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Liebesrast

I.

Sie schau'n zur duft'gen Fluth hinein,
Um ihren Fuß spielt weißer Schaum;
Des Abendsternes milder Schein
Bricht zitternd durch den Mandelbaum.

Herrn Walther's Hand im Schoos ihr liegt,
Sein Auge hängt am Himmelsgrund;
Ghismonda sich hinüber biegt,
Herr Walther küßt ihr Stirn und Mund.

Und in dem dunkeln Schwarzwald fern,
Hinausgelehnt zum Kämmerlein,
Schaut trauernd nach demselben Stern
Ein armes Kind, und denket sein.


II.
Berg und See.

Walther und Ghismonda.

» Du bist mein See, so klar und kühl,
Den meine Seele stumm belauscht,
Wenn deiner Woge feuchter Pfühl
Von heimlichtiefen Liedern rauscht!«

»»Du bist mein Berg im grünen Kranz,
An deinem Arm so wohl sich's ruht;
Von deiner Stirne quillt der Glanz
Des goldnen Lichts in meine Fluth!««

»Du bist mein Spiegel ewigklar,
Darin sich schaut mein Angesicht,
Wenn in mein lenzgeschmüdtes Haar
Das Abendlicht die Rosen flicht!«

»»Du bist mein Brautkranz lichtgetränkt,
Der mir die dunkle locke klärt,
Und leuchtend sich zur Tiefe senkt,
Und drunten meine Perlen nährt!««

»O könn ich nieder zu dir schweben,
In deinem Kuß die Stirne kühlen!«
»»O könnt ich auf zu dir mich heben,
Wie wollt ich kosend dich umspühlen!««

»Ich schweb' im Schatten zu dir nieder!«
»»Wie sollst du ruhn im feuchten Arm!««
»Dein Kuß wie kühl! Wie süß die Lieder!«
»»Dein leuchtend Haupt! Wie wohl und warm!««

»Und ewig nah' und ewig ferne
Vereinigt uns des Lichts Gedanke;
Im Sonnentag, im Traum der Sterne –
Und treue Lieb' hat keine Schranke!«



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