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Zweites Buch.

Erstes Kapitel: Überblick.
Der Kampf um Silistria.

Das Schlußspiel an der Donau sollte das zitternde Europa auf die Schreckenstragödie in der Krim vorbereiten ... Silistria war das blutige Morgenrot der Tage von Sebastopol!

Wir haben die Übergänge der Russen über die untere Donau nach der Dobrudscha und das Andringen der einzelnen Korps gegen Silistria unseren Lesern bereits gezeichnet. Einen kurzen Aufenthalt gewährten die für die Türken nicht bloß glücklichen, sondern selbst glorreichen Gefechte von Kastelli, Küstendsche und Tschernawoda, das letztere am 25. April; aber wie groß auch die Verluste und Opfer der Russen bei ihrer Besetzung der Dobrudscha waren, der fast allmächtige Wille, der dies Volk beherrscht und als bloße Masse für seine Zwecke verwendet, fragte nicht nach den Opfern, und die Massen drängten, den Tod in den eigenen Reihen, vorwärts bis zum Trajanswall ... Die Anstrengungen und die Preise, die die Besetzung der Dobrudscha forderte, waren kolossal. Ein ungeheurer Train Kibitken und schwerer Lastwagen mußte den Truppen in dies wilde, nur von flüchtigen Tataren und Kosaken, den Adlern, den Trappen, den Wildgänsen und Schwänen bewohnte Land folgen, auf dessen 200 Quadratmeilen kaum 20 000 Einwohner kommen, dem, trotz der Sümpfe und Moräste, das belebende Element des Wassers fast ganz zu fehlen scheint. So weit das Auge reicht, sieht man nirgends einen Baum oder Strauch; die stark gewölbten Hügelrücken sind mit hohem, von der Sonne gelbgebranntem Grase bedeckt, das der Steppenwind in Wellen schlägt; weite Strecken reitet man über die einförmige Wüste, bevor man ein elendes Dorf ohne Gärten, ohne Bäume, in einem wasserlosen Tal entdeckt. Der Mensch hat den Menschen aus jenen unwirtbaren Gegenden verscheucht, und sie sind dem Reich der Tiere anheimgefallen.

In ungeheuren Zügen kam und ging dieser Train, immer neue Vorratsmassen an Menschen, Pferden, Waffen und Lebensmittel bringend und Tausende von Maroden und Verwundeten und ungezähltes Material in ruiniertem Zustande zurückschleppend. Auf den Befehl des Feldmarschalls rückte zu Anfang Mai das Korps des Generals Lüders, am 6. Rassowa nach hartem Kampfe nehmend, aus der Dobrudscha gegen Silistria vor. Am 12., 13., 14. und 15. Mai kam es zu heftigen Gefechten, und die Generale Engelhardt und Grotenhjelm, die Avantgarde des Korps bildend, drängten die Türken in die Festung zurück und schlossen diese von der Ostseite ein. Die Operationen jenseits der Donau gegen Silistria hatten bereits am 5. April begonnen; General-Leutnant Chruleff, der tapfere Führer der fliegenden Korps in Polen und Ungarn, leitete die Belagerungsarbeiten. Nachdem sich die Russen der drei Donauinseln Olbina, Tarbaneki und Rakiuski bemächtigt hatten, eröffnete der General am 22. aus den auf dem linken Ufer und den Inseln errichteten Brustwehr-Batterien mit 70 Kanonen ein heftiges Feuer gegen die Donaufront der Festung. Da aber ihre Kanonen den hier etwa 1000 Schritt breiten Fluß beherrschten, konnte der beabsichtigte Übergang nicht stattfinden, bis die bereits oben erwähnte Operation des Lüdersschen Korps von der Dobrudscha her vollständig erfolgt war. Ein langandauerndes heftiges Regenwetter hatte sie verzögert. Am 14. Mai erst stand die russische Avantgarde in Kütschik-Kainardscha, auf der Straße nach Basardschik und Varna, die Festung von dieser Verbindung abschneidend und die Türken in ihre östlichen vorgeschobenen Werke zurückdrängend.

Am 15. Mai unternahmen Fürst Paskiewitsch und Fürst Gortschakoff eine persönliche Rekognoszierung am linken Ufer, und der letztere erteilte nach der Rückkehr nach Kalarasch alsbald den Befehl, eine Brücke über den Strom zu schlagen.

Unter einem heftigen Bombardement der Stadt vom linken Ufer her vollzog General Chruleff den Auftrag, und zum ersten Male hatte hier Ingenieur-Kapitän Totleben Gelegenheit, durch die zweckmäßige Anlage der Brücke unterhalb der Stadt, zwischen dieser und dem Dorfe Ostrow und außer dem Bereich der türkischen Batterien, sich auszuzeichnen. Am 18. Mai war die Brücke vollendet. Sie bestand aus zwei Abteilungen für Kavallerie und Infanterie, mit einer Überfuhr für Geschütze. Noch am selben Tage ging Fürst Paskiewitsch über die Donau mit zwanzig Infanterie-Bataillonen, drei Kompagnien Sappeure, zwei Ulanen-Regimentern von der 4. leichten Kavallerie-Division, drei Sotnien donischer Kosaken, 6 Batterien Fuß- und 2 reitender Artillerie, im ganzen 88 Geschütze mit dem Belagerungs-Train. Das Korps des Generals Lüders auf der Südostseite der Stadt zählte 35 Infanterie-Bataillone, das lithauische Ulanen-Regiment »Erzherzog Albrecht« und das volhynische »Großfürst Konstantin«, 2 Kosaken-Regimenter und 104 Geschütze.

Sofort begannen die Russen die Trassierung der Belagerungslinie von der Landseite und das Aufwerfen der Trancheen. Zugleich sollten nach dem Plan des Feldmarschalls 30 000 Mann bei Oltenitza auf einer dort geschlagenen Brücke nach Tuturkai übersetzen und gegen Rasprad vorrücken, somit die Verbindung Silistrias mit dem 10 Meilen entfernten Schumla, dem Hauptquartier des Sirdars, unterbrechend. Diese Operation mißglückte, denn der Übergang wurde von den Türken glücklich gehindert und die Brücke gesprengt. Ungefähr 60 000 Mann zernierten demnach jetzt Silistria auf drei Seiten, und nur die Verbindung im Südwesten und Westen der Stadt, nach Schumla und Rustschuk, war noch frei. Bereits bei dem Übergang am 16. Mai hatte der Feldmarschall einen Parlamentär an Mussa-Pascha, den Kommandanten Silistrias, geschickt, ihn zur Übergabe aufzufordern. Die Türken wiesen dieselbe zurück und am 19. Mai begann von der Landseite aus die Beschießung der Festung aus den zwischen den Weinbergen gegen die östlichen Vorwerke vorlaufenden Trancheen. In der Nacht zum 22. Mai wurde die zweite Linie derselben eröffnet, und General Schilder sprengte mit Glück von der Donauseite eine gegen die Müftiereh-Bastion gerichtete Mine, obschon das Fort selbst wenig Schaden nahm.

Noch einmal wurden jetzt Unterhandlungen eröffnet, und Mussa-Pascha, um Zeit zu gewinnen, verlangte eine Frist bis zum 26. Mai, die jedoch nur bis zum 24. bewilligt wurde. An diesem Tage stürmten die Russen die östlichen Werke, wurden jedoch mit bedeutendem Verlust zurückgeworfen. Seitdem dauerte die heftige Kanonade ununterbrochen fort.

Wir müssen Silistria selbst und den Verteidigunganstalten der türkischen Festung noch eine kurze Beschreibung widmen. Silistria bildet die Spitze eines fast gleichschenkligen Dreiecks, dessen Basis die Linie Schumla-Varna vorstellt, und dessen Ostseite Front gegen die Dobrudscha und die Straße über Basartschik nach Varna macht, wie die Westseite gegen Rustschuk und die von da an die Balkan-Pässe ziehenden Wege. Die Wichtigkeit der Position wurde in allen früheren Kriegen anerkannt. Im Jahre 1809 wurde die Festung vergeblich belagert, 1810 aber nach nur fünftägigem Widerstand von General Langeron erstürmt. Damals wurde Silistria von den Russen geschleift, später aber von den Türken wieder aufgebaut und bedeutend vergrößert. Im Feldzug von 1828 fesselte es die Russen vier Monate vor seinen Mauern, ohne daß sie es zu erobern vermochten, und auch nachdem Varna gefallen, bildete es ein wichtiges Hindernis, und der Feldzug des Jahres 29 mußte mit einer Belagerung des an und für sich nicht starken Platzes begonnen werden, die auch damals General Schilder leitete und die 43 Tage dauerte.

So wichtig die Lage Silistrias in strategischer Beziehung, so ungünstig ist sie es in fortifikatorischer, indem die Südseite durch das 200 Fuß hohe Balkanplateau beherrscht wird, das bis auf 1500 Schritt an den Hauptwall herantritt und dem Belagerer zur terrassenförmigen Aufstellung seiner Geschütze Gelegenheit gibt. Die drei östlichen und zwei westlichen Fronten werden von dieser Höhe aus bestrichen, und da, wie bereits erwähnt, das Donaubett nur 1000 Schritte breit ist, kann auch die Wasserfront von dem gegenüberliegenden Ufer beschossen werden. Die Stadt selbst bildet einen Halbkreis von etwa 2000 Schritt Länge in Form eines Zehnecks, jede der Fronten ist 550 Schritt lang, und zwar befinden sich vier Bastionen auf der Donauseite, drei auf der östlichen, zwei auf der westlichen. Das östliche Tor ist von den Außenwerken Tschengell- und Limân-Labiassi gedeckt. Zur Sicherung der beiden Tore auf der Landfront nach Schumla und Basardschik wurde bei Beginn des Krieges die bisher sehr unvollständige, aus unbedeutendem Erdwerk bestehende Verteidigung durch Anlegung eines festen Forts auf der Höhe Oskardscha zwischen beiden Straßen vermehrt, das zugleich die Gefahr der Beherrschung vom Plateau aus paralysieren sollte. Unter Leitung eines früheren preußischen Offiziers, des Artillerie-Kapitäns Grach, wurde diese durch dreifaches Mauerwerk aus Felsengestein hergestellte Nebenfestung, die den Namen Abdul-Medjid erhielt, binnen acht Monaten hergestellt, indem man Tag und Nacht daran arbeitete. Durch zwei Türme – Arab Tabia und Yanina – flankiert und mit 60 Kanonen bewaffnet, bildete das Fort jetzt mit dem festen Stadtschloß die Hauptverteidigung der Festung, nach welcher der Besatzung die Rückzugslinie vom Fort durch eine Reihe von Batterien gedeckt war, von deren letzter ein unterirdischer Gang zur Festung führte ... Am 25. Mai endlich erhielt General-Leutnant Pawloff, der, wie erwähnt, von Oltenitza aus bisher vergeblich den Übergang versucht hatte, die Nachricht, daß die Türken sich von Tuturkai zurückgezogen, und bewirkte am 26. seinen Übergang, so daß nunmehr auch die Verbindung mit Rustschuk abgeschnitten werden konnte.

*

Es war am Mittag des 28. Mai – eines Sonntags – als die Geschütze der russischen Batterien, die während des ganzen Morgens gespielt und einen wahren Hagel von Bomben und Vollkugeln auf die Werke der Ostseite und bis in die Stadt hinein geschleudert hatten, eine kurze Pause machten. Von dem Badabagh-Tor her, vor dem die hart bedrängten, vorgeschobenen Forts Tschengell-Labiassi und Limân-Labiassi liegen, kam in eifrigem Gespräch eine Gruppe von Offizieren, von denen mehrere auch ihrer Kleidung nach Europäer waren. Der eine von ihnen trug die Uniform der Zuaven, jenes berühmten Korps, das in diesem Augenblick auf den blauen Wellen des mittelländischen Meeres seine Überfahrt nach Gallipoli und Varna vollendete, – eine hohe prächtige Gestalt von soldatisch kühnem, ernsten Gesicht; zwei andere waren offenbar Engländer, der eine in der Uniform eines Kapitäns der schottischen Garde, der andere in Zivil.

»Hussein-Aga,« sagte der ältere Türke zu seinem Begleiter, »schwört beim Propheten, daß er die Schanzen gegen den nächsten Sturm der Moskows zu halten vermag. Sage mir deine Meinung, Jüs-Baschi.« – »Ich vermag dir nur zu wiederholen, Mehemed-Bey, was ich bereits dem Pascha berichtet und was mir diese Herren bestätigen. Der Aga kann die Forts nicht länger als einen Tag noch halten. Die Trancheen des Generals Schilder sind uns bis auf halbe Büchsenschußweite nahe.« – »Wir werden sie heute oder morgen mit Allahs Hilfe zerstören.« – »Ich zweifle nicht an unserm Siege, Bey, aber er kann uns nichts nützen. Unsere Hilfe muß von Schumla oder Rustschuk her kommen.« – »Wallah!« sagte ärgerlich der alte Türke, »du weißt, o Brennibor Brandenburger, Preuße., was uns gestern dieser Hund von Jude gemeldet hat. Die Russen sind bei Tuturkai über die Donau gegangen. Was tun wir mit diesen Franken, wenn sie müßig stehen in Varna und Gallipoli? Ich spucke auf ihre Hilfe und bin selbst ein Mann.«

Der Kapitän lachte ... »Laß solche Worte die Herren an unserer Seite nicht hören, Bey, und bedenke, daß gerade die Franken, meine Landsleute, diese Wälle und Forts gebaut haben, mit deren Hilfe wir jetzt den Russen widerstehen, zu deinem eigenen Ruhme, der du doch Genie-Direktor von Silistria bist, während du recht wohl weißt, daß du kein Dreieck von einem Quadrat zu unterscheiden verstehst.« – »Wissen Sie, Herr Kamerad,« fragte der französische Offizier in seiner Sprache, »was die Botschaft des Paschas bedeuten soll?« –»Einen Ausfall, hoffe ich; es ist unbedingt nötig, daß wir uns Luft auf dieser Seite verschaffen. Ich wünschte, wir hätten dazu einige Kompagnien Ihrer Zuaven hier, von deren Tollkühnheit wir so viel gehört haben.« – »Sie werden zur Stelle sein, wenn es gilt und der Kaiser befiehlt, Herr Kapitän. – Da ist der Pascha.«

Die vier Offiziere näherten sich dem Kreise, der sich auf dem Platze an der »Moschee der Barmherzigkeit« um Mussa-Pascha, den tapferen Kommandanten von Silistria, gebildet hatte. Er bestand aus fast allen oberen Offizieren der Besatzung, die in diesem Augenblick der Dienst nicht auf den Wällen gefesselt hielt, und schien mit einer Art von Kriegsrat beschäftigt. Neben dem Pascha standen der uns bereits bekannte Kapitän Depuis, Muglis-Bey, der Anführer der Redifs, und Kiriki-Pascha, der Führer der Baschi-Bozuks ... Der französische Offizier, der soeben von den Schanzen hinzukam, nahm offenbar eine geachtete Stellung ein, denn man machte ihm und seinen Begleitern sogleich Platz. Der Pascha hielt eine Depesche in der Hand, ihm zur Seite stand ein türkischer Knabe von klugem, verschmitztem Aussehen, dessen Lebhaftigkeit jedoch durch den Anschein von Gleichgültigkeit unterdrückt wurde.

» Monsieur le Colonel,« sagte der Kommandant höflich zu dem Franzosen, »ich habe Sie bei der Unterbrechung des Feuers hierher bitten lassen, weil mir vor einer Stunde eine Depesche von Schumla überbracht worden ist, welche auch ein Schreiben für Sie enthält und die unsere ernste Erwägung fordert. Ihre Nachrichten stimmen wahrscheinlich mit den meinen überein?« – Der Zuaven-Colonel – Vikomte de Méricourt – hatte seine Depesche geöffnet: »Man trägt mir auf, dahin zu wirken, daß die Garnison sich so lange wie möglich hält. Eine kombinierte Bewegung zum Entsatz der Festung ist vor Mitte des nächsten Monats nicht möglich, da Ihre Truppen zum Teil an der Aluta engagiert sind und Rustschuk selbst noch fortwährenden Angriffen ausgesetzt ist. Für jene Zeit wird jedoch eine Diversion zugesagt.« – »Ich muß noch eher Beistand haben, wenigstens eine Verstärkung der Besatzung und eine Zufuhr von Proviant,« sagte mißmutig der Pascha. »Sie kennen die unglücklichen Verhältnisse und daß unsere Vorräte in Cadassia lagern.« – »Es war eine Torheit ohnegleichen,« warf Kapitän Depuis ein. – »Was soll ich sagen, – es ist nun einmal so, und wir haben kaum noch für 20 Tage Lebensmittel in der Stadt. Man meldet mir, daß die vorgeschobenen Werke am Babadagh-Kapussi nicht länger gehalten werden können, trotz der alles vernichtenden Tapferkeit unseres Agas. Mein Genie-Direktor, Mehemed-Bey, ist jedoch anderer Meinung.« – »Dein Genie-Direktor, Pascha,« sagte brüsk der englische Offizier, »ist ein Esel! Die Meinung des Kapitän Grach hier ist vollständig die unsere. Die Werke sind kaum 24 Stunden mehr zu halten.«

Der alte Bey schaute höchst gleichmütig zu der Artigkeit des Engländers drein und strich sich den Bart. Die Türken begannen bereits dieser Art der Behandlung seitens ihrer Verbündeten gewohnt zu werden. – »Inshallah, wie Gott will! Mein Freund Mehemed kann sich irren, und der Himmel hat euch Franken ein scharfes Auge in solchen Dingen gegeben. Was ratet ihr mir zu tun?« – »Ich habe bereits über den Fall mit den kommandierenden Offizieren der Forts gesprochen,« sagte der Colonel, »und unserer aller Meinung ist, daß durch einen kräftigen Ausfall in dieser Nacht die Arbeiten der Russen gestört werden könnten und Hussein-Aga Zeit erhält, morgen die vorgeschobenen Schanzen ohne Verlust zu räumen und unbrauchbar zu machen. Der Herr Kapitän hat so vortreffliche Werke in der Nähe des Tores vorbereitet, daß der Besitz der beiden Forts den Feinden nur wenig helfen wird.« – »Ich fürchte nicht die Beschießung oder die Sturmangriffe,« sagte Kapitän Grach – der türkische Artillerie-Offizier – »sondern die Minen des Generals Schilder; es ist seine Lieblingswaffe.« – »Darum müssen wir ihn möglichst fern halten. In unverhofften Ausfällen liegt die Gelegenheit, seine Arbeiten zu stören. Ich stimme für einen solchen in dieser Nacht.«

Der wilde Kiriki – dem die französische Sprache der Beratung fremd war – erriet aus den Umständen, um was es sich handle, und schaute mit dem Ausdruck eines Bullenbeißers auf den Kommandanten ... »Mashallah – es sei, wie Ihr sagt, ich habe auch daran gedacht. Wir wollen einen Ausfall machen diese Nacht auf die Flanke des Feindes an der Donau. Hussein-Aga soll ihn leiten und Kiriki mit seinen Bozuks und einer Tabor des Nizams ihn ausführen. Werdet Ihr teil daran nehmen, Effendis?« – »Meine Befehle beschränken mich auf die Stadt,« entgegnete der Kolonel. – »Ich werde Hussein-Aga begleiten,« bemerkte der englische Offizier. – »Auf dein Haupt komme es! – ich bin nicht verantwortlich für dich. Ich werde meine Orders erteilen. Dennoch muß ich Nachricht senden an den Sirdar – unsere Lage ist schlimm.« – »Der kleine Halunke, der die Depeschen hereingeschmuggelt,« bemerkte Kapitän Depuis, »kann sie wahrscheinlich auch wieder herausbringen. Wo ist der Bursche?« –

Alles sah sich nach dem zerlumpten Jungen um, der beim Beginn der Unterredung hinter dem Pascha gestanden, doch vergeblich, denn der Bursche hatte die Gelegenheit benutzt, sich zu entfernen, bis der türkische Offizier, der ihn von den Außenposten zum Kommandierenden geführt, berichtete, der Knabe habe ihm gesagt, daß er früher im Dienste des Frankenarztes gestanden, der kürzlich von Widdin nach Schumla gekommen sei, und daß er zu diesem seinem Herrn zurückkehren wolle ... »Das ist Doktor Welland, der Oberarzt des Hospitals und mein Freund,« meinte Kapitän Grach. »Ich bin im Begriff, ihn zu besuchen, und werde mich nach dem Boten erkundigen.« – »Können Sie mir sagen, Sir,« fragte der englische Offizier, »ob dies derselbe Doktor Welland ist, ein geborener Preuße, der vor zwei Jahren sich in Paris aufhielt?« – »Ganz derselbe, Sir. Ich lernte ihn in den dreißiger Jahren kennen, als ich bei der Garde-Artillerie in Berlin stand, und traf ihn zu meiner Freude unerwartet hier in Silistria und in unserm Dienst wieder.« – »Er kam im vorigen Sommer von Paris.« – »Dann erlauben Sie mir, Sir, daß ich Sie begleite, ich habe seine Bekanntschaft in Paris gemacht und es wird mir Vergnügen bereiten, sie zu erneuern. Begleiten Sie uns, Maubridge?«

Der Baronet, denn dieser war der Brite in Zivil, verneigte sich nachlässig, und die kleine Gesellschaft nahm, als die Dienstgeschäfte beendet waren und die Offiziere sich nach allen Seiten zerstreuten, um die Vorbereitungen des Sturmes zu treffen, ihren Weg nach dem großen Khan, worin ein Lazarett für die Verwundeten eingerichtet worden war und Doktor Welland eine kleine Wohnung angewiesen erhalten hatte. In der dürftigen Behausung des Arztes, die am Eingang des schlechten Khans gelegen war, saßen in eifrigem, stillem Gespräch drei Personen zusammen: der Knabe Mauro – denn der kleine listige Teufel war es, der nach seiner Rückkehr aus dem Epirus durch den Einfluß der in Varna und Schumla wirkenden Hetäristen zum Überbringer der Depeschen an Mussa-Pascha benutzt worden, – Nursah und sein Bruder Jussuf, der Tatar der unglücklichen Mariam, den Welland, von der Kugel des korsischen Banditen verwundet, in den Fischerhütten an der Bai von Kumburgas getroffen und dort bis zu seiner Genesung zurückgelassen hatte. Bei der Ankunft in Widdin hatte er ihn in Silistria wiedergetroffen, wohin der Mohr, sobald er seine Kräfte wiedergewonnen, den Weg genommen, da die Festung der Ort war, wohin die erste Bestimmung des Arztes lautete, und wohin er den Genesenen bestellt hatte.

Der Leser wird sich erinnern, daß der Knabe Mauro den beiden Geschwistern oder wenigstens Nursah von ihrer gemeinschaftlichen Flucht aus Konstantinopel bekannt war, und es schien ein geheimes Band vorhanden, das die Leute, die sich hier wiederfanden, miteinander vertraut machte. Der junge Spion hatte bei seinem Erscheinen in der Wohnung des Arztes diesem einen Brief seines Freundes Gregor Caraiskakis aus Varna gebracht, in welchem er ihm, von seiner Versetzung nach Silistria benachrichtigt, die Neuigkeiten des Tages schrieb und daß er einstweilen noch in Varna, das durch das Eintreffen der westmächtlichen Truppen zum großen Heerlager geworden war, von seinen Interessen und Geschäften zurückgehalten werde. Um sichere Kunde von dem Freunde zu erhalten, habe er den Knaben Mauro einem befreundeten türkischen Oberoffizier zum Boten angetragen. Doktor Welland, ohne auf diesen Zusammenhang viel zu achten, freute sich der Ankunft des Knaben, weil er durch ihn Nachricht von dem Freunde erhielt, hatte jedoch erst wenige Augenblicke seinen Erzählungen widmen können. So bemerkte er nicht, wie der junge Spion, nachdem er mit den Geschwistern allein war, noch einen zweiten, sorgfältig in seinen Lumpen verborgenen Brief hervorsuchte und ihn an Nursah gab, der – obschon das Schreiben gleichfalls an seinen Herrn adressiert war, dasselbe öffnete und mit großer Aufmerksamkeit las, worauf die drei alsbald jene eifrige Beratung begannen ... Durch den Eintritt der beiden Kapitäns und des Baronets hierbei gestört, rief Nursah seinen Herrn aus dem Lazarett herbei.

»Sie werden Arbeit bekommen heute, Doktor, mehr als gewöhnlich,« sagte, ihm die Hand schüttelnd, der Artillerie-Kapitän, »und ich komme, Sie davon zu benachrichtigen und mir Ihre Anwesenheit in den Forts am Babadagh-Tore zu erbitten. Wir machen diese Nacht einen Ausfall auf die Russen, und bei so blutiger Arbeit mag man wohl wünschen, die geschickte Hand eines Freundes in der Nähe zu haben. Zugleich will ich einen Kameraden bei Ihnen einführen, der bereits das Vergnügen hat, Sie zu kennen, Kapitän Morton.« – »Hoffentlich erinnern Sie sich meiner aus Paris, Doktor. Ich habe nie die Hilfe vergessen, die Sie mir in dem Duell mit dem französischen Spitzbuben leisteten, der mich am Roulette plünderte.« – »Mein teurer Sir,« sagte der Arzt erfreut, ihm herzlich beide Hände drückend, »seien Sie mir bestens willkommen, wenn ich Sie im eigenen Interesse auch weit weg von diesem Ort wünschen möchte. Es scheint, als sei der heutige Tag dazu bestimmt, Nachricht von alten lieben Freunden zu erhalten.« – »Erlauben Sie mir, Ihnen einen der Meinen vorzustellen,« sagte der britische Offizier mit einer Bewegung nach seinem Gefährten. »Sir Edward Maubridge, Baronet, schon länger im Orient als wir.«

Der Arzt, der bisher den Fremden nicht beobachtet hatte, wandte sich bei diesen Worten nach dem Vorgestellten um und begegnete dem höhnisch-kalten Blicke desselben ... »Ich habe die Ehre,« sagte der Baronet ruhig, »den Herrn bereits von Smyrna zu kennen. Ich traf ihn dort in interessanter Gesellschaft.« – »Es war nicht das letztemal, Sir, daß Sie mich gesehen,« sprach bitter der Arzt. – »Richtig, Sir, ich vergaß! Sie sekundierten am Scamander einem Freund, dem Bundesgenossen von Wegelagerern und Banditen!« – »Dem Bruder Ihrer rechtmäßigen Gattin, Sir!« – »Lassen wir das, wir wollen darum nicht streiten. Es wäre besser für uns alle gewesen, Sie hätten damals meinem ersten Wunsch entsprochen. – Haben Sie von Herrn Caraiskakis gehört? Ich glaube, er ist in dem letzten Aufstande in Konstantinopel ein Opfer seiner Leidenschaftlichkeit geworden.« – Der Arzt sah ihn finster an ... »Mein Freund, Sir, hatte als Mann von Ehre seine Schwester zu rächen.«

Ein unbestimmtes Gefühl verhinderte ihn, zu erwähnen, daß er soeben von ihm Nachricht erhalten habe, und er hatte noch nicht Zeit gehabt, die Einzelheiten seiner Mitteilungen zu lesen ... »Die Sache ist vorbei. Lassen Sie uns nicht streiten darüber,« sagte der Baronet. »Wir sprechen vielleicht später noch über Dinge, die mich interessieren. Ich sehe, Morton und Kapitän Grach werden ungeduldig.« – »Allerdings,« meinte der letztere, »meine Zeit ist gemessen, und ich habe der Vorbereitungen noch viele zu treffen. Ich werde Sie um 9 Uhr abholen in die Festungswerke. Halten Sie Ihr Verbandzeug bereit, Doktor, und nehmen Sie einen Gehilfen mit. Es wird einen harten Kampf geben. Wieviel Verwundete hat man Ihnen von dem gestrigen Bombardement gebracht?« – »Dreiundsechzig, Kapitän. Wir zählen vierzig Tote.« – »Einen Verlust von hundert – das passiert; aber ich fürchte, es wird schlimmer werden.« – »Mit wieviel Mann greifen Sie an, Kapitän?« – »Zwei Bataillone Nizam und die Bozuks. Etwa dreitausend Mann!« – »Und die Stunde?« – »Elf Uhr – bei Aufgang des Mondes. Depuis und der französische Offizier bleiben in den Forts am Basardschik-Tor. Auf Wiedersehen, Doktor, vor dem Kampf, ich muß zu meinen Arbeitern. Hören Sie – der Feind beginnt wieder seine Kanonade.«

Das dumpfe Dröhnen des schweren Belagerungsgeschützes erschütterte aufs neue die Luft, und die Offiziere entfernten sich eilends, wobei der Kapitän ganz vergaß, nach dem Knaben weiter zu fragen, den er beim Eintritt flüchtig gesehen hatte ... Nursah war allein in dem Gemache ab- und zugegangen während des Besuches, indes sich Jussuf und Mauro entfernt hielten. Diese suchte er jetzt eilig auf, während sein Herr sich mit dem Briefe des Freundes beschäftigte und über das Zusammentreffen mit dem Briten nachsann. Nursah zog die beiden in einen Winkel ... »Eine Stunde vor Mitternacht,« berichtete er hastig, »werden dreitausend Türken einen Ausfall gegen das Lager an der Donauseite machen. Unsere Freunde müssen benachrichtigt werden.« – »Kannst du dem Winde die Botschaft geben?« fragte ärgerlich Jussuf. »Olmas! Es ist nichts – die Wälle werden zu gut besetzt sein und der Zigeuner, – Eblis verdamme ihn! – hat sich seit drei Tagen nicht blicken lassen.« – »Ich sage dir, es muß geschehen, die Nachricht muß hinaus,« sagte der jüngere Bruder mit einer gewissen Autorität, die er über den älteren übte. »Wofür wäre dieser Knabe uns zur Hilfe gesandt, wenn er uns in solchen Fällen nicht nützen solle?« – »Wird das Blut der verfluchten Moslems fließen, wenn ihr Unternehmen den Russen bekannt wird?« fragte mit einer teuflischen Neugier der kleine Spion. – »Haben sie Zeit, ihre Vorbereitungen zu treffen, dann kann die ganze Kolonne abgeschnitten werden und ein Sturm die Wälle erobern, Kind.« – Die Augen des Knaben blitzten ... »Viele! Viele! Ein ganzes Meer von Türkenblut für meinen gemordeten Oheim!« sagte er giftig. »Bringt mich nur hinaus und gebt mir Euren Auftrag. Mauro ist schnell, und was er will, das tut er.« – »Von der Schnelligkeit deiner Füße, Knabe, wird mehr als von deinem Mute abhängen. Wir werden wie gewöhnlich die Wälle an der Abendseite zu bewachen haben, und ich vermag dich nicht eher hinaus zu lassen, als bis die Nacht eingetreten ist. Du hast dann einen weiten Weg bis zum Lager der Russen. Schreibe deinen Brief, Nursah, der Prophet sieht zwar übel auf mein Beginnen, aber ich habe geschworen, dir zu gehorchen, bei einer, die nicht mehr ist!« Der Ruf des Arztes, der nach dem Knaben verlangte, um durch ihn von dem Freunde zu hören, trennte sie.

In einzelnen Intervallen dauerte während des ganzen Tages das Geschützfeuer der Belagerer fort, von den vorzüglich bedienten Kanonen der Festung erwidert. Der Kapitän Grach war überall und in der Tat die Seele der artilleristischen Verteidigung, die um so höher anzuschlagen ist, als sie einem so alten und berühmten Genieoffizier wie General Schilder gegenüber geschah. Die Tapferkeit der Türken in Verteidigung fester Plätze, ja Schanzen, ist unbestritten und oft erprobt und bewährte sich ebenfalls wieder glänzend hinter den Mauern von Silistria.

Es war am Abend gegen zehn Uhr, als die zum Ausfall bestimmten Kolonnen sich am Babadagh zu sammeln begannen. Still und geräuschlos hielten die Reihen der Irregulären auf ihren meist weißen Pferden hinter den Wällen, während die Bataillone des Nizams wie dunkle Schlangen durch das geöffnete Tor in die beiden vorgeschobenen Forts strömten ... Mussa-Pascha, der während des Kommandos eine den Türken sonst sehr ungewöhnliche Tätigkeit und Einsicht an den Tag gelegt hatte, die ihn auch dem Einfluß und Rate der europäischen Offiziere zugänglich machte, war überall, seine letzten Befehle erteilend. Hussein-Aga, der Kommandeur der beiden Forts, ein wilder aber tapferer Offizier, sollte den Ausfall befehligen, den Kapitän Morton mitzumachen beschlossen hatte. Die Müftiereh-Batterie, welche allein von den Schanzen an der Donau die rechte Flanke der russischen Stellung bestreichen konnte, wurde von Mehemed-Bey kommandiert, indes hier und an den vorgeschobenen Werken die wahre Leitung dem Kapitän Grach überlassen blieb. Der Kommandant selbst wollte durch eine Kanonade von den südlichen Toren und dem Abdul-Medjid-Fort her die Aufmerksamkeit des russischen Zentrums und der linken Flanke beschäftigen, nachdem er vom Fort aus durch eine Rakete das Zeichen zum Angriff gegeben. An dem hohen Bogen des Tores, durch das sich jetzt im geräuschlosen Marsch die wilde Reiterkolonne drängte, standen die Führer, Kiriki-Pascha, ungeduldig, an die Spitze seiner Bozuks zu eilen, der französische Kolonel nochmals an den Kommandanten für die Infanterie-Attacke einige Ratschläge erteilend, und Kapitän Morton, die Zügel des Pferdes in der Hand, da er unter den Reitern den Angriff mitmachen wollte, noch einige Worte mit den beiden Preußen wechselnd.

»Sie setzen sich unnütz einer Gefahr aus, Kapitän,« sagte der Arzt, »von der Sie im besten Falle wenig Ruhm ernten können. Sie sollten Ihre Mission an des Paschas Seite bedenken und Ihr Leben nicht zwecklos aufs Spiel setzen.« – »Sie sind und bleiben ein alter Moralprediger, Doktor,« lachte der Offizier, »vordem am Spieltisch und jetzt wieder bei der Lust des Kampfes. Ich habe eine für die andere eingetauscht, und es ist Zeit, daß ich die russischen Truppen kennen lerne. Das Korps, dem wir gegenüberstehen, trägt doch nicht etwa hellblaue Uniformen?« – »Wieso? Die Uniform ist grün.« – »Dann werden Sie mich unzweifelhaft unverletzt wiedererhalten. Gefahr droht meinem Leben nur von einem hellblauen Feinde. Hellblau und weiß – Sie wissen, Doktor – ich bin ein Faulconbridge, die ihre Ahnungen haben, und auch ich habe von dem Familienvorzug profitiert.« – »Sie meinen die Erscheinung des Lords, Ihres Vaters, – was ist Ihnen begegnet?« – »Ein andermal davon, Doktor – der Pascha scheint fertig – leben Sie wohl, meine Herren!« Er schwang sich aufs Pferd. Zugleich wandte sich der Kommandant. – »Es ist Zeit, Effendis, – alle auf eure Posten! in einer Stunde erwartet das Signal! Allah gebe uns Sieg!«

Das Gedränge der Davoneilenden verschlang den letzten Gruß. Jeder nahm seinen Posten ein, und nach wenig Minuten, als der Galopp des Kommandanten und seiner Begleitung verklungen war, lag tiefes Schweigen auf den Werken ... Der Pascha nahm seinen Weg innerhalb der Wälle um die Stadt, um noch einmal die Wachsamkeit der Mannschaften zu prüfen, ehe er seinen Posten auf den Werken an der Südseite einnahm. Die Wälle der Westseite waren von den Kompagnien besetzt, die der Kommandant bei den geringen Hilfsmitteln der Verteidigung als eine Art Freikorps aus den Bewohnern Silistrias und dem Troß von Gesindel gebildet hatte, das zum weitaus größten Teile aus Deserteuren, Abenteurern, Flüchtlingen und entlaufenen Sklaven bestand und sich in die Festungen eingedrängt hatte, und das er wenigstens auf diese Art nutzbar zu machen suchte. Auch Jussuf, der ehemalige Kurier, gehörte hierzu und stand jetzt auf einem der äußersten Posten des Walles in der Nähe des Tores von Schumla ... Es war zehn Uhr, der Mond noch nicht aufgegangen, und ein leichter Sprühregen fiel von Zeit zu Zeit. Zu seinen Füßen im Schatten des Walles lag es wie ein Ball zusammengerollt, jedem zufälligen Blick verborgen, – Mauro, der anatolische Knabe, gewöhnt an solche Unternehmungen und erst vor wenig Tagen mit Nikolas Grivas aus den blutigen Bergen Metzowos zurückgekehrt zu dem Manne, den ihm der sterbende Oheim zugewiesen, zu Gregor Caraiskakis nach Varna.

»Allah möge mir vergeben, wenn ich unrecht tue,« murmelte der Kurier vor sich hin, »aber es ist mein Schicksal, Mariam zu gehorchen. Was gehen mich diese Türken an – puff! sie sind Hunde; ich bin ein Abessynier, und meine Väter waren Christen. Jawasch – wir wollen es tun! Steh' auf, Knabe, es wird Zeit für dich!« – Der Junge sprang rasch auf die Füße ... »Ich bin fertig, Jussuf.« – »Hast du den Weg gemerkt, den man dir beschrieben?« – »Wie von der Hand zum Mund! Ich kreuze die Straße von Schumla eine Viertelstunde von der Festung und gehe dann nach Sonnenaufgang, bis ich an die Vorposten der Russen komme.« – »Du hast den Brief?« – »In den doppelten Sohlen meiner Pantoffeln und diese im Gürtel.« – »Und du weißt, nach wem du fragst?« – »Nach dem General selbst. Sorge nicht, ehe der Morgen graut, bin ich wieder an dieser Stelle.« – »Zwei Stunden nach Mitternacht triffst du mich auf diesem Posten. Allah oder der Gott der Christen geleite dich! Du kannst doch schwimmen?« – »Ich tauche wie die Ratten.« – »Desto besser – beeile dich.«

Er hatte dem Knaben eine starke Seidenschnur um den Leib geschlungen und hob ihn über die Brustwehr. Halb rollend glitt der Junge über den Wall bis zu der in den Graben sich senkenden Mauer. Dort angekommen, gab er seinem Helfershelfer ein leises Zeichen, auf welches dieser die Schnur losließ. Mauro zog sie an sich, suchte, mit den Händen tappend, einen der vorspringenden Steine aus und befestigte hier sorgfältig das eine Ende des dünnen Strickes, da er ihm zur Rückkehr dienen sollte; dann ließ er sich leicht daran ins Wasser und durchschwamm die geringe Breite, bis er eine Stelle fand, wo er an der andern Seite mit Hilfe der Nägel und Zehen emporklimmen konnte, was ihm durch den hier hohen Wasserstand bedeutend erleichtert wurde. Ehe zehn Minuten vergangen waren, vernahm der Mohr das verabredete Zeichen, daß der gewandte kleine Spion in Sicherheit sei.


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