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Der Abschied.

I.
Im Keller.

Heisa! Das ist am frühsten Tag
Im Kellerbauch ein Zechgelag!
Da nisten rings beim Morgentrank
Um's Faß, – ein Fäßlein statt der Bank, –
Im Ampelschein die wackern Kämpen,
Das Lederwamms vom Hieb zerfetzt,
Den Filz gar keck auf's Ohr gesetzt
Mit luftig aufgestülpten Krämpen.
Der Becher schäumt, der Becher klirrt,
Jedweder ist sein eigner Wirth,
Der Hausherr gab den Spunden frei;
Hier fällt ein Würfel, dort ein Fluch,
Und mittendrein ein lustiger Spruch,
Gelächter, Zank und Sang – juchhei!

Jetzt thut im Ton der Diplomaten
Der Kriegscongreß, vom Wein erleuchtet,
Des Reiches Wohl und Weh berathen;
Und mit gestemmten Ellenbogen,
Den Bart mit süßem Schaum befeuchtet,
Die Brau' zur ernsten Falt' verzogen,
Die Backen wichtig aufgeschwellt,
Wird ihm sein Heroskop gestellt.

Der Präses ist ein schlauer Gauch,
So Einer von der ächten Sorte,
Mit rother Nas' und fettem Bauch,
Und grauen Aeuglein, enggeschlitzt,
Und prahlt in hochgetragnem Worte,
Daß staunend jedes Ohr sich spitzt.
Der schlägt gelahrt Tractate vor,
Läßt aller Reiche Würfel fallen;
Und kitzelt er einmal ihr Ohr,
Und trifft den Nagel auf den Kopf,
Da gellt ihr Beifall durch die Hallen;
Der Weinkrug ist der Tintentopf,
Der Federstrich – ein Schlag der Faust,
Die heisre Gurgel frisch begossen –
Und das Tractat ist abgeschlossen.

Drauf wird gemordet und gehaust
Im aufgestiegnen Schlachtentraum,
Wie er die Bilder borgt vom Wein;
Und auf die Tische hau'n sie ein;
Sie wittern Blut im Rebenschaum,
Der aus dem Faß zum Estrich gährt.
Von Keinem wird Pardon gewährt;
Hei, wie des Siegs Trumpeten hallen!
Die Feinde all', sie sind gefallen,
Von Freunden bleibt kein Mann zurück,
In Säcken kömmt das Gold nach Haus,
Auf jedem Helm ein grüner Strauß –
Das nenn' ich deutsches Reiterglück!

Sieh' nur, im tiefsten Winkel dort
Das Milchgesicht im Gänseflaum!
Das redet nicht ein einzig Wort,
Bald fühlt es Schweiß, und wieder Frost,
und bitter mundet ihm der Most.
Der denkt wohl an den sel'gen Traum,
Wie er dereinst an Wintertagen
Ein liebes Söhnlein, warm gehegt
Im Sorgenstuhl der guten Muhme,
Die Heldenchronik aufgeschlagen,
Und ihre Thaten ausgelegt,
Sich spiegelnd in der Helden Ruhme,
Daß Alles hing an seiner Lippe;
Dieweil Mama den Topf gescheuert
Am heimlich knisternden Kamin,
Und er, vom Reiserbrand entfeuert,
Der hochprophet'schen Basensippe
Ein zweiter, junger Siegfried schien.

»Da guckt das Milchgesicht nur an!
Bist du denn auch ein Kriegscumpan?
Da stoß mit an, und trinke zu,
Verhätschelt Muttersöhnchen, du!
Sonst leg' dich heim in Federflaum,
Leg' Schwert dazu, und Sporn und Zaum,
Und drauf ruf deine Base dir,
Sie sing' in Schlaf euch alle Vier!«

Heisa! Jetzt spielt der blinde Pfeifer
Vom Faß herab den neusten Schleifer.
Die Mägde an dem Thore stehn,
Und kichernd nach den Burschen sehn,
Will keine grad' zuerst hinein,
Möcht' jede doch beim Tanze sein.
Da hat das Zieren bald ein Ende,
Es faßt der derbe Knappenarm
Das Schätzlein kurzweg um die Lende,
Und trägt es in den Reigenschwarm.
Das hebt und dreht sich pfeilgeschwind,
Wie Herbsteslaub im Wirbelwind.
Wie glüht im Aug' die Tanzeslust!
Wie fliegt der Rock! Wie wogt die Brust!

Die Alten bleiben bei den Krügen,
Und schauen in behäb'ger Ruh'
Dem losen, jungen Volke zu
Mit stillem, schmunzelndem Vergnügen.
Drauf durch den hohlen Kellergang
Erschallt ihr voller Kraftgesang
Zu Rothbarts und des Reiches Lobe;
Und Mancher leert den vollen Krug
Auf ihr Gedeihn in einem Zug
Bis auf der Neige Nagelprobe.
Das ist ein Klirren und ein Lärmen!
Das ist ein Zechen und ein Schwärmen!
Das ist ein Wirbeln und ein Schweben!
Heisa, du lustig Reiterleben!


II.
Unterm Burgthor.

Und im dunkeln Burgthor droben
Sitzt im Frühlingssonnenschein,
Epheugrün das Haupt umwoben,
Stumm des Wärters Töchterlein.
Ihr genüber an der Mauer
Lehnt des Vogtes schmucker Knab',
Senkt sein trübes Aug' voll Trauer
Auf sein funkelnd Schwert hinab.

Keins kann weinen, Keins kann sprechen,
Starren in die Welt hinein;
Und das Herz möch Jedem brechen,
Möchten wohl gestorben sein.
Scheu sich da ihr Auge findet,
Und sie schauen tief sich an,
Bis die Thräne sich entwindet,
Und das Herz ist aufgethan.

Und herüber sacht er schreitet,
Beugt vor ihrem Schoos das Knie,
Hat den Arm um sie gebreitet,
Senkt sich küssend über sie.
Und der Epheu hält umfangen
Ihre Häupter reich zumal;
Eins von Locken weich umhangen,
Eins im Helm von blankem Stahl.

Und sie beugt sich fromm zur Seite,
Preßt des Knaben Schwert an's Herz,
Drückt zur sichern Wehr im Streite
Keuschen Kuß auf's kalte Erz.
Drauf des Mägdleins Hand ergreifet
Für das letzte Mal ihr Knab',
Und ein Ringlein dran er streifet,
So für's Leben, so für's Grab.

»Du sollst dieß Ringlein tragen,
Zum Pfand, daß ich dich lieb';
Mein Herz soll nimmer sagen:
Den Ring mir wiedergieb!«

»Und willst auch du mir wahren
Dein Herz in treuer Wacht,
Dann sollst du einst erfahren,
Wie Treue glücklich macht.«

»Doch wenn im Streit ich bliebe,
Zerspring' des Ringleins Gold;
Dann denk in frommer Liebe,
Daß Gott es so gewollt.«

»Ob's Ringlein auch zerspringet,
Verzage darum nicht!
Der Himmel wieder schlinget,
Was auf der Erde bricht!«


III.
In der Kapelle.

Vollendet ist die Messe, der Priester im Talare
Den heil'gen Segen spendet, und wandelt vom Altare.

Jung Walther kniet im Stuhle, die Mutter ihm zur Linken;
Zur letzten, tiefen Andacht die Beiden stumm versinken.

Da wogt herauf zum Hofe der Reiter wirr Gedränge;
Es wiehern ihre Rosse, es klirrt ihr Wehrgehänge.

Hell schmettert durch den Morgen der Hörnerruf zum Reiten,
Und rasch zur Mähne greifend sie in den Bügel gleiten.

Jung Walther sieht die Mutter erschrecken und erblassen,
Er neigt sich zu ihr über, sie scheidend zu umfassen.

Ihm quillt aus blankem Helme die weiche dunkle Locke,
Von Erz der schlichte Harnisch blitzt unterm Waffenrocke;

Das Schwert des todten Vaters umgürtet seine Lende;
Auf's Haupt, zur Erd' gebogen, die Mutter legt die Hände,

Und senket ihre Augen von Wehmuth in die seinen,
Es ringt ihr Mund um's Lächeln, ihr Auge kann nur weinen.

»An meiner Liebe Borne trankst du des Lebens Morgen,
Ich hab' in deine Seele mein ganzes Sein geborgen.«

»Mit unsichtbaren Fäden bin ich mit dir verkettet,
Hab' alle meine Freuden in deine Brust gebettet.«

»Du bist der Lenz der Rosen, die mir das Herz umflochten!
Du Sonne meiner Tage, du Stern in meinen Nächten!«

»Und nun von all dem sel'gen, mir überbliebnen Glücke
Bringt mir vielleicht ein Wandrer den Namen nur zurücke,«

»Und nennt mir noch die Stätte, wo bleich du hingesunken,
Und bringt mir eine Blume, die noch dein Blut getrunken. –«

Da fällt ihr eine Thräne auf's Schwert des todten Gatten,
Und aus dem Grabe steiget sein theurer Heldenschatten.

Und all' die welken Blumen, all' die erloschnen Sonnen
Vor ihre Seele tauchen aus der Erinnrung Bronnen.

Vom Geist des Vaterlandes fühlt sie das Herz durchschauert,
Das deutsche Weib frohlocket, ob auch die Mutter trauert.

Hoch über Gram und Thränen hat sich ihr Muth geschwungen,
Und eine deutsche Mutter hält ihren Sohn umschlungen:

»Zieh' hin, in Gottes Namen, zum Sterben oder Leben!
Mein Vaterland! Ich hab' mich in dein Gebot ergeben!«

»Wo wären deine Helden, wenn feig die Mütter wären?
Ich will auf Gott vertrauen! Mein Auge laß die Zähren!«



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