Heinrich Schaumberger
Im Hirtenhaus
Heinrich Schaumberger

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

4. Im Gemeinderath.

Lorenz ging still hinaus; die schrillen Klänge des Gemeindeglöckchens, oft vom Wind hinweggerissen, dann plötzlich wieder in die Gasse niedergeworfen, gellten ihm schneidend in die Seele. »Mein Armensünderglöckchen!« knirschte er; fast kam es über ihn wie eine Lust, einzustimmen in das Heulen des Sturmes. Vielleicht vor seinen finstern Blicken erschreckend, flohen die Kinder, die sich mit ihren Rennschlitten des ersten Schnee's erfreuten, scheu zwischen die Häuser und Scheunen. Lorenz deutete dies anders; seine Fäuste ballten sich, grimmig zischte er zwischen den Zähnen: »Bin ich schon ein Kinderspott? Ha ha! Hab ich nicht meiner Marie versprochen, ich wollt ihr Ruh' verschaffen, und kann ich mich selber des Spottes erwehren? Und warum bin ich so ausgestoßen, so verachtet? Was habe ich verbrochen?« Er sann nicht weiter; die halb theilnehmenden halb neugierigen Blicke der Drescher, die die Köpfe aus den Scheunenthoren steckten, die Gesichter, die da und dort an die Fenster fuhren, verwirrten seine Gedanken, vor den Augen flimmerte ihm, und sein Gang war ein unsicheres Tappen. War er denn noch der Schreinerslorenz, oder ist er über Nacht wirklich ein Lump, ein Hallunke geworden? – Im dunkeln Hausflur beim Türkenhenner, der vor wenig Jahren zum dritten Mal, und damit auf Lebenszeit, zum 27 Schultheiß erwählt worden war, mußte er still stehen und Athem schöpfen, wie ein Alp lag es ihm auf der Brust. Da hörte er in der Stube den Kirchbauern sagen: »Bin neugierig, was der Lorenz vorgiebt; aber laßt Euch nicht breitschlagen. Das Gesindel nimmt im Dorf immer mehr überhand und wird täglich dreister – heut zeigen wir, was ihnen bevorsteht, sind sie uns Gemeindeherren nicht zu Willen. Zum Teufel auch, wir sind Meister, wir sind die Gemeinde, und was wir wollen, muß den Lumpen recht sein. So – endlich hab ich die Schreinersgesellschaft, wo ich sie lang hingewünscht! Und euch trifft's so gut als mich; endlich zahlen wir der Schreinersart heim, was der Johann damals beim Verstrich vom Schneiderhäusle an uns ausgeübt. Wir zeigen's, wie wir uns überlästige Brut und Ungeziefer aus dem Pelz schaffen!« Lautes Lachen folgte diesen Worten – wohl schnitt es Lorenz durch die Seele, aber es gab ihm Ruhe und Besonnenheit zurück. Heftig klinkte er die Thür auf und trat ein.

Das Lachen des Türkenhenner, Kirchbauern, Beckenphilpert und Ottensmärt verstummte plötzlich; der Bergjörg schien etwas sagen zu wollen, ließ es aber ebenfalls sein. Eine sichtbare Verlegenheit war über den Gemeindeausschuß gekommen, wie um das zu verbergen, rauchten die Männer heftig. Endlich brach der Schulz das peinliche Schweigen, schwätzte ein Langes und Breites: Lorz werde ja wissen, warum er vorgeladen sei. Es thue ihnen Leid, daß es so weit mit ihm gekommen, aber zu ändern sei da nun mal nichts. »Und willigst Du ein, in das Hirtenhaus zu ziehen?« schloß er endlich.

28 »Das ist auch eine Frage!« entgegnete Lorenz bitter. »Wißt Ihr doch gut genug, daß mir nichts Anderes übrig bleibt, wenn Niemand ein Einsehen hat mit meiner Noth.«

»Holla, da habt Ihr die Unverschämtheit der Armuth!« fuhr der Kirchbauer auf. »Das ist unser Dank, wenn wir den Lumpen unter die Arme greifen und ihnen mit unserm Eigenthum auf die Strümpfe helfen. Das Donnerwetter schlag auch 'nein! 's thut fast Noth, man bittet die Hungerleider noch, daß sie die Gutthat nur annehmen!«

»Ja, 's ist ein Elend,« kollerte der Beckenphilpert. »Und tagtäglich wächst die Armuthei, das Gesindel frißt einem fast die Haar' vom Kopf, Herr seiner Sachen ist man schon lang nimmer. Hat man sich das Jahr über geschunden und geplagt und ein paar Batzen erübrigt, muß man sie dem Gesindel in's Maul schieben und darf nur noch Gott danken, wenn's nicht an den Stock geht. Dabei wird das Volk stets widerhaariger und protziger, geberdet sich, als dürften wir Gott danken, daß sie uns Bauern nur noch im Dorf leiden. Ich bin ein alter Mann, aber solche Zeiten habe ich noch nicht erlebt; sterb ich nicht bald, will ich sehen, wo das hinaus soll!«

Der Türkenhenner hatte schon öfter giftig ausgespuckt, jetzt fiel er dem Beckenphilpert in die Rede: »Das Wort habt Ihr mir aus dem Maul genommen! Aber man weiß ja, wo das herrische Wesen der Geringen herkommt. Recht und Gerechtigkeit ist lange schon nirgends mehr zu finden. Die Herren von der Regierung selber stützen das Bettelvolk 29 und setzen ihm mit ihrem mitleidigen Wesen einen Floh in's Ohr, daß es nun wirklich meint, es geschäh' ihm tagtäglich grausam Unrecht von den Reichen, und es dürft nur verlangen, so müßten ihm die Bauern aufwarten. Ja, wenn's zum Steuerzahlen kommt, da ist der Bauer recht und gut, da wird er nicht geschont, von Jahr zu Jahr werden ihm ärgere Lasten auferlegt, 's ist schier nicht mehr zu erleiden. Wenn er aber Hülfe braucht, regt sich kein Finger für ihn; der Bauer ist nun einmal der Staatsesel und wird's bleiben, so lang die Welt besteht. 's ist sündlich, wie uns von oben her mitgespielt wird – sollen wir uns auch noch von unten ausbeuteln lassen und nicht einmal mucken? Potz Christoph von Nordheim! da wollen wir doch auch noch ein Wort dreinreden, wenn's aus unserm Beutel geht. Wer muß die Kleinen, die Handwerksleute, Kühbäuerle und Taglöhner ernähren? – wir! ganz allein die Bauern! Die Felder wimmeln den lieben langen Sommer von dem Pack; von unsern Feldern und Wiesen erhalten sie jahraus jahrein ihre Kühe, Ziegen, Hühner und Gänse und wenn sie sich noch begnügten mit dem, was ihnen erlaubt ist – aber das reicht ja nicht, drum geht's an's Mausen! Mir schießt allemal die Galle in's Blut, wenn ich beim Mähen und Schneiden auf die leeren Mausnester stoße! hat man darnach das Volk den Sommer hindurchgefüttert, so wird im Winter erst recht das Haus nicht leer von ihnen; es thät fast noth, man stände vom Tisch auf und machte ihnen Platz, bei jedem Schritt ist man in Gefahr, ein paar hungrige Kinder zu ertreten. Und was ist das End' vom Lied? Mögen die faulen Racker nimmer 30 arbeiten, stellen sie sich krank und elend, winseln dem Pfarrer die Ohren voll, bis er ihnen ein Berichtle an's Amt aufsetzt, nachher halten sie die Ohren steif, denn da heißt's: Gemeind' versorg' mich, 's Amt hat's befohlen!«

»Das ist ja, um die Kränk zu kriegen!« zankte der Ottensmärt, um doch auch etwas vorzubringen. »Aber so ist's, auf's Haar so, und so machen sie's! 's ist kein erlogen Wort dabei!«

»Ha, was ist das, was soll das bedeuten? Bin ich in die Gemeindestube gefordert, Euch auf die Armuth schimpfen und lästern zu hören?« fiel ihm Lorenz in's Wort, der noch immer an der Thür stand und vor Zorn an allen Gliedern zitterte.

»Schweig Du!« begehrte der Schulz auf. »Du antwortest, wenn Du gefragt bist!«

»Oha, Schulz!« entgegnete Lorenz und trat an den Tisch. »So laß ich mir nicht kommen! Wenn gleich arm, bin ich ein Mann so gut wie ihr und keinem Menschen unterthänig! – Nichts da, vor der Obrigkeit hab ich allen Respekt, aber ein Unrecht erleid ich nicht. Warum lästert Ihr vor mir die Armuth? Kann ich dafür, daß es geringe Leute gibt, daß sie wohl da und dort den Reichen zur Last fallen? Soll ich's verantworten, wenn sie krumme Wege gehen? – Oder habt Ihr auf den Sack geschlagen und den Esel gemeint – zielen Eure Reden auf mich? – – Mag's nun sein so oder so, in's Gesicht erwidere ich Euch: Ihr habt schändlich gelogen! – Ja lärmt nur, Kirchbauer, schändliche Lügen sind's! Von mir rede ich nicht; Ihr seid mir viel zu gering, als daß ich mich 31 vor Euch verantworte, aber sonst muß ich doch ein Wort dreingeben! – Wahr ist's, die Armen sind keine Engel, aber sind die Reichen pure Tugendmuster? Hört man Euch, meint man, die geringen Leute machten Euch arm! Nennt mir doch ein Beispiel, wo das wirklich geschehen ist! Pfui Teufel! Ist das löblich, die Leute lästern, die ihr doch nicht entbehren könnt, und ohne die Euer Herrenleben bald ein trauriges Ende hätte? Und sündlich ist, daß Ihr alles in einen Sack werft! Gibt's keinen Unterschied unter den Armen? sind die kleinen Leute durch die Bank Bettler, Lumpen, Tagdiebe und Hallunken?«

»Ho ho!« schrie der Kirchbauer. »Nimm nur das Maul recht voll! 's ist herrlich, daß sich einer wie Du zum Anwalt der Geringen aufwirft – einen besseren Beisteher hätten wir uns nicht wünschen können. – Du! – ja Du! – Du darfst was sagen! Bekräftigst Du nicht selber alle unsere Reden? War nicht die ganze Gaisenschneidersippschaft von jeher keine drei Batzen werth? Darfst nur an Deinen Vater denken, ich mein, dann verging Dir der Uebermuth! Hat uns der liederliche Schneider nicht doppelt und dreifältige Last aufgehalst, dran wir schier ersticken?«

»Kirchbauer, Ihr seid bei Gott noch schlechter, als wofür ich Euch bis heute angesehen!« rief Lorenz, dessen Augen glühten. »Habt Ihr denn wirklich das Herz, in der Gemeindestube, vor diesen Männern daran zu rühren?« – Lorenz athmete keuchend, seine Hände öffneten und schlossen sich. »Kniet Ihr mir auf's Leder, für was soll ich Euch schonen? Und so sag ich: mein Vater mag gewesen sein, was er will, ein Kirchbauer war er wenigstens nicht!«

32 »Was? – was soll das heißen?« fuhr der Kirchbauer auf, es war gut, daß der breite Tisch ihn von Lorenz trennte. »Wer – was bin ich? – Ihr da, Zeugen seid Ihr, dem Hallunken will ich zeigen, mit wem er's zu thun hat!«

»Den Hallunken gebe ich Euch in's Gesicht zurück. – Wagt's nur und kommt an mich! Ihr wollt über die Armuth lärmen, als bringe sie Euch ums Vermögen? – Und woher kommt denn Euer Vermögen? Antwortet ehrlich und wahrhaftig! – – Eure Blicke erschrecken mich nicht, über mich habt Ihr keine Macht! Frei öffentlich vor diesen Männern sag ich: Ihr seid ein Blutsauger und armer Leute Verderber! Uns brachtet Ihr um Haus und Hof, die Uhlstedter um Hab und Gut, und mit dem Uhrmacherle spielt Ihr auch schon wie die Katze mit der Maus! Und Ihr wollt lärmen, die Armuthei nähm' über Hand? Ihr wollt lamentiren, es gäb keine Gerechtigkeit mehr in der Welt? O über euch Heuchler und Pharisäer! Was wolltet Ihr denn anfangen, wohin verkröcht ihr Euch, wäre noch Gerechtigkeit zu finden? Ich sag's noch einmal: die Armuthei im Dorf ist Euer Werk; fallen ihr geringe Leute zur Last, bei Euch muß sich die Gemeinde bedanken, denn Ihr bringt die Armen in's Elend!

»Und Du meinst, das laß ich mir gefallen, das steck' ich so ruhig ein?« brüllte der Kirchbauer. Aber Lorenz sagte gelassen: »Könnt's damit halten, wie's Euch beliebt, aber nehmt Euch in Acht! Was ich gesagt, ich vertret's! – Wer weiß, vielleicht bricht Euch das Gaisenschneiderhäusle doch noch den Hals! Verklagen wollt Ihr? – Mir Recht! 33 Aber denkt dran, daß ihr vorhin selber sagtet: endlich hab' ich die Schreinersgesellschaft, wo ich sie lang hingewünscht!«

Der Kirchbauer wollte hinter dem Tisch hervor auf Lorenz los, aber der Bergjörg warf ihn ziemlich unsanft in die Ecke zurück. »Sitzen bleibt Ihr!« rief er und seine Augen blitzten. »Ist das ein Gemeindevorstand. Fürwahr, man muß sich schämen, dem Ausschuß anzugehören! Nur still jetzt! Was der Lorenz sagt, ist die blanke Wahrheit, ich unterschreib' jedes Wort – auch im Amt, verlaßt Euch drauf. Ueberhaupt, Schulz und Kirchbauer, die Zeit, wo Ihr allein Herr im Dorfe wart, ist vorbei; die Gemeinde soll nicht länger das Mäntele für Eure Streiche sein; was Ihr thun wollt, verantwortet's und tragt auch die Folgen. Und weil wir grad dabei sind: wie steht's eigentlich mit den Gemeinderechnungen und der Rechnung über den Brückenbau vor vier Jahren? – Macht Ordnung, Ihr zwei, und das bald, oder ich zünd Euch mit Euren alten Spähnen ein Feuer an, daß Ihr vor Angst nicht zu bleiben wißt!«

Der Kirchbauer verblaßte sich, der Schulz ließ den Kopf hängen, und ehe der Ottensmärt nur recht zur Besinnung kam, was das eigentlich bedeutete, hatte der Beckerphilpert schon seine Pudelkappe von den Ofenstangen über dem Ofen genommen und sagte unter der Thür: »Daß Ihr's wißt, ich war zum letzten Mal im Gemeindevorstand! 's ist keine Zucht und Scham mehr unter den Leuten! Die Armen sind Herr über die Bauern, und junge Lecker fahren den Alten über's Maul – daß sich Gott erbarm! Ich tret' aus dem Ausschuß, mag mit der Gemeind nichts mehr zu schaffen haben, Adjes!«

34 »Philpert, Ihr waret von jeher ein Fuchs,« rief ihm der Bergjörg lachend nach. »Aber diesmal lob' ich Euch, daß Ihr Euren Pelz in Sicherheit bringt, eh' der letzte Nothgang abgegraben ist!«

»Und ich mach es grad so!« rief der Schulz und fuhr entrüstet auf. »Der Teufel mag heutigen Tages Schulz sein – ich leg mein Amt nieder!«

»Das möget Ihr halten wir Ihr wollt; ein Unglück für's Dorf ist es nicht, gebt Ihr das Schulzenamt auf!« lachte der unverbesserliche Bergbauer. »Aber jetzt seid Ihr eben noch Schulz, drum thut, was Eures Amtes ist. – Wie wird's mit dem Lorenz?«

»Wie wird's werden? – In's Hirtenhaus muß er, damit Punktum!«

»Das ist leicht gesagt, aber damit ist nichts geordnet.«

»Will er was wissen, kann er selber reden, hat er doch ein Maul, wie ein Advokatenschreiber!«

»So macht Euer Anbringens, Lorenz,« wendete sich der Bergbauer freundlich an diesen. Redet, wenn Ihr was auf dem Herzen habt!«

»Ich habe daran gedacht, ich wollte den Ausschuß bitten, daß er beim Märt ein gutes Wort für mich einlegte, aber wie die Sachen stehen, laß ich's sein. Ich zieh' in's Hirtenhaus! – Auch mein ganzes Hab und Gut bleibt dem Märt, nur unsre Kleider, Wäsche, die Ziege und das allernothwendigste Hausgeräthe nehm' ich mit!

»Oha!« schrie der Kirchbauer! darum handelt sich's eben! Nichts bleibt Euch, gar nichts! Nur was Ihr auf den Leibern tragt, schenken wir Euch!

35 »Märt – seit wann stehst Du unter Vormundschaft? schämst Du Dich nicht, Dir so übers Maul fahren zu lassen? wendete sich der Bauer an den verblüfft Dreinstarrenden. »Aber ich sehe schon, das ist wieder eine abgekartete Geschichte. Oha, Kirchbauer, was der Lorenz genannt hat, bleibt ihm, dafür stehe ich ein! Die Schande laß ich mir nicht anthun, daß es weit und breit heißt: der Bergheimer Gemeindevorstand steckt seine Armen nackt und bloß in's Hirtenhaus!«

»Deiner Reden lach' ich!« knirschte der Kirchbauer. »Warum ist er ein Narr und verpfändet Alles, was er hat?«

»Und wenn zehnmal verpfändet – was er nicht entbehren kann, bleibt ihm! Wer was dagegen sagt, hat's mit mir, dem Bergbauer, zu thun! Ist Jammers genug, daß Ihr dem Mann sein Handwerkszeug nehmt; ich an Lorenzens Stelle wollte Euch anders aufgeigen!

»Das sieht man, was Du für einer bist!« zischte der Schulz und spuckte heftig. »Bist Du so vernarrt in den Lorenz, hilf ihm doch selber. 's ist eine Kleinigkeit, handelt sich ja blos um zweihundert Gulden!«

»Könnt ich, wär's lang geschehen, dem Lorenz vertrau' ich mehr an, als Euch zusammen! Aber Lorenz, redet doch, habt Ihr gar nichts mehr auf dem Herzen?«

»Ja ja doch! In der Schule haben heut' die Kinder – besonders natürlich der Kirchbauernsepp! – mein Mariele arg geplagt und gequält mit Schimpfreden und Schlägen. Ich verlang', daß das abgestellt wird. Geschieht noch einmal dergleichen, geh ich weiter!«

»So ist's recht, Lorenz, bleibt dabei!« rief der 36 Bergbauer. »Herr mein Gott, mit unserm Dorf ist's weit kommen! Aber das muß ein End' haben, heut' noch red' ich darüber mit dem Pfarrer und Schullehrer, verlaßt Euch drauf! – Euer Sepp, Kirchbauer, soll mir überhaupt aus dem Weg gehen, sagt's ihm; läuft er mir in die Hände, kriegt er eine Tracht aus dem Salz – er soll meine Tauben in Ruhe lassen!«

»Riskirt's und vergreift Euch an ihm!«

»Das riskir' ich auch, verlaßt Euch drauf!«

»Aber wie wird's weiter?« fiel Lorenz ungeduldig ein. »Ist für uns im Hirtenhaus Platz geschafft?«

»Meinst, Dir wird extra ein Herrenstüble hergerichtet?« höhnte der Schulz. »Oha! – Sieh zu, wie Du zurechtkommst.«

»Ich mache keine unbilligen Forderungen, ich und meine Margelies wollen uns einrichten, wie's geht; aber einen Platz zum Schlafen für uns allein, der muß geschafft werden, davon geh' ich nicht ab!«

»Ist nichts, das Haus ist voll!«

»So schafft Raum; darin geb ich nicht nach!«

»Recht so, Lorenz, und es geht auch, das Hirtenhaus ist geräumig!«

»So macht's doch, macht's doch!« knirschte der Schulz »Schafft selber Platz, wenn Ihr so überklug seid!«

»Das ist Eure Sache!« war die gleichmüthige Entgegnung. »Kommt Lorenz, bei denen ist jedes gute Wort verloren. Rüstet Euch zum Einzug; ist bis zum Abend nicht ein verschließbarer Raum für Euch bereit, kommt zu mir, ich mache dann dem Schulzen Beine.«

37 Noch immer heulte der Sturm durch die Gassen und zerzauste Lorenzens Haar. Er selber merkte nichts von Wind und Kälte, in ihm brannte ein heißer Schmerz. Vor seiner Thür rang er die Hände und stöhnte: »So ist's entschieden! Gott, mein Gott, kein Ausweg, nirgends Hülfe! – In's Hirtenhaus – heute noch in's Hirtenhaus!«

 


 << zurück weiter >>