Heinrich Schaumberger
Im Hirtenhaus
Heinrich Schaumberger

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14. Eine Haussuchung.

Bei seinem Eintritt stellte sich das Mädle breit vor ihre Kammerthür, streckte die Hände abwehrend gegen den Schulzen, Kirchbauer und Grundmüller aus und schrie: »Und wir leidens nicht! – und wir leidens nicht! – und wir brauchens nicht zu leiden!«

»Wir sind ehrliche Leute, Schulz!« fiel die Hirtenlang ein. »Kein Mensch kann uns was Unrechtes nachsagen, und jetzt auf unsre alten Tage sollen wir uns eine Haussuchung gefallen lassen? – Daraus wird nichts, Schulz!«

118 »Sua! – 's ist sündlich, wie gering die Geistlichkeit geachtet wird!« zankte Hansnikel. »Da mag ja der Kuckuck Todtengräber und Calicant sein! – 's ist 'ne betrogene Welt!«

»Weg von der Thür!« schrie der Schulz. »Werden keine Präambeln gemacht! – weg sag ich!«

»Und ich leid's nicht!« wehrte sich das Mädle.

»Gib ihr eine auf's Maul!« hetzte der Kirchbauer. »Willst Du Dir von dem Gesindel auf der Nase tanzen lassen?«

»Weg, sag ich! – Die Thüre auf oder ich tret sie ein!« schrie der Schulz außer sich vor Wuth, riß das Mädle weg und rüttelte an dem Schloß, bis die Thüre aufsprang. »Potz Christoph von Nordheim! Werden vielleicht im Amt mit Einem Umstände gemacht? Wird man nicht um des Gesindels willen vom Amtmann angeschnauzt, daß kein Hund mehr ein Stückle Brod von Einem nimmt? – Donner und Hagel! 's dreht sich Alles in mir, denk ich dran wie mich heute der Amtmann behandelte! Aber ich will nicht Henner heißen, wenn ich's nicht dem Lumpenpack heimzahle hundertfach! – Platz da oder ich vergreif mich an Dir!«

»Sua sua! Schulz!« sagte Hansnikel vor Zorn zitternd. »Gesindel – Lumpenpack! – 's dritte Wort aus Eurem Maul ist ein Schimpfname gegen uns! – Bin ich darum in Ehren alt und stumpf geworden, daß ich mich so behandeln lassen muß? – Ich sag Euch, Henner, wär' ich um zwanzig Jahr jünger, Ihr solltet das »Gesindel« und »Lumpenpack« fressen, und wenn Ihr dran erwürgtet! – 119 Aber Ihr seid noch jung, vielleicht erfahrt Ihr auch noch, wie's ist, wenn weiße Haare beschimpft werden! Ich bin ein armer Mann, ich kann mich nicht an Euch rächen – aber das sag ich, Hansnikel, Todtengräber und Calicant in Bergheim: Ich möcht nicht mit Euch tauschen, trotz Eures Reichthumes; ich schämte mich zu Tod, sollte ich in Euren Schuhen stehen! Sua, sua! – Gesindel und Lumpenpack gibt's überall, nicht blos unter den Armen, und dürfte man Alles sagen, was man weiß, manchen großen Hans in Amt und Würden möchten die Leute nicht einmal anspucken, sua!!« Verächtlich wendete er sich von dem Schulzen ab und spuckte mächtig.

»Ihr seid ein grober Narr!« fertigte ihn der Schulz kurz ab und begann in der vorderen Kammer die Haussuchung. Als er und der Kirchbauer die Betten durchwühlten, Kleider und Wäsche rücksichtslos aus den Laden auf den Boden warfen, jammerte die Hirtenlang: »Daß sich Gott im Himmel erbarm! sind wir denn gar nichts geachtet? – Sind wir nicht auch Menschen, so gut wie die Reichen? – Ach meine Betten, meine Kleider! Schulz, Schulz, sind's auch nur arme Lumpen, so ist Alles ehrlich erworben und mit meinem sauern Schweiß bezahlt!«

»Daß Dich der Hund beißt!« brummte der dicke Grundmüller, der die Haussuchung veranlaßt hatte, und kraute sich die Haare, »das ist ja eine gräuliche Wirthschaft! Ist denn der Schulz toll? – Nach ein paar Kloben Flachs gäb ich drum, könnte ich die Haussuchung ungeschehen machen!«

»Da ist kein Flachs, Müller!« schnaufte der Schulz 120 und trat in die Stube zurück. »Wo ist die Schreinere? Im Augenblick soll sie bei und ihren Boden aufmachen. Dasmal wird das Hirtenhaus gründlich umgestülpt – ich will's dem Pack anstreichen, daß ich seinetwegen Ungelegenheiten gehabt habe!«

»So?« sagte Lorenz ruhig. »Ei, das ist mir eine schöne Ursache! Nun erst öffne ich meinen Boden nicht eher, bis die Reihe an ihn kommt! Ist eine neue Art, die Haussuchung bei unbescholtenen Leuten anzufangen!«

»Freilich, freilich!« stimmte ihm der Grundmüller bei. »Der Schulz ist rein zum Häusle hinaus. Hundertmal sagt ich schon, er sollt nur bei der Wassermaus haussuchen, ist ihr doch mein Knecht begegnet, wie sie mit zwei Kloben Flachs aus dem Hof kam! – Schulz – hört doch! – Und ich will's nicht haben, daß Ihr die Leute belästigt. Sucht bei der Wassermaus, findet Ihr da nichts – auch recht!«

»Millionentausend Donner! – wollt Ihr mir auch noch Vorschriften machen?« fuhr der Schulz den Grundmüller an. »Und Du, Schreinerle, bist auch da? – Ei, das ist ja herrlich! – Und Du willst Männle machen, Dich gegen mich stellen? – So so! – hm! – Im Augenblick mach' Deine Stube auf!«

»Nach dem, was der Grundmüller erklärt hat, habt Ihr gar nichts drin zu suchen!«

»So – Grundmüller, da habt Ihr die Bescherung! – Aber noch bin ich Schulz, und was ich will, führ' ich durch! – Also Du öffnest die Thüre nicht gutwillig? – 121 Kirchbauer und Grundmüller, Ihr seid meine Zeugen! – Hansnikel, fix, schaff' ein Beil!«

»Sua, sua! – Da ist's und betracht's! – Ist das ein Beil für eine Pfarrgemeind'? – An Eurer Statt schämte ich mich in die Seel' 'nein! – Ja guckt nur, das Beil ist Euer Werk, ganz allein Euer Werk! – Wäret Ihr nur halb ein richtiger Schulz, hättet Ihr's nicht so weit 'runterführen lassen!«

»Schulz, bedenkt, was Ihr thut!« sagte Lorenz drohend. »Ein einziger Hieb mit dem Beil – Ihr werdet nicht denken, wie theuer Euch der zu stehen kommt!«

»So, Du willst auch noch drohen?« schrie der Schulz und stampfte mit dem Beilsholm auf den Boden. »Potz Christoph von Nordheim, das kommt ja immer besser! Aber ich weiß wohl, was Dir den Nacken steift! Du meinst, weil der neue Amtmann jeden Lumpen anhört, schön mit ihm thut und verspricht was weiß ich? – nun wär's mit uns Bauern aus und vorbei, und dem Schulzen brauchte man nur zu pfeifen, so müsse er tanzen nach Eurem Belieben? – Oha! – Und noch einmal: oha! Der neue Amtmann ist auch nicht von Eisen und Stahl, und thut er auch jetzt, als wolle er alle Ställe ausmisten – wir Schulzen wissen, was darauf zu geben ist, ha, ha! Ist nicht der erste, den wir mürb und zahm gemacht haben! Zuerst thun allemal die Herren, als wollten sie die Welt auf den Kopf stellen, nehmen sich der Geringen an und hudeln ihre Schulzen, 's ist 'ne Sünde! Aber wie gräulich sie sich auch stellen, gefressen haben sie noch keinen Schulzen, und sehen sie erst, was sie mit ihrer Gutthat 122 anrichten, wird der Zulauf gar zu arg, gehn ihnen die Geschichten bis an den Hals, dann werden sie gescheit, lassen Gottes Wasser über Gottes Land laufen, und die Schulzen mögen selber sehen, wie sie mit ihrem Gesindel zu Rand kommen! – So gehts! – hab's schon mehr als einmal erlebt! Das sag ich Dir, Du Großmaul und Leutsplager! Ist Dir's auch gelungen, den neuen Amtmann gegen mich aufzubringen, denk nicht, Du hast's nun schon bei vier Zipfeln. Der Wind dreht sich, eh Du Dich's versiehst – und dann – dann, Lorzle, Gott sei Dir gnädig! – dann kommt meine Zeit! – Aufgemacht jetzt!«

»Nichts da, jedes Wort ist vergeblich! – Und was soll Euer tolles Geschwätz von den Amtleuten? – was kümmerts mich, ob sie Euch Freund oder Feind sind? Den Amtmann hätte ich gegen Euch aufgebracht? – Das lügt Ihr in Euren Hals! Ich habe ihm nur ein Licht aufgesteckt, wie es im Bergheimer Hirtenhaus aussieht – schlimm für Euch, wenn Ihr die Wahrheit nicht ertragen könnt. Und wer ist Schuld, daß ich in's Amt lief? – Hättet Ihr Ordnung geschafft, war Alles gut; denkt ja, den Gang habe ich ungern genug unternommen. Uebrigens fürchte ich mich vor dem Amtmann so wenig als vor Euch; ich verlange nichts für mich, nur Recht und Ordnung will ich um mich haben, um der Kinder im Haus willen muß dem gräulichen Unfug ein Ende gemacht werden. Und davon geh ich nicht ab, Schulz, und wenn Ihr und der Kirchbauer Euch auf die Köpfe stellt – ich schaffe Ordnung im Hirtenhaus!«

»Hört nur – hört doch! Man könnte Wunder 123 denken, was das für ein Thier wäre, wenn man den Lumpen nicht allzugut kennte! – Was? die Ordnung ist Dir nicht recht im Hirtenhaus? Ha – warum triffst Du nicht das Loch? Draußen ist ja Platz genug für Dich und Dein Pack! Ha, ha! Ordnung im Hirtenhaus! das macht mich lachen! – Der Herr an den Tisch, der Hund unter den Tisch – das ist die Folge! – Wer in's Hirtenhaus muß, ist ein Lump, er soll's auch spüren, darum wird er darnach behandelt. Grad 'raus sag ich's: Je toller es im Hirtenhaus zugeht, desto besser; wo wollten wir zuletzt die Liederlichen unterbringen, wenn sie wüßten, im Hirtenhaus kann man umsonst ein Herrenleben führen? Oha! – Plagt Euch nur, und je wilder es zugeht, desto besser, desto eher werdet Ihr wieder aus dem Hirtenhaus heraus wollen. Das sag ich Dir und Deinem Amtmann zum Trotz. Obendrein ist Dir's gemerkt, daß Du mich verklagt hast! Die Straf' und die Gäng' – darüber lach ich, das muß mir doch die Gemeinde ersetzen, – aber die Grobheit, die mir der Amtmann angethan, die zahl ich Dir heim! Denk nur nicht, daß Du Schutz bei Deinem Amtmann suchst; da müßt ich nicht zwanzig Jahre Schulz gewesen sein, wenn ich nicht meinen Kopf durchsetz', allen Amtleuten zum Trotz! – Jetzt habt Ihr noch den Himmel im Haus, kommen aber erst die Uhrmacherles 'rein, dann werden Euch, Dir Schreiner besonders, Moses und die Propheten ausgelegt, dafür sorg ich! – Jetzt Thür auf – oder ich spreng sie!«

»Halt da! Daß Dich der Hund beißt! bei dem Schreiner wird nicht hausgesucht, das sag ich!« rief der 124 Grundmüller und hielt den Schulzen am Arm zurück. »Der hat meinen Flachs nicht! Hat er den dummen Streich gemacht und Euch verklagt, mag er sehen, wie er mit Euch zurecht kommt, aber ich will die Ursache nicht sein, daß Ihr Euer Müthle an ihm kühlen könnt! – Den Schreiner laßt Ihr im Frieden, bei dem wird nicht hausgesucht!«

»Schulz, der Hund unter dem Tisch hat Zähne, und er beißt, wird er allzusehr getreten!« sagte Lorenz, der mit Gewalt an sich hielt. »Merkt einstweilen Eure Reden, es könnte sein, daß Ihr einmal daran erinnert werdet. Ihr, Grundmüller, seid mein Zeuge! Muß mich wundern, daß Ihr so gleichmüthig dabei steht und Euch nicht rührt, wenn der Schulz mit klaren Worten sagt, wie er die Gemeinde für sich ausnützen will! Was gehen Euch Einundzwanzig die Strafgelder des Schulzen an? braucht Ihr für seine Gäng aufzukommen, wenn er wegen schlechter Amtsführung vorgefordert wird? Und daß er gar damit umgeht, die Uhrmacherles in's Hirtenhaus zu bringen, ich dächte, das wäre für die Gemeindeberechtigten eine Sache, wegen der sie wohl ein Wort mit dem Schulzen reden dürften!«

»Ha – daß Dich der Hund beißt! – Schulz, was sind das für Geschichten? – Hört, nehmt Euch in Acht, das lasset sein, Ihr möchtet sonst ein garstiges Wespennest aufstören!«

Der Schulz war bei diesen Worten des Grundmüllers bleich geworden und blickte verlegen auf den Kirchbauer. Nach einer Weile polterte er. »So ist's recht, Grundmüller, nun laßt Euch auch noch zum Narren haben! Das wird ein Gaudium unter der Gesellschaft geben, daß Ihr 125 Euch gegen uns aufbringen laßt! Aber in's Teufelsnamen, was streite ich mich Euretwegen herum? Was kümmert's mich, ob wir Euer Eigenthum finden oder nicht? Aber kommt mir hinfüro nicht und verlangt, ich soll für Euch beim Schreinerslorz haussuchen, nicht um die Welt thu' ich das, merkt's Euch! – Und jetzt – aufgemacht, Wassermaus! – Nur nicht gesperrt, Dich kennen wir!«

Die Wassermaus starrte zitternd vor sich nieder, blickte auch nicht auf, als der Schulz nach wenigen Augenblicken mit zwei Kloben Flachs, den der Grundmüller als den seinigen erkannte, zurückkehrte. Niemand achtete auf die Betheuerung ihrer Unschuld, vergeblich bat und flehte sie heulend um Barmherzigkeit; der Schulz, offenbar erfreut, daß er endlich eine Ursache gefunden, mit guter Art seine Galle loszuwerden, fuhr auf sie ein. »Ja, heul nur, schrei nur, diesmal kriegst Du Deinen Lohn! Sei mir nur gleich still und rühr' Dich nicht! Du schlechtes Weibsbild! weißt, was Du angerichtet? Von Eurer letzten Prügelei her liegt die Schwarze im Spital, ist auf den Tod krank und spuckt alle Tage Blut, so hast Du sie zugerichtet! Und wer muß nun die Kurkosten bezahlen und die Kinder versorgen? Die Gemeind', natürlich, auf die Gemeind' kommt ja Alles 'naus! Und wie mußt ich mich noch obenein vom Amtmann behandeln lassen – die Galle schießt mir in's Blut, denk ich dran! Das Donner und Wetter schlag' auch 'nein! mit dürren Worten mußt ich mir sagen lassen, ich wäre an der ganzen Geschichte Schuld, und käme noch einmal so was vor, würd ich beim Kopf genommen! Aber wart nur, Dich und den Heppelehepp krieg ich, Euch will 126 ich kuranzen, daß Euch die Welt zu eng wird! Pack Deine Sachen und versorg Deine Kinder, ein Vierteljahr zum Wenigsten mußt Du brummen, da gibt's kein Erbarmen.«

Voller Staunen hörten die Hirtenhäusler diese Strafpredigt des Schulzen, besonders der Hasenherle, der eben eintrat, blieb ganz verdonnert in der Thürschwelle stehen. Sein Schrecken ward aber noch größer, als sich jetzt der Schulz an ihn wendete: »Das trifft sich ja herrlich, daß Du jetzt grade angeschlichen kommst! Hast's gehört? Die Schwarz' liegt im Spital, so hat sie die Wassermaus zugerichtet, und an dem ganzen Unheil bist Du Schuld, Du ganz allein! Aber die Possen werden Dir ausgetrieben; läßt Du Dich noch einmal mit den Weiberleuten ein, bist Du am längsten im Hirtenhaus gewesen. Heut noch räumst Du und der Henker Eure hintere Kammer, und macht den Kindern Platz; seht zu, wie Ihr Euch auf dem Boden einrichtet! – Verstanden?«

»Sua, sua!« brummte Hansnikel nachdenklich. »Das ist ja auf einmal eine ganz andere Einrichtung! Die müssen droben den Schulzen garstig in der Mache gehabt haben – so ist er noch keinmal aufgetreten! – Der Heppelehepp und der Henker aus ihrer Kammer – sua, sua! – 's ist doch ein verfluchter Kerl, der Schreiner!«

»Daß sich Gott im hohen Himmel erbarm!« jammerte unterdeß Hasenherle und schlotterte an allen Gliedmaßen. »Ich weiß nicht, was Ihr nur wollt, bin so unschuldig wie die Engel im Himmel, kein arger Gedanke ist an mir zu finden – warum fahrt Ihr mich so lästerlich an? Und aus der Kammer soll ich? Schulz, fürchtet Ihr Euch nicht 127 der Sünde, mich alten, gebrechlichen Menschen mitten im Winter auf den Boden zu weisen? Das halt ich nicht aus, das ist mein Untergang!«

»Was da – mir bleib mit Deinen Faxen vom Hals, Dich kenn ich in- und auswendig,« schrie der Schulz zornig. »Heut noch räumst Du die Kammer, damit punktum; Und halt Dich von den Weiberleuten fern, ich rath' Dir Gutes! – Du, Henker, hast Acht auf Deine Geschwister, so lang Deine Mutter ihre Strafe verbüßt, und Ihr, Fräle, übernehmt die Kinder der Schwarzen, die sind das Betteln auch gewohnt, d'rum könnt Ihr sie auf Euren Gängen mitnehmen – so ist Euch und der Gemeind und den Kindern geholfen!«

»Halt, Schulz!« rief Lorenz. »Ich hab mir vorgenommen, nichts mehr in Euren Kram zu reden, nachdem ich in der Hauptsach meinen Willen durchgesetzt – aber dazu kann ich nicht stillschweigen, es handelt sich um Kinder! Schulz, das könnt Ihr nicht und dürft Ihr nicht, das hieße die Kinder mit Absicht zu Grunde richten. Vom Betteln ganz abgesehen: Das Fräle ist alt und gebrechlich, kann sich selber nimmer helfen – und die soll noch zwei kleine Kinder versorgen? Nein, Schulz, daraus wird nichts, das gebe ich nicht zu!«

»Millionentausend Donner, willst Du mich meistern?« brüllte der Schulz ganz außer sich. »Wer ist der Herr im Dorf, Du oder ich? – Und nun erst recht bleibts bei meinen Worten. Punktum! Ist Dir's nicht recht, nimm Du doch die Kinder, Du Großmaul!«

»Das thu' ich auch!« rief Lorenz dem Schulzen und 128 Kirchbauer nach. »Habe ich in diesen acht Tagen die Würmer versorgt und bin nicht verhungert, werden sich auch weiter Mittel und Wege finden. Uebrigens verhandeln wir darüber noch einmal an einem andern Ort!«

»Daß Dich der Hund beißt – das geht ja zu, wie in Polen!« sagte der Grundmüller. »Der Schulz wirthschaftet ja, 's ist ein Graus! – Lorenz, vor Euch hab ich Respekt, Ihr seid ein richtiger Mann. Sagt Eurer Margelies, sie sollt' sich in der Mühle Mehl holen – allein sollen Euch die Kinder nicht zur Last fallen! – Wahrhaftig, der Schulz kann's vor Gott nicht verantworten, wie er mit der Armuth umspringt. – Hansnikel, Ihr sollt auch ein Viertel Brodmehl haben für den Aerger, den Ihr meinetwegen ausgestanden. Glaubt mir, es war nicht mein Wille, daß Ihr so gekränkt worden seid! – – Ihr wollt Märmelsteine schlagen, Lorenz? – Das ist ein sauer Brod! Wißt Ihr was? – Kommt in die Mühle, Handwerkszeug ist da, und bis zum Frühjahr habe ich reichlich Arbeit für Euch. Ist's recht? – Abgemacht! fangt nur gleich uebermorgen an!« Lorenz war sprachlos, er konnte dem Müller nur dankend die Hand drücken.

 


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