt Angesicht zu Angesicht den Männern gegenüber befand, deren bloßer Namen bisher sein Blut als katholischer Priester und als Edelmann zu Wogen des Hasses aufgestürmt hatte. Da saßen die doppelt abtrünnigen Ritter Götz von Berlichingen und Florian Geyer, die zum Protestantismus abgefallenen Pfarrer, der hagere Denner aus Leuzenbronn, der leidenschaftliche Bernhard Bubenleben von Mergentheim und andere, die beiden Vettern Metzler, Hans Flux, der lange Lienhart, der Schreiner Hans Schnabel, der den Bildhauser Haufen führte, der Schultheiß und Pfennigmeister Kunz Bayer aus Ottelfingen, Hans Kolbenschlag, der oberste Hauptmann der Mergentheimer und Leutinger des Jakob Köhl aus Eivelstadt, welch' letzterer den Vorsitz führte, und mancher von minder bekanntem Namen. Die vornehme Ruhe Florian Geyers, die von Entbehrungen und Eifer hohlen Wangen und stechenden Blicke der Dorfpfarrer, die Entschlossenheit in den groben, eckigen Gesichtern der Bauern, ihre durchdringenden Augen und ihre breitschulterigen Gestalten wollten es dem Domdechanten schier unheimlich machen.

Die rauhe Stimme des obersten Hauptmanns, auf 457 welche das Flüstern, Murmeln und Rauschen in der Kapitelstube stille ward, vergönnte dem Dechanten nicht, seine Eindrücke zu zergliedern. Jakob Köhl war von gedrungenem, kraftstrotzendem Körperbau und im Fränkischen Heere durch seine Grobheit bekannt. Er hatte eine niedrige, zusammengedrückte Stirn, die ein Merkmal des Eigensinnes zu sein pflegt. Und Eigensinn, der Bastardbruder der Charakterstärke, sowie seine rücksichtslose Grobheit, verbunden mit seiner starken rauhen Stimme, waren die Fundamente seines Ansehens. Von seiner Höflichkeit erfuhren auch die Gesandten nichts. Kurz angebunden und ohne die Ritter eines Blickes zu würdigen, fragte er: »Was schaffet Ihr, Herr Domdechant? Machet's kurz, wir haben nit viel Zeit.«

»So will ich denn kurz sein und ich kann es«, erhob sich der Dechant. »Mein Gewand kündet meine Sendung: Frieden! Als Bischof Konrad am Sonntag Miserikordiä zur Eröffnung des Landtages in die Stadt hinuntergehen wollte, da stellten wir auf der Marienburg ihm die Gefahren für, deren er sich vielleicht aussetzte. Er aber sprach, daß er sich nicht bewußt sei, dem Lande Grund zum Aufruhr gegeben zu haben, vielmehr stets zur Milderung der Beschwerden, die es etwa haben könnte, sich erboten hätte.«

»Oho«, murrte es unter den Zuhörenden und Hans Leminger, der Bader zum Löwen, rief mit einer dünnen, spitzen Stimme: »Wir haben seine Miserikordia unser Lebtag an unserem Leib und Gut erfahren. Hätten wir dermalen den Bischof aus der Stadt nit ausgelassen, so müßte er alle unsere Bedingungen annehmen, und aus wär's.«

»Haltet das Maul, seid so gut«, fuhr Jakob Köhl ihn an und der Dechant von Guttenberg sprach weiter: »Diese Miserikordia, dieses wahrhaft christliche Erbarmen mit Euch, den Verirrten und Verführten, ist es, das uns hierher führt. Wir wollen Frieden und 458 Versöhnung. Die Besatzung des Schlosses unserer lieben Frau ist bereit, die zwölf Artikel für sich anzunehmen, überzeugt, daß unser Hochwürdigster Bischof Konrad damit einverstanden sein werde. Nur eine Frist begehren wir, um seine Meinung einzuholen. Will man künftig eine Reformation vornehmen, so wollen auch wir dabei bleiben.«

Die Überraschung war groß und sie schlug rauschende Wogen in der Kapitelstube. »Ich seh' einen Fuchsschwanz«, raunte Metzler aus Brettheim seinem Nachbar zu, während der Dechant mit einem von Wohlwollen glänzenden Gesicht sich wieder setzte. »Schau, wie der Florian Geyer seinen Knebelbart streicht«, murmelte der lange Lienhart. »Die Art kenn' ich an ihm. Gib' acht, er wird dem Fuchs auf den Schwanz treten.«

»Mich dünket, daß wir die Bedingungen annehmen sollen, so vorteilhaft sind sie«, ergriff Götz von Berlichingen, der unterdessen angelegentlich auf Jakob Köhl eingeredet hatte, das Wort. »Beschwöret die Besatzung die zwölf Artikel, so stehen wir ohne Blutvergießen am Ziel und gewinnen an dem Frauenberge eine feste und mächtige Stütze für unsere weiteren Unternehmungen.«

»Das dünkt mich auch«, pflichtete Köhl ihm bei und fügte mit der ganzen Wucht seiner Stimme hinzu: »Nehmen wir's an, Brüder!«

»Ei, habt Ihr es so eilig?« fragte Florian Geyer. Er durchschaute, warum Götz von Berlichingen auf den Vorschlag des Dechanten so bereitwillig einging. Es trieb den Ritter mit der eisernen Hand, so bald wie möglich an seinen alten Feind, den Bischof von Bamberg, mit dem er in so mancher Fehde und auch vor dem Reichskammergericht sich herumgezerrt hatte, sein Mütchen mit überlegener Macht zu kühlen. Aber der Führer der Schwarzen Schar erkannte auch, daß der Dechant nur Zeit zu gewinnen trachtete, indem er 459 des Bischofs Zustimmung zu seinem Erbieten sich ausbedang, und als erfahrener Kriegsmann wohl wissend, wie bedenklich, ja verderblich für das Bauernheer ein langes Stilliegen vor dem Frauenberge sein mußte, versuchte er, einen Druck auf die Unterhändler auszuüben. In dieser Absicht sprach er weiter:

»Im Kreuzgang unten bin ich einen alten Leichenstein gewahr geworden, an dessen vier Ecken je ein Näpflein ausgehöhlt ist. Ihr werdet ihn auch bemerkt haben. Darunter schlummert der edle Minnesänger Walter von der Vogelweide. Als er zu sterben kam, hinterließ er dem Neumünster ein Vermächtnis, daraus den Vögeln jeden Morgen ein Futter in den Näpfen gestreut werden sollte. Die frommen Chorherren aber gedachten der heiligen Schrift, darin zu lesen ist, daß Gott die Vögel unter dem Himmel erhalte, obgleich sie weder säen noch ernten, und die Chorherren verwendeten die Stiftung zu Frühstückssemmeln für sich.«

Ein schallendes Gelächter nötigte ihn, innezuhalten. Auch Götz von Berlichingen lachte, und der Dechant lächelte. Mit strengem Tone nahm Herr Florian seine Rede wieder auf: »Also haben die Bischöfe alle Rechte und Freiheiten des Herzogtums Franken verspeiset. Und itzt, wo wir für sie das Schwert in die Faust genommen haben, da sollen wir sie für ein Linsengericht von Versprechungen verkaufen? Wer traute noch dem Krummstab? Wann wären die armen Leute nicht durch die schönen Worte der Herren genasführt worden? Es ist die Zeit gekommen und die Axt dem Baum an die Wurzel gesetzet. Der Tanz hat erst recht angefangen und es soll einem jeden Fürsten vor seiner Tür gepfiffen werden. Wollen wir die Axt zurückhalten? Wollen wir selbst schon wieder aufhören?«

»Nein! Nein! Nein!« rief die Menge und die Hauptleute und Räte stimmten fast alle ein. Von der Tür her schmetterte es hell wie eine Trompete:

»Das Rattennest muß zerrissen und zerschmissen 460 werden.« Hans Bermeter stand dort. »Wir sind 20 000 und ihrer kaum 250, darunter gar viele Kutten.«

Silvester von Schaumburg stieß sein Schwert heftig gegen den Fußboden und rief, der warnenden Geberde des Dechanten nicht achtend, mit zornig rotem Gesicht: »Versucht's, Ihr sollet willkommen sein!«

Kaspar von Reinstein setzte hinzu: »Wir haben Pulver und Steine genug, um Eure 20 000 Mann in die Luft zu blasen.«

Ungewöhnlich flink schnellte der Dechant von seinem Sessel in die Höhe und bat: »Gebietet Eurer nur zu gerechten Entrüstung, edle Herren! Mit feurigen Worten löschet man keinen Brand. Bedenket, daß wir Boten des Friedens sind!«

»Aber Euer Hoffen stehet auf den Fürsten«, entgegnete Florian Geyer. »Ihr bauet auf Sand. Die Fürsten können nicht zusammen kommen, sie sind im Schach. Ihre Zeit ist um, und sie können wider die Bauern nichts vornehmen.«

Hier ergriff der Pfarrer Bernhard Bubenleben ein Blatt, über das seine Feder kratzend geflogen war, und sprach und las: »Vernehmet den Antrag derer von der Tauber: der Frauenberg mit allen noch übrigen Schlössern des Bistums und allem Geschütz und allen Vorräten wird an das evangelische Heer übergeben. Den Geistlichen zusammen wird eine genügende Schatzung gezahlt, der Besatzung Leib und Gut und freier Abzug gewährt. Bei der Stadt Würzburg, der Landschaft und des Stifts Gefallen soll es stehen, den Frauenberg ungebrochen zu lassen oder nicht.«

Stürmischer Beifall ertoste und erstickte allen Widerspruch, auch derjenigen, welche die Zerstörung des Schlosses verlangten. Die Hauptleute von Creglingen, Weikersheim, Lauda, Königshofen schlugen an ihre Wehren. Götz von Berlichingen trocknete sich die kahle heißgewordene Stirn und Balthasar Würzberger, der stattliche Viertelsmeister und Wirt zu der 461 Schleyen rief mit dröhnender Stimme aus der Menge: »Das war ein Manneswort! Würzburg muß wieder freie Reichsstadt werden.«

»Ja das war ein Wort, wie ein Schlag auf den Kopf des Nagels,« sagte Jakob Köhl. »Wer meiner Meinung ist, ich meine, wer dem Bubenleben seinem Vorschlag zustimmt, der erhebe eine Hand.«

Da streckten sich die Hände nicht nur der Hauptleute und Bauernräte, sondern auch der Zuschauer in die Höhe. »Es ist ein Mehr!« verkündete Köhl.

»Das gilt nicht,« rief Bermeter und versuchte zum Tische vorzudringen, »Die Zwingburg muß gebrochen werden.«

»Ja,« fielen ihm die Würzburger zu, die Tauberthaler riefen: »Nein!«

So schrien sie heftig gegeneinander. Götz überhäufte den obersten Hauptmann mit Vorwürfen, daß er die Versammelten überrumpelt habe. Der Pfarrer Denner wollte Ruhe stiften, aber seine Stimme verhallte in dem Lärm, der es den Gesandten nicht geheuer machte. Götz, Metzler und die Räte der Odenwälder gingen unmutig davon. Jetzt heischte Jakob Köhl mit seiner Stentorstimme Ruhe und hieb dazu mit der Faust krachend auf den Tisch. »Ihr habet hier garnix zu reden,« fuhr er Hans Bermeter an. »Und wer jetzt noch sein verfluchtes Maul auftut, den schmeiße ich zum Fenster 'naus. Höret die Boten!«

»Roma locuta, causa finita,« sagte der Dechant sarkastisch. »Das heißet zu Deutsch: Ihr habet gesprochen und wir haben Eure Meinung vernommen, das ist zu End. Den Marienberg auf Eure Bedingungen zu übergehen, dazu haben wir nicht Vollmacht. Wir werden darüber berichten.«

Damit verneigte er sich und verließ unter allgemeinem Schweigen mit seinen Begleitern die Kapitelstube. Sie waren froh, wieder den freien Himmel über sich zu haben. 462

»Ihr Herren,« fragte der Dechant leise die beiden Edelleute, als sie im Geleit Bermeters heimritten, »habet Ihr bemerkt, wie der Götz und der von Geyersberg zu einander stehen? Sie zerren den Strick nach beiden Enden; lasset uns sehen, ob wir ihn nicht in der Mitte durchschneiden können.«

Unterdessen entleerte sich die Kapitelstube allmählich. Balthasar Würzburger, Hans Leminger und andere Bürger der Stadt umringten den Pfarrer Bubenleben aus Mergentheim und Jakob Köhl und sprachen eifrig mit ihnen; Florian Geyer trat dazu. Der lange Lienhart reckte aufstehend seine Glieder. »Bruder,« fragte er den Brettheimer, »weißt Du nirgendwo ein gut Tröpflein? Hab' einen Durst, als ob mich der Dompfaff in die glühende Hölle gesegnet hätt'.«

»Der Bäck am Mühltor hat ein gut Gewächs,« erwiderte Leonhard Metzler und schickte sich zum Gehen an. »Oder wollen wir in den Grünen Baum? Kannst dort Deinen Höllenbrand mit Pfaffenwein ausgießen, und kostet nix. Denn die Würzburger verstehens, den Schwarzen die Keller zu fegen. Hast Du von dem Stücklein vernommen, das sie dem Domvikar aufgespielt haben? Nit? Der Domdechant hat auch dabei mitgespielt. Nu, wie der Vikar, der seine Pfarre in Rottendorf hat, eines Tages aus der Stadt heimkehrt, trifft er unter'm Rennweger Tor etliche junge Burschen, die dort ihren Spaß haben. Vermeint der Pfarrer, es ist auf ihn gemünzt und schimpft: »Was fanget Ihr denn an, Ihr Lausbuben? Ich will noch sehen, daß man Euch die Köpfe auf dem Markt abschlägt!« Feurio! Vor dem Dechanten Guttenberg seinem Haus rottieren sie sich zusammen, und der, aus Angst, es könnte noch schlimmer werden, erlaubt ihnen, dem Pfarrer zur Buß ein halb Fuder Wein aus seinem Keller in Rottendorf zu nehmen. Mit Gewehr, Trommeln und Pfeifen ziehen sie hinaus, als ging's zur Schlacht, und zu dem halben Fuder nahmen sie noch neun ganze 463 hinzu. Das ganze Dorf lauft zusammen, auch die Weiber und Kinder, sauft und trägt lustig fort in Töpfen, Kannen und Zubern. Zuletzt war alles besoffen wie Noah und wälzte sich auf den Gassen im Kot wie die Schweine.«

Der lange Lienhart schlug eine tief dröhnende Lache auf. Metzler aber rief, ausspuckend: »Ist überhaupt eine Schweinezucht in dem Würzburg, und wird halt ärger von Tag zu Tag.«

Sie gingen zu dem Bäcker an der Maienbrücke, um ihre Maß in Ruhe zu trinken. Nicht lange, so sahen sie Florian Geyer die Domgasse herunter kommen, gefolgt von einem neugierigen Schwarm. Diejenigen, welche ihm begegneten, rückten ihre Hüte und Kappen, blieben stehen und schauten der hohen, fest einherschreitenden Gestalt mit den ernsten Augen beifällig nach. Ernst, jedoch ebenso entfernt von Hochmut wie von Herablassung, dankte er ohne Unterschied der Person. Ein schmuckloses Barett, dessen Rand herabzuschlagen war, bedeckte das bärtige Haupt und anstatt des Brustharnisches trug er über dem Lederkoller eine lange, schlichte Schaube, unter der das Schwert hervorkam. Wind und Wetter hatten das kühne Antlitz, dem weniger die Vererbung der Rasse als Geist und Charakter ein edles Gepräge verliehen, stark gebräunt. Als er jenseits der Brücke die Burkharder Gasse entlang schritt, vernahm er aus dem Gildehaus der Fischer Fiedel und Dudelsack, Jauchzen und Weibergekreisch. Seine Brauen zogen sich finster zusammen. Vor dem Tor wandte er sich dem Nikolausberge zu, den die Würzburger den Klas- oder Gläsberg heißen.

Es wimmelte auf demselben ameisenartig, jedoch nicht stumm. Leute von der Schwarzen Schar schleppten, von Rothenburgern und Ansbachern unterstützt, die Geschütze, die sie aus den Landtürmen, den gebrochenen Burgen der Edelleute und des Deutschen Ordens 464 weggeführt hatten, auf den Gipfel, wo Schanzen aufgeworfen wurden. Es war keine leichte Arbeit; denn der Berg war steil und pfadlos und die Sonne heiß. Aber die Leute waren guter Dinge, und wenn sie verschnaufen mußten, trieben sie derbe Späße oder sangen. Florian Geyer hatte für die Gruppen, an denen er vorüberkam, ein gutes Wort, ermunterte sie und ging auch wohl auf ihren derben Humor ein oder riet ihnen, wie sie die schweren Rohre fördersamer weiter schaffen könnten. Auf dem Gipfel traf er Simon Neuffer, der die Schanzarbeiten überwachte. Simon war zu Geroldhofen von der Schwarzen Schar zu seinem Stellvertreter oder Leutinger gewählt worden. Florian Geyer reichte ihm die Hand, nahm in seiner Begleitung die Arbeiten scharf in Augenschein und, nach dem Marienberge hinüberschauend, sagte er: »Hätten wir die Stücke des Wertheimer, so sollte drüben bald nur noch ein Trümmerhaufen sein. Doch daran ist nicht zu denken. Er hütet sie wie seine Augäpfel und hat sie deshalb selbst nach Höchberg geleitet. Für unsere schweren Büchsen und Falkonettlein, fürcht' ich, ist der Abgrund zu breit, der uns von dem Marienberg trennt. Für die Feldschlacht sind sie freilich gar brauchbar. Auch an Pulver und Geschützsteinen gebricht's uns.«

»So haben sich die Unterhandlungen mit den Bischöflichen zerschlagen und es wird Ernst?« fragte Simon Neuffer gespannten Auges. »Ihre Boten sollen ja heut zur Stadt kommen.«.

»Nicht zerschlagen,« erwiderte Herr Florian und ein leichtes Lächeln spielte um seinen energisch geschnittenen Mund. »Sie sind mit einer Antwort heimgeschickt, die es ihnen deutlich machen wird, daß wir uns von ihnen nicht hinhalten lassen. Sie werden wohl gefügiger wiederkommen. Wir dürfen den rollenden Stein nicht aufhalten und ihn bemoosen lassen. Wir müssen vorwärts, und Schlag auf Schlag.«

»Just so denk' ich auch«, pflichtete Simon ihm bei. 465 »Für uns Bauern wär's nichts, wenn wir hier lang' still liegen müßten. Es denkt schon jetzt mancher weniger an die Freiheit als an die Feldarbeiten, die er daheim versäumt, und nimmt Urlaub. Ob sie alle wiederkommen, wann's not tut? Ich glaub's halt nit.«

»Hoffentlich brauchen wir sie nicht auf die Probe zu stellen,« antwortete Florian Geyer. Er setzte sich auf einen Erdhaufen und fuhr fort, indem er ein Bein über das andere schlug: »Selbst die gelernten Lanzknechte verlottern in der Untätigkeit, die eine Belagerung mit sich bringt. Und die des Frauenbergs könnte sich lang hinziehen, wenn's dazu kommt. Die auf dem Schlosse sind mit Proviant und Munition wohl versehen. Des Bischofs Hofmeister, der Doktor von Rothenhahn, hat, wie ich höre, reichlich für alles gesorgt, schon seit Wochen. Für unsere Bauern wäre die Ruhe in dem reichen und üppigen Würzburg ein verzehrend Gift, vollends bei dem wüsten Wesen, das in der Stadt herrscht. Der Bermeter vermag es nicht zu zügeln, will's auch wohl nicht. Etliche haben ihn in Verdacht, daß er sich zum Bürgermeister aufwerfen will.«

»Nu,« wandte Simon Neuffer ein, »sein Vetter ist ja erster Bürgermeister von Rothenburg worden.« Er lachte.

»Mag er,« äußerte Florian Geyer mit einem flüchtigen Zucken der Schultern. »Auch hat er Tatkraft und schöne Gaben. Aber diese Schlemmerei, diese Zügellosigkeit greift von Tage zu Tage weiter um sich und droht unseren Bauern das Mark aus den Knochen zu saugen. Da muß man beizeiten ein Fürsehen haben. Die Freiheit, für die wir den Bundschuh aufgeworfen haben, kann nur errungen und behauptet werden, wenn wir uns innerlich frei machen von den Lasten derjenigen, so bislang unsere Herren waren. Der böse Geist darf nicht aufkommen. Er muß erstickt werden.«

Simon Neuffer schaute ihn aus seinen verständigen braunen Augen tief an und sagte bedächtig: »Die 466 Gewalt allein tut's nit. Sie kann unterdrücken und strafen, aber nit heilen, nit vor Ansteckung bewahren.«

»Das ist richtig, aber ich denke auch nicht an die Gewalt allein,« bemerkte Herr Florian, und sich unterbrechend, fragte er: »Doch wer kommt da so eilig herauf?«

Es war ein gut gekleideter Bauer, dessen Gesicht ein größer Schlapphut nicht erkennen ließ.

»Wendeland!« rief Florian Geyer einen Augenblick später überrascht und erhob sich.

Der Mann stand schon seit vielen Jahren in seinen Diensten, und er hatte ihn als Kämmerer auf seiner Burg Giebelstadt zurückgelassen.

»Ja. gnädiger Herr, es ist der Wendeland,« erwiderte dieser, vom Steigen außer Atem und riß den Schlapphut von dem langen, graugesprenkelten Haar.

»Du kommst in einer Hast, die guter Botschaft fremd ist,« sagte Herr Florian, indem er ihn forschend in das treuherzige Gesicht blickte. »Was führt Dich her? Ist's etwan Nachricht von Rimpar? Sprich!«

»Von Schloß Rimpar ist mir nichts bewußt,« schüttelte Wendeland den Kopf und zwang sich, gleichmäßiger zu atmen. »Ich war in Eurem Losament, gnädiger Herr, in der Pfarre zu Heidingsfeld,« fuhr er fort, als ob er Zeit gewinnen wollte. »Ihr würdet wohl bald kommen, sagte der Pfarrer. Es wollt' mich aber nimmer dulden . . .«

Florian Geyer fiel ihm ins Wort. »Da es nichts Schlimmes von den Meinigen ist – daß es nichts Gutes ist, verrät Dein Gesicht. Muß ich es Dir denn mit Gewalt entreißen, Du alter Unglücksrabe?«

Der Kämmerer sah ihn kläglich an und berichtete, während die Bauern, die in der Nähe gruben, schaufelten und karrten, neugierig herbeikamen: »Gestern in der Früh' ist's geschehen. Gnädiger Herr, Ihr seid immer ein wahrer Freund von den armen Leuten gewesen, um ihretwillen habt Ihr die gnädige Frau und Euer kleines Kind verlassen, um ihretwillen fochtet Ihr wider die 467 Herren und Fürsten und zum Dank dafür haben die Bauern Giebelstadt gestürmt, geplündert und verbrannt. Daß ich das hab' erleben müssen!« Zwei große Tränen rollten ihm über die Backen.

Die Augen Florian Geyers öffneten sich groß und starr. Die zuhörenden Bauern brachen in zornige Rufe aus. Simon Neuffer winkte ihnen aber mit einem Blick auf ihren obersten Führer und sie wurden still. Herr Florian strich sich mit der Hand über die Augen und mit ruhigem Tone, dem man nur an dem harten Klange die innere Erregung anmerkte, sagte er: »Erzähle!«

»Das Vieh wurde just auf die Weide getrieben und die Zugbrücke war heruntergelassen, gnädiger Herr,« begann Wendeland nach einem tiefen Atemzuge, »da fällt ein Haufen bewaffneter Bauern in die Herde, den Hirten, der ihnen wehren will, erschlagen sie. Ritsch' werf ich das Tor zu, den Riegel vor und auf den Wehrgang. Schrei ihnen zu, daß die Burg dem Herrn Florian Geyer von Geyersberg seine sei, den sie ja als ihren Freund kennen müßten. Sie aber schrien zurück, der Herr Florian kümmerte sie den Teufel, sie wollten keine Edelleute und festen Häuser mehr im Land leiden; ich sollt' das Tor aufsperren. Wie ich ihnen nit zu willen war und hoffte, daß die Giebelstädter mir beistehen würden, da schossen sie nach mir und hieben gleich mit den Äxten gegen das Tor, daß sie es aufbrächen. Die beiden Knechte und der Bub, so mit mir auf der Burg waren, hatten sich verkrochen, auch die Mägde, und ich hab' sie mit keinem Aug' wieder gesehen.«

»Mach's kurz,« befahl Florian Geyer zwischen den zusammengepreßten Lippen

»Es dauerte auch nicht lang, gnädiger Herr, da war das Tor aufgehauen,« fuhr der Kämmerer fort. »Als wie die heulenden Wölfe stürzten sie herein, trieben das Kleinvieh und die Gäule fort, leerten die Futterböden und brachen in den Weinkeller. Im Herrenhaus schlugen sie wütig alles kurz und klein und mir schmierte ein 468 ungeschlachter Lümmel mit seinem Spieß über den Kopf, so daß ich wie tot hinfiel. Wie ich nachher wieder zu meinen Sinnen kam, vermeint' ich nit anders, als daß ich bloß geträumt hätt'. Denn es war ganz still und nur das Feuer prasselt, sang und sauste. Die Ställe brannten und das Dach des Herrenhauses, und drinnen war alles verwüstet oder weggetragen. Eben gingen auch die beiden Ecktürme daneben an und spien Funken und Flammen. Löschen konnt' ich nicht und zu retten war nix mehr, gnädiger Herr!«

Er schwieg mit einem jammervollen Blick auf diesen und an ihm hingen auch gespannt die Augen der anderen, die sich ganz still hielten. Florian Geyer hatte die Lippen fest geschlossen und die linke Faust auf das Herz gepreßt. Jetzt blickte er sich unter den Männern um und sprach langsam, indem er sich fest aufrichtete: »Es ist gut, Wendeland! In einer freien Gemeinde braucht's keine festen Häuser; da ist keiner mehr als der andere. Sie haben mir die Arbeit erspart, mein Burghaus abzubrechen.«

Die Bauern gerieten in Bewegung. »Das Euch?« rief Simon Neuffer zornig und andere: »'s ist schändlich! niederträchtig!« Der Kämmerer bat: »Wenn Ihr mir ein paar Männer mitgeben wollet, daß wir aufräumen, gnädiger Herr.«

»Wozu aufräumen?« fragte dieser in seiner gewöhnlichen ruhigen Weise. »Wir haben genug anderes wegzuräumen und aufzubauen.« Er hieß Wendeland mit ihm kommen, winkte den anderen mit der Hand einen Gruß zu und entfernte sich. Hinter ihm brachte Simon ein dreimaliges Hoch auf ihn aus. Er achtete es nicht.

»Höre, Wendeland,« sprach er zu diesem, »Du mußt nach Rimpar hinüberreiten; ich kann jetzt unmöglich von hier fort. Den Weg kannst Du nicht verfehlen; Du brauchst nur das Pleichachtal aufwärts zu reiten. In drei Viertelstunden bist Du dort. Aber es eilt nicht. Verruhe Dich erst rechtschaffen, die Unglücksbotschaft 469 kommt immer früh genug. Du bist von Giebelstadt zu Fuß heruntergekommen, nicht?«

»Ach ja, gnädiger Herr, nicht ein Roßhaar haben uns die Schufte gelassen.«

»Du sollst ein Pferd haben. Ruh' Dich erst aus; derweilen schreibe ich.«

Dr. Eucharius Steimetz, der Pfarrer von Heidingsfeld, öffnete dienstbeflissen vor Florian Geyer die Tür von dessen Stube. Die Bauern hatten auch seinen Weinkeller nicht geschont. Fünfunddreißig Fuder hatten sie weggeführt und ihm nur vier auf seine Bitten gelassen; aber darum war er doch ihr evangelischer Bruder, und die Bauernhauptleute taten ihm die Ehre an, daß er ihre Ausschreiben anfertigen durfte. Sie hegten ebenso wenig wie Florian Geyer ein Arg gegen ihn. Florians feste, redliche Seele war überhaupt keines Mißtrauens fähig. Und während Dr. Eucharius den ihm empfohlenen Kämmerer mit Speise und Trank erquickte und ihn in leutseliger Weise ausforschte, schrieb Florian Geyer an Frau Barbara. So schonend wie möglich teilte er ihr das Geschehnis mit, und wenn sie etwas zu trösten vermochte, so war es die erhabene Einfachheit in den Schlußworten: »Ist unser Verlust groß, so bedenke, liebes Weib, daß kein Opfer zu groß ist für die Freiheit, und küsse unseren Buben von Deinem Florian.«



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