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Der erste Harfenstein.


Einem geliebten Freunde.

Wir haben Viel gesprochen
In jungem Liedesmuth,
Wo plätschernd sich gebrochen
Die mächt'ge Rheinesfluth.

Und unter alten Eichen,
Da machten einst wir Rast;
Wir luden aus allen Reichen
Die Sänger her zu Gast.

Sie lehnten rings im Moose,
In reicher Tracht und Wehr,
Der Harfen Gold im Schooße,
Gestalten, kühn und hehr.

Der trug gar froh und minnig
Ein Röslein angesteckt;
Des Andern Hand war sinnig
Auf Pergament gestreckt.

Deß Aug' wie Blitze sprühte,
Er lehnt auf Schwert und Schild;
Deß Angesicht entglühte
Von holdem Märchenbild.

Da hab' an süßem Borne
Ich bald mein Herz geletzt;
Hab' bald im Schlachtenzorne
Ein sterbend Roß gehetzt.

Bald sah ich auf den Bergen
Erstehn der Schlösser Pracht;
Bald hört' ich von den Zwergen
Den Schlag im goldnen Schacht.

In wundersamer Mähre
Die Minne zu mir sprach,
Daß eine stille Zähre
Mir in das Auge brach.

Es priesen hohe Laute
Der Völker irdisch Heil;
Die Freiheit ich erschaute,
Bald ächt, bald falsch und feil.

Sah sie im Tempel beten,
Ein strahlend Himmelsweib;
Begeisterte Propheten
Umknieten ihren Leib;

Sie trug um's Herz geschlungen
Des Kreuzes heil'ge Zier,
Und vor ihr lag bezwungen
Der Lüge Schlangenthier.

Sah über'n Markt sie fahren,
Mit Fahnen rothgeschmückt,
Umjauchzt von wilden Schaaren,
Die hoch den Dolch gezückt;

Und an des Wagens Speichen,
Da schleiften, staubbefleckt,
Vom Wahn zerfleischte Leichen,
Trophäen, schmachbedeckt.

Doch Einem nur, nur Einem,
Der Aller Herr und Hort,
Erklang von Keinem, Keinem
Ein hohes, preisend Wort.

Ja, von dem ew'gen Sohne,
Dem Herrn des Klangs und Lichts,
Sang nur ihr Lied zum Hohne,
Zum Preiße hört' ich nichts.

Der doch mit hellen Saiten
Bezogen hat ihr Herz,
Der doch zum Sieg im Streiten
Geschmiedet hat ihr Erz. –

Es höhnten ihre Harfen
Des Glaubens Paradies,
Und tiefer nur sie warfen,
Die Welt in's Trugverließ.

Denn was dem ärmsten Kinde
Die fromme Einfalt lehrt,
Ward durch des Stolzes Binde
Dem Bardenblick verwehrt. –

Und geisterhaft entschwebten
Die Sänger über'n Strom;
Die Vesperglocken bebten
Im fernen Kaiserdom.

Es glühten seine Zinnen
Im Abendsonnenbrand,
Du fuhrst aus langem Sinnen,
Und faßtest mir die Hand:

»O daß ein Dom erstände,
So luftig und so schlank!
Aus Harfen seine Wände,
Durchblitzt von Schwertern blank!«

»Und es entstieg' den Gängen
Das Kreuz in goldner Pracht;
Die Harfen es umsängen,
Die Schwerter hielten Wacht.«

»Und käm' mit Sturm und Flammen
Der Feind dem Kreuz genaht:
Die Schwerter schlügen zusammen,
Und mahnten hell zur That!«

»Und zögen her die Streiter
Zu fechten gen den Wahn,
Dann hüb' die Harfenleiter
Ihr heilig Kampflied an.«

»Doch wie sie auch durchsaus'te
Der grimme Feindessturm,
Von Liebe nur sie braus'te
Vom Grundstein bis zum Thurm.«

»Dann glänzt im Sonnenscheine
Der Regenbogen mild;
Die streitende Gemeine,
Sie senkte Schwert und Schild.«

»Und von des Kreuzes Liebe
Bezwungen wär' der Feind;
Zu Küssen würden Hiebe,
Statt Blutes würd' geweint!«

»O! Wer es wollte wagen,
Zu bau'n den ersten Stein!« –
Da sahst in stummem Fragen
Du mir in's Aug' hinein.

Und rasch war mein Versprechen,
Begeistert schlug ich ein:
»Mit Gott! Ich will ihn brechen
Den ersten Harfenstein

Und siehe! Zum Bedarfe
Des Fundaments zumal,
Da liegt die erste Harfe,
Da liegt der erste Stahl! –

Zum Bau, zum Bau Gesellen,
Erkennt der Zeit Gebot!
Laßt Harf' auf Harfe stellen,
Der Welt thun Harfen Noth!

Als aberwitz'ge Streiter
Ergreifen sie die Wehr,
Den ew'gen Völkerleiter,
Sie kennen ihn nicht mehr.

Sie schämen sich zu flehen
Um den allmächt'gen Schutz;
Den Tempel sie umgehen
In blindem Knabentrutz.

Und mit des Dünkels Kellen
Bau'n sie zum eignen Hohn,
Verwirrte Baugesellen,
Am Thurm von Babylon.

Wohl kündet die Fanfare
Der Freiheit Siegesstein;
Doch kein gestürzter Lare
Will ihm der Sockel sein.

Aus Reden und aus Lettern
Steigt nicht das heil'ge Weib;
Der Sieg aus blut'gen Wettern
Zeugt nur den todten Leib: –

Drum wie auch Stürme wehten,
Wie auch entstieg das Licht, –
Es sind nur die Propheten,
Doch der Messias nicht.

Erst muß zu vollen Aehren
Des Herren Saatkorn blühn,
Und reiner auf Altären
Des Opfers Kerze glühn.

Erst muß im Tempelgange
Die Hoffnung harrend knie'n,
Erst muß am Glockenstrange
Die Hand der Demuth zieh'n.

Erst steig' aus krankem Moose,
Aus Distelkraut und Stein
Der Liebe duft'ge Rose,
Der Sitte Lilie rein.

Erst müssen neue Lieder
Der Menschheit Herz durchwehn,
Und müssen auf und nieder
Durch alle Lande gehn.

Auf denn, und habt Vertrauen!
Tragt Harfe bei und Wehr!
Laßt mich allein nicht bauen,
Es ist das Werk zu schwer.

So segne Gott die Schule!
Die Schüler lud ich ein;
Doch nicht vom Meisterstuhle,
Will selber Schüler sein.

Der thront im Reich der Geister,
Der unser Meister ist,
Der ew'ge Herr und Meister,
Der Heiland Jesus Christ.
Weihnachten 1848.



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