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Nachts.

I.
Ghismonda.

Warst du die Königin des Festes nicht,
Und brichst zum Stuhl zerknickt mit müder Miene?
Und was verhüllst du seufzend dein Gesicht?

Hat nicht der Ritter in dem Hermeline
Die weiße Rose dir an's Herz gesteckt?
Schlaf ein! – Es lockt gelüftet die Gardine.

Da fährt sie auf, blickt um und um erschreckt.
Und wankend ist zum Ruhbett sie gegangen,
Tief athmend hat sie sich zum Pfühl gestreckt.

Ihr Haupt ist rings vom nackten Arm umfangen,
Am Busen ringelt sich der Locke Nacht,
Um Alabastersäule dunkle Schlangen;

Und von dem Purpurbaldachin umdacht,
Umspielt, von goldgewirkter Schnur hernieder,
Ihr bleich Gesicht der Ampel ros'ge Pracht.

Nun schließest du zum Schlummer fest die Lider,
Da du geschlürft des Bechers besten Schaum,
Und der Erinnrung Hefe dir zuwider!

Nun bettelst du, daß dich zu süßem Traum
Die Schlummergeister in's Vergessen wiegen!
O Wahn! Sie hören deine Stimme kaum.

Was willst du denn auch jetzt im Pfühle liegen?
Du freie Priesterin! Was ist dein Amt?
Der Geist der Welt ist der Natur entstiegen.

Sieh' hin! Wie leuchtend er im Vollmond flammt!
Er redet in dem Lied der Nachtigallen,
Sein Odem duftet aus der Rose Sammt.

Im Kerzenschimmer strahlen deine Hallen,
Des Weltgeists Harfe rauscht, es perlt der Wein,
Die Minne sitzt zu Gast, die Diener wallen.

Nun kehr' als Herrin du auch selber ein!
Du stolzer Tropfen aus der Urkraft Bronnen!
Komm' in dein Haus! Der Weltgeist harret dein!

Ja komm'! Er lädt dich ein zu neuen Wonnen.
Doch sieh'! Wie liegst du bleich, und wie dir graut!
Ist dein Pallast denn schon so schnell zerronnen?

Steht er am Berg der Wahrheit nicht gebaut,
Im Sonnenglanz hoch über'm Kreuzeshügel?
Und bist du der Natur nicht angetraut?

Schwangst aus dem Tempelschutt du nicht den Flügel?
Hat der Erkenntniß Reis dich nicht gekrönt?
Du Amazonengeist! Was fällt dein Zügel?

Und horch! Der Riesenpsalm der Kräfte tönt!
Wer gab ein Recht dir, daß in Weiberlaunen
Dein Geist allein den Einklang jetzt verhöhnt?

Ermanne dich! Spring' auf aus deinen Daunen!
Du des Geschaffnen selbstgeschaffner Theil!
Was will in's Ohr dir noch ein Glaube raunen? –

Nur aus dem Weltgeist steigt dir ja dein Heil!
So komm'! Er hat sein Füllhorn ausgegossen,
Vielleicht! Er hat für dich auch Frieden feil!

Ha! Wie sie starrt, das Auge weit erschlossen!
Wie hebt sich schwer die schwellende Gestalt!
Du bleiches Bild vom schwarzen Haar umflossen! –

Und müd' sich schleppend sie an's Fenster wallt,
Und drückt, zur Säule lehnend, halb mit Zaudern
Ihr heimlich brennend Haupt zum Marmor kalt.

Was kömmt dir vor dem Mondglanz solch ein Schaudern?
Was fröstelt dich in lauer Lüfte Weben?
Was schreckt dich in der Blätter süßem Plaudern? –

Kann denn der Tropfen vor dem Tropfen beben,
Der an des Urquells gleicher Schale hing?
Kann Gleiches über Gleiches sich erheben?

Der Wurm und du, des Sternenhimmels Ring,
Das ries'ge Weltmeer, und der Thau der Rose,
Ist Jedes nicht ein inhaltgleiches Ding?

Gleichgöttlich, wie das Ganze, Wandellose?
In Millionen Theilen, ungetheilt,
Sich selbst gebährend aus dem eignen Schoose?

Und doch! Was ist's, daß starr am Boden weilt
Dein Aug', gefangen in des Schauers Schlingen,
Und fieberglühend jetzt zum Himmel eilt? –

Und jetzt! Es bricht dein Knie nach langem Ringen,
Es faßt die Hand die Hand, dein Aug' blickt hohl,
Und zum Gebet läßt sich dein Mund verdingen.

Ha lüge, die du gehst von Pol zu Pol!
Den Gott des Himmels hat dein Stolz zernichtet,
Du betest dich nun an, dein Selbstidol!

O Aberwitz! Du hast dich selbst gerichtet!


II.
Ghismondens Sonette.

Ha! Was beginn' ich? – In das Knie gebrochen?
Die Hände starr wie zum Gebet gefaltet!
Wie Marmorstein mein ganzer Leib erkaltet!
O Wahn! Es hat mein Mund doch Nichts gesprochen? –

Ich ließ' ein Feigling neu mich unterjochen
In Litanei'n verfinsternd und veraltet? –
Erbleicht ihr Lippen, wenn ihr betend lalltet!
Was hätt' ich meinem Geist den Staar gestochen? –

Der da bei Weihrauch und bei Kerzenscheine
Sich gängeln läßt durch Murmeln und durch Bücken,
Der wandelbare Gott ist nicht der meine.

Den Willen meines Gott's sann Nichts verrücken,
Mein Gott ist das Gesetz, das ewig Eine:
Zerschellt, ihr des Gebetes morsche Krücken! –


Was kömmt mir vor der Nacht geheim ein Schauer?
Was macht mich beben vor des Mondes Scheine
Was quält mich so das Lied vom Lorbeerhaine?
Was kömmt im Blattgeflüster mir die Trauer? –

O daß ich wähnt' des Götzentempels Mauer,
Sie sei zertrümmert bis zum letzten Steine,
Das Crucifix verbannt aus meinem Schreine!
Der alte Wahn hält immer noch die Lauer.

Gieb Kraft zum Sieg, du ewiger Gedanke!
Ich hab' so kurz mich erst vom Wahn gerungen;
Noch weht der Staub von der durchbrochnen Schranke.

Gewiß! Ich halt' dein Banner treu umschlungen;
Vergieb! Wenn in der Wahrheit noch ich wanke;
Noch lebt die Lüge der Erinnerungen.


Ich hab' mich aus der Mährchen Arm gerissen;
Und doch, ich hab' so sanft darin geschlafen.
So süße Klänge an das Herz mir trafen,
Es war so friedlich in den Finsternissen.

Den Frieden tauscht ich ein mit Schlangenbissen,
Mit wilder Brandung meinen stillen Hafen.
Du sagst mir, du erließest all das Strafen, –
Halt' Wort, du Geist! Erlaß mir das Gewissen!

Denn ob ich auch den Berg des Lichts erklimme,
Der Mährchen Geister mich zur Tiefe heben,
Daß ich zerschellt im Meer des Dunkels schwimme;

Du nahmst in deinen Dienst mein ganzes Leben,
So nimm denn auch des Herzens letzte Stimme!
Du mußt! – Sonst muß ich ewig vor dir beben!


Es war mein Herz ein See mit klaren Wogen;
Ein junger Knab' mit Rosen in den Haaren
Kam drauf in goldner Gondel hergefahren,
Er war so kindesfroh hinausgebogen.

Nur lächelnd kam er immer hergezogen,
Erfreute mich mit Liedern, wunderbaren;
Und trauter Vöglein lichtbeschwingte Schaaren
In muntern Frühlingsscherzen ihn umflogen.

Nun treibt zerschellt der Kahn, es starb sein Knabe;
Er liegt im trüben See mit blut'ger Wunde,
Schaut bleich und starr aus seinem feuchten Grabe.

Und ich muß ewig schauen nach dem Grunde,
Und Thränen, bittre Thränen nur ich habe –
Möcht' todt beim Knaben liegen jetzt zur Stunde.


Ja sterben möcht ich! – Sterben? – Ich? – Ghismunde?
O Lüge! Wie du mir dieß Wort entliehen!
So listig wolltest du mich niederziehen
Zum lauernden, so kurz gemiednen Schlunde!

Glaubst du, ich würde von des Lichtes Funde
In deine dunklen Arme wieder fliehen?
Nein! Mein Erkennen ist zu weit gediehen,
Zu lang gelauscht hab' ich der andern Runde.

Und muß ich auch entgegen deinen Nächten
Noch fort und fort für's Licht die Waffen schwingen,
Ich laß nicht ab, und stehe deinen Mächten.

Das Licht muß doch die Nacht im Sieg durchdringen,
Ob ihre Schatten hundertmal es schwächten.
Die ew'ge Kraft, sie schmiedet mir die Klingen.


Gewissen sagt' ich? – Schwäche will ich's heißen,
Die Ammenstube hemmt mich noch im Streite.
Doch still! Auch diese weinerliche Saite,
Ich will auch sie aus meiner Harfe reißen!

Wie wollt' ich triumphirend dich umkreisen,
Hätt' ich den Quälgeist ewig im Geleite,
Der stets mich fesselt, kaum ich mich befreite,
Und mir verstümpert meine kühnsten Weisen?

Ja, ja! 'S ist eine kindische Chimäre!
Und ich konnt' dich darum so hart verklagen,
Als ob durch mich sie nicht zu tilgen wäre.

Vergieb! Ich werde sie zum Weichen schlagen
Mit Schwert und Fackel deiner Hochaltäre,
Und dann erst recht zum Flug den Fittig tragen.


Triumph! Triumph! Den lichten Flug zu wagen,
Und Niemand unterthan einherzufliegen!
Triumph! Die Macht des Dunkels zu besiegen,
Und frei einherzugehn im ew'gen Tagen!

Vom licht herabzusehn, wie all' die Zagen
In düstern Tempeln auf den Knieen liegen,
Sich an die todten Götzenbilder schmiegen,
Und ihnen anvertrau'n, und ihnen klagen!

Harrt nur geduldig aus in euern Banden,
Und hofft, daß der Messias euch errettet!
Ihr lügt euch an! Er macht euch doch zu Schanden.

Ich hoffe nicht, ich hab' mich schon entkettet,
Bin selber mein Messias auferstanden,
Hab' fest mein Reich in die Natur gebettet.


Mein Bräutigam! Wie muß ich dich beklagen,
Wie Liebe du mit Glauben magst vereinen!
Ich gehe meinen Weg, geh' du den deinen.
Was hat der Glaube zu der Lieb' zu sagen?

Werd' ich ein christlich Haupt denn anders tragen?
Wird denn mein Auge dann noch heller scheinen?
Werd' ich dann anders lieben, küssen, weinen? –
Und sei es auch! – Du bist einmal geschlagen!

Und machtest allen Zweifel du zerrinnen,
Und ließest mir leibhaftig Ihn erscheinen,
Wie Er gen Himmel fährt ob Zions Zinnen:

Ich würf' Ihn dennoch mit des Läugnens Steinen,
Ich ließ' dir dennoch nicht den Sieg gewinnen!
O stolze Wollust ewig zu verneinen! –


Du glaubst sie selber nicht, die Gottgeschichten,
Denn du hast Geist vom ew'gen All' empfangen
Und dieser Geist, er kann daran nicht hangen,
Er kann so abergläubig sich nicht richten.

Ich glaub' es gern von armen hohlen Wichten,
Sie mögen wohl in ihres Elends Bangen
Nach solcher Ammenmährchen Trost verlangen,
Doch dein Geist muß, er muß den Wahn zernichten.

O Walther! Glaube mir, daß ich dich ahne:
Du glaubst sie nicht, dein Selbst muß dir es wehren.
Und du gebrauchst sie nur zu deinem Plane!

Denn in den Sagenbüchern stehn die Lehren:
Es sei das Weib des Mannes Unterthane;
Nur darum willst du mich zur Christin kehren!


Ja! ja! Zur Magd sollt' ich mich dir bequemen,
Und knechtisch an den feilen Rocken sitzen,
An Hand und Herzen mir die Adern schlitzen,
Bis ich verblutet wär' zum müden Schemen.

Du aber wolltest dich bediademen,
Und dir der Herrschaft einzig Scepter schnitzen,
Zu dräuen stets bereit mit deinen Blitzen,
Wollt' ich dir nicht des Purpurs Schleppe nehmen.

So wär's; du tränkst den Schaum der Freudenschalen,
Ich dürft' die Hefe schlürfen aus dem Grunde,
Dürft' sonnen mich in deiner Gnaden Strahlen.

Nicht wahr? Ich wär' die zweite nur im Bunde?
Mein Bräutigam! Du rechnest falsche Zahlen!
Herr Walther! Euer Weib heißt einst Ghismunde!


Wie lächerlich! Wie mag ich mich nur grämen!
Er muß sich doch nach meinem Willen fügen,
Und wenn ihn noch so starke Flügel trügen,
Ein einzig süßes Lächeln wird sie lähmen.

Ich will den wilden Knaben schon bezähmen,
Ich laß ihm jetzt des süßen Wahns Vergnügen,
Als blieb' er Herr. Wozu schon jetzt ihn rügen?
Die Zeit wird's lehren, und er wird sich schämen.

Lieb' ich ihn nicht? – Was kann er mehr begehren,
Als daß ich unter Allen ihn erkiese,
Den Becher meiner Wonnen auszuleeren?

Ruht er nicht ganz in meinem Paradiese?
Ha! Wenn er doch mir wollt den Rücken kehren? –
Weh mir, wenn er auf immer mich verließe! –


Verlassen? Mich? – Er könnte mich entbehren? –
Nein! Nie! Wer hat mir Solches vorgelogen?
Wie, mich, von der der Fürsten Söhne zogen,
Verhehlend der verschmähten Lieb' Verzehren?

Und wollt' er schmollend mir den Rücken kehren,
Ich schläng' den Arm um ihn in weichem Bogen,
Und zög' ihn schmeichelnd an des Busens Wogen:
Es sollt' mein Kuß den Knaben schmollen lehren!

Ja, ja! So lange mir die Locke dunkelt,
So lang' zum Kuß mir blühen Mund und Wangen,
So lang' mein Geist im Aug' bezwingend funkelt;

So lang' mein Zauberwort ihn kann umfangen;
So lang', was auch die Furcht des Weibes munkelt,
So lange bleibt er mein. Wie kann mir bangen?


III.
Walther.

Und in dem reichen Gastessaal,
In selber Nacht und Stund' zumal,
Bestrahlt das volle Mondenlicht
Herrn Walthers ruhig Angesicht.
Gelöset von des Tages Qual
Er tief in süßem Schlummer liegt,
Und träumet wunderbaren Traum.
Er ruht an grünem Bergessaum,
Vom Palmenflüstern eingewiegt;
Und schaut zur schwarzen Schlucht hinein,
Wo durch's geborstne Felsgestein
Des Gießbachs wilde Wasser rauschen,
Die bang sich mühend in den Klüften
Mit frischen klaren Himmelslüften
Die nie gehörten Worte tauschen.
Und tief und tiefer muß er lauschen,
Da hört der Wasser dunkle Mähren
Von Erdenangst und Erdenzähren
Er durch der Lüfte Mund erklären,
Wie eines Kinds Gebet so wahr,
So einfach und so wunderbar.
Und wie so in der Wasser Leben
Er fühlt die eigne Seele weben,
Und will dem Banne sich entringen
Da sieht er auf der Lüfte Schwingen
Allmählig Well' um Well' entschweben,
Zum lichten Wolkenkranz geschaart,
Gleich Geistern auf verklärter Fahrt.
Und auf des Berges höchstem Gipfel
Umkreisen sie in duft'gem Reigen
Der Ceder himmelnahen Wipfel;
Und niedersinkend zu den Zweigen
Zerrinnt der Kranz im Laubeshang
Zu sonnenfunkelnden Juwelen,
Gleich himmelslautern Dulderseelen.
Und rauschend, wie Triumphgesang,
Weht's von der Ceder weit und weiter
Auf frühlingsfrischer Stürme Leiter,
Und hoch bis zu der Sterne Kreisen
Hört er den Herrn der Liebe preisen.

Da überkömmt ihn heißer Drang
Der hehren Töne ew'gem Klingen
Mit kühnem Arme nachzuringen;
Doch seinen Fuß hemmt schwerer Zwang.
Und vor ihm steht ein Engelsbild,
Ein Kindesantlitz liebesmild,
Vom Ernst der Ewigkeit umflossen,
Und reicht ihm stärkend frischen Trank,
Und schlägt ihn mit dem Schwerte blank,
Hat sanft um ihn den Arm geschlossen,
Und rasch mit rauschendem Gefieder
Sich leuchtend in die Nacht geschwungen.
Und von so starker Macht umrungen
Fühlt Walther sinken seine Lider;
Doch lauter stets der Fittig schlägt,
Weit über Berg und Meer er trägt,
Und senkt auf Golgatha sich nieder. –
Und mit gesenktem Angesicht
Der Engel in den Himmel greift,
Und von des ew'gen Reiches Licht
Er weit den Sternenmantel streift,
Und küssend Walther er erweckt.
Doch kaum hat sich sein Aug' erschlossen,
Hat er es wieder auch bedeckt,
Als hab' ihn Feuer übergossen,
Und tief mit zitternder Geberde
Neigt sinkend er das Haupt zur Erde;
Und betend nur kann er es wagen,
Das Aug' allmählig aufzuschlagen.

Und hoch auf goldgebautem Throne
In eines Regenbogens Glänzen,
Darin des Geistes Strahlen weben,
Sieht er mit diamantner Krone
Des Vaters Hand den Sohn bekränzen,
Und ihm der Erde Scepter geben.
Und rings um sie die Geister schweben,
Das Haupt geneigt, in's Knie gesunken,
Das Aug' gesenkt, anbetungstrunken;
Wie Lilien ihr Kleid erglänzt,
Vom Baum des ew'gen Lebens kränzt
Ein frisches Reis ihr wallend Haar,
Im Silberstrom die Flügel schwimmen,
Auf ihrem Knie die Harfe klingt,
Ein goldner, rauschender Altar,
Und aufgelöst zu Hymnenstimmen
Sich opfernd ihre Andacht schwingt
Aus ihrer Lippen reiner Schaale,
Und sonnt sich in dem Gnadenstrahle.

Und wieder von dem Himmelreich
Sein Aug' herab zur Erde schweift;
Von Pol zu Pol es sie durchgreift,
Und sieht sie einem Spiegel gleich,
Darin der ew'gen Dreiheit Glanz
Als riesig Meer und Flächenland,
Als Wälder und als Wüstensand,
Als Berg und Thal, und Gletscherkranz,
Als Felsgeklüft und Halmgefilde
Sich spiegelt im getrübten Bilde.
Und bald im Klang der Meereswellen,
Bald in der Wälder Frühlingsschwellen,
Bald in dem Säuseln durch die Halmen,
Bald in dem Lied der Nachtigallen,
Hört er der sel'gen Geister Psalmen
Als irdisch Echo widerhallen.
Und drauf mit wundersamem Leib,
Ein reizend Lächeln in den Mienen,
Ist ihm ein unabsehbar Weib
Als duftiges Gebild erschienen,
Sich lagernd auf die weite Erde
Mit stumm verführender Geberde;
Und über ihr, nach allen Landen
Die tausendjähr'gen Zweige tragend,
Bis an den Ring des Himmels ragend,
Ist seinem Aug' ein Baum erstanden,
Mit mächtig klingendem Geflüster,
Versuchend, wie Sirenenwort.
Und aus der reichen Blätter Düster
Sieht goldner Aepfel Frucht er prangen;
Und unablässig fort und fort
Sieht er das Weib zum Apfel greifen,
Und mit demselben Griff zumal,
In trügerischer Engelslarve,
Auch durch der Schöpfung Spiegel streifen,
Und trüben drin den Widerstrahl,
Und aus der ew'gen Erdenharfe,
Gerührt vom Hauch der Himmelsweisen,
Zugleich die besten Saiten reißen.

Und jetzt steht er in dunkeln Schaaren,
In unerschaubar ries'gem Kranz,
Die Völker sich ihm offenbaren.
Vom Golgatha quillt mächt'ger Glanz
Vom Aufgang bis zum Niedergang;
Und von dem Kreuze todesbang
Sieht er den Heiland aller Zeiten,
Stumm lächelnd im Verklärungsschmerz,
Die ausgespannten Arme breiten,
An sein durchstochnes Gottesherz
Der Menschheit armes Herz zu drücken,
Erlöst es in sein Reich zu tragen.
Und Viele ihre Häupter bücken,
Und gläubig an die Herzen schlagen,
Und schau'n, das Aug' voll sel'ger Klarheit,
Zum fleischgewordnen Wort der Wahrheit.
Und Viele von dem Kreuz sich wenden,
Und vor dem Weibe niedersinken;
Sie schmiegen sich an seine Lenden,
Und buhlen um den Giftpokal,
Den Trank des Lebens draus zu trinken;
Sie zücken nach dem Kreuz den Stahl
In aberwitz'gem Triumphiren,
Und ihre blinden Donner hallen,
Und in die üppig schönen Züge
Sie immer tiefer sich verlieren,
Bis sie berauscht an's Herz gefallen
Dem fleischgewordnen Wort der Lüge.

Jetzt wie ein einz'ger Riesenschall,
Aus tausendfacher Stimmen Hall,
Nach allen Winden ausgegossen,
Ist ihm der Menschheit Herz erschlossen.
Doch bang nur tönt der vollste Klang,
Wie er aus schwerer Brust sich hebt,
Und ein versöhnend heller Sang
Nur dann und wann darin verbebt;
Und wo ein Wort zum Kreuz sich schwingt,
Und triumphirend es umsingt,
Hört er den einen heil'gen Ton
Von tausend andern wirr umklungen,
Wie dumpf betäubend Donnerrollen;
Doch singend bis zum Gottesthron
Hat sich der eine Ton geschwungen,
Und machtlos stirbt der andern Grollen.

Und wieder in dem Riesenton
Verstummt allmählich Wort um Wort;
Doch nach dem Apfel fort und fort
Das üpp'ge Weib der Lüge greift,
Und mit dem einen Griff zumal
Sie alle die Geschlechter streift,
Und wie berührt vom Wetterstrahl
Versinken sie, dem Tod geweiht,
In's nimmersatte Grab der Zeit.
Und mit dem einen Griffe wieder
Der Erde Frühling sie durchstreift,
Und all' die Düfte, all' die Lieder,
Und was geblüht, und was gereift,
Der Wälder und der Triften Prangen,
Sie alle sind in's Grab gegangen. –
Da todesbange hat nach Oben
Vom ewigsterbenden Hienieden
Sich Walthers feuchtes Aug' erhoben,
Und er erschaut im alten Glanze,
In unvergänglich heil'gem Frieden,
Die Dreiheit in der Engel Kranze.
Und die zum Kreuze sich gewandt
Hat in der Sel'gen Angesicht,
Nur heil'ger im Verklärungslicht,
Sein Auge wieder All' erkannt;
Und in dem Klang der Himmelslieder
Erkennt er all' die Stimmen wieder,
Die einst dem Kreuz auf Erden klangen,
Und siegend sich zum Himmel schwangen.
Da faßt ihn namenloser Drang,
Vom ew'gen Tod in's ewige Leben,
Vom ew'gen Mißklang dieser Erde,
Ein armer, schwacher Harfenklang,
Zum Gott des Einklangs zu entschweben,
Der auch durch ihn besungen werde.

Und wie er sehnend blickt empor –
Wie schwellen um der Engel Haupt
Die Kränze frisch und voll hervor!
Und immer reicher wird ihr Haar
Vom grünen Blatte jetzt belaubt;
Und jetzt, o sieh', wie wunderbar!
Es sprießt vom ganzen Angesicht
Bis auf die Schultern reich hernieder;
Und matter wird das Himmelslicht,
Und leiser werden jetzt die Lieder,
Und immer reicher, wie in Wellen,
Sieht er das Laub der Kränze schwellen;
Schon wallt's in duftigen Gewinden
Die goldnen Harfen grün entlang,
Und es verstummt ihr heil'ger Klang;
Die Engel selber jetzt verschwinden. –
Und rings am blauen Himmelszelt
Sieht er zu trautem Waldeshang
So thauesfrisch das Laub geschwelt;
Und mitten in dem Blätterbogen
Kömmt mit dem Monde feierlich
Der Hof im Wald herangezogen,
Das Erkerfenster öffnet sich,
Und schlafend in dem Kämmerlein,
Das Haupt verklärt vom Mondenschein,
Vom Nachthauch leis das Haar umweht,
Zum Herzen fromm die Hand gewandt,
Gefaltet noch vom Nachtgebet,
Liegt traumeslächelnd Amaranth.

Da kömmt dem Träumer tiefes Ahnen,
Und er erkennt des Bildes Mahnen,
Versöhnt steht er zur Erde nieder,
Er ist ihr starker Pilger wieder,
Er streckt die Arme nach ihr aus; –
Und er erwacht im Marmorhaus,
Und steht sich sinnend um und um
Ob seinem heil'gen Traumgesicht;
Und wandelt an das Fenster stumm.
Bleich wird der Mond, der Morgen graut,
Und betend in das Knie er bricht,
Und seine Seele fromm und traut
Mit seinem süßen Kinde spricht.


IV.
An Amaranth.

Ziehet hin, ihr lieben stillen Lieder
Zu meiner süßen Amaranth!
In ihrem Herzen laßt euch nieder,
Es ist ja euer Vaterland!

Sagt ihr, ihr seiet kleine Sterne
Vom Himmel, den sie mir geschenkt!
Und zöget her aus weiter Ferne,
zu fragen, ob sie mein gedenkt!


O Amaranth! Dein Walther schaut
Dir in dein schlummernd Angesicht!
Du liegst so still, du lächelst traut!
Mein Auge weint, – ich wehr' es nicht.

Noch einmal will ich dich besehn
Als wie ein sterbend Abendroth;
Dann magst du in der Nacht vergehn,
Die über meinem Haupte droht.


Gewiß, mein Kind, du bliebst mir treu,
Warst Tag und Nacht mein eingedenk!
O Gott! Wie ich mich auf dich freu',
Als wie ein Kind auf's Christgeschenk!

Ja Kind! Mein Christgeschenk du bist,
Bescheert mir von der Hand des Herrn!
Hab' aber auch im heil'gen Christ
Wie einen Engel dich so gern!


Du bist ja auch mein Engel rein
In meines Streites Stunden;
Laß einst auch mich dein Engel sein,
Werd' ich es werth befunden!

Mein ganzes Leben allezeit
Soll dir den Dank bewahren!
In Freud' und Leid, in Ruh' und Streit,
Du wirft es schon erfahren!


O Kind! Du bist so rein und fromm!
Darf sich mein Herz denn zu dir wagen?
Und wenn ich wieder zu dir komm',
Wirst du nicht wieder mir entsagen? –

O sagtest du auch dießmal Nein!
Ich wüßte schon den Platz zum Grabe,
Und auch den Tannenbaum zum Schrein. –
Weißt du, wo ich geküßt dich habe? –


Nein! Bring' mich nicht so jung in's Grab,
Du bringst dich um mein ganzes Leben!
Denn was ich nur im Herzen hab',
Will dir's, mein Kind, zu eigen geben.

Ich hab' die Lieb' so tief erkannt,
Möcht' sie an dir so gern bewähren;
Ich möcht' in dir, o Amaranth!
Den ird'schen Bund so gern verklären!


Ich glaub's gewiß, im Himmelreich
Dort schloß sich unser Bund der Treue;
Drum laß uns lieben, Engeln gleich,
Daß sich auch Gott an uns erfreue!

Und alle Menschen sollen schau'n,
Welch Glück in unserm Hause wohne,
Weil wir's im Glauben auferbau'n,
Beschirmt vom Vater, Geist und Sohne.


Mein Kind! Ich kann mich nicht betrügen:
Wir werden immer glücklich sein;
Und sollt' es einst sich anders fügen,
So tragen wir die Schuld allein.

Denn alles Mißgeschick auf Erden
Nur glücklicher den Bund noch schlingt,
Wenn wir's im Glauben tragen werden,
Und Jedes gern sein Opfer bringt.


Laß nie uns zu einander sagen:
Hätt' ich nur meine Last allein,
Nicht auch die deine mitzutragen,
Ich wollt für mich schon glücklich sein!

Denn unsre Freuden, unsre Leiden
Sind Eins, wie unser Leib und Herz;
Unmöglich ist zu unterscheiden,
Wem grad' die Freud', wem grad' der Schmerz.


Wir werden Beide manchmal fehlen,
Drum lerne zu verzeihn, mein Kind!
laß uns einander nie verhehlen:
Daß auch wir Beide Menschen sind!


Mein Kind! Ich kann dir sagen kaum,
Welch großen Bund wir schließen werden;
Er ist kein flücht'ger Liebestraum;
O er ist ernst, wie Nichts auf Erden.

Er macht die Welt zum Himmelreich,
Wenn wir uns fromm und treu erfassen;
Er macht das Leben höllengleich,
Wenn Treu' und Glauben wir verlassen!


O drum laß ja recht treu und fromm
Einander uns erkennen;
Daß Eins zum Andern wiederkomm',
Wenn uns der Tod muß trennen.

Das Leben ist kein Paradies!
Laß uns dazu es machen!
Doch preisen, wer's von uns verließ,
Noch schöner zu erwachen!


Wie wollten wir die kurze Zeit
Einander auch verbittern?
Wir müßten ja die Ewigkeit
Vor'm Herrn der Liebe zittern!

Und dort in der Verklärten Schaar
Erst recht wir glücklich werden.
O drum mein Engelskind, nicht wahr?
Wir lieben uns auf Erden!


Du bist gehorsam mir dem Herrn;
Ich bin dein Hort im Leben;
Ich bin auch dir, als Herrin, gern,
Du meine Magd, ergeben.


Du bist die Hausfrau schlicht und recht,
Versorgst mein Haus mit treuer Hand!
Ich bin des Kaisers stolzer Knecht,
Mein Arm versorgt das Vaterland!

Ich hol' den Lorbeer mir vom Streit,
Und deine Hand zum Kranz ihn flicht!
Du hältst die Siegesruh' bereit,
Singst mir von Helden ein Gedicht!


O Kind! Mein deutsches Vaterland,
'S ist mein und dein! O halt' es lieb!
Und leihst du ihm nicht starke Hand,
So doch ein starkes Herz ihm gieb!

Wie könntest sonst du freudiglich
Mir reichen die geschliffne Wehr?
Wie könntest sonst du trösten dich,
Wenn nimmer käm' die Wiederkehr?


Ja! Stark laß uns in Lieb' umfassen!
Der aus den Himmeln niederstieg,
Verhöhnt am Kreuze zu erblassen,
Auch Er war stark bis in den Sieg.

Und doch die höchste Lieb' und Milde,
Wie nie ein Mensch sie noch ersann!
Laß folgen uns des Heilands Bilde,
Wie unser schwaches Herz es kann!


Wenn bräutlich um dein weiches Haar
Der Myrthe keusches Reis wird sprießen,
Soll deine Stirne unsichtbar
Ein Helm von hartem Stahl umschließen!

Und wenn du wirst zum Hochzeitgang
Den Gürtel um die Lende winden,
Soll dir der Herr für's Lebenlang
Von Himmelserz sein Schwert umbinden!


So starkbewehrt tritt in das Leben,
Doch mir vertrau' ein wehrlos Kind!
Und nie wirst du vor'm Schicksal beben,
So schwer auch seine Streiche sind.

Und für den Glauben laß uns fechten,
Voll Großmuth lächeln auf den Spott!
Und mit dem Laster laß uns rechten!
Und unser Wahlspruch, der sei Gott!


Ich würd' es gern dir anders sagen,
Mich schmerzt um dich mein rauhes Wort,
Wenn's Herz der Welt würd' anders schlagen;
Denn ich will sein dein wahrer Hort.

Ich will dich nicht in Träume wiegen;
Was frommt der Traum, der doch zerrinnt?
Wer sich nicht rüstet zum Besiegen,
Auch nimmermehr den Sieg gewinnt.


Doch Kind! Sei du nur froh und still!
Du hast ja mich! Ich bleib' dir gut;
Und ganz dein Wald ich werden will
Mit seiner alten, treuen Hut.

Du kannst an meines Herzens Baum
Manch blühendfrisches Reis dir brechen;
Kannst mit den Vöglein trauter kaum,
Als wie mit deinem Walther sprechen!


Fahr wohl, mein Kind, mein Lied ist aus,
Vielleicht daß es mein letztes war!
Fahr wohl, du und dein Waldeshaus!
Ich geh' noch heut zum Traualtar.

Ihr stillen Lieder, die ich sang,
Ich schließ' euch wieder in mich ein;
Ihr meines Traumes letzter Klang!
Der Himmel mög' mir gnädig sein!



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