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Der Probetag.

I.

Und Morgens ist's, und still ringsum;
Es sitzt Herr Walther und Ghismunde
Im Laube der Orangen stumm
Am Seeesstrand auf der Rotunde;
Leis spielt der Wind um Blatt und Dolde,
Es schwillt und reift die junge Frucht;
Die Sonne schwimmt, ein Kahn von Golde,
In spiegelklarer blauer Bucht.

Im Schoos der Braut die Harfe liegt,
Noch geht ein Zittern durch die Saiten;
Da läßt halb lässig hingeschmiegt
Sie leicht ihr Haupt an seines gleiten;
Und in des Morgenschleiers Reizen,
Der niederfliegt zum Silberschuh,
Umgarnend mit des Blickes Geizen,
Spielt sie verschämt die Hand ihm zu.

Herr Walther selber sich nicht kennt,
Denn wie ihm auch in frischen Narben
Von gestern noch die Wunde brennt,
Er läßt an Lieb' sie nimmer darben, –
So kömmt's ihn an, wie tief Erbarmen;
Vergebend er in's Aug' ihr schaut,
Und fest umstrickt von weichen Armen
Zieht er an's Herz die hohe Braut.

Jetzt ihres Aug's verhaltne Macht
In seines üppig sie verschwendet;
Wie Vollmondlicht zur Sommernacht
Sein trunknes Herz es schwellt und blendet;
Und wie sie küssend ihn umbogen,
Ist ihm, als spühlten, Mund an Mund,
Sie mählig warme, weiche Wogen
In lichtdurchströmten Wassergrund.

Und drunten trägt ein armer Kahn
Durch's feuchte, schaukelnde Geleise
Zwei Pilger an das Land heran,
Sie wallen eine gläubige Reise;
Und an der Ahne Hand, erblindet
Der Enkel steigt zur Felsenbank;
Der Schiffer seinen Nachen bindet,
Und nimmt zum Lohne gern den Dank.

Das Mütterlein das Paar erblickt,
Und leis heißt sie den Knaben warten;
Der hat ihr traulich zugenickt,
Und harrt am Steine vor dem Garten.
Sie steigt verzagend zur Terrasse,
Und zu Ghismundens Fuß sie kniet,
Daß küssend sie das Kleid erfasse,
Da flehend sie in's Aug' ihr sieht.

Sie aber kalt die Hand ihr wehrt,
Den Schleier vor dem Kuß zu wahren:
»Bei meinen Mägden Euch begehrt!
Ich will das Betteln Euch ersparen.«
Die Alte läßt erschreckt vom Saume,
Die Gräfin nach der Schleppe greift;
Herr Walther fährt aus seinem Traume,
Das Herz von eis'ger Hand gestreift.

Er faßt sich rasch, löst ihr vom Kleid
Der Busenschärpe Perlennadel,
Und sieht sie an in herbem Leid,
Und sagt zu ihr mit mildem Tadel:
»Ghismonda, komm! laß dich erweichen!
Dem Mütterlein die Nadel gieb!
Die Armen auch sind deinesgleichen,
Du thust's in ihr dem Herrn zulieb!«

Doch herrisch sie sich rasch erhebt,
Entreißt gebrüstet ihm die Nadel;
Vor Zorn und Schaam die Lippe bebt:
»Und ehrt Ihr so den welschen Adel? –«
Herr Walther sieht mit kaltem Schweigen,
Wie sie den Weg zur Halle nimmt;
Zwei Thränen in sein Auge steigen,
Und Schloß und Braut darin verschwimmt.

Und vor ihm steht sie eiseskalt,
Ein kunstgemeiselter Pilaster;
Wohl eine reizende Gestalt,
Doch Haupt und Herz von Alabaster;
Viel goldne Lichter um sie blinken
Im festberauschten Marmorhaus;
Allmählig sieht er sie versinken, –
Es stürzt der Saal, – Glanz lischt aus, –

Und aus dem Schutte steigt der Traum,
Als ob er tief im Schwarzwald stände;
Zu Häupten rauscht der Tannenbaum,
Ihm blühn zur Seit' gründuft'ge Wände;
Waldvöglein schau'n von schlanken Zweigen.
O sonntagshehre Waldesruh'!
Es dränget ihn das Knie zu neigen,
Und beten möcht' sein Herz dazu.

Und Amaranth steht ihm zur Seit';
Er ahnt das Wehen ihrer Seele,
Wie grad' sie spricht von Seligkeit:
»Und o! Daß mir auch gar nichts fehle
Zu eines Weibes frommem Segen,
Gab Gott zum Weihnachtsangebind
'Ne kranke Mutter mir zu pflegen,
Und zu erziehn ihr Waisenkind.«


II.

Und Mittag ist's. Ein stolzer Hauf
Zu Roß im Hofe harrt auf's Jagen.
Der stützt sich auf des Schwertes Knauf,
Und Der hält hoch das Haupt getragen;
Der schaut nach seines Falken Kralle,
Und Der am Hengst den Sporn versucht;
Der prüft, ob straff die Sehne pralle,
Und Der wägt seines Speeres Wucht.

Dort steht ein Ritter blühendschlank,
Ihm ist vertraut Ghismundens Rappe;
Schon hält den Bügel silberblank
Er ihr bereit, ein stolzer Knappe;
Schon träumt sein Aug' vom seltnen Lohne,
Wenn er auf's Roß sie heben darf,
Und, Seit' an Seit' der Amazone,
Ihr Kleid ihn streift im Trabe scharf.

Und im Gemach steht noch die Braut;
Sie drückt den Hut leicht auf den Scheitel,
Und in die Marmorwand sie schaut,
Und lächelt sich entgegen eitel;
Und prüft mit königlichem Wenden,
Ob reich zum Sammt das Haar auch fließt,
Ob wohl um Busen und um Lenden
Auch knapp genug das Mieder schließt.

Drauf nimmt die Gerte sie zur Hand,
Und lehnt, versteckt in den Gardinen,
Nachlässig hin am Fensterrand,
Erlognen Gleichmuth in den Mienen.
Und an den Reitern sie sich weidet,
Wie ungeduldig Jeder harrt,
Daß sie es kaum im Sattel leidet,
Indeß ihr Rößlein knirscht und scharrt.

Und Der dort ihren Rappen führt
Im hermelinverbrämten Kleide,
Den lockend wohl ihr Aug' erkürt,
Tiefglühend aus der Wimper Seide;
Und wie er's ahnt, und sie verstohlen
Nach seiner Lippe Lächeln hascht,
Tritt Walther ein auf leisen Sohlen,
Und seine Hand sie überrascht.

Da wohl es jach durch's Herz ihr sticht,
Und Aug' und Mund ist ihr befangen;
Doch bald ist ihrem Angesicht
Ein arglos Lächeln aufgegangen;
Und mit erzwungnem Minnereize
Schließt schmeichelnd traut ihr Arm ihn ein:
»Komm', Walther, komm', zur Falkenbeize!
Die Ritter alle harren dein!«

Da weiß er kaum zu reden mehr;
Vor ihres Auges Zauberwaffen
Entsinkt ihm halb des Willens Wehr,
Doch schnell besiegt er sein Erschlaffen,
Und liebetraut bricht er sein Schweigen:
»Ghismonda! Reite nicht zur Jagd!
O woll' Gehorsam mir bezeigen!
Sei meine liebgetreue Magd!«

Doch heiß von Walther's einzigem Wort
Sind all' die Adern ihr geschwollen,
Wie sturmverscheucht ihr Lächeln fort,
Es glüht ihr Aug' in dunkelm Grollen;
Zum Tische wirft sie Hut und Gerte:
»So schickt die Ritter denn nach Haus!«
Herrscht sie ihm zu mit eis'ger Härte –
»Ging mir die Lust zur Jagd doch aus!«

Herr Walther sich zur Gerte bückt,
Und reicht sie ihr mit sanften Mienen;
Den Hut er zart in's Haar ihr drückt,
Und ordnet drinnen die Rubinen:
»Ghismonda! Geh' Du nur zum Jagen,
Ich wollt Gehorsam nur aus Lieb',
Doch nicht solch zürnendes Entsagen,
Wenn ich Dich kränkte, mir vergieb!«

Und ruhig, als ob Nichts geschehn,
Entwallt er stumm im Säulengange;
Sie hat ihm staunend nachgesehn,
Wohl ist um's Herz ihr seltsam bange.
Doch schnell bezwingt der Stolz ihr Grämen,
Und bringt gewaltsam es zur Ruh':
»Du wolltest mir die Flügel lähmen?
Es steht das Weib so hoch wie du!«

Und horch! Es ruft der Hüfthornklang;
Der Page faßt die reiche Schleppe,
Und herrisch mit gemeßnem Gang
Entwandelt sie die Marmortreppe;
Den Falken trägt zur Seit' die Zofe,
Der Edelknecht hält Horn und Speer,
Und stolz verneigt sie sich im Hofe,
Und ringsum grüßt gesenkt die Wehr.

Der Ritter hebt sie auf das Roß,
Sie dankt ihm mit vertrautem Nicken;
Und waldein fliegt der reiche Troß,
Sie ist bewacht von allen Blicken.
Herr Walther steht auf dem Balkone,
Dreht seinen Ring wohl um und um.
Du stolze, kalte Amazone!
Wie machtest du sein Herz so stumm!


III.

Und es ist Nacht. Längs auf dem See
Im Vollmondlicht die Gondeln schwimmen;
Draus glänzt manch Schwert, manch Kleid wie Schnee,
Draus flüstern tief und hell die Stimmen.
Zum nahen Schloß die Gäste treiben,
Zu Tanz und prunkendem Gelag;
Schon glühn im Wasser licht die Scheiben,
Schon rauscht Musik zum Ruderschlag.

Und droben lehnt im Pfühl von Sammt
Die Braut, sich selbst zur Augenweide;
Der Ampel rosiger Schimmer flammt
Um ihres Festgewands Geschmeide.
Ihr liegt im Arm die Mandoline,
Leis singt ihr Mund, ihr Auge ruht
In Träumen auf des Arms Rubine,
Auf Marmor weiß ein Tropfen Blut.

Da hört sie durch die stumme Nacht
In ihres Sanges weiches Klagen
Vom See herauf das Flüstern sacht,
Sie hört der Ruder plätschernd Schlagen;
Und Lied und Finger bleibt ihr stocken,
Von Ungeduld ihr Auge starrt;
Und rasch wirft sie zurück die Locken:
»Wo nur so lang auch Walther harrt!«

Und ruhig tritt Herr Walther ein.
Er trägt ein schlichtes Wamms von Leder,
Die Kette fehlt von Edelstein,
Vom Habicht ist am Hut die Feder.
Und sie fährt auf in kaltem Stolze,
Und sieht ihn groß und musternd an,
Ihn treffend mit des Spottes Bolze:
»Ihr seid ja fürstlich angethan!«

Herr Walther traut die Hand ihr reicht,
Als hab ihr Wort ihn nicht getroffen;
Aus ihrer Stirn das Haar er streicht,
Sein klares Aug' fleht mild und offen;
Und um des Halses Perlenkette
Mit sanfter Macht den Arm er schmiegt,
Zieht nieder sie zum Ruhebette,
Küßt ihr die Stirn; ihr Stolz erliegt.

Er blickt ihr tief in's Angesicht,
Und spielend in der Locken Seide
Er ihr den Reiherschmuck entflicht,
Gefaßt in funkelndes Geschmeide;
Löst ihr vom Arm die goldnen Reife,
Erschließt des Halses Perlenband,
Entknüpft des Gürtels Silberschleife,
Streift von der Hand den Diamant.

Sie sieht ihm groß und staunend zu,
Will sich umsonst sein Spiel erklären;
Da bricht ihr die erzwungne Ruh',
Im Herzen fühlt sie heiß es gähren.
Er sieht's, hält trauter sie umfangen;
»Ghismonda! Mein sei deine Zeit!
Was kann nach Fremden dich's verlangen?
Geh' nicht zum Fest! Bezwing' den Streit!«

Ghismonda.

Walther! Endige dein Spiel!
Deiner Launen scharfem Pfeil
Suche du ein ander Ziel,
Deinem Bogen minder steil!
Hab' ich all' der Fürsten Hand,
Die als Freier zu mir kamen,
Nicht verschmäht um dich allein,
Der du zogst aus fremdem Land
Sonder Schätze, sonder Namen? –
Ist mein Haus, mein Hof nicht dein?
Ist nicht dein all' mein Gesind?
Gab ich nicht zum Angebind
Dir den goldesschweren Schrein?
Ist nicht all' mein Gut dein Eigen?
Hoch wo die Cypressen steigen,
Bis zum tiefsten Seeesgrund?
Sandt' ich nicht des Brautrings Gold
Dir als Pfand zum Liebesbund?
Meine Hand, mein Aug', mein Mund,
Stehn sie nicht in deinem Sold?
Ist nicht dein, was dein Begehr?
Walther, sag'! Was willst du mehr?

Walther.

Dein Haus, dein Hof, dein Gut, dein Schrein,
Was haben sie mit dir gemein?
Ich zog nicht her dein Gold zu erben,
Ich zog nur her dein Herz zu werben.
Doch das, das soll mein eigen sein,
Wie's steht nach Gottes Wort geschrieben!
In Gott dem Herrn sollst du mich lieben!
Ein christlich Herz als einz'ge Habe
Bring' mir zur einz'gen Hochzeitgabe!

Ghismonda.

Christlich, Walther, christlich sagst du?
An den Götzen hangen magst du?
Stecke mit des Geistes Blitze
Deinen alten Tempel an,
Drin auf nachtumhülltem Sitze
Seine Geißel schwingt der Wahn!
Aus der ausgebrannten Halle
Zu der Wahrheit Bronnen walle!
Streif' das Sagenkleid der Kindheit
Von dem Leib des freien Mannes!
Lös' dem Aug' den Staar der Blindheit,
Brich die Kraft des alten Bannes!
Und zum Bade niedertauche,
Daß vom Staub der Kreuzesasche,
Von des Tempelschuttes Rauche
Leib und Herz es rein dir wasche!
Um die Lende, blendendweiß
Falte der Vernunft Talar!
Der Erkenntniß Siegesreis
Flecht' in dein gesalbtes Haar!
Ach! Und ein Naturgeweihter,
Schwinge dich, ein Wahnbefreiter,
Aus der Mythe Nebelthal
Mit mir auf zum Berg der Wahrheit,
Drob in nie getrübter Klarheit
Nie verglüht der Sonnenstrahl!
Dort steht meines Geist's Pallast.
Ach! Mein tiefstes Herz, es fleht,
Sei mein ew'ger, ew'ger Gast!
Flatternd von der Zinne weht
Hoch der Freude Bannertuch;
Des Genießens goldner Spruch
Grüßt dich leuchtend vom Portal;
Hell in Kerzen flammt der Saal;
Immer duftet Wein und Mahl;
Und die Minne sitzt zu Gast;
Mein Gesinde hat nicht Rast,
Dir zu reichen Trank und Schmaus.
Ach! Und erst, wie sprech' ich's aus!
Tag und Nacht die Harfe hallt;
Eine heilige Lichtgestalt
Kührt sie mit geweihter Hand;
Die Natur hat sie entsandt.
Walther! Diesem Ton zu lauschen,
Und du hörst den Geist der Welt
Durch das All der Schöpfung rauschen!
Luft und Land, und Sternenzelt,
Berg und Woge, Baum und Halm,
Und dein eigner Menschengeist
Wird ein Ton im Riesenpsalm,
Der sich einzig selber preist.
Und es fällt die dunkle Schranke,
Die dich trennt von der Natur,
Bist nun selber ein Gedanke
Aus der Schöpferkraft Erguß,
Nimmer ein Geschaffner nur,
Der vor'm Schöpfer zittern muß!
Locker werden all die Netze,
Die dein Wahn um dich gesponnen,
Dir die Freude zu verschließen;
Nur Natur giebt dir Gesetze,
Reicht den Becher ird'scher Wonnen
Dir zum willigen Genießen.
Frei, ja frei sollst ganz du sein!
Nimmer soll des Zweifels Pein
Um den Lohn und um die Strafe
Dir des Lebens Luft verderben,
Denn du kehrst im Todesschlafe
Wieder zu der Urkraft ein,
Die in ew'gem Blühn und Sterben
Ewig doch die gleiche ist!
Frei, ja frei sollst ganz du sein,
Weil du selbst dein Schöpfer bist,
Hörst du's denn auch? Frei, ja frei!
Walther! o ich kann nicht mehr,
Meine Kraft ist mir gebrochen!
Ach! Und du bleibst stumm dabei,
Blickst mich an so kalt und leer,
Als hab' Nichts mein Wort gesprochen!
Stoße mir in's Herz den Stahl,
Fluche mir, mich zu verdammen!
Nur nicht dieses Schweigens Qual
In mein Herz voll wilder Flammen!
Walther! O erbarme dich! –
Brich dein Schweigen! Sprich, o sprich! –

Walther.

Nimm alle Harfen dieser Erde,
Laß alle Winde sie durchwehen,
Daß draus ein einzig Klingen werde:
Und all' ihr Rauschen muß vergehen
Im einz'gen Sterbeseufzerton
Auf Golgatha vom Gottessohn!
Doch wär' wie Frühlingssonnenlicht
So klar und leuchtend dein Verstand,
Und zürnend, wie des Blitzes Brand,
Und hättest du die Demuth nicht, –
Und wolltest du mit ries'gem Denken
In dieß Geheimniß dich versenken:
Du hörtest vor verschloßner Pforte
Nur unerfaßlich hohe Worte!
Stumm und verschleiert blieb' der Gott,
Des ew'gen Räthsels ew'ger Sinn,
Und all dein leidiger Gewinn
Wär' deiner Ohnmacht armer Spott!

Und du verneinst, du, meine Braut!
Wie du mich jammerst! Wie mir graut!
Wo fang' ich an, dir zu beweisen
Das unerforschlich ewige Wesen?
Mein Herz möcht' ich heraus dir reißen,
Drin könntest den Beweis du lesen,
Von Gottes Hand ihm eingeschrieben,
Wie ihn der Erde größte Weisen
Der Menschheit schuldig noch geblieben!
Denn wollt ich auch die Welt durchkreisen,
Und wollt ich alle Blätter sammeln,
Die von der ew'gen Dreiheit zeugten:
Sie sprächen nur wie Kindesstammeln
Von meines einz'gen Herzens Wort,
Und alle deinen Stolz nicht beugten.
Und zög' ich auch ein Bergmann fort,
Und senkt ich mich von Schacht zu Schacht,
Grüb' all' der Diamanten Pracht,
Und zeigt' ich dir in ihren Rahmen
Die ewigen, dreiein'gen Namen:
Der Schimmer all', er müßt' verdunkeln
Gen meines Herzens Sonnenfunkeln,
Das drin umglüht das Bild des Herrn;
Und du, du würdest dennoch sagen:
Der Rahmen sei aus falschen Steinen,
Denn deines Glaubens Lebenskern,
Vom Bösen in die Welt getragen,
Sein Licht und Odem ist Verneinen.

Nein, nein! Mit Schlüssen und Beweisen
Beginn' ich nicht mit dir zu rechten.
Ich brauche nicht ein fremdes Eisen,
Mit dir gen deinen Trug zu fechten.
Das Schwert, mit dem gen dich ich streite,
Dieß Himmelsschwert, nie träg und stumpf,
Das hängt an deiner eignen Seite;
Das mußt du, ob du willst, ob nicht,
O furchtbar göttlicher Triumph!
Das mußt du selber gen dich führen,
Dein Schwert, dein eigenes Gericht!
Nicht eine Hand brauch' ich zu rühren,
Ein Wort nur dir zu offenbaren,
Und aus der Scheide wird es fahren,
So schnell kein Blitz die Luft durchmißt,
Und zucken durch dein Lügennetz;
Und dröhnend, wie kein Donner ist,
Wird sich der Herr und sein Gesetz
Verkünden dir im Donnersturm;
Und wie kein Wurm der Erde frißt,
So wird ein nimmer müder Wurm
An deinem trotz'gen Herzen fressen,
Nachkriechend deiner Lüge Spur,
Weil du gewagt, die Creatur!
Dich an dem Schöpfer zu vermessen.
Versuch' es, dieses Schwert zu lähmen!
Versuch's, den Donner zu verdrängen!
Versuch' es, diesen Wurm zu zähmen!
Und ich will Siegerin dich nennen,
Wenn diese Proben dir gelängen.
So aber sag' ich dir: Du lügst!
Es muß dein Herz den Herrn bekennen,
Wie du auch fort und fort dich trügst;
Du kannst Gehorsam ihm versagen,
Doch ihn nicht aus der Seele tragen!
Dein Mund mag seinen Namen missen,
Doch ewig nennt ihn dein Gewissen,
Dein richtend Schwert, dein Donnersturm,
Dein nimmer träger Seelenwurm!
Die ganze Menschheit straft dich Lügen!
Der Satan selbst kann sich nicht trügen,
Auch er, selbst er muß Gott bekennen –
Den Namen nur will er nicht nennen.

Ghismonda! Gott, wo komm' ich hin?
Warum, warum verneinst du Ihn?
Nur dieses Einzige sag': Warum? –
Warum verließest du den Born,
Daraus nur Frieden quillt und Licht?
Und sag', was gab dein Trug dir drum?
Gab er dir mehr als einen Dorn,
Der quälend nur dein Herz durchsticht?
O sieh'! Du blickest bleich und stumm!
Warum entrannst dem Vater du,
Der ewig liebend dich umfangen,
Der dein Beschützer ewig treu
An dir, als theuerm Kind, wollt hangen?
Und irrst umher ohn' Schutz und Ruh',
Als wie ein Wild vor'm Jäger scheu,
Daß es nicht treffen mög' sein Bolz?
Warum? Ich frag' das Erdenall,
Vom Himmel ruft's im Widerhall:
Aus Stolz, und Stolz und dreimal Stolz!

Ich weine, doch ich schäm' mich nicht!
Denn ich will wahrlich dich erretten,
Will von der Lüge dich entketten.
Vergieb, vergieb mir mein Gericht!
Es kommt nur Gott, doch mir nicht zu.
Nicht dich, nein dich nicht will ich richten,
Nur deinen Wahn will ich vernichten;
Und nimmer hab' ich Rast, noch Ruh',
Bis ich mein Herz dir ausgeleert,
Bis meiner Rede lodernd Feuer
In dir der Lüge Ungeheuer
Zum Aschenhaufen aufgezehrt!

Ja! Durch der Erde weite Lande
Möcht' ich mit Schwert und Fackelbrande
Ein gottgesandter Rächer schreiten!
Und möcht' die Lügen all' erdolchen,
Und möcht' auf den erschlagnen Molchen
Dem Herrn den Opferbrand bereiten!
Ich möcht das ries'ge Erdenrad,
Dem Herrn entrollt vom Lügnerschwarm,
Mit milliardenfachem Arm
Zurückziehn in des Glaubens Pfad! –

Ghismonda, höre, hör' mich an!
Genug bekämpft hab' ich den Wahn,
Laß mich auch nun die Wahrheit preisen!
Mein Wort will nicht nur niederreißen,
Nein! Ueber'm Schutt will's auch erbauen,
Erbau'n ein himmelsfestes Haus.
Ich flehe, flehe, hab' Vertrauen!
Trink' meinen Becher, trink' ihn aus!
Nur Balsam perlt im tiefsten Grund;
O trink ihn aus! Du wirst gesund!
Doch starre nicht so bleich und stumm!
Ich schling' den Arm dir liebend um.
Komm an mein Herz! Ich bin dein Hort!
Dein Haupt laß an das meine lehnen –
Laß fließen, fließen deine Thränen,
O hör' mein treues Rettungswort!

Erst mußt du all die falsche Zier
Entsagend von dem Herzen lösen!
Von deines Stolzes Purpurkleide,
Umfaßt vom Gürtel der Begier,
Muß deine Seele sich entblößen,
Von all' der Eitelkeit Geschmeide,
Voll schillernd trügender Juwele,
Daß einfach du an Leib und Seele
Gewandelt wirst zum armen Kinde!
Und wie nach Licht sich sehnt der Blinde,
So mußt du des Erlösers Namen
In's Herz dir streu'n als heil'gen Samen!
Und regen wird im frommen Schoose
Sich's wunderbar geheimnißvoll;
So ahnt tief unter'm Schnee die Rose,
Daß bald ihr Frühling kommen soll.
In stillen Stunden wirst du's hören,
Wie ferne, selige Gesänge,
Als ob vom Himmel sich die Klänge
Verzitternd in dein Herz verlören;
Und einsam lauschend wirst du sinnen,
Woher sie möchten wohl entschweben.
Dir wird, als wollt dein altes Leben
Allmählig in sich selbst zerrinnen,
Verjüngt auf's Neue zu beginnen.
Da zieht es dich mit trauter Macht
Zur Welt des Weibs, so weit und klein,
So heiter und so ernst, hinein.
Es däucht dich in der Feste Pracht,
Drin lustberauscht die Reigen schallen,
Als bliche deiner Blume Schein,
Als wollt dein Himmelslied verhallen.
Unheimlich wird dir mehr und mehr
Der lauten Erde lüstern Treiben;
Was sonst dich reizte, läßt dich leer –
Im stillen Hause ist dein Bleiben.
Des Himmels Engel dir es bauen,
Und Gott wird drauf herniederschauen.
Des Glaubens heilig Mägdelein
Es legt des Hauses ersten Stein,
Und hebt zum Segen drauf die Hände.
Das Gottvertrau'n, ein einfach Kind,
Baut ringsumher die starken Wände,
Und schützt es mit gewalt'gen Zinnen
Zur sichern Wehr gen Fluth und Wind.
Und o! Im stillen Hause drinnen,
Da zimmert unter heiterm Liede
All' die Gemächer aus der Friede.
Es stützt der Treue starke Hand
Mit festen Säulen ihre Wand.
Der Engel der Verträglichkeit
Steht helfend ihrem Werk bei Seit';
Und erst die Lieb'! Die ruhet nimmer,
Und jedes Plätzchen in dem Haus
Schmückt sie mit frischen Blumen aus,
Die Fenster all' mit Sonnenschimmer. –
Und du, o du des Hauses Weib!
Der Heiland selbst schmückt deinen Leib,
Der eiteln ird'schen Zierde baar,
Mit Himmelsschmuck, der nie vergeht.
Von seiner Hand gewoben, weht
Der Demuth Schleier um dein Haar;
Des Fleißes Linnen ist dein Kleid,
Drum sich der Keuschheit Gürtel schlingt;
Die Frömmigkeit ist dein Geschmeid',
Gehorsam deine Hand beringt.
Dein Arm' nie müd' in milder Gabe
Und in des Leids geheimer Labe,
Trägt immer neue Goldesspangen;
Helleuchtend um dein Herz gereiht
Die Perlen des Gebetes prangen.
So bist geschmückt du alle Zeit
Im gottgebauten Liebeshaus,
Und nimmer geht das Fest dir aus.
Die Kammer ist dein Reigensaal;
Drin ruht dein Herz beim Liebesmahl
Auf treugethaner Arbeit Kissen,
Vom Licht der Gnade hell umblinkt,
Und sein Pokal ist dein Gewissen,
Aus dem es heil'gen Frieden trinkt.

Das ist, Ghismonda, mein Beweis,
In dessen ew'ger Sonnengluth
Zerschmelzen muß des Irrthums Eis;
Ja ein Beweis, der Nacht und Tag
Dir zu beweisen nimmer ruht,
Deß Wort in jedem Tropfen Blut,
In jedem Hauch und Herzensschlag
Du fühlst mit Riesenstärke weben,
Lebendig, wie dein eignes Leben!
Fang' an zu glauben an die Dreiheit,
Fang' an in ihrem Geist zu leben!
Und aller Freiheit höchste Freiheit
Wird sie zum Himmelspreis dir geben!
Frei von der tiefsten Sclaverei,
Die du die höchste Freiheit heißest,
Vom Sündenjoch macht sie dich frei!
Und die Vernunft, die du so preisest
Mit ihrem kindischen Verneinen,
Sie wird erst recht ein Licht dir scheinen,
Vom Glauben über dich ergossen!
Die Ewigkeit wird ihr erschlossen! –
Der Erde winzigem Gebiet
Auf ungemeßne Himmelsbahnen,
In mehr und mehr prophet'schem Ahnen,
Ein freier Forscher sie entflieht;
Und Erd' und Himmel wird sie lauschen,
Wie, vom dreiein'gen Gott gerührt,
Der Schöpfung Wechselklang sie tauschen.
Und wie ihr Schauen sich erweitert,
Wird näher sie zu Gott geführt,
Und klarer wird, und klarer immer
Der Himmel ihrem Aug' erheitert,
Der jetzt ihr hinter Wolken blaut;
Und in des Himmels hellstem Schimmer
Beim Vater auch den Sohn sie schaut,
Den ird'sches Dunkel, ird'scher Stolz,
Aus des barmherzigen Vaters Armen
Herabbeschwor an's Kreuzesholz,
Zum Offenbaren und Erbarmen.

Und hell wirst du das Dunkel nennen,
Da du geschöpft am Glaubensquell,
Und dunkel, was du nennest hell!
Und du, du selbst wirst dich erkennen
Als höchstes Wesen der Natur!
Nicht wie den Wurm, die Distel nur,
Nicht wie den Sumpf, nicht wie den Stein,
Wie deines Irrthums Lehre preist;
Nein, als den selbstbewußten Geist
Mit unvergänglich ew'gem Sein,
Das Ebenbild vom höchsten Wesen,
Zum Herrscher der Natur erlesen!
Nicht wie dein Glaube dich bethört,
Als Faden nur im Riesennetze,
Das selbst sich webt, und selbst zerstört,
Nach blindem, eisernem Gesetze;
Nein, als den Geist, von Gott geleitet
Nach ewig güt'gem, weisem Plan!
Nicht wie den Wurm nach deinem Wahn,
Der, wenn der Fuß ihn überschreitet,
Auch ewig bleibt im Staub zertreten, –
Nein, nein! Bestimmt vom Tritt des Todes
Erst recht lebendig aufzustehn,
Den Schöpfer ewig anzubeten;
Zum Glanze sel'gen Morgenrothes,
Des Vaters Angesicht zu sehn,
Zu fliegen den verklärten Flug!

Sieh' ich, ich hab auf Stolz ein Recht,
Ich meines Gottes freier Knecht;
Doch du nicht! – Denn mit gleichem Fug
Kann auch im Schlamm die Kröte prunken,
Sie sei vom Licht des All's ein Funken.

Ja stolz bin ich, ein Geist zu heißen,
Nach Gottes Bilde frei erschaffen;
Gewürdiget, vor allen Dingen
Ihn zu erkennen und zu preisen;
Bin stolz, des freien Willens Waffen
Gen's Laster siegesreich zu schwingen;
Bin stolz, in Demuth zu vollenden,
Was Gott mir auferlegt, allweise;
Bin stolz, an dem Erlösungspreise
Und an der Christusgnade Spenden
Mir zu verdienen meinen Theil;
Voll Stolzes will zum Christenheil
Mein Wort ich überall streiten lassen,
Und trotzen Spott und List und Hassen;
Und stolz bin ich ein Stein zu sein
Am Tempelbau der Christengemeine,
In dem als ew'ger Sonnenschein
Gott lebt und leuchtet, der Dreieine.

Sieh'! So erhöht der Christusglaube!
So zieht der deine dich zum Staube!

Und Eins noch! O vergiß es nicht!
Bedenke, daß dein Herz einst bricht!
Und wenn du nicht vom Trug wirst lassen,
Wird deine reizend schöne Lüge
Am Todbett zum Gespenst erblassen,
Und wird dich höhnen und dich quälen,
Und deine letzten Athemzüge
Wirst du wie lange Jahre zählen,
Erinnrungsschwer voll Schuld und Pein!
Furchtbar wirst du verlassen sein! –
Und ob's auch tausendmal gelang
Dir das Gewissen einzusingen,
Allmächt'ger nur vom langen Zwang
Wird's wie aus durchgebißnen Gittern
Ein hungerwilder Tiger springen,
Und dir in's Herz die Tatzen hauen!
Zerfleischt und jammernd wirst du zittern!
Und deinen Richter wirst du schauen,
Und wie er auch dir will vergeben,
Du wagst es nicht die Hand zu heben,
Und Den zu bitten um Versöhnen,
Den du nur nanntest im Verhöhnen!
Und wie die Tropfen mehr versiechen
Im seichtgewordnen Lebensstrome,
Da wird sich diebisch in die Decken
Dein todeskalter Leib verkriechen,
Um seine göttlichen Atome
Des Uralls Fordrung zu verstecken.
Soll deines Glaubens Aberwitz
Mit mächt'germ Pinsel noch ich malen?
Genug gezückt hab' ich den Blitz,
Es soll des Heilands Sonne strahlen!
Da liegst du still im Todesstreit,
Es steht dein Heiland dir zur Seit',
Deß Leib und Blut du erst genossen,
Hält lächelnd dir das Haupt umschlossen.
Du blickst ihm tief in's Aug' hinein,
Die Hände faltend im Gebet,
Und in des ew'gen Auges Schein
Das deine sich verklärt versenkt.
Ein Frühlingshauch dein Haar umweht,
Ein Thaueskelch den Mund dir tränkt;
Und Engel stehen rings im Kreis,
Sie trocknen dir den Todesschweiß,
Sie kühlen deiner Schmerzen Brand,
Und singen dir im heil'gen Chor
Dein gläubig gutes Leben vor,
Und heben weg der Decke Wand,
Du siehst zum Himmel weit empor!
Es küßt zum himmlischen Willkommen
Dein Heiland dir das Angesicht,
Des Auges Schauen wird verschwommen,
Dein Odem weicht, dein Herze bricht, –
Die Engel mit dir aufwärts schweben
Und du erwachst im sel'gen Leben!

O Gott! Wie kann mein Wort so klein
Dir all den ries'gen Zauber sagen! –
Mein Mund müßt' eine Harfe sein,
Von Gottes eigner Hand geschlagen,
Dir dieß Geheimniß zu erklären! –
In deinem Auge schwere Zähren? –
O komm', o komm'! Es steht zur Stunde
Dein Heiland vor dir unsichtbar,
Er reicht dir zum Versöhnungsbunde
Die allbarmherz'ge Rechte dar.
Erfasse sie! Noch ist es Zeit,
Sonst möcht auf ewig sie zerrinnen;
Und jetzt, gleich jetzt mußt du beginnen!
Geh' nicht zum Fest! Bezwing' den Streit! – –

Sie steht vernichtet, eiseskalt,
Zur Nacht hinaus die Augen starren;
Vom See herauf ein Singen hallt,
Es locken scherzend die Guitarren.
Da zuckt's durch sie, wie heißes Leben,
Und Gluth ihr Antlitz überfliegt.
Das Auge flammt, die Lippen beben:
»Ich geh' zum Fest! Du bist besiegt!«

Er bleibt und tritt auf den Altan,
Und hat den Brautring abgezogen,
Hebt feierlich ihn himmelan,
Und wirft ihn nieder in die Wogen.
Und durch die letzten Wasserringe,
Kaum daß ihr Ring zum Grunde stieg,
Schwebt sie dahin auf feuchter Schwinge,
Und triumphirt ob ihrem Sieg.



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