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Vierundzwanzigstes Kapitel.
An die Pumpen.

Der Sturm wütete den ganzen Tag mit gleicher Heftigkeit, und der Himmel bewahrte sein drohendes Aussehen. Als ich indessen um vier Uhr nachmittags auf den Barometer sah, bemerkte ich, daß er stieg. Wenn damit auch eine Veränderung des Wetters bevorstand, so war meine Freude darüber noch nicht groß, denn man wußte ja nicht, was geschehen würde. Der Sturm konnte herumgehen und von einer andern Seite kommen. Trat dieser Fall ein, d. h. traf uns die neue See alsdann querüber, oder gerade der jetzigen entgegengesetzt, so wurden wir vollständig überrollt und dem Spiel der Wellen preisgegeben. Das aber war so ziemlich der sichere Untergang.

Kurz nach acht Uhr nahm der Wind endlich ab, und zu meinem großen Entzücken klärte sich der Himmel in der Richtung auf, aus welcher der Sturm kam, so daß Aussicht war, daß die See sich beruhigte, ehe der Wind nach einer andern Seite schwenkte, wenn das überhaupt geschah.

Als Cornish nach wohlverdienter Ruhe wieder auf Deck kam und plötzlich bemerkte, daß der Sturm nachgelassen hatte, und die Sterne glitzerten, starrte er wie bezaubert gen Himmel, kam dann zu mir, ergriff meine Hand und preßte sie in der seinen.

Ich erwiderte diese stumme Beglückwünschung ebenso herzlich, und dann gingen wir zusammen zu Forward, um auch ihm die Hände zu schütteln. Mit dankbaren Gefühlen blickten wir alle zu den Sternen auf, die uns ein Zeichen waren, daß Gottes Gnade uns nicht verderben lassen würde.

Ich empfand das sehnlichste Bedürfnis, auch Miß Robertson die strahlenden Vorboten einer Wendung zum Bessern sehen zu lassen und eilte nach unten, um sie auf Deck zu holen.

Sie war wieder bei ihrem Vater; im stillen Gebet kniete sie an seiner Leiche. Ich wartete, bis sie sich erhob, teilte ihr die günstige Veränderung in unserer Lage mit und bat sie, mir auf Deck zu folgen. Sie kam sogleich, und nachdem sie sich umgesehen hatte, rief sie bewegt, mit von Tränen erstickter Stimme: »Gott sei gepriesen, er hat unser Gebet erhört!« Ich nahm ihre Hand, versenkte meinen Blick tief in ihre Augen und sagte mit vor Rührung zitternder Stimme:

»Ja, um Ihretwillen, Sie sind unser Schutzengel, er kann Sie nicht verderben lassen.«

»Nein, nein,« wehrte sie ab, »sagen Sie so etwas nicht; ich bin nicht besser als Sie, nicht besser, als der brave Hochbootsmann und Cornish, dessen Reue dem edelsten Herzen Ehre machen würde. O, wenn mein guter Vater mir nur erhalten geblieben wäre!«

Sie wandte ihre feuchten Augen wieder den Sternen zu und sah so sinnend zu ihnen auf als ob sie eine Vision hätte.

Um sie nicht in ihren stillen Betrachtungen zu stören, schlich ich mich leise weg, begab mich zum Steward und befahl ihm, uns wenn möglich recht heißen Kaffee zu kochen. Trotzdem wir uns in warmen Breiten befanden, froren wir doch alle, denn infolge seiner Stärke war der Wind recht kalt. Leider blieb uns aber dieses Labsal vorläufig noch versagt, da Wind und Sturzseen den Steward kein Feuer zustande bringen ließen. Auf seinem Wege zur Küche war er so durchweicht worden, daß er aussah, als wäre er eben mit einem Schiffshaken aus dem Wasser gezogen worden. Es war sehr betrübend, daß er uns melden mußte, seine Bemühungen wären vergeblich gewesen; es blieb nichts übrig, als sich zu gedulden.

Um etwas zu tun, steckte ich mir eine Blendlaterne an und ging wieder die Pumpen peilen. Als ich die Peilstange heraufzog, fand ich zu meiner Bestürzung, daß neun Zoll Wasser im Schiff waren. Diese Entdeckung erschreckte mich so, daß ich einige Augenblicke wie versteinert dastand, dann aber fiel mir ein, daß eins der Bohrlöcher lecken möchte, und ohne den andern ein Wort zu sagen, holte ich mir eine große Kopfkeule und machte mich auf den Weg nach dem Kielraum.

Ich war, seitdem die Mannschaft das Schiff verlassen hatte, nicht mehr in dem Logis derselben gewesen und kann den Eindruck nicht beschreiben, den die dunkle, verödete Wohnstätte mit ihrer Reihe leerer, schaukelnder Hängematten, welche das Licht der Blendlaterne beschien, auf mich machte: Da standen die schmutzigen Seekisten der Matrosen, dort baumelten die dunklen Ölanzüge wie Erhängte an ihren Haken und dazu hallte der Anprall der Wogen gegen die Schiffsseiten, und das Rauschen des Wassers, welches über mir das Vorderdeck überflutete, dröhnend in dem unheimlichen Raum wider.

Es war schauerlich da unten und mir grauste, wenn ich daran dachte, daß von all den Menschen, die hier gehaust hatten, nur noch einer am Leben war, denn vier hatten wir selbst getötet und die andern waren ohne Zweifel gleich nach Beginn des Sturmes mit dem Langboot auf den Grund gegangen.

Ich schritt in gebückter Haltung sehr langsam vorwärts und gelangte endlich in den Kielraum. Hier kam ich bald zu dem Verschlage, hinter welchem der Hochbootsmann versteckt gelegen hatte, während Stevens die Löcher bohrte.

Als ich den Schein der Laterne über den Boden streifen ließ, fand ich nach kurzem Suchen die vorstehenden Besenstielenden und sah die Pflöcke vollkommen dicht verschlossen, da keine Spur von Feuchtigkeit um sie herum sichtbar war.

Es mag sonderbar erscheinen, daß diese Entdeckung mich erschreckte und beängstigte, aber es war doch so.

Ich wäre ganz beruhigt gewesen, hätte ich durch eins der Löcher das Wasser einströmen sehen, dann wäre mir die Ursache der Wasservermehrung im Kielraum bekannt gewesen, und einige Schläge mit der Kopfkeule hätten das Übel rasch wieder beseitigt.

Nun aber mußte der Zufluß des Wassers anderswo gesucht werden. War es möglich, daß die Befürchtung, die jedesmal in mir aufgestiegen war, wenn das Schiff einen seiner schrecklichen Kopfsprünge in die Tiefe machte, eingetroffen war? Hatte sich eine Planke an der äußeren Schiffsbekleidung gelöst oder war an irgend einer unauffindbaren Stelle ein Nagel herausgesprungen?

Tief niedergeschlagen und voller Sorgen stieg ich wieder auf Deck, und als ich Cornish traf, der ruhig dasaß und seine Pfeife rauchte, gab ich ihm den Befehl, den Hochbootsmann am Rade abzulösen und zu mir zu schicken, da ich ihm etwas Wichtiges mitzuteilen hätte.

Als Forward nach wenigen Minuten kam, sagte ich ohne alle Umschweife zu ihm:

»Ich habe neun Zoll Wasser im Kielraum gefunden.«

»Wie viel Zoll fanden Sie das letztemal?«

»Zwischen fünf und sechs Zoll.«

»Die Sache ließe sich wohl erklären,« sagte er.

»Sie werden entschuldigen, Sir, aber 's ist nicht leicht zu peilen, wenn ein Schiff stark schlingert.«

»Das mag sein,« entgegnete er, »aber angenommen, man läßt die Peilstange fallen, wenn das Schiff auf der Seite liegt, wo ist dann das Wasser? Natürlich auf der geneigten Seite, und die Stange kommt beinahe trocken herauf.«

»Ich habe aber gewartet, bis das Schiff auf gleichem Kiel war.«

»Nun, Ihr Wort in Ehren, Sir, aber schaden kann es nicht, wenn ich noch einmal messe.«

»Da bin ich ganz Ihrer Meinung, und ich wünsche das sogar, um Gewißheit zu erhalten; ich werde mich herzlich freuen, wenn Sie weniger finden als ich.«

Um dem Leser, der mit solchen Einzelheiten nicht bekannt ist, klar zu machen, wie man das im Kielraum eines Schiffes vorhandene Wasser mißt, will ich hier einschalten, daß bei jedem größeren Schiff, neben den Pumpen, von dem oberen Deck aus, eine Röhre bis auf den Boden des Schiffes oder doch wenigstens bis auf wenige Zoll von demselben führt. Das im Schiffsraum befindliche Wasser steigt in die Röhre natürlich ebenso hoch, wie im Kielraum, und zur Messung der Tiefe desselben dient eine Eisenstange, Peilstange genannt, auf welcher sich eine Einteilung nach Fuß und Zoll befindet. An der Stange ist ein Strick befestigt; mittelst desselben läßt man sie in die Röhre hinabgleiten. Wieder heraufgezogen erkennt man die Tiefe des Wassers an der Höhe, bis zu welcher die Stange sich naß zeigt. Das Hinablassen der Stange und ihre Behandlung während der Prozedur ist aber ein Ding, welches große Aufmerksamkeit erfordert und durch Übung gelernt sein will. Es ist keine kleine Kunst, richtig zu peilen. Tut man es, wenn das Schiff auf der Seite liegt, so wird man niemals die wahre Tiefe des Wassers finden. Ein richtiges Resultat ist nur zu erlangen, wenn das Schiff gleichgerade auf seinem Kiel steht, und die Stange vor dem Herablassen in die Röhre, völlig trocken ist.

Dies alles beobachtete Forward, als er jetzt ans Messen ging, auf das peinlichste. Ich leuchtete ihm mit der Laterne und er trocknete die Stange erst sorgfältig an seinem Rock, ehe er sie in die Röhre hineinsteckte. Er ließ sie alsdann vorsichtig ein Stück in derselben hinabgleiten, hielt sie in dieser Höhe, bis das Schiff während des Schlingerns einen Augenblick auf gleichen Kiel zu stehen kam und benutzte diesen Augenblick, sie schnell fallen zu lassen und ebenso schnell wieder herauf zu ziehen.

An das Licht der Laterne gehalten, zeigte sie einen Bruchteil über neun Zoll Wasser.

»So ist es jedenfalls richtig,« sagte er, die Stange niedersetzend.

»Also eine Zunahme von drei Zoll, seit dem Nachmittag,« rief ich.

»Das stimmt, ist aber immerhin noch kein Umstand, über den wir besonders zu erschrecken brauchen. Vielleicht bedarf einer von meinen Pflöcken ein bißchen Nachklopfens.«

»Nein, die sind so dicht, wie ein neuer Kessel, ich habe sie eben untersucht.«

»Nun gut, dann ist alles, was wir zu tun haben, das Schiff auszupumpen. Das wird uns zeigen, ob etwas nicht richtig ist.«

Diesen Vorschlag hatte auch ich machen wollen. Ich rief deshalb den Steward, doch dauerte es so lange, bis er antwortete, daß ich die Geduld verlor und nach seiner Kammer lief; da lag er und tat, als ob er schliefe. Mit einem Ruck riß ich ihn von seinem Lager und beförderte ihn so schnell hinauf, daß er sich auf Deck befand, ehe er noch fragen konnte, was es gäbe.

»Ich werde dir lehren, du Lump,« schrie ich ihn ganz außer Atem an, »nicht zu hören, wenn ich dich rufe; unterstehst du dich das noch ein einziges Mal, dann setze ich dich ohne Gnade in dem lecken Boot aus, du kennst es ja. Glaubst du, daß wir Lust haben, dich faulenzen zu lassen, während wir uns tot arbeiten. Wenn dir dein Leben lieb ist, dann kämpfe auch ehrlich dafür, wie wir es tun, oder wir werden nicht lange mit dir fackeln. Einen unnützen Brotesser können wir hier nicht gebrauchen. Und nun scher dich an die Pumpe und pumpe, daß dir der Schweiß rinnt, das rate ich dir!«

Als ich in dieser Weise meinen Zorn entladen hatte, gingen wir alle drei ans Werk.

Im Verhältnis zu der schweren Arbeit, die wir schon verrichtet hatten, war das Pumpen eine Kleinigkeit, doch wurde es auf die Länge sehr ermüdend; ab und zu ruhten wir ein Weilchen, dann ging es aber standhaft und beharrlich weiter, bis endlich die Pumpen sogen und kein Wasser mehr kam, worauf Forward und ich ein herzhaftes ›Hurra‹ erschallen ließen.

»Nun Sir,« sagte Forward, als wir in die Kajüte traten, um uns nach der schweren Anstrengung mit einem Schluck Brandy und Wasser zu stärken, »wissen wir, daß das Schiff trocken ist; wenn die Pumpe um halbelf wieder gepeilt wird, es ist jetzt halbzehn, so wird noch Zeit genug sein, herauszufinden, ob etwas undicht geworden ist.«

Eben trat Miß Robertson wieder aus der Koje, wo ihr Vater lag; trotz meiner öfteren Bitte, sie möchte nicht immer zu der Leiche gehen, brachte sie doch die meiste Zeit bei derselben zu. Sie kam langsam näher und fragte, warum wir gepumpt hätten.

»Ei,« antwortete Forward sogleich, »Wasser muß aus jedem Schiff gepumpt werden, das ist nicht anders. Einige tun es am Morgen, andere am Abend. Es gibt auch Schiffe, wie z. B. Kohlenschiffe, die müssen den ganzen Tag gepumpt werden, und der ›Adler‹, das erste Schiff, auf dem ich zur See ging, war nicht das einzige, welches ich kenne, das Tag und Nacht gepumpt werden mußte.«

»Ich fürchtete,« sagte sie, »als ich das Gerassel der Pumpen hörte, es dränge Wasser ins Schiff.« Hierbei sah sie mich so fragend an, als ob sie glaubte, daß das auch der Fall wäre, und ich es nur nicht sagte, um sie nicht zu erschrecken.

Ich hatte jetzt gelernt, die Sprache ihrer Augen zu verstehen und beantwortete ihre Gedanken, als ob sie sie in Worten ausgedrückt hätte.

»Ich würde es Ihnen sagen, wenn uns von dieser Seite Gefahr drohte,« erwiderte ich rasch, »es war allerdings mehr Wasser im Schiff, als ich erwartet hatte.«

»Wie steht es nun mit den Wachen, Sir?« erkundigte sich Forward.

»Nun, ich denke, wir fangen damit von neuem an, wenn es Ihnen recht ist,« erwiderte ich. »Ich werde das Rad nehmen; Sie können mich dann ablösen.«

»Warum wollen Sie nicht auch mich für die Wache am Rade mit einrechnen?« fragte Miß Robertson.

Forward lachte.

»Ich habe Ihnen doch bewiesen, daß ich steuern kann.«

»Na, das will ich meinen, und wie!« rief Forward.

»Wenn Sie das sagen, so lassen Sie mich doch meine Arbeit auch tun. Sie alle drei hätten doch dadurch wenigstens etwas mehr Ruhe.«

Ich lächelte und schüttelte den Kopf, Forward aber sprach statt meiner:

»Wenn Ihre Arme so stark wie Ihr Herz wären, Miß, so gäbe es keinen Grund, warum Sie nicht mit uns abwechseln sollten.«

»Das verstehe ich nicht; damals machte es mir gar keine Schwierigkeit, das Rad zu regieren.«

»Ja, damals, da war keine schwere See, heute aber würden Sie über Bord geschleudert werden. Hören Sie doch, wie es stößt. Sie könnten ebensogut versuchen, ein Rennpferd in vollem Laufe aufzuhalten, indem Sie es am Schwanze packen. Nein, nein, das ist jetzt nichts für Sie. Potz Klüver und Kombüse, wenn wir Sie auf solche Weise verlören, dann wäre für uns alles aus, das kann ich Ihnen sagen. Und nun, seien Sie ein artiges Kind, gehen Sie zu Bett und versuchen einmal, alle schrecklichen Aufregungen wenigstens auf ein paar Stunden in einem gesunden Schlaf zu vergessen. Eine Dame wie Sie so vom Sturme umhergestoßen zu sehen, ist mir unter all den Dingen, die mir nicht gefallen, das verhaßteste. Mr. Royle,« fuhr er wie elektrisiert in seinem Redestrom fort, »wenn ich eine junge, schöne Tochter hätte und es käme so ein Herzog oder Baron mit tausend Pfund im Jahr, wenn das nicht zu viel gesagt ist, und wollte sie heiraten, sie aber in ferne Lande weit übers Wasser führen, so soll mich der Henker holen, wenn ich meine Einwilligung gäbe! Kein Fleisch und Blut von mir soll je seinen Fuß an Bord eines Schiffes setzen, ohne erst einen Kampf mit mir zu bestehen. Aber verstehen Sie mich nicht falsch, ich spreche nur von Töchtern. Frauen und Mädchen gehören nicht aufs Wasser, das ist einmal meine Meinung. Die See ist kaum ein angenehmer Platz für Männer wie wir beide, Mr. Royle, die aus Liebhaberei und Seemannstick ganze vollgetakelte Schiffe und andere schöne Sinnbilder in Schießpulver und schwarzer Tusche auf den Armen tragen, die abgehärtet und ausgewittert sind gegen alle Plackereien und sich nicht fürchten vor ihren Tücken. Aber, wie gesagt, wenn junge Frauenzimmer sich auf den Ozean begeben, mag's sein unter welchem Namen es will, als Passagiere, Kapitänsfrauen, weibliche Stewards oder Auswanderinnen, so bleibe ich dabei, das ist nicht in der Ordnung, und wenn ich einer wäre, der bei der Gesetzgebung mitzusprechen hätte, so wollte ich eine solche Strafe darauf setzen, daß der Mann, der seine Frau, Tochter, Tante, Base, Großmutter, Nichte oder sonst irgend welche Verwandte im Unterrock mit auf See nimmt, sich lieber hängen ließe, ehe er das Passagegeld für sie bezahlte.«

Dieser plötzliche, furchtbare Ausbruch von Beredsamkeit, der noch obendrein von schrecklichen Grimassen und heftigem Geberdenspiel begleitet war, imponierte mir so, daß ich nicht umhin konnte, dem Redner noch ein Glas Brandy mit Wasser zu mischen. Die Kehle mußte ihm auch ganz trocken geworden sein, denn er leerte das Glas auf einen Zug, allerdings, wie ich noch hinzufügen muß, auf Miß Robertsons und mein Wohl, mit dem Wunsche sehr langen Lebens und großen Glücks.

Sie hatte der langen Rede still und erstaunt zugehört, aber ich sah es ihren Augen an, daß sie nicht viel Eindruck auf sie gemacht hatte, und gewiß würde sie mit ihrer Bitte gleich wieder zum Vorschein kommen, sobald sie mich nur allein hätte.

Darauf sollte sie auch nicht lange warten, denn Forward sagte jetzt:

»Sie wollen also Cornish ablösen, Sir, und ich soll mich schlafen legen. War's nicht so?«

»Gewiß.«

»Nun, dann wünsche ich gute Nacht.«

Er wandte sich seiner Koje zu, ich rief ihm aber nach:

»Vergessen Sie nicht, daß um Halbelf die Pumpe gepeilt werden muß; da ich am Rade bin, müssen Sie es tun. Ich werde Sie durch den Steward wecken lassen.«

»Gut, gut,« erwiderte er, wartete noch einen Augenblick, ob ich noch mehr zu sagen hätte, verschwand dann und war jedenfalls nach zwei Minuten schon fest eingeschlafen.

Miß Robertson stand währenddem mit verschlungenen Händen sinnend vor sich hinblickend am Tisch.

Ich war im Begriff, sie zu bitten, sich in ihre Kajüte zurückzuziehen und wenigstens den Versuch zu machen, Schlaf zu finden, als sie sagte:

»Mr. Royle, ich sehe, wie müde und erschöpft Sie sind, und doch wollen Sie noch zwei Stunden ans Rad.«

»Ach, was hat denn das für mich zu sagen, ein Seemann muß seinen Schlaf zu bekämpfen wissen.«

»Aber ich könnte Sie doch wirklich vertreten.«

»Nein – –«

»Lassen Sie den Steward in der Nähe der Treppe bleiben,« unterbrach sie mich, »so daß ich ihn rufen kann, wenn ich Sie brauche.«

»Denken Sie, ich könnte Ruhe finden, wenn ich Sie allein auf Deck weiß?«

»Ach, ich sehe jetzt, Sie schlagen mir meine Bitte ab, weil Sie mir nicht trauen.«

»Das kann Ihr Ernst nicht sein; Sie müssen wissen, daß ich lediglich Ihr Wohl im Auge habe, indem ich Ihrer Bitte nicht nachgebe. Ich würde bei der See wirklich keine ruhige Minute haben vor Angst, es könnte Ihnen etwas passieren. Der einzige Wunsch meines Lebens ist, daß Sie durch meine Hilfe wieder in Ihre Heimat zurückgelangen. Nur die Hoffnung, diesen Wunsch erfüllt zu sehen, verlieh mir bisher Kraft und Mut zu allem, was ich tat und hielt mich aufrecht unter allen Gefahren. Stieße Ihnen etwas zu, dann hätte auch mein Leben keinen Wert mehr. Ich bitte Sie, schonen Sie sich, damit ich mit den Elementen weiterringen kann, auch für mein Leben.«

Ich fühlte, wie mir das Blut ins Gesicht stieg; ich war erschrocken über meine Worte; sie waren mir in einer plötzlichen Aufwallung entschlüpft, und ich wußte nicht, sollte ich mich darüber freuen oder nicht.

Sie sah mit ihren sanften, schönen Augen zu mir auf, wandte dann aber schnell den Blick von mir ab, nach der Tür, hinter welcher ihr Vater lag. Ein Ausdruck unbeschreiblichen Grams legte sich auf ihre Züge, und sie tat einen langen, tiefen Atemzug, der beinahe wie Schluchzen klang. Da ergriff ich ihre Hand und geleitete sie ohne jedes weitere Wort nach ihrer Kajüte.

Als sie verschwunden war, schalt ich mich einen Toren. Wie durfte ich es wagen, mich jetzt der tiefen Liebe hinzugeben, die mich für sie erfüllte! Dazu war doch die Zeit wahrhaftig nicht angetan. Alle meine Gedanken durften nur der Not des Augenblicks gehören, mein einziges Sinnen mußte sein, mit Gottes Hilfe alle Gefahren glücklich zu überwinden.

Mit aller Gewalt verbannte ich ihr Bild. Ich rief den Steward, der diesmal auch in Windeseile herbeikam und befahl ihm, sich meines Rufes gewärtig, an der Kajütentreppe hinzulegen. Dann begab ich mich ans Rad und schickte Cornish schlafen.


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