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Der Sängerstreit.

Es schweigt der Provençale
Gelagert an dem Taxusrain;
Ihn labt aus goldner Schale
Des Edelknaben Cyperwein;
Und rings geschaart im Rasenrund
Ruht stumm der Gäste Zahl;
Noch hängt ihr Aug' am Sängermund,
Er sang vom heil'gen Graal.

Und reizend hingegossen
Am Myrthenstrauche lehnt die Braut;
Traut Hand in Hand geschlossen
Herr Walther trunken sie beschaut;
Wohl manches Aug' blickt neidig drum
Zum Gast aus fremdem Land;
»Sie ist mein eigen!« jauchzt er stumm,
Drückt heißer ihr die Hand.

Da bricht von der Citrone
Ob ihrem Haupt die Braut ein Reis;
Und flicht es rasch zur Krone,
Sie sei des besten Liedes Preis!
Und Jeder will ein Sänger sein,
Zum Kranz jed' Auge blitzt;
Der Troubadour lehnt still allein,
Und lächelt fast verschmitzt.

Springt auf, und greift zur Cyther
Der lockre Veronese dreist;
In schäb'gem Sammt voll Flitter,
Die Wange funkelt weinigtfeist;
Er singt's dem Becher, singt's dem Spiel,
Schaut nach dem Kranz sich um;
Ihm klatschen wohl der Zecher viel,
Die Frauen bleiben stumm.

Drauf von San Marco's Staate,
Die Faust gestemmt zur reichen Wehr,
Im schillernden Brocate
Der Dogenjunker prunkt einher;
Er singt's dem Tod für's Vaterland,
Wohl jedes Auge glänzt;
Ihm winkt wohl manche weiße Hand,
Doch keine ihn bekränzt.

Der Liederfehde Schranken
Der Provençale jetzt betritt;
Zwei luft'ge Federn schwanken
Am Krämpenhut von keckem Schnitt;
Stolz sagt sein bleiches Angesicht:
Mein ist der Sängerpreis!
Und flüsternd Eins zum Andern spricht,
Und enger wird der Kreis.

Er greift zur Mandoline;
Wie draus der erste Klang verbebt,
Verklärt sich seine Miene,
Wie zum Gebet sein Aug' sich hebt;
Er singt's der Minne, singt's dem Kuß,
Der Frauen Zähre thaut;
Zum Kranz sein Haupt er neigen muß,
Und Beifall preist ihn laut.

Horch! Zinken drein und Pfeifen!
Leer wird's am Rasen und Boskett;
Die Edelpagen schweifen
Ringsum mit Maitrank und Sorbett;
Und sie kredenzen im Kristall,
Manch Haupt nickt holden Dank;
Der Schalksnarr kömmt mit Reif und Ball
Und ordnet Spiel und Schwank.

Doch zwei, die gehn verlegen
Durch der Orangen Laubengang,
Auf liebgeheimen Wegen
Hinunter den Kastanienhang;
Und wandeln längs des Seees Ried,
Und reden nicht ein Wort;
Des Provençalen Meisterlied,
Sie hören's fort und fort.

Und immer ferner hallen
Der Gäste Scherz und Tanz und Sang;
Und immer trauter wallen
Die zwei die grüne Bucht entlang;
Ein heil'ger Abendfrieden weht
Vom kühlen Seee her;
Die Nachtluft, die im Schilfe geht,
Sie hören sie nicht mehr. –



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