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Der Ball der Unfehlbaren.

(Jänner 1871.)

Und es ist die Zeit, so da geschehen Zeichen und Wunder, und der Herr der Heerschaaren nicht wie der Gott der Rache Blitze über die Rotte Korah versenden wird, die im sündhaften Tanz ihr eitel Vergnügen sucht, sondern als verzeihender Vater dazu lächelt, wenn die elendigliche Menschencreatur, statt sich zu kasteien, für ein Polka-Française sich engagirt.

Und siehe, so war es auch. Und es thaten sich zusammen, an Tausend Männlein und Weiblein und jeglichen Standes und Alters, aber von christkatholischem Glauben und hatten ein scharfes Auge und banden es sich auf's Gewissen, daß nicht ein räudiges Schaf sich mische in die gesunde Heerde und nicht etwa ein unreines »Jüngelchen mit krummer Nos« verpeste die reine Luft der apostolischen Versammlung.

Und siehe, so war es auch. Und die Tausend, die Mittwoch kamen, um mit gottesfürchtigem Herzen ein ehrbar Tänzchen zu wagen, sie bebeten nicht zurück vor den ††† Räumen, die sie betraten, obwohl der leibhafte Gottseibeiuns hier gar oft gehaust, und in der vermaledeieten Gestalt eines Socialdemokraten lästerliche Reden gehalten, oder als »harbe Toni« mit dem »Na vasteht si! Na vasteht si!« züchtige Ohren verletzte. Denn es war beim » großen Zeisig«.

Und siehe, so war es auch. Und die Englein im Himmel mußten ihre Freude daran haben und hatten sie auch, als sie herabschaueten und ihre Aeugelein labeten an dem freundlichen Anblick. Denn so da fürbaß sich plaudernd ergingen oder walzeten oder in den Pausen der Ruhe »frumb« und rechtsam bei einander saßen, es waren nicht der lockeren Gesellen und ehrvergessenen Dirnen, so männiglich zu finden, alsbald zuchtlose Musici ihre Schalmeien erklingen lassen. Es waren vielmehr rechtschaffene Streiter der Kirche Christi, es waren jungfräuliche Mägde, die der Herr gesegnet mit der Gabe des appetitlichen Aussehens und der Kunst der schmackhaften Mehlspeisbereitung; es waren seßhafte Bürger, angethan mit dem Kleide des Wohlstandes und geziert mit güldenen Kreuzleins, so ihnen gegeben zum Zeichen der Gunst fürnehmber Herren. Und es waren dabei noch die durch den Segen der Kirche den wackeren Männern angetrauten Frauen und die aus solch gottgefälligen Ehen hervorgegangenen Söhne und Töchter, Letztere gar wundersam anzuschauen im Schmucke der Unschuld. Denn Alle, so beisammen waren, gehörten zu dem katholisch-politischen » Casino von Mariahilf«, dessen wunderthätiger Ruf sich weit über die Marksteine des Bezirkes, ja selbst über den Liniengraben erstreckt.

Und es war ein erhebendes Bild, wann die Thüren des Saales sich öffneten und eintrat ein frommer Mann, und die Frauen und Jungfrauen sich erhoben und ihm küsseten in Ehrfurcht die Hand, die sich ausstreckte, wie um zu segnen die Versammlung.

Und es war ein Ohrenschmaus, als ob die Cherubim und Seraphim sängen, als der katholische Jünglingsverein ein schönes Lied begann, das ganz anders klang, als das unheilvolle: »Daß die Nachbarschaft davon nix hört.«

Und da es Gott nicht durchaus mißfällig ist, sobald es einer Creatur gelüstet, von Zeit zu Zeit ein Viertelstündlein in Zucht und Ehren auch dem Spiele der heiteren Muse anzuwohnen, so thaten sich noch drei Jünglinge vom katholischen Jünglingsverein hervor und tragirten zu mancherlei Ergötzen die alte Komödie »Die Gratulanten« von weiland J. B. Moser, was Maßen seines Zeichens ein Sänger des Volkes gewesen und im grauen Alterthume gelebt, wo man noch nicht gekannt den »feschen Wiana Biz«, und den kecken »Nigl-Nagl«.

Und als die Lust gestiegen am höchsten und Fröhlichkeit strahlte auf jeglichem Antlitze, da schien der Moment gekommen, das Wort Gottes in neuer, faßlicher Form zu predigen und – über die Juden und Judenpresse endlich den Stab zu brechen.

Und siehe, so geschah es auch. Und es stand auf ein Mann, seines Zeichens Director, der da wohnet in einem Seminario, allwo die Knäblein geheget und gepfleget in christlicher Liebe. Und der Mann erhob seine Stimme, die so hell und lieblich tönete, wie der Klang der Peterspfennige, wenn es unbeschnittene Ducaten. Und der Mann redete Allerlei und Vieles.

Und der Mann sprach: »Geliebte Brüder und Schwestern in Christo! Ferne sei es von mir, daß ich, wie es bei den Heiden und Ungläubigen und Socialdemokraten Sitte, von Euch Geld zu Vereinszwecken verlange. Wir brauchen kein Geld (Bravo!), aber mir brauchen Euch, das heißt, Ihr sollt das katholische Casino dadurch unterstützen, daß Ihr nicht wegbleibt von unseren gottgefälligen Versammlungen, wo Ihr ebenfalls Euren Plausch halten könnet (Rufe: Sehr wahr!) wie daheim, im Kreise Eurer Lieben und Freunde. Laßt uns darum alltäglich zusammenkommen und inbrünstiglich beten, daß die schlechte Judenpresse der – Dingsda hole. Amen,«

Und Zähren aufrichtiger Rührung träufelten von den Wangen der andächtigen Zuhörer, die das Gelöbniß thaten, ihre freie Zeit nicht mehr mit »Mariaschen« und »Preferanzeln« zu vergeuden, sondern den frommen Ermahnungen des Herrn Vereinspräsidenten und der Herren Ausschüsse zu lauschen.

Und wieder erhob sich ein Mann, dessen Stimme aber so mächtig klang, wie das Brausen des Oceans oder die Zornausbrüche eines mit dem »Maibuschen« abgewiesenen »Grundwachters«. Und der Mann mit der Donnerstimme sprach Mancherlei und Vieles.

Und siehe da, so geschah es. Niemand wußte, was der Mann mit der Donnerstimme wollte, denn Niemand verstand den Mann, obwohl er feierlich erklärte, kein Jurist zu sein und nicht »g'schstudirt« zu haben.

Und als der Mann mit der brausenden Oceansstimme die Versammlung, welche noch immer nicht wußte, um was es sich handle, in die höchste Begeisterung versetzt sah, da fand er den geeigneten Augenblick, urplötzlich ein Hoch! auszubringen, und zwar auf – die Errichtung eines »katholischen Commiscasinos«. Und man weinete abermals vor Rührung und Freude.

Und als Jeglicher und Jeder sich mit dem »Schneuztüchel«, so erzeugt war aus Seide, Linnen oder Baumwolle, abgewischt das Naß, so erzeugt war durch die Macht der Rede eines »Ung'schstudirten«, da schlug die Uhr der Maria-Troster-Kirche Zwölf, und die so fröhlichen Ballgaste durchschauerte es bei dieser Mahnung an die Geisterstunde und es bekreuzte sich Jeglicher und Jeder.

Und siehe da, so geschah es, daß urplötzlich, zwar nicht das erwartete jüngste Gericht, hingegen die freudige Nachricht hereinbrach, wie alsbald zum ferneren Ergötzen aller Strenggläubigen eine » Juxlotterie« veranstaltet werde, bei welcher Jeglicher und Jeder mit Treffern von gediegenem Werthe überrascht werden müßte. Und wieder strahlte eitel Lust und Vergnügen auf den Gesichtern der also Beglückten.

Und siehe da, so geschah es, daß A einen Jahrgang des »Vaterland« und B einen »Krampuskalender« und C einen Jahrgang des »Volksfreund« und D einen Jahrgang des »Vaterland« und E einen »Krampuskalender« und F einen Jahrgang des »Volksfreund«, und so fort in gleicher Folge Jeglicher und Jeder eine dieser lieblichen Gaben aus der Glücksurne zog und das Geschick pries, daß sein Herz nicht Aergerniß erlitt durch den launischen Zufall, der ihm etwa ein Debardeurhöschen oder Voltaire's »Candide« in den Schoß werfen konnte, vorausgesetzt, daß derlei frevelhafte Treffer im Spielplan enthalten gewesen wären, was aber, Gott sei Dank, nicht der Fall war.

Und als nun die Versammlung, reichlich bescheert, zu ihren Tischen zurückkehrte, um im frommen Geplauder die Vortheile eines katholischen Ballfestes zu erwägen, da ertönten noch einmal die Fidel und Flöten und riefen die jugendlichen Beine zu einem züchtigen Schlußgalopp, worauf die Versammlung ehrbar von dannen trippelte oder in schönen Karossen nach Hause fuhr.

Und die das Wunder jener katholischen Ballnacht geschaut, die beten seither zum Himmel, daß er sie so fromm und rein erhalte und auch ihre Kinder und Kindeskinder in seinen Schutz nehme, auf daß sie auf ihrer Lebensbahn nicht straucheln und nicht etwa einmal dorthin sich verirren, wo auch – Juden tanzen. Amen! –

 


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