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Gondelfahrt.

Der See ist ganz mit sich allein,
Ihn überkömmt das Schlafen;
Ihn sang verhallend der Reigen ein
Vom Schlosse her des Grafen.
In einem kühlen Bett er liegt,
Hat nimmer seines Gleichen;
Kein Königskind ist so gewiegt
In all der Erde Reichen.

Die Ammen sind das Felsgestein,
Viel hohe Frau'ngestalten;
Die beugen sich zu ihm hinein,
Die betend sein Haupt umhalten;
Dort lehnen Zwei halbeingenickt,
Umschlungen zu minnigem Paare,
Doch ewig wach die Alte blickt,
Fernüber mit schneeigem Haare.

Wohl treuer nimmer Mütter sind,
Als solche Wartefrauen;
Sie alle nur im fremden Kind
Ihr eignes Bildniß schauen;
Sie nehmen den Sammt vom eignen Kleid,
Damit das seine zu schmücken,
Des eignen Hauptes Laubgeschmeid'
Auf seine Stirn sie drücken.

Doch auch der Himmel schmückt sein Bett,
Er giebt ihm all sein Prangen
Den Mond, als himmlisch Amulett,
Hat er ihm umgehangen;
Sein blaues Friedensparadies
Hält schirmend ihn umbogen,
Ihm haben die Sterne ihr goldnes Vließ
Verklärend angezogen.

Und erst die Nacht, die singt ihn ein
Mit ihren Wiegengesängen;
Längs hin am Strand in Kluft und Stein
Die luft'gen Harfen hängen;
Sie rauschen aus Cypressen bald
Wie alte Heldensagen,
Bald flüstern sie im Lorbeerwald
Wie sehnend Liebesklagen.

Und drüben am Strand, im bleichen Licht,
Durch's Dunkel der Oliven
Des Schlosses weißer Giebel bricht,
Wie Eis aus Meerestiefen;
Von seiner Herrin träumt der See,
Sie käme bald gefahren,
Und kräuselnd spielt' der Finger Schnee
In seinen schimmernden Haaren.

Und wogend die feuchte Brust sich hebt,
Ihm kömmt ein selig Ahnen;
Der Kranz auf seinen Locken bebt,
Da rauscht's in den Platanen, –
Und schaukelnd und plätschernd mit reizender Tracht
Die Gondeln vom Strande stoßen;
Es klingen die Lauten, es glühn in die Nacht
Die Ampeln wie Lilien und Rosen.

Und in der reichsten Gondel ruht
Das Paar auf sammtenen Sitzen,
Am Baldachin voll Purpurgluth
Die lichten Franzen blitzen;
Der Edelknab' ist Gondelier,
Gar stolz hinausgebogen;
Ihn grüßt in schwanker Reiherzier
Sein Antlitz aus den Wogen.

Wohl geht ein Flüstern leis ringsum,
Ein Biegen und ein Senken;
Das Brautpaar nur allein ist stumm,
Es hat wohl viel zu denken;
Es senkt das Haupt der Bräutigam,
Dreht spielend an seinem Ringe,
Sie starrt hinaus, sie knüpft voll Schaam
Das Gürtelband zur Schlinge.

Da hat sie von der Gondel Kiel
Die Harfe herauf gezogen,
Drückt fest an's Herz das goldne Spiel,
Vom nackten Arm umbogen;
Und zitternd Klang um Klang sie weckt,
Sie sollen mit ihr klagen;
Herr Walther fest den Ring sich steckt,
Sein Aug' ist aufgeschlagen.

Sie lehnt vom Fackelschein umflammt,
Das Haar im Nachtwind lose;
Aus ihrer Wange bleichem Sammt
Taucht eine matte Rose;
Ihr leuchtend Auge starrt ihn an,
Wie eine stumme Klage:
Was hab' ich dir zu Leid gethan?
Gieb Antwort meiner Frage!

Herr Walther biegt zu ihr heran
Von dem geschwellten Pfühle,
Ihm ist, als ob geheim den Kahn
Zum tiefsten Grund es spühle;
Und ohne daß sein Herz es denkt,
Reicht er die Hand hinüber,
Und wieder sich sein Antlitz senkt,
Die Locken quellen drüber.

Sie läßt, des liebsten Hand im Schoos,
Die Harfe wieder hallen;
Es brechen ihr die Thränen los,
Auf seine Hand sie fallen;
Die zuckt, als fiel es brennend drauf,
Sie spürt's durch alle Glieder;
Er hebt das Haupt vom Schwertesknauf,
Legt ihr den Arm um's Mieder.

Da hebt, umfaßt von seinem Arm,
Sie singend an zu klagen,
Sie blickt ihn an in reizendem Harm,
Er kann es kaum ertragen;
Als wär' mit der verschleierten Nacht
Sie im geheimen Bunde,
Durchkreist ihr Aug' mit trügender Macht
Der Wasser stumme Runde:

»Ahnst du, mein Lieb, den Geist der Welt?
Er kömmt einhergezogen,
Herab vom höchsten Sternenzelt
Bis zu den tiefsten Wogen.
Er stieg hervor aus der Natur,
Darin er aufgegangen –«
Was hält sein Arm so zitternd nur
Das Herz der Braut umfangen?

»Die Berge spüren seinen Hauch,
Er flüstert rings im Riede;
Cypressenkron' und Myrthenstrauch
Durchströmt er in lispelndem Liede. –«
O Walther es grüßt dich am Himmel dort
Wie deiner Mutter Züge!
Es weht um dich ihr frommes Wort:
Kind! Glaube nicht der Lüge!

»In meinem Garten auf sein Geheiß
Beginnen die Rosen zu springen,
Von ihm gelehrt im Lorbeerreis
Die Nachtigallen singen. –«
»»O Amaranth, was weinest du,
Kniest betend vor dem Bette?
Was nickst du mir so schmerzlich zu,
Als ob ich nicht lieb dich hätte? –««

»Mir selber ist sein Odem nah',
Wie bin ich von Schauern durchronnen!
Mein Lieb! Auch wir entflossen ja
Zwei Tropfen vom ewigen Bronnen! – –«
Da stockt ihr Odem, ihr Lied, es bricht,
Wie von geheimen Gewalten;
Sie sinkt zurück, auf's Angesicht
Muß sie die Hände halten.

Herr Walther bricht vor ihr in's Knie,
So heiß und so erkaltet,
Er beugt sich zitternd über sie,
Die Hand er ihr entfaltet;
Er muß ihr an die Lippe roth
Zu langem Kusse sinken;
Ihm ist, als tränk' er dran den Tod,
Und doch! Er muß ihn trinken.



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