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Der Hochzeittag.

I.
Der Castellan.

» Wartet Mägdlein! Will euch ruhn!
Will euch an die Säule lehnen!
Will euch kichernd schämig thun,
Will euch mit den schwarzen Augen
Nach den deutschen Reitern sehnen!
Was kann jetzt das Schmachten taugen,
Und was sollen Liebsgeschichten;
Seh' ich all' die Arbeit an,
Die bis Mittag noch zu richten!
Wetter Blitz! So rührt euch jetzt!«
Also spricht der Castellan,
Altes Männlein untersetzt,
Wohlgenährt mit runden Wangen,
Rings von weißem Haar umhangen,
Drauf das Sammetkäppchen sitzt;
Aergerlich sein Auge blitzt,
Und mit halberhobnem Stocke
Trippelt an den Säulen leis
Rings er um der Mägdlein Kreis,
Drollig ernste Miene machend;
Treibt sie von dem Marmorblocke,
Drum sie Liebesrath gepflogen,
Und sie fliehen neckisch lachend
Zu des Schloßthors Säulenbogen,
Fahren an der Arbeit weiter,
Steigen singend auf die Leiter
Mit dem Arm voll Laubgewinden,
Die sie um die Säule binden.
Und an Fenster, Thor und Wand,
Ueberall im Grafenhaus
Rührt sich des Gesindes Hand,
Unter Wechsellied geschäftig;
Schmücket grün den Marmor aus.
Und zum Thor und zum Altan
Heben Knaben frisch und kräftig,
Ruhend auf gestemmter Hüfte,
Schwere Banner hoch hinan,
Roth wie Feuer, weiß wie Schnee,
Die im raschen Spiel der Lüfte,
Mit von Gold gewirkten Bildern
In den reichen Wappenschildern,
Rauschend flattern über'n See.
Und der strenge Castellan
Sieht mit gnädigem Vergnügen,
Wie sich Kranz und Banner fügen,
Seines Geists Erfindung an,
Und ist ganz im Wohlbehagen
Seines Kunstgeschmacks versunken,
Streicht sich schmunzelnd Kinn und Kragen,
Macht sich rosige Gedanken.
Da wird laut ihm zugetrunken
Aus des Schlosses offner Halle,
Drin umdacht von Rebenranken,
Hinter'm Krug beim Würfelfalle,
Walthers Reiter sich geschaart.
Und er murmelt in den Bart,
Daß sie seinen Traum gestört,
Thut, als hab' er's nicht gehört,
Denn er kennt schon ihre Art;
Doch die schelmischen Genossen
Lassen einmal ihm nicht Ruh',
Wanken tanzend auf ihn zu,
Halten ihn in Arm geschlossen,
Daß er schwer nach Odem ringt;
Ziehn ihn nach dem Zechertisch,
Wo aus vollem Fasse frisch
Süß der goldne Bronnen springt.
Und er muß zur Brüderschaft
Zehnmal in den Becher gucken;
Muß zumal mit Rebensaft
Manchen derben Witz verschlucken,
Muß es hart und kläglich büßen,
Daß er ihre Dirnen schalt
Ob dem Schmachten, ob dem Grüßen,
Bis er's nimmer kann ertragen,
Und mit mürrischer Gewalt
Aus der saubern Brüder Schaar
Mit der Faust sich durchgeschlagen.
Und wie glücklich aus der Klemme
Er zum Hof entronnen war,
Murrt er ihnen grollend zu:
»Seid ihr Deutschen doch wie Schwämme,
Kriegt am Kruge nimmer Ruh'!«
Und sie klatschen, und sie scherzen
Ob des Alten schlauem Witze;
Einer nur mit jungen Zügen,
Und mit junger Lieb im Herzen
Rührt sich nicht auf seinem Sitze,
Hat an Allem sein Vergnügen,
Starrt in's volle Glas hinein
Redet nicht ein einzig Wort,
Trägt im Traum sein Roß ihn fort
Zu des Wärtels Töchterlein.
Und sein Aug' wird immer trüber,
Stiller immer seine Miene;
Denn vom Wiesenplan herüber
Hört er jetzt die Mandoline
Zu des Bänkelsängers Sang,
Der ihn an die Heimath mahnt,
Wo er bei dem gleichen Klang
Auf dem Rasen rund geplant
Um die hundertjähr'ge Linde
Tanzte mit dem süßen Kinde.

Hei! Wie wird es vor dem Thor
Von der welschen Reiter Schaar
Um den Bänkelsänger munter;
Und es zieht vom See empor
Buntes Landvolk, Paar an Paar;
Sind auch junge Mägdlein drunter,
Schelmenaugen, schwarz und listig, –
Wäre wohl ein Wähler zwistig!
Wollen schau'n den Hochzeitstaat,
Und die Aeuglein sich verblenden
An den Trachten, an den Waffen.
Doch sie sind noch kaum genaht,
Werden rasch sie um die Lenden
Mitten aus dem ersten Gaffen,
Von den Reitern weggenommen,
Müssen sich im Reigen schwenken,
Haben gar nicht Zeit zu denken,
Wie zum Tanzen sie gekommen.
Und die Mägdlein auf der Leiter!
Wie zum Tanz das Füßchen hüpft!
Käm' nur nicht der Castellan! –
Doch! Was kümmert der sie weiter?
Und der Leiter sacht entschlüpft
Schleichen diebisch sich zum Plan,
Und behend im Reiterarm
Drehn sie sich im vollsten Schwarm.
Weh' da kömmt in voller Hast,
Hoch den Vogtenstock geschwungen,
Keuchend er zum Plan gesprungen.
Jetzt ihr Mägdlein, aufgepaßt!
Denn sein Auge blitzt wie Feuer!
Und ihr kennt den Zorn des Hasen,
Mägdlein jetzt ist's nicht geheuer!
Doch sie wissen sich zu helfen,
Springen schäckernd über'n Rasen,
Halten wie geschmeid'ge Elfen
Ihn im Zauberkreis umfangen,
Streicheln kosend ihm die Wangen,
Thun ihm schön mit Liebesreim,
Süß wie goldner Honigseim,
Und es lischt des Auges Flamme,
Und der Löwe wird zum Lamme,
Und der Stock ist ihm entfallen,
Und die loseste von allen
Gibt ihm gar ein flüchtig Schmätzchen:
»Bist ja doch mein liebes Schätzchen!«
Und als hab' der Mägdlein Kosen
Ihn absonderlich verdrossen,
Mürrisch er den Mund sich wischt;
Hat es doch der Bäcklein Rosen,
Schon ein wenig abgeschossen,
Ganz verschämt ihm aufgefrischt. –
Doch als strenger Ehemann,
Und als Hausvogt von Gewicht
Er der losen Hexen Bann
Gravitätisch wehrend bricht,
Und er spricht in Gottesnamen
Zu dem Tanz ein willig Amen.
Und mit halbverhaltnem Lachen
Sie ihm schöne Knixe machen,
Fliegen in den Reigen wieder,
Und es faßt der Arm das Mieder.

Und der gnäd'ge Castellan
Sieht mit innerm Wohlgefallen
Sich die lose Jugend an;
Kommt ihm in des Reigens Schallen
Alter Zeit Erinnerung,
Wird der Fuß ihm wieder jung,
Zieht's ihn vorwärts Schritt für Schritt,
Und ein Kind, das steht verlassen,
Muß er um die Lende fassen,
Macht noch selbst ein Tänzchen mit;
Läßt die Füße zierlich gleiten
Nach der Mode seiner Zeiten;
Und es will ihm besser glücken,
Als er je es denken mocht'
Für die Sechzig auf dem Rücken.
Und geheim im Herzensgrunde
Auf die Jugendkraft er pocht,
Macht stets eiliger die Runde;
Alles stellt das Tanzen ein,
Daß er tanzt noch ganz allein.
Wie aus einem einzigen Munde
Hell das junge Volk da lacht,
Und der Castellan erwacht
Wie aus einem tiefen Traum,
Schaut verblüfft umher im Kreis,
Und sie klatschen in die Hände.
Heil'ger Gott! Am Bergessaum
Sieht mit Segeln blendend weiß,
Schimmernd längs am Weingelände,
Er wohl zwanzig Gondeln fahren;
Und er faßt sich bei den Haaren,
Ruft in der Verzweiflung Ton:
»Kommen denn die Gäste schon?
Heil'ger Gott! Wie wird mir's gehn,
Ist der Kopf mir voll und toll!«
Und wie so verzweiflungsvoll
Ihn die bösen Mägdlein sehn,
Fühlen sie ein tief Erbarmen
Mit dem guten Castellan,
Wollen ihm kein Unheil bringen;
Fangen flugs mit rüst'gen Armen
Wieder an der Arbeit an,
Und zur Leiter schnell sie springen,
Und mit doppeltflinken Händen
Sie an Pforten und an Wänden
Schnell die letzten Kränze schlingen,
Das Versäumte einzubringen.
Und der gute Castellan
Herrscht und sorgt an allen Enden,
Daß sie schnell das Werk vollenden;
Sieht beruhigt dann hinan,
Und erlöst vom argen Jammer
Schleicht verschämt er zu der Kammer,
Schüttelt gram den Kopf und spricht:
»Alter schützt vor Thorheit nicht!«


II.
Walther und Ghismonda.

Und drinnen in dem Hochzeithaus
Macht Walther sich zum Gang bereit,
Als zög' er aus zu blut'gem Strauß;
Sein Aug' ist ernst, wie kurz vor'm Streit.
Ihm sitzt das Wamms von Büffelfell,
Es starrt sein Leib in Eisen schwer,
Und in die Scheide zwängt er schnell
Mit nerv'gem Stoß die scharfe Wehr.

Die Braut in ihrer Kammer steht
Im königlichen Hochzeitglanz;
Zum Hermelin der Schleier weht,
Am sammtnen Kissen blüht der Kranz.
Schon flechten ihre Zofen ihn
In ihres Diademes Stein,
Und Perlen wechselnd mit Rubin
Sie um den weißen Nacken reihn.

Herr Walther knieet zum Gebet,
Und fleht um Kraft den Himmel an;
Der Hof im Walde vor ihm steht,
Das Erkerfenster aufgethan.
Ghismonda in den Spiegel schaut,
Es bleicht ihr stolzes Angesicht.
Was ist's doch, daß ihr heimlich graut? –
Und geht sie denn zur Hochzeit nicht? – –


III.
Walthers Gebet.

Mein Brautring liegt im Seeesgrund,
Doch auf mir ruht des Eides Last.
Wohlan, o Herr! Ich schließ den Bund,
Weil du es so gefüget hast.
Und hab der Braut ich Leids gethan,
Sprach ich ein unrecht hartes Wort,
O rechn' es nicht zur Schuld mir an!
Mein junges Herz, es riß mich fort.

Nicht eitle Proben waren's nur,
Sie sollten Rettung sein der Braut.
Ich spielte nicht mit heiligem Schwur,
O Herr! Dein Aug' in's Herz mir schaut!
Und trag' um andre Liebe stumm
Ich auch ein nie verschlummernd Leid,
Um deinetwillen, sei's darum!
Ich opfre meinen Schmerz dem Eid.

So geh' zu Grabe junges Glück,
Das ich so selig ausgedacht!
Du heller Tag, nun schwind' zurück
In des Vergessens stumme Nacht!
Mein harrt ein schwerer, bittrer Bund,
Den süßen will der Himmel nicht;
Soll Perlen in getrübtem Grund
Erst klären mit des Glaubens Licht.

Es sei! Ich bin dazu bereit,
O Herr! Dein Wille soll geschehn!
Ich will als Christ in herben Streit,
Statt in der Liebe Frieden gehn.
In dir ich siege, starker Gott!
Nur meinen Glauben ihr verleih'!
Sonst wird der Bund zu Fluch und Spott, –
O Herr! Sonst mach vom Eid mich frei!


IV.
Der Gang zur Capelle.

Horch! Im Feierklange schlagen jetzt die Glocken voll zusammen;
Aufgethan wird die Capelle, vom Altar die Kerzen flammen.

Und die Orgel rauscht die Weise, und sie singen hell im Chore;
An der hohen Marmorhalle öffnen schallend sich die Thore;

Und in feierlichem Schritte aus des Säulenganges Bogen,
Durch der Säle lange Reihen kommen sie herangezogen.

Erst die Paare des Gesindes im geschmückten Festgewande,
Fiedeln, Zinken; dann die Knechte mit der Fackel rothem Brande.

Hochzeitjungfern, minnig blühend, reiche Morgengaben bringen
Mit gesalbten schwarzen Locken, drum sich grün die Myrthen schlingen.

Jetzt die Braut mit bleichen Wangen, stolz das Auge hingeschlagen;
Schlankgeschnürte Edelknaben ihr des Purpurs Schleppe tragen.

Und im schimmernden Ornate mit dem Stab der Bischof schreitet;
Aus der Inful Gold die Locke silbern auf's Pluviale gleitet.

Drauf der Clerus kerzentragend, hergenaht vom prächt'gen Mailand;
Und des Weihrauchs Wolken duften, und es funkelt hoch der Heiland.

Jetzt Herr Walther festen Schrittes, um das Schwert die
Faust geschlossen;
Frei trägt er das klare Antlitz, drob sich tiefer Ernst ergossen.

Und Ghismundens Eltern folgen in des Bräutigames Tritten;
Träumend von des Hauses Ehre, kommen stolz sie hergeschritten.

Drauf sich blähende Lombarden, keck sich wiegend in den Lenden,
Prunkend mit dem Glanz der Trachten, Paar auf Paar den Zug beenden;

Jetzt umringt vom bunten Landvolk, nahn die Ersten der Capelle ,
Und ein »Halt!« dröhnt durch die Hallen, und Herr Walther tritt zur Schwelle; –

Wehret den geweihten Eingang mit den Armen ausgestrecket;
Und Ghismonda steht versteinert, und die Reihen schau'n erschrecket.

Und es naht der Braut Herr Walther, faßt die Hand mit ernster Milde,
Sieht ihr ruhig in das Auge, zeigt empor zum Kreuzesbilde:

»Eh' in's Heiligthum ich trete, sprich und woll' es laut bekennen,
Kannst du Christum deinen Heiland, kannst du deinen Gott Ihn nennen?«

Und es ruht Herrn Walthers Auge ruhig harrend auf Ghismunde;
Leis erstirbt das Wort der Gäste, wie gebannet lauscht die Runde.

Sieh'! Ghismunde, wie sie zaudert! Doch der Stolz den Streit beendet,
Stumm mit aufgehobnen Händen finster sie vom Kreuz sich wendet.

Und Herrn Walther rinnt ein Schauer durch die erzumschlossnen Glieder,
Und er sinkt in's Knie gebrochen zu des Bischofs Füßen nieder.

Und der Bischof legt die Hände auf das Haupt ihm wie zum Schutze,
Glüht sein Aug' in Heiligem Zorne ob dem stolzen, sünd'gem Trutze;

Dräuend hebt sich seine Rechte, und die Braut starrt ohne Leben; –
Und es dröhnt sein strafend Rufen durch der Gäste stummes Beben:

»Weib vom Glauben abgewichen, Kämpin sonder Schild und Lanze!
Rose duftlos und verblichen, Perle mit erloschnem Glanze!«

»Tempel mit zerfallnen Gängen, Fürstin bettelnd auf den Gassen!
Harfe mit zerrissnen Strängen, wie so elend und verlassen!«

»Ja! Der Brautring ist zerbrochen! Magst bereuen, magst beweinen!
Sonst wie du den Herrn verneinest, wird deß Braut auch dich verneinen!«

Und er hebt an's Herz Herrn Walther, und Ghismunde sinkt vernichtet,
Schreier auf mit hellem Seufzer, so hat sie das Wort gerichtet.

Und mit klirrend lautem Tritte, durch der Reihen Grabeschweigen,
Wallt Herr Walther längs der Halle, draußen auf das Roß zu steigen;

Und, die Lorbeerbraut zu freien, Rothbarts Banner zu erreiten;
Und der Bischof und der Clerus mit dem Kreuz ihn stumm begleiten.



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