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Die Werbung.

Es hat im schwarzen Dornengrunde
Des Jägers Faust nach wildem Ringen
Den Eber auf das Knie gestreckt,
Und reißt den Fänger aus der Wunde,
Daß hoch die rothen Quellen springen;
Und lechzend nach dem Blut der Beute
Steht keuchend rings die gier'ge Meute.
Der Stirne Schweiß der Waidmann wischt,
Mit frischem Trunk er sich erfrischt,
Schaut auf, wie hoch der Sonne Lauf,
Und schürzt des Wamses Aermel auf;
Es ist der Sänger aus dem Walde.
Was neigt er lauschend jetzt das Ohr? –
Was blitzt so sonnig längs der Halde?
Die Rüde selbst vom leckern Mahl
Streckt witternd ihren Hals empor.
Und dröhnt durch's herbstesstumme Thal
Nicht dumpfer, eil'ger Rosseshuf? –
Und näher immer näher schmettert
Ein grüßender Fanfarenruf.
Da rollt sein Aug', sein Blut es wallt;
Mit ungeduld'gem Sprung erklettert
Er schnell die nahe Felsenwand;
Die Dogge scharf hintan sich krallt,
Und, blank den Fänger in der Hand,
Späht hell sein Aug' in's Thal hinein.
Ha! Wie es blitzt in erznem Schein
Von Rosseszeug und Helm und Speer!
Was führt so stolzen Hauf daher?
Und der voran im Reiherhut,
Deß Roß jetzt steigt voll Schlachtenmuth,
Dem weißumsäumt von Hermelin
So schlank der Rock von Sammet sitzt,
Drum schwer die goldne Kette blitzt;
O sieh' ihn an! Erkennst du ihn?
Schon ist er nah'! Was zauderst du?
Streckst nicht die Arme nach ihm aus?
O steig' herab! Eil' auf ihn zu!
Führ' ihn als Sohn in's Vaterhaus! –
Und ungestüm zur Straße licht
Der Jäger durch das Dickicht bricht,
Da Walther grad' vorüber reitet,
Der scharf dem Hengst die Sporen gab;
Und von dem Raine stumm herab
Den Arm der Sänger nach ihm breitet.
Ein rascher Blick, – ein heller Ruf, –
Herr Walther zieht vom vollen Trab
Mit Macht zurück den eil'gen Huf;
Von Wiedersehens Lust durchzückt
Er vom gebäumten Roß sich schwingt,
Der Jäger zu ihm niederspringt,
Und Herz hat sich an Herz gedrückt,
Und trunken Aug' in Auge schaut:
»Wo ziehst du her? Wo deine Braut?« –
»»O wolle nach der Braut nicht fragen;
Es löscht ihr Stolz die Lieb' mir aus!
O Vater in dein eignes Haus
Will ich nun Ring und Myrthe tragen!
Vom Himmel kömmt mir der Entschluß,
Die Mutter gab mir ihren Segen;
Nun woll' auch du im Friedenskuß
Auf mich die Hand des Vaters legen!««
Und heiß Herr Walther ihn umschlingt,
Und fragend, wie mit Kindesbitte,
Tief in des Vaterherzens Mitte
Sein seelenspiegelnd Auge dringt;
Und wie in Walthers Aug' er blickt,
In deß geheimer Zaubermacht
Im letzten Mai sein Lied erwacht,
In Thränen ganz sein Wort erstickt,
Und mit vor Freud' gebrochnem Ton:
»O Amaranth! O du mein Sohn!«
Umhalst er ihn in langen Küssen.
Die Reiter halten stumm geschaart,
Und hell in manchen grauen Bart
Hat eine Zähre fallen müssen.
Und in dem stillen Hofe drinnen
Steht Amaranth am Heerde jetzt,
Im Werkelkleid von grauem Linnen,
Drum sie die Schürze angethan,
Und hat den Topf zurecht gesetzt,
Und facht zur Gluth Reißig an.
Und sinnend sieht dem Brand sie zu,
Das Antlitz voll ergebner Ruh',
Gefaltet hängt die Hand hernieder,
Ihr Aug' wird trüb' und lächelnd wieder,
Ihr Lockenhaupt ist halb gesenkt –
O Walther! Wie sie dein gedenkt!
Sie träumet nochmal ihren Traum,
Aus dem sie zitternd heut' erwacht:
Sie saß in dunkler Herbstesnacht
Am Bächlein unter'm Tannenbaum;
Die Bäume waren dürr und fahl,
Es grünte selbst das Moos nicht mehr,
Und traurig schien der Mondesstrahl;
Die Nachtluft klang wie Seufzer schwer,
Und ihre Seele dachte dein,
Und fühlte sich so ganz allein;
Da ward es ihr so sterbesbang,
Daß jammernd sie die Hände rang,
Bis sie am Ende sonder Kraft
Ihr Haupt gelehnt zum Tannenschaft,
Und sie in Thränen ganz verschwommen
Die Zuflucht zum Gebet genommen.
Und wie ihr Aug' am Himmel hing,
Da kam vom dunkeln Tannenbaum
Ihr Turteltäubchen hergerauscht;
Es trug nur noch den grauen Ring,
Und seiner Flügel alter Flaum
War wie mit jungem Schnee vertauscht;
Und kreisend hoch es sie umflog,
Und tief und immer tiefer zog
Es um ihr Haupt den luft'gen Ring,
Daß ihr durch's Herz ein Schauer ging;
Und wie es fast am Haupt ihr war,
Des Täubchens Bild sie ganz verwirrte,
Sie sah's nicht mehr, sie spürt es nur,
Wie um ihr Haupt der Fittig schwirrte,
Dann sank es weich ihr in das Haar,
Und wie sie nach der Locke fuhr,
Nahm sie herunter eine Myrthe.
Und rings um sie war heller Mai,
Die Amseln schlugen wundervoll,
Das Grün der Bäume rauschend schwoll,
Es sprang das Reh so flink und frei.
Und sie sank hin zum duft'gen Grunde,
Und drückte heiß den Kranz zum Munde,
Hob ihn zur klaren Himmelspracht,
Und wollt' den Herrn der Liebe loben –
Da war sie zitternd aufgewacht,
Und ihre Hand war noch erhoben.

Nun denkt sie schon den ganzen Tag,
Was wohl der Traum ihr bringen mag!
Und wie ihr Ringeltäubchen heut'
An's Fenster seinen Gruß gepickt,
Hat sie sich fromm vor ihm gescheut,
Und ehrfurchtsvoll es angeblickt;
Und zitternd nur und ganz verzagt
Hat sie's zu küssen sich gewagt,
Und wie es ihrer Hand entflogen,
Hat sie in Kindeseinfalt leise
Zum Erker sich hinausgebogen,
Ob es ihr Haupt vielleicht umkreise?
Sieh' draußen aus der Zwingerlaube
Flog eben wieder jetzt die Taube
Hinüber auf den Tannenbaum;
Sie hat das Fenster aufgethan,
Und träumend neu den frommen Traum,
Tritt sie mit stillem Sehnen dran,
Als müßte jetzt die kluge Taube
Zu ihrem Haupt herüberfliegen;
So mächtig wird ihr Kindesglaube –
Schon fühlt den Kranz im Haar sie liegen, –
Und ach! Ihr wird so selig frei,
Als ob sie bald im Himmel sei;
Ihr Aug' verschwimmt in hellen Zähren,
Sie muß an's Herz die Hände drücken,
Muß zum Gebet sich niederbücken,
Sie schmückt ein heiliges Verklären.
Und wieder wird das Herz ihr bang,
Und doch so minnesüß beklommen. –
Giebt denn der Herbstwind solchen Klang?
Sind's denn die Tannen, die so dröhnen? –
Und immer näher will es kommen;
Schon ist's im Hof. Welch ehern Schallen! –
Und jetzt ein schmetternd, grüßend Tönen!
An ihrem Fenster hoch vorüber
Sieht sie die stolzen Banner wallen,
Das Ringeltäubchen flattert drüber;
Vom Roß springt klirrend laut der Hauf;
Und vom Gebete steht sie auf,
Von tiefer, sel'ger Angst bewegt;
Die Schürze hat sie abgelegt,
Und will sich still der Treppe nah'n,
Die hohen Gäste zu empfah'n; –
Doch kaum sie tritt zum Treppenrand,
Da stürzt von ihres Vaters Hand
Herr Walther zitternd auf sie zu.
Was ist mit dir, o Amaranth?
Was stehst du wie in Geisterruh',
Du blasses Engelsangesicht? –
Da hält er inne, wie gebannt;
Sie zu umarmen wagt er nicht,
Und ganz verwirrt er steht und harrt.
Sie aber ernst in's Aug' ihm starrt,
In Demuth hehr das Haupt getragen,
Ein Schmerz legt sich um ihren Mund,
Als wollt' um seinen alten Bund
Ihr Antlitz vorwurfsvoll ihn fragen;
Und stumm mit edlem Stolze wieder
Senkt abgewandt das Aug' sie nieder.
Doch schnell Herr Walther sich ermannt:
»Was fliehest du, o Amaranth?
Ich schwöre dir's beim heil'gen Grab:
Den Brautring zog nach Himmelsschluß
Gesalbte Bischofshand mir ab;
Ich stehe frei vor dir, dein Freier,
Und flehe dich um Hand und Kuß,
Ich fleh' dich an, verstoß mich nicht!
Schon harret dein die Hochzeitfeier!«
Und großen Aug's mit leiser Hand
Betastet stumm sie sein Gesicht,
Sie prüft erzitternd sein Gewand,
Und schwer und schwerer athmet sie,
Bis mächtig ihre Zähre bricht,
Sie seufzet laut, und sinkt in's Knie, –
Und senkt das Haupt zum Estrichstein,
Und faltet fest die Hand davor.

Er zieht sie an sein Herz empor,
Und schließt im Arm sie liebend ein;
Streicht aus der Stirn ihr sanft das Haar,
Küßt ihr gesenktes Augenpaar;
Und ihre Hand er traut ergreift,
Von seiner dran den Ring er streift;
Der Page reicht das Kissen dar,
Er nimmt davon den Myrthenkranz,
Legt trauter noch den Arm ihr um,
Und drückt das Reis ihr weich in's Haar; –
Und Aug in Aug' versunken ganz
Beschauen sie sich liebestumm;
Keins frägt das Andre um ein Wort,
Ob auch das Herz nun treu verbliebe?
Sie weiß, er ist ihr Herr und Hort;
Er weiß, daß sie in Gott ihn liebe.
Sie kann nur seligstill jetzt sinnen,
Ob Alles denn ein Traum nicht wäre,
Der wieder schnell ihr müßt' zerrinnen;
Sie hat zum Sprechen nur die Zähre;
Sie kann zum kindlichen Gebet
Die Hände nur zusammenlegen.
Der Sänger stumm daneben steht,
Und hat zum väterlichen Segen
Auf Beider Haupt die Hand gehoben. –

Und glaubst du, daß im Himmel droben
Der Vater auch sein Angesicht
Im Gnadenlächeln niederwendet,
Auch seine Hand den Segen spendet?
O siehe hin! Glaubst du es nicht? –



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