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Amaranths Herbsteslieder.

Du armer Wald! Wer hat geglaubt,
Daß wir noch so zusammen kommen?
Der Herbst hat uns zumal entlaubt,
Und alle Freud' uns abgenommen.

Doch du darfst nicht so traurig sein,
Darfst wieder auf den Frühling warten!
Der meine blüht vielleicht allein,
O Gott! In deinem Himmelsgarten.


O Waldesluft, wie gehst du bang!
Hast bald zum Spiel kein Blättchen mehr,
Und keines einz'gen Vögleins Sang
Schwebt leicht und fröhlich auf dir her.

Ich bitte dich! Komm', bleib' bei mir,
Erzähl mir was vom letzten Mai!
Ich sag' von Laub und Lied auch dir,
So trösten wir uns alle zwei!


Ach! Giebt's denn gar kein Vöglein mehr,
Das mir vom Frühling wollte sagen?
Es ist mein Herz zum Sterben schwer
Von den gestorbnen, sel'gen Tagen.

Ihr wißt es ja vom Frühling noch,
Wie ich so lieb die Lieder habe!
O Vöglein, Vöglein, singt mir doch
Ein einzig Lied nur noch vor'm Grabe!


O Gott! Wenn ich an's Sterben denke,
Mir in Barmherzigkeit vergieb!
Mein Leben ist ja dein Geschenke,
Drum auch im Leiden sei mir's lieb;

Ich will auch gern, mein Herr! mich fassen,
In dich ergeben gläubig stumm;
Nur mußt du mich auch weinen lassen,
O nein! Du zürnest mir nicht drum!

Noch mehr, als alles mich kann schmerzen,
Schmerzt mich mein schwacher Gottesmuth.
Vergieb dem armen Kindesherzen,
O du mein Vater! Bleib' mir gut!


Ich will gewiß nicht besser scheinen,
Und will mein Unrecht gern gestehn;
Doch Jeder müßte mit mir weinen,
Wenn in mein Herz er dürfte sehn.

Ich meine grad', es sei durchbohret
Von einem Messer spitz und scharf,
Von einem Schleier schwarz umfloret –
Ob ich wohl da nicht weinen darf?


Und wie ich sonst von Kindeslust
Mein einsam Waldeshaus geliebt!
Was hat mein Kindesherz gewußt,
Daß es auch solche Schmerzen gibt! –

Nun kam und zog er allzugleich,
Und machte mich so ganz allein;
Und mach mein Herz an Lieb' so reich,
Wem geb' ich sie? – Sie ist nur sein.


Ich denke nicht an sein Bewerben;
Das wär' ja sündiglich gedacht,
Wollt ich der andern Glück verderben,
Das Gott ihr einmal zugebracht.

O nein! Ich dürft' sie heute sehn,
Ich grüßt' sie herzlich sonder Neid,
Wollt ruhig ihr zur Seite gehn,
Und küßte scheidend ihr das Kleid.


Nur das thut mir so bitterweh',
Daß Niemand mir von ihm erzählt,
Ob ich ihn je nur wiederseh',
Und ob er glücklich hab' gewählt.

Ich möcht' nur einmal noch ihn sehn,
Und zög' er auch an mir vorbei,
Wollt' ungesehn am Fenster stehn,
Nur schauen, ob er glücklich sei!


Denn so mein Geist nur sein gedenkt,
Als gäb' er trauernd mir die Hand,
Sein feuchtes Aug' in mich versenkt,
Wie einst er scheidend vor mir stand.

Doch dürft' ich froh sein Auge schau'n,
Ging's in mir auf wie Sternenschein,
Wollt' mich an seinem Glück erbau'n,
Nur betend noch gedächt' ich sein!


Doch eine Hoffnung bleibt mir noch!
O Gott! Dein Wort dies zu mir spricht!
Und seh' ich ihn auf Erden nicht,
So seh' ich ihn im Himmel doch!

Ja dort werd' ich ihn glücklich sehn!
Doch horch! Was war das für ein Klang?
Wer schwebte hin im Geistergang? –
Barmherz'ger Gott! Was ist geschehn? –


Mir ist, ich sah den ew'gen Sohn
Licht durch die stumme Wildniß gehn;
Ich hörte seiner Stimme Ton
Wie heil'gen Gruß und Trost verwehn.

Das Moos von seines Mantels Saum
Geheimnisvoll die Spuren trägt;
Ich ahn' in Fels und Born und Baum
Sein heilig Wandeln eingeprägt.


Ich höre leis den Baum mich fragen:
»Was ist dein Herz so gramverstimmt?
Ich will ja auch darum nicht klagen,
Daß mir der Herbst die Blätter nimmt!«

»Denn wie mir Gott zur rechten Stunde
Die Blätter nimmt und wieder leiht,
So schlägt und heilt des Herzens Wunde
Auch dir dein Gott zur rechten Zeit.«


Und aus dem Bächlein hör' ich's sprechen:
»Was weinest du? Verzage nicht!
Ich muß durch Kluft und Dornen brechen,
Und komme doch am End' an's Licht.«

»Viel goldner aus der Klüfte Dunkeln
Mir dann das Licht des Tages scheint; –
So wird die Freude sel'ger funkeln
Dereinst aus Augen, trübverweint.«


Und ach! Mir sagt das Immergrün:
»O traure nicht! Du bist ja fromm!
Sieh' nur, wie ich darf immer blühn,
Ob noch so hart der Winter komm'!«

»So grünt, ob noch so tief das Weh,
Und deine Freuden all' verblühn,
Dein Heiland aus der Trauer Schnee –
Ein ewig, heilig Immergrün!«


O Gott! Wie war mein Herz so blind,
Daß ich mich zagend so vergrämt!
Ich, eines ew'gen Vaters Kind! –
Des Waldes Wort hat mich beschämt.

Ja, Gott, du bist mein Vater treu!
Ich geb' als Kind mich treu dir hin;
Und ob ich wein', ob ich mich freu',
Stets ich in deinen Händen bin.


So komm', mein einsam Waldeshaus,
Will wieder ganz dein eigen sein!
Es söhnte Gott mich mit dir aus,
Er bleibt bei mir, bin nicht allein.

Will wieder an die Arbeit gehn,
Mit freud'gem Sinn und frommem Muth.
Dort droben giebt's ein Wiedersehn,
Und hier steh' ich in Gottes Hut.



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