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Schlußwort.

Sechs Jahre sind vergangen. Die Szene bildet der Garten eines Landhauses bei L. Es ist ein herrlicher Augustmorgen. Ich sitze in einer Laube, in deren unmittelbarer Nähe der Mühlbach vorüberrauscht und lese die eingegangenen Zeitungen und Briefe. Schritte vom Hause her lassen mich aufblicken. Meine Frau kommt den Sandweg herunter; nicht weit ab von mir bleibt sie aber stehen, und ich höre sie sagen:

»Na warten Sie, Forward, alter Freund, Sie wollen es schon am ersten Morgen ihres Besuchs mit mir gründlich verderben? Schon seit einer Stunde quälen Sie sich mit dem Jungen ab, um seinen Dreimaster schwimmen zu lassen, und unterstützen auf diese Weise seine unglückselige Neigung für den Seemannsstand. Habe ich nicht schon genug mit meinem Mann zu kämpfen, der so inkonsequent und schwach war, ihm das Schiff zum Geburtstag zu schenken? Sie sollten doch lieber helfen, die Gedanken des Jungen von allem, was Wasser und See heißt, abzulenken. Aber was sagen Sie, weiß er nicht gut auf seinem Schiff Bescheid?«

»Aha,« dachte ich und lachte, »da haben wir die eitle Mutter.«

»Ja, wahrhaftig,« fuhr sie fort, »der Bengel kennt jedes Segel und jede Spiere bei Namen. Und wie er sich wieder zugerichtet hat! Er denkt, glaube ich wirklich, das gehört zum Handwerk. Daran ist aber nur der Vater schuld, mit all seinen Geschichten und seiner Erziehung. Kommt der Junge naß wie eine Padde nach Hause und sagt: ›Papa, heut gab's aber eine tüchtige Bö mit Sturzseen‹ dann lacht der und fragt noch obendrein, ob sich die ›Mary‹ (so hat er nämlich das Schiff getauft), auch dabei brav gehalten hätte. Ja, so ist der schlechte Mann; nun kommen Sie aber zu ihm, dort sitzt er ja, und sehen Sie, er lacht schon wieder.«

Der Angeredete konnte sich bei diesen Worten auch eines herzlichen Lachens nicht enthalten, entgegnete aber: »Wenn Sie gestatten, möchte ich zuvor dem Steward einen kurzen Besuch machen.«

»Ganz wie Sie wollen, Sie finden ihn aber nicht mehr in seinem früheren Heim, dem Wirtshaus des Dorfes. Obgleich seine Frau sich zu einer ziemlich tüchtigen Gastwirtin herangebildet hatte, ordentlich und sauber war und auch ganz erträglich kochte, so fand sie doch bei ihrem Mann zu wenig Unterstützung. In einem Dorfwirtshaus kommt gar mancherlei vor, und der Wirt muß es verstehen, Roheiten gegenüber seine Autorität zur Geltung zu bringen. Der arme Steward wurde aber bei solchen Vorfällen ängstlich und verwirrt, und schlechte Menschen beuteten seine Schwäche sehr bald zu ihrem Vorteil aus. Als dann das Unglück wollte, daß gelegentlich eines Festes einmal eine tüchtige Schlägerei entstand und dabei vor seinen Augen ein Mann ziemlich schwer verwundet wurde, da war er mehrere Tage so verstört, daß wir fürchteten, er würde ganz in seinen früheren Zustand verfallen. Unter diesen Umständen beschlossen wir, ihm einen andern Erwerb zu verschaffen. Es bot sich Gelegenheit, ein kleines Schnittwarengeschäft im Dorf zu kaufen. Die Frau, eine frühere Näherin, versteht sich auf den Geschäftszweig ganz besonders, und auch ihm bekam die ruhige Tätigkeit sehr gut. Ich denke, die beiden Leutchen fühlen sich jetzt ganz glücklich.«

»Das will ich wohl glauben, denn wem brächten Sie nicht Glück! Hätte ich mir je träumen lassen, daß ich noch einmal Kapitän werden würde!«

»Ja, wer hätte aber auch gedacht, daß ein Mann Ihres Alters die Energie haben würde, sich noch einmal hinter die Bücher und auf die Schulbank zu setzen. Wie schwer muß Ihnen der Entschluß geworden sein, wie glänzend haben Sie ihn aber durchgeführt!«

»Ach, so etwas Ungeheures war das wohl nicht, bei meiner Begeisterung für meinen Beruf, und da sich mir die Aussicht eröffnete, sofort nach bestandenem Examen den Befehl über eines Ihrer Schiffe zu erhalten. Das war ein kräftiger Antrieb; abgesehen davon, konnte ich mich aber auch mit aller Bequemlichkeit meinen Studien hingeben, da Ihre Güte für alles sorgte.«

»Nun fangen Sie nur nicht wieder an zu rechnen, Forward, Sie wissen, wie mein Mann und ich darüber denken, wir drei haben uns eben ausgefunden, nicht wahr?« sagte sie, lächelnd ihm die Hand reichend, und dann fügte sie schnell hinzu: »Jetzt machen Sie sich aber von dem Jungen los, der zerrt und zupft ja schon die ganze Zeit an Ihnen herum, als wollte er Ihnen den Rock vom Leibe reißen.«

»Ja, der Onkel soll endlich kommen, ich will ihn ins Dorf begleiten,« rief der Bengel ungeduldig.

»Ach was, der Onkel will dich gar nicht haben, dränge dich nicht so auf, das ist sehr unartig,« schalt meine Frau.

»O bitte, gnädige Frau, lassen Sie meinen kleinen Maat meinen Führer sein.«

»Nun, so lauf ins Haus und lasse dich erst manierlich machen.«

»Hallo, Maat!« rief der Kapitän dem stürmisch Davoneilenden nach, »Segel kürzen! Nimm mich mit, nimm den alten Huker ins Schlepptau!«

Und hell aufjubelnd kam der Wildfang zurückgesprungen, nahm die Hand seines Freundes und zog ihn dem Hause zu.

Heiter und glückselig lächelnd sah meine Frau den beiden nach, dann kam sie zu mir.

»Der gute Forward,« sagte sie, »ich habe ihn so lieb, aber für den Jungen ist er höchst gefährlich. Ich begreife nicht, wie er nach all den entsetzlichen Erlebnissen noch immer eine solche Leidenschaft für die See haben kann. So ein eingefleischter Seemann ist doch ein ganz besonderer Mensch. Ich kann nur mit Schauder an den ›Grosvenor‹ zurückdenken.«

»Nur mit Schauder, mein wackerer, lieber, kleiner Steuermann?« fragte ich neckend.

»Nein, richtig, auch noch mit etwas anderem,« erwiderte sie, mich zärtlich anblickend und gab mir einen herzhaften Kuß, »auf ihm haben wir einander ja ›ausgefunden‹!«


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