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Gasteslied.

Sitzen im Altan beim Becher,
Am Gelände, rebenfrisch,
Wirth und Gast, versöhnte Zecher,
Und die Laute lehnt am Tisch.
In den dunkeln Stauden singen
Amselstimmen flötenklar,
Würzig spielt die Luft im Haar;
Wie da hell die Becher klingen!

Amaranth mit vollen Kannen
Tritt verschämt auf den Altan,
Will sich schleichen sacht von dannen,
Kömmt ihr süß ein Zittern an.
Doch der Vater zieht im Gehen
Sie herab in seinen Schoos,
Und sie läßt halb willenlos,
Halb sich sträubend es geschehen.

Drauf um Walthers Schulter schlinget
Traut der Wirth das Lautenband:
»Alter Sitte treu mir singet
Nun von Fahrt und Vaterland!«
Und Jung Walther sinnt auf Lieder,
Und sein Blick wird frei und warm.
Hingelehnt zum Vaterarm
Schlägt sie bang das Auge nieder.

Und er singt vom Neckarstrande,
Dran sein Schloß und Ahnengut,
Singt, wie im gelobten Lande
Längst im Grab der Vater ruht;
Preist die frömmste deutscher Frauen,
Seine Mutter treu und zart,
Die ihn segnete zur Fahrt
In die Fremde welscher Gauen;

Singet von der Väter Eide,
Von der Braut, – und zwiefach sprang,
Wie von einer jähen Schneide,
Still ein Herze, schrill ein Strang.
Und ihm bleibt die Stimme stocken,
Scheu sieht Amaranth er an;
Und ihm klagt, was er gethan,
Ihr Gesicht, zum Tod erschrocken.

Und er sieht hinaus sie wanken,
Heiß ihm brennen Herz und Mund;
Stumm in reuigen Gedanken
Starrt er in des Bechers Grund.
Doch sein Wirth läßt ihn nicht sinnen,
Frisch zum Brauttrunk er ihn mahnt;
Hat sein Herz doch Nichts geahnt
Von des eignen Kindes Minnen.

Und er folgt des Wirthes Rede,
Schenkt sich ein, der Braut zum Heil;
Doch sein Herz liegt in der Fehde,
Hat am Trunk gar kargen Theil.
Ihm zu Häupten in der Kammer,
Zu der Jungfrau Bild gewandt,
Kniet in Thränen Amaranth,
Ganz allein mit ihrem Jammer.



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