Friedrich von Raumer
Geschichte der Hohenstaufen und ihrer Zeit, Band 3
Friedrich von Raumer

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Fünftes Hauptstück.

Ungeachtet der traurigen und hülfsbedürftigen Lage, in welcher sich die Christen des Morgenlandes befanden, war doch unter ihnen weder Ordnung und Einigkeit, noch hatte der für sie daraus hervorgehende offenbare Schaden und der strenge Tadel des Papstes, leidenschaftlichen Antrieben gegenüber, irgend ein Gewicht. Vielmehr stritten, befehdeten, verfolgten, bannten sich in diesen Jahren: Templer und Johanniter, Geistliche und Geistliche, Laien und Priester, Venetianer, Genueser und PisanerReg. Hon. II, 592; IV, 631; V, 491; VIII, 532.  Im Jahre 1226 wurde der Graf von Tripolis wegen eines Streits mit den Johannitern vom Papste gebannt.  ib. IX, Urk. 319. Bei einem Streite zwischen Pisanern und Genuesern brannte ein Theil von Akkon ab.  Marchis. zu 1222..

Leicht würden die Türken das geringe, in sich so arg zerfallene Häuflein der Christen ganz unterjocht haben, wenn sie nicht um dieselbe Zeit gleich thöricht in Parteiung und Krieg gerathen wären. Der Mangel eines gesetzlich ausgesprochenen und für heilig anerkannten Erbrechts gab unter ihnen ganz eigenthümliche, sich stets erneuende Veranlassungen zu Wechsel und Hader. So hatte Saladin die Familie Nureddins bei Seite geschoben, Adel die Söhne 433 Saladins verdrängt, und itzt erneute sich der Streit unter Adels durch keine Erfahrung gewarnten Söhnen. Den Ausschlag gab bald List, bald Gewalt, bald die Macht fremder StämmeWir müssen das einzelne übergehen, was Abulfeda genau erzählt., welche man unvorsichtig aus dem Innern Asiens zu Hülfe rief; und bei all diesen willkürlichen Veränderungen litten zuletzt die Beherrschten noch mehr, als die Anführer.

Moattam, der älteste Sohn Adels starb im November 1227 und hinterließ Damaskus nebst allen übrigen Ländern seinem minderjährigen Sohne Nasr David, welcher unter Vormundschaft des Mameluken und Emirs Azzeddin Ibek standAlberic. zu 1229 sagt, der Emir sey ein abtrünniger Johanniter gewesen.. Der Tod Moattams war ein großer Verlust für die Muhamedaner: denn seine Mäßigung und Besonnenheit, sein Verstand und sein allem morgenländisch übertriebenen Prunke abgeneigter Sinn, zeichneten ihn vor vielen andern aus. Kamel von Ägypten, der zweite Sohn Adels, betrachtete sich itzt als Obersultan und setzte, ohne Rücksicht auf die Ansprüche seines Neffen David, Landpfleger in Gaza, Neapolis, Jerusalem und andern Städten Syriens.

Gleichzeitig wurde dieser von den Kreuzfahrern bedroht, welche im Sommer 1227 aus Apulien abgesegelt und unter Anführung des Herzogs von Limburg gelandet warenConcil. XIII, 1111. Schreiben des Patriarchen.  Sanut. 211.  Math. Paris 234.. Sie verlangten: man müsse entweder sogleich eine kräftige Fehde beginnen, oder ihr Gelübde als gelöset und die Heimkehr als erlaubt betrachten. Das letzte erschien ganz thöricht, das erste ungerecht, weil der beschworne Waffenstillstand mit den Türken noch nicht abgelaufen war. Doch siegten endlich, nach langen Berathungen, die Listigen und 434 {1228} Kühnen über diejenigen, welche für die Heiligkeit des Eides sprachen. Jene behaupteten: daraus, daß der Papst die Pilger schon jetzt zum Kreuzzuge angehalten habe, folge offenbar, daß er den Bruch des Eides wolle und billige; auch würden die Saracenen, wenn die geschwächte Zahl der Christen ihnen einst glücklichen Erfolg verheiße, ihr gegebenes Wort wohl auch nicht halten. Um dieser doppelten, für entscheidend angenommenen Voraussetzung willen, beschloß man Joppe und Cäsarea zu befestigen, und dann nach Jerusalem aufzubrechen.

Unterdessen hatten Aschraf und Kamel das Erbe ihres Bruders Moattam unter sich getheilt und ihrem Neffen Entschädigungen angewiesen, mit welchen er nicht zufrieden seyn konnte; sie schrieben ferner allerhand andern Ländertausch und Abtretungen vor, welche, wo nicht gleichen Verdruß erregten, doch die an- und abziehenden Häuptlinge so beschäftigten, daß sie nicht gegen äußere Feinde wirken konnten.

Um diese Zeit landete Kaiser Friedrich in CypernSanut. 212.  Guil. Nang.  Reg. Honor. X, Urk. 206., wo Johannes von Ibelym die Vormundschaft für Heinrich I, den Enkel König Amalrichs führte. Nach wechselseitig zuvorkommendem Empfange verlangte der Kaiser: Berytus müßte zurückgegeben werden, weil es nicht als Lehn verliehen wäre, und während der Minderjährigkeit Heinrichs gebührten die Einnahmen des Reiches Cypern ihm als oberstem Lehnsherrn. Beide Forderungen gründeten sich auf unleugbare Gesetze: allein man war seit langer Zeit in diesen Gegenden gewohnt, ohne alle Rücksicht auf solche höhere oder allgemeinere Gesetze zu leben, und was der Kaiser eine Herstellung des alten guten Rechts nannte, schalten die Betheiligten eigenmächtige Neuerung. Auf den Widerspruch Heinrichs und seines Vormundes folgte ein Vergleich, auf den Vergleich neuer Ungehorsam, bis Johannes von Ibelym in Nikosia belagert und zu einer zweiten 435 {1228} Übereinkunft gezwungen wurde, wonach der Kaiser die Einnahme von Cypern bis zur Großjährigkeit Heinrichs erhielt, Johannes hingegen Berytus zu Lehn empfing, und ihm vorbehalten blieb, etwanige Anrechte vor dem königlichen Lehnshofe nachzuweisen.

Nunmehr segelte der Kaiser nach AkkonMargan ann. l. c. lassen Friedrich in Tyrus, Abulfeda läßt ihn in Sidon landen. Abt Hugo von Murbach war bei ihm.  Docum. des Stifts Hof 494. und wurde von der Geistlichkeit und dem Volke mit großen Ehrenbezeigungen empfangen; ja die Tempelherren und Johanniter sollen sogar, alter Sitte gemäß, das Knie vor ihm gebeugt haben. Diese günstigen Verhältnisse dauerten jedoch leider nicht lange. Zuvörderst gewahrten die Prälaten und Ritter, daß Friedrich in Syrien so wenig, als in Cypern, eine solche Nachgiebigkeit oder Schwäche zeigen werde, wie die hülfsbedürftigen, früher zu Königen erhobenen Grafen. Der Kaiser meinte: daß er sein Anrecht auf den Thron keiner fremden Wahl oder Bestätigung verdanke, noch von andern Vorschriften zu empfangen habe; vielmehr sey es seines Amtes, Ordnung und Gehorsam in das ausgeartete, wüste Treiben zu bringen. Denn obgleich Friedrich auf asiatische Eroberungen nicht das größte Gewicht legte, so wollte er doch das Reich Jerusalem (woran sich damals wo nicht der größte Glanz, doch die größte Theilnahme reihte) keineswegs leichtsinnig aufgeben, oder schlechte und nachtheilige Einrichtungen billigen, und dem Papste damit Gelegenheit verschaffen, durch stets erneute geistliche Anforderungen seine übrigen Plane lebenslang zu stören. Wie er aber mit seiner geringen Macht irgend etwas der Erwähnung werthes gegen die Türken ausrichten wolle, das mochten selbst seine Freunde nicht begreifen, im Fall sie eben so wenig als der Papst und das Abendland wußten, in welchem Verhältniß er zu den Sultanen stand.

Mit Besorgniß hörte man seit Jahren im Morgenlande 436 {1228} von den großen Anstrengungen, welche Europa für das heilige Land mache, und dachte sich den Kaiser, das Haupt der Christenheit, nicht anders als an der Spitze eines gewaltigen Heeres. Einen so mächtigen, auch persönlich höchst ausgezeichneten Gegner durch mäßige Abtretungen zu begnügen, schien dem Sultan von Ägypten nicht bloß rathsam, sondern er hatte, um eine Unterstützung gegen seinen ihn damals befehdenden Bruder Moattam zu finden, den Kaiser selbst nach Asien berufen. Durch diese allen unbekannte Einladung war Friedrich vielleicht noch mehr, als durch die strengen Ermahnungen des Papstes, zum Aufbruche bestimmt worden. Als er nun aber in Syrien ankam, fand er die Verhältnisse so sehr verändert, daß von dem Beschlossenen und Erwarteten fast nichts übrig blieb, und man durchaus von neuem, ungewiß mit welchem Erfolge, unterhandeln oder kriegen mußte. Kamel, welchem bei der Theilung von dem Erbe Moattams Jerusalem zugefallen war, sah, nach Beseitigung aller Gegner, in dem Kaiser keinen Verbündeten, den er gern belohnt, sondern einen fordernden Feind, dem er gern alles abgeschlagen hätte. Der Kaiser hingegen, welcher ohne jene freundschaftlichen Verbindungen mit Kamel, den Kreuzzug mit so geringer Macht wohl nicht gewagt hätte, sah sich itzt in großer Verlegenheit, und diese wurde durch die Maaßregeln des Papstes ganz außerordentlich erhöht. Gregor nämlich hatte schlechterdings nicht geglaubt, daß es dem Kaiser, nach siebenjähriger Zögerung, mit dem Versprechen des Kreuzzuges Ernst sey; wie erstaunte er daher bei der Botschaft: Friedrich sey wirklich unter Segel gegangen und fordere, mit verdoppeltem Rechte, die Aufhebung des über ihn gesprochenen Bannes. Allein der Papst war schon zu weit auf den Plan eines in Italien gegen die kaiserliche Macht zu führenden Krieges eingegangen, als daß er sogleich ganz umkehren wollte; ferner, erschien ihm der mit so wenigen Schiffen und so geringer Mannschaft unternommene Zug des Kaisers nicht als eine ernste genügende Erfüllung des Gelübdes, 437 {1228} sondern als ein listiges Mittel, um von der übernommenen Pflicht loszukommen, die Welt zu täuschen und des Papstes zu spotten. Deshalb erneute er nicht nur den Bann, sondern schickte auch zwei Minoriten oder Franziskaner nach Syrien und ließ dem Patriarchen, den Rittern, den Deutschen, ja allen Christen verbieten, dem Kaiser irgend zu gehorchen. Der Großmeister des deutschen OrdensRich. S. Germ. 1012. sollte die Deutschen und Lombarden, Richard Filangieri und Otto von Montbeillard aber die Mannschaft aus Syrien und Cypern befehligen.

Als diese unerwartete Botschaft im Morgenlande ankam, suchte sich Friedrich in jeder Beziehung zu rechtfertigen und dem Papste alle Schuld aufzuwälzen: aber nur die Deutschen, die Pisaner und Genueser blieben ihm treuUrsp. 338.  Iperius 111.  Margan. ann.  Venitiani vacillabant. Burch. vita 170.; während die meisten andern den Gebannten vermieden und die Tempelherrn schon itzt offene Feindschaft zeigten. Erst als der Kaiser nothgedrungen den Ausweg ergriff, daß er die Befehle nicht mehr in seinem Namen, sondern im Namen Gottes und der Christenheit bekannt machen ließLeibn. mant. XLV, 245., folgten ihm alle in der Mitte des November nach Joppe und befestigten den Ort. Das christliche Heer zählte 800 Gewappnete und an 10,000 Fußgänger; das Heer Kamels stand südöstlich eine Tagereise entfernt bei Gazara, und das Heer Davids nordöstlich bei Neapolis. Keiner war dem andern so überlegen, daß er mit Sicherheit auf Sieg rechnen konnte; daher entstanden Zögerungen und die Furcht, Friedrich werde sich mit David gegen Kamel, oder Kamel mit seinem Neffen gegen den Kaiser verbinden. Eingedenk der alten Verhältnisse, überschickte dieser jedoch zuvörderst dem Sultan von Ägypten bedeutende Geschenke, und erhielt dafür Kameele, Elephanten, Affen und andere im 438 {1228} Abendlande unbekannte Thiere. Über die öffentlichen Angelegenheiten selbst ließ Friedrich ihm sagen: »er sey keineswegs aus Ländersucht nach Asien gekommen, sondern nur um sein Gelübde zu lösen, die heiligen Orte zu besuchen und seines Sohnes Ansprüche zu vertheidigen. Wenn Kamel diese anerkenne, wolle er sein treuer Freund seyn und zeitlebens bleiben.« – Kamel sah einerseits ein, daß für ihn, sobald er den Kaiser vollkommen beruhige, von Europa aus auf lange Zeit nichts zu besorgen und dann seine Obermacht über alle asiatischen Nebenbuhler gesichert sey: andererseits war er aber von dem Zwiste des Kaisers und Papstes, so wie von dem Ungehorsam der Christen wohl unterrichtet, und fürchtete den Tadel seiner Glaubensgenossen, wenn er mühsam erkämpfte Landschaften und heilige Städte scheinbar ohne zureichende Ursach den Christen abträte.

Vielleicht hätten diese sich wechselseitig aufhebenden Betrachtungen einen entscheidenden Entschluß noch lange verzögert, wenn nicht Friedrich mit dem Anfange des Monats März 1229 die Nachricht erhalten hätteRumores - libenter vellemus esse meliores et de alia maneria, quam sunt, schreibt Hermann von Salza. Reg. Gregor. III, 110-117. Nach den Pisan. monum. 977, erfuhr Friedrich den Angriff auf Apulien durch den Sultan.: »ein päpstliches Heer sey unter Anführung Johanns von Brennes in seine Staaten verwüstend eingebrochen, habe S. Germano erobert und ziehe gen Kapua.« Aus diesen günstigen Umständen zog indeß der Sultan keinen erheblichen Vortheil: theils weil dem Kaiser noch immer frei stand, mit David statt mit ihm abzuschließen; theils weil Kamel und Friedrich durch nähere Bekanntschaft die Hochachtung gegen einander gefaßt hatten, welche ihre innere Tüchtigkeit verdiente, und jenem eben so viel daran lag, einen aufrichtigen Freund in Europa, als diesem, einen treuen Verbündeten in Asien zu gewinnen. Und so vereinigte man sich unerwartet über 439 {1229} folgende PunkteGuil. Tyr. 699.  Bern. thesaur. 846.  Math. Paris 245.  Friedrichs Schreiben in Reg. Greg. III, 86-89.  Leibnitz mantissa XLV, 245.  Ursperg. 339.  Aventin. ann. VII, 3, 13.: »Jerusalem, Bethlehem, Nazareth, Rama, und das Land zwischen Akkon, Tyrus, Sidon und Jerusalem wird den Christen überlassen; mithin das Reich Jerusalem so wie es vor der saracenischen Eroberung war, nur mit Ausnahme von etwa vier Burgen. Die alten Befestigungen dürfen von den Christen hergestellt, von dem Sultan aber keine neuen angelegt werden. Die Moscheen bleiben unverletzt, und die Muhamedaner erhalten den Zutritt zu dem Tempel, welchen sie eben so sehr verehren, als die Christen; nur müssen sie ohne Waffen erscheinen und außerhalb Jerusalem wohnen. Die Gefangenen werden zurückgegeben, und der abgeschlossene Waffenstillstand dauert zehn Jahre.«

In der Hauptsache stimmen die morgenländischen Berichte über diesen Frieden, mit obigen Angaben des Kaisers, und nur in Hinsicht der Breite des abgetretenen Landes deutete, wie es scheint, jede Partei die unbestimmten Worte des Vertrages zu ihrem Vortheil. Abulfeda nämlich sagtAbulfeda zu 1228.  Abulfarag. 305.: »bloß diejenigen Ortschaften habe man den Franken abgetreten, welche sie auf den Wegen von den Küstenstädten nach Jerusalem nothwendig berühren müßten; auch sey ihnen die Befestigung dieser Hauptstadt nicht bewilligt worden.« Allein selbst unter solchen Beschränkungen, erscheint dieser, durch glückliche Benutzung zusammentreffender Umstände und geschickte Verhandlungen gewonnene Friede vortheilhafter, als ihn die abendländischen Herrscher seit dem Falle Jerusalems je durch Gewalt hatten erzwingen können. Auch bezeigten alle Unbefangenen darüber ihre große und herzliche Freude, während eifrige Muhamedaner klagten: Kamel habe den Christen viel zu viel bewilligtNach arabischen Quellen sagte Friedrich dem Emir Fakreddin, mit welchem er unterhandelte: er müsse auf jene Bedingungen und den Besitz Jerusalems dringen, um nicht Ruf und Achtung im Abendlande zu verlieren. Michaud VII, 714..

440 {1229} Sonnabends den 17ten März 1229, zweiundvierzig Jahre nach der Eroberung durch Saladin, hielt Kaiser Friedrich an der Spitze seiner Getreuen einen feierlichen Einzug in Jerusalem. Viele riethen ihm: er solle nach so ruhmvoller Lösung des Gelübdes, welches ihm den Bann zugezogen habe, Gottesdienst vor sich halten lassen; andere hingegen, denen (wie der treffliche Deutschmeister Hermann von Salza erzählt) das Wohl und die Erhebung des Kaisers und der Kirche gleichmäßig am Herzen lag, widersprachen jenem Vorschlage, weil er keinem von beiden Vortheil zu bringen schien. Friedrich gab nach und wohnte am folgenden Tage dem Gottesdienste nicht bei, später ging er jedoch seines Rechtes gewiß, feierlich in die Kirche, nahm die Krone vom Altar und setzte sie selbst auf sein Haupt. Hienächst wandte er sich zu den gegenwärtigen Erzbischöfen von Palermo und Kapua, zu den Baronen und allem versammelten Volke, und ließ durch Hermann von Salza eine deutsche Schrift vorlesen des Inhalts: »es ist bekannt, daß ich in Achen freiwillig das Kreuz nahm, durch unzählige Hindernisse aber von der frühern Erfüllung meines Gelübdes abgehalten ward. Ich entschuldige den Papst, daß er mich so hart daran erinnerte und endlich den Bann über mich aussprach: denn er konnte auf keine andere Weise den Schmähreden der Menschen und der Schande entgehenQuia non poterat aliter apud homines blasphemias et infamiam evitare. Dies und das Ganze nach dem Schreiben Hermanns von Salza. Reg. Greg. IX, 71-78 u. 176.  Alberic. 533.  Dandolo 344.. Ich entschuldige ihn ferner, daß er feindselig über mich nach Palästina schrieb: denn man hatte ausgesprengt, ich sammele das Heer nicht zur Errettung jenes Landes, sondern zur Unterjochung des Kirchenstaates. Hätte der Papst meine 441 {1229} wahre Absicht gekannt, er würde nicht gegen, sondern für mich geschrieben haben; wüßte er, wie viele hier zum Nachtheile der Christenheit wirken, so würde er auf deren Klagen und Beschwerden nicht achten. Gewiß werde ich alles thun, was zur Ehre Gottes, der Kirche und des Kaiserthums gereicht, damit sich meine aufrichtige Friedensliebe offenbare; gewiß werde ich alle eigene Versehen und alles, was die meinen etwa gegen die Kirche gethan haben, wieder gut machen, damit die offenbaren Feinde Christi und die falschen Freunde Christi, welche sich über die Zwietracht freuen, durch den hergestellten Frieden und die Einigkeit zu Schanden werden. Ich will nicht der Hoheit gedenken, die mir auf Erden zu Theil geworden ist, sondern mich vor Gott, dem ich meine Erhebung allein verdanke, demüthigen, und um Gottes willen auch vor dem, den er als seinen Statthalter auf Erden bestellt hat.« – Diese Rede wurde sogleich auch in lateinischer, französischer und italienischer Sprache verlesen, und erregte eine kaum in Worten auszudrückende Freudeut vix possit explicari sermone.!

So des Sonntags. Aber am folgenden Tage erschien unerwartet der Erzbischof von Cäsarea und belegte im Namen des Patriarchen Gerold die Kirche des heiligen Grabes und alle heiligen Örter mit dem strengsten Banne. Der Kaiser ließ sogleich den Erzbischof über den Grund dieses unerhörten Benehmens befragen und erbot sich, sofern er den Patriarchen unwissend beleidigt habe, zu angemessener Genugthuung: man würdigte ihn aber keiner Antwort, weshalb er nun laut vor allen Geistlichen und Weltlichen klagte: »die heiligen Örter, welche so lange unter saracenischer Herrschaft seufzeten und endlich durch Gottes wunderbare Hülfe befreit wurden, sind durch dies verwerfliche Untersagen alles Gottesdienstes, der alten Gefangenschaft und dem alten Elende wieder preis gegeben!« – Das Heer theilte des Kaisers Ansichten, pries seine 442 {1229} Weisheit und sein GlückAlberic. 533.  Malesp. 126.: aber der Patriarch nahm hierauf keine Rücksicht, und die Tempelherrn zeigten ihre Feindschaft noch heftiger, als vorher. Sie drohten den Kaiser gefangen zu nehmenBern. de S. Pierre msc. 125., als dieser eines ihrer Schlösser besetzen wollte; sie benachrichtigten den Sultan, daß Friedrich mit geringer Begleitung zur Taufstätte Christi an den Jordan wallfahrten werde, wo man ihn leicht greifen oder tödten könne. Kamel, weit entfernt auf so schändliche Vorschläge einzugehn, übersandte das Schreiben der Templer dem Kaiser, damit er sich vor falschen Freunden hüten möge. Von dem Tage an war dessen und des Sultans Freundschaft noch unwandelbarer befestigt; gegen die Strafwürdigen und Widerspenstigen aber ergriff er, der langen Nachsicht müde, jetzo strengere Maaßregeln. Kein Orden sollte künftig ein vom Könige unabhängiges Heer bilden oder halten, kein Tempelherr ohne seine Erlaubniß in Jerusalem ein- oder ausgehen. Alle Kirchen und festen Plätze wurden besetzt, die schmähenden Priester aus jenen vertrieben und einige Bettelmönche, welche, des Verbots ungeachtet, fortfuhren auf ihre Weise zu schimpfen, litten körperliche Strafe.

In den Gegnern des Kaisers wirkte der Stolz, ihm trotzen zu können, das Andenken an die frühere Unabhängigkeit von den Königen Jerusalems, und die Sorge, das auf zweideutigem Wege Erworbene bei genauer Prüfung des Rechtstitels zu verlieren. Hiezu kam der irrige Glaube an die vorgeblichen Unthaten Friedrichs, und die thörichte Meinung: ein bis zur gänzlichen Unterdrückung des Gefühls für Recht und Unrecht gesteigerter knechtischer Gehorsam gegen die Befehle der Kirche, sey die höchste Pflicht; ja, nach des Papstes Bannspruche, sey selbst Verrath gegen den Kaiser nicht allein entschuldigt, sondern sogar gerechtfertigt und preiswürdig. – Wenn wir aber auch die heftigsten AnschuldigungenQuelle für diese Nachrichten sind Math. Paris 249 und Raynald. Der Verrath der Templer wird ohne Beweis geleugnet in der Hist. d. Teml. I, 331; doch finde ich nicht, daß der Kaiser selbst bestimmt davon spräche. von jenem Verrath und dessen harter 443 71229} Bestrafung wechselseitig verwerfen wollten, weil sie nicht ganz ohne Widerspruch beglaubigt sind; so giebt doch ein ächtes Schreiben des Patriarchen Gerold an den Papst, merkwürdige Aufschlüsse über die Ansichten und Triebfedern. Zwar sucht jener diese mit großer Kunst hinter eine scheinbar einfache Erzählung bloßer Thatsachen zu verstecken: allein leicht erkennt man in und zwischen den Zeilen, folgendes als den wesentlichen InhaltMath. Paris. 247.  Rayn. § 3.:

»Der Sultan behandelte die christlichen Gesandten, wenigstens im Anfange, schnöde, und Friedrich ließ sich diese ungebührliche Zurücksetzung kaiserlicher Majestät nicht allein gefallen, sondern fuhr auch fort, statt eifrig und nachdrücklich die Ungläubigen mit den Waffen zu verfolgen, durch gütliche Mittel den Frieden zu suchen; ja er strafte sogar diejenigen, welche in löblichem Eifer den verzögerten Krieg für sich begannen und Ungläubige tödteten. Vom Sultan empfing er Sängerinnen, Tänzerinnen und Spaßmacher zum Geschenk, und lebte überhaupt nicht wie ein christlicher Kaiser, sondern wie ein Saracene.«

»Der angeblich höchst vortheilhafte Friede ist durchaus zu verwerfen: denn, erstens, hat der Kaiser mich, den Patriarchen, keineswegs wie es sich gebührt um Rath gefragt, sondern gesagt: »»er bedürfe über solche Angelegenheiten keines geistlichen Rathes««; zweitens, erhalte ich, der Patriarch, durch diesen Frieden so wenig, daß die Christenheit sich dessen schämen sollte; drittens, hat der Friede keine Haltung, denn der Sultan begnügt sich mit des Kaisers Eide und der Kaiser mit des Sultans Eide, während die Zustimmung der übrigen türkischen Herrscher und vor allem meine Zustimmung fehlt, ohne welche die Christenheit nicht verpflichtet werden konnte; viertens, widerspricht der 444 {1229} Friede dem Gelübde des Kaisers, denn er versprach ja keineswegs Frieden zu schließen, sondern wenigstens zwei Jahre lang zu kriegen; fünftens, verräth der Friede Christus unsern Herrn an den Sultan, weil den Muhamedanern freier Gottesdienst im Tempel Salomons verstattet ist, anstatt dessen Übergabe an mich, den Patriarchen, auszubedingen.«

»Da also der Sultan den Frieden nicht auch mit mir geschlossen hat, und nach des Kaisers Abzuge nicht halten wird, da ich in der Friedens-Urkunde nicht einmal erwähnt bin und deren Inhalt nichts taugt, da der Kaiser überall trügerisch verfährt und mir und der Kirche die Schuld aller künftigen Unfälle zuschreiben wird: so habe ich, der Patriarch, den Gottesdienst verboten und allen Pilgern den Eintritt in Jerusalem untersagt, welcher ihnen hätte Gefahr bringen können und ohnedies, nach ältern päpstlichen Befehlen, die ich nicht aufheben konnte, unerlaubt erschien. – Zwar hat mich der Kaiser nach Abschluß des Friedens einladen lassen mit nach Jerusalem zu ziehen, und geäußert, wie lieb ihm meine Ankunft seyn würde, wie er alles Nöthige mit meinem Rathe ordnen wolle: allein ich habe mich weder dadurch, noch durch Aufforderungen anderer guten Freunde bereden lassen, sondern klüglich überlegt und erkannt, daß Friedrich nur das Netz seiner Falschheiten ausdehnen und mich und alle übrigen mit Lug und Trug umstricken wollte. Meines Sinnes waren auch die meisten, und bloß die Deutschen haben dem Kaiser überall beigestanden, ihn geehrt, erhoben, bewundert und am Krönungstage den Gesang angestimmt, dadurch aber jedem andern – ihre Narrheit klärlichst bewiesen u. s. w.!«

Der Kampf zwischen Kaisern und Päpsten hatte ungeachtet einzelner Flecken und Auswüchse, damals im ganzen seinen großartigen Charakter noch nicht verloren: aber ihre Helfer und Helfershelfer darf man nicht künstlich erheben und in ihnen die Einsicht, oder den guten Willen und Glauben voraussetzen, welchen ihre Meister wenigstens in 445 {1229} der Regel zeigten. Vielmehr verdienen heillose Tyrannen, welche, wie Ezelin auf der kaiserlichen, knechtische Heuchler, welche auf der päpstlichen Seite hervorwuchsen, die strengste Rüge und Verurtheilung. Jener Brief des Patriarchen ist ein deutlicher Beweis seines Neides, Eigensinnes, Stolzes, seiner Hinterlist und schlechten Gemüthsart. Hätte er milde zum Frieden gewirkt, wie es sein Beruf erforderte, und nicht den aus ganz andern Gründen erzürnten und auf anderem Standpunkte gestellten Papst noch mehr gereizt und den Kaiser ungebührlich beleidigt, so würde er seine Würde behauptet und das Morgenland sich besser dabei befunden haben. – Jetzo verließ Friedrich, im Zorne über solch Benehmen, Jerusalem, nachdem er für die Herstellung der Mauern gesorgtAbfahrt Friedrichs am 17ten Mai 1229, über Cypern nach Brundusium.  Math. Paris 248.  Sanut. 213.  Dandolo 344. und seinen Marschall an die Spitze der Verwaltung gestellt hatte. Er mußte seine Rückkehr nach Apulien aufs äußerste beschleunigen.

{1228} Gleich nach seiner Abfahrt aus Hydrunt hatte er durch den Erzbischof von Bari und den Grafen Heinrich von Malta nochmals beim Papste die Aufhebung des Bannes fordern lassen; worauf dieser aber, aus den schon angedeuteten GründenReg. Gregor. II, 233, 237., und auch unter dem Vorwande nicht einging: daß, wie er wohl wisse, Rainald von Spoleto einziger Statthalter und Bevollmächtigter des Kaisers seyRich. S. Germ. 1006.  Antinori II, 94-96.. Sobald Rainald hievon hörte, behauptete er: gegen des Papstes geistliche Waffen bleibe jetzt keine andere Hülfe als die weltliche Macht. Auch habe jener wahrscheinlich einen Aufstand der Herrn von Polito in Kapitanata begünstigt, stehe mit den Lombarden in bedenklichen Verbindungen, und habe das ihm vom Kaiser in zu großer Nachgiebigkeit abgetretene Herzogthum Spoleto unleugbar durch Undankbarkeit verwirkt. Mehr noch als diese Gründe bestimmte 446 {1228} Rainalden die Hoffnung, bei dieser günstigen Gelegenheit seine angeblich unvertilgbaren Erbrechte auf jenes Herzogthum geltend zu machen. Deshalb brach er von der einen, und sein Bruder Bertold, welcher kaiserlicher Statthalter in Tuscien warWenigstens 1226 war Bertold daselbst Statthalter.  Carte pec. di Firenze I, 2.  Camici erwähnt desselben, trotz seiner Genauigkeit, nicht., von der andern Seite in den Kirchenstaat ein. Jener hob den Spruch eines päpstlichen Gesandten für Tolentino gegen S. Ginesio auf, und nannte sich dabei Herzog von Spoleto und kaiserlicher Statthalter für die Mark Ankona.Benigni II, Urk. 20.  Vitae Pontif. 516. Dieser umlagerte das Schloß Prusa.

{1229} Sobald Gregor hievon Nachricht bekam, erließ er Abmahnungsschreiben an beide Brüder, worauf sie aber keine Rücksicht nahmen, sondern immer weiter vordrangen und sich mancher Grausamkeit schuldig machten. So ließen sie z. B. einige widerspenstige Priester am Leben strafen, und die Einwohner des mit Gewalt eingenommenen Schlosses Prusa (welche sie, schwerlich aus hinreichenden Gründen, als Empörer bezeichneten), nach allerhand Martern, durch die in ihrem Heere befindlichen Saracenen ums Leben bringen. Da zögerte Gregor, – welcher überdies glaubte, daß dies alles nach Anweisung des Kaisers geschehe –, nicht länger, sondern that jene Brüder mit allen ihren Anhängern in den Bann und nahm kräftige Maaßregeln, Gewalt mit Gewalt zu vertreiben.

Unerwartet war ihm indessen ein kriegerischer Anfall des Kirchenstaates wohl auf keine Weise: vielmehr mußte er in dem Augenblicke, wo er mit dem Kaiser völlig brach, auch auf eine äußere Stütze gegen dessen weltliche Mittel bedacht seyn. Eine solche Stütze hoffte er an den Lombarden zu finden, welche ihn schon längst zu strengen Maaßregeln antrieben und, ihres eigenen Vortheils wegen, gern je eher je lieber in offenen Krieg mit dem Kaiser verwickelt 447 {1229} hätten. Gregor aber hielt sich erst jetzo, nach den Angriffen und Übelthaten Rainalds, wo nicht für berechtigt und verpflichtet, doch für hinreichend entschuldigt, diesen unkirchlichen Weg nicht länger zu verschmähen. Er forderte, unter Bewilligung großer Vortheile, zum Kriege gegen Neapel aufVon dem was Gregor in Deutschland gegen den Kaiser that, ist weiter unten die Rede. und ließ die Angeworbenen mit dem Schlüssel Petri bezeichnen, um ihre geistlichen Verdienste auszudrücken und durch die Erinnerung an die Kreuzzüge noch mehre anzulocken. Und in der That fanden sich so viele Anhänger des Papstes, oder so viele Kriegslustige, oder bloß Beutesüchtige, daß man aus ihnen zwei Heere bilden konnte, eines unter dem Könige Johann und dem Kardinal Kolonna, welches Rainalden aus dem Kirchenstaate verdrängen; das zweite unter dem Kapellan Pandolfo von Anagni, welches unmittelbar über Ceperano in das Neapolitanische einbrechen sollteDonio 258.  Aless. de magistr. nennt auch Tomaso Conti als päpstlichen Befehlshaber gegen Friedrich.. Sobald der Großrichter Heinrich von Morra von diesen Vorbereitungen Nachricht erhielt, sammelte er schleunig alle Getreuen des Kaisers und binnen kurzer Frist wurde Pandolfo mit seinem Heere, nicht ohne ansehnlichen Verlust, von Rokka d'Arce und Fondi hinweg und in den Kirchenstaat zurückgedrängt. Etwa sechs Wochen später, mit dem Anfange des März 1229, wagten aber die Päpstlichen, nachdem sie sich verstärkt hatten, den zweiten Einfall, und nahmen in einem durch die örtlichen Verhältnisse unerwartet begünstigten Gefechte den Großrichter Heinrich und den jüngern Grafen von Acerra gefangen. Dieser Unfall zog den Verlust von S. Germano nach sich, Montekassino ging wahrscheinlich für die Freilassung jener Gefangenen verloren, und die vom Kaiser schon früher abgefallenen Grafen von Celano und Aquila traten itzt als päpstliche Befehlshaber im Innern des Reiches auf. Alles Land bis an den 448 {1229} Vulturnus kam in die Gewalt der Päpstlichen, ja über den Vulturnus und Telesia hinaus erreichten sie Benevent, und drangen immer weiter vor; so daß der Großrichter von allen Seiten überflügelt ward und kaum hoffen durfte, Kapua mit seiner geringen Macht lange zu behaupten.

Nicht minder glücklich hatte König Johann Rainalden erst aus dem Kirchenstaate verdrängt, dann in Sulmona eingeschlossen und das Land bis über Molisa hinaus unterworfen. Nur die Einwohner von BojanoDie Nachricht über Bojano findet sich bei Bartol. de Neocastro, einer etwas unsichern Quelle. widerstanden ernstlich, zeigten von den Mauern herab dem Könige Johann seinen Enkel Konrad und sprachen: »deine Pflicht ist, diesem Unschuldigen das angestammte Reich nicht zu rauben, sondern zu erhalten.« Ungerührt erwiederte Johann: »dem Papste zu gehorchen, ist die höchste Pflicht.« Dieser löbliche Widerstand Bojanos konnte aber die wichtige Vereinigung der beiden päpstlichen Heere nicht aufhalten: das ganze Reich lag offen vor ihnen, Bettelmönche zogen als der gefährlichste Vortrab durch alle Städte mit päpstlichen Schreiben und Ablaßbriefen, und die allgemein und vorsätzlich verbreitete Nachricht, Kaiser Friedrich sey gestorben, schlug auch die Hoffnungen und Bemühungen seiner treusten Anhänger danieder. Doppelt groß war also ihre Freude, als unerwartet die Nachricht eintraf, er sey glücklich bei OstuniDafür halte ich das Astone Villanis VI, 18; al castello dastore, schreibt cron. mscr. No. 911., unfern Brundusium gelandet, und ächte, zu Treue und Widerstand auffordernde Schreiben alle etwanigen Zweifel über die Wahrheit dieser Botschaft niederschlugen. Desto mehr erschrak das päpstliche Heer: viele liefen auf den bloßen Bericht von des Kaisers Landung davon; andere verzagten, als sich die bisher versteckte Anhänglichkeit der meisten an dessen Person und Regierungsweise wiederum laut offenbarte. Zugleich verursachte der Mangel 449 {1229} des Soldes, den die Schlüsselträger nur in der Hoffnung steten und beutereichen Erfolgs geduldig ertragen hatten, so laute Klagen, daß die geistlichen Anführer selbst Kirchenschätze angriffen, aber damit weder ausreichten, noch das alte Vertrauen in ihrem Heere herstellen konnten. Vielmehr mußten sie zuerst auf das rechte Ufer des Vulturnus zurückgehen, und dann auch die vergeblich begonnene Belagerung von Cajazzo aufheben.

Ungeachtet dieser bestimmten Aussicht auf glückliche Fortschritte, schickte Friedrich sogleich nach seiner Ankunft die Erzbischöfe von Bari und Reggio und den Deutschmeister Hermann von Salza an den Papst. Ihr Bemühen, eine Versöhnung zu Stande zu bringen, blieb indeß fruchtlos, weil Gregors hartnäckiger Sinn einem so plötzlichen Wechsel der Maaßregeln widersprach, und er seinen Bundsgenossen vertraute.

Bei der ersten, oben erwähnten, Klage über des Kaisers Aufbruch war der Papst nicht stehn geblieben. Den Inhalt eines Schreibens, welches Hermann von Salza nach dem Abendlande schickte, verwarf er als unwahr, die Berichte des Patriarchen verbreitete er hingegen als wahrhaft und hob mehre Beschuldigungen gegen den Kaiser, zwar nicht so boshaft als jener, wohl aber nachdrücklicher und scheinbarer hervorReg. Greg. Jahr III, 119.. Es sey unrecht und lähme die Anstrengungen des ganzen Abendlandes, daß Friedrich dem Sultan versprochen habe, er werde auch die Angriffe anderer christlicher Mächte verhindern, und ihn nöthigenfalls gegen dieselben unterstützen. Es sey unrecht, daß Antiochien und Tripolis nicht in den Frieden eingeschlossen worden; es sey ein unverantwortlicher Frevel, daß der Tempel Salomons in den Händen der Ungläubigen verbleibe. Besser ein offener Krieg, als ein solcher, das Göttliche und Teuflische zusammenwerfender und vermischender Friede! Und wie könne man das einen Frieden nennen, wenn der Kaiser oft 450 {1229} Geistliche, Mönche und Ritter grausamer behandele, als Saracenen? wenn er den Beitritt des zweiten Hauptfeindes, des Sultans David von Damaskus nicht eingeholt, wenn er nicht im mindesten für die Zukunft gesorgt, und nun gar auf ungebührliche Weise Asien vor Ablauf der gesetzten Frist verlassen habe, um, gleichwie seine frevelhaften Feldherrn, den Krieg lieber gegen den Stuhl der Apostel, als gegen die Feinde der Christenheit zu führen? – Aus diesen Gründen forderte Gregor die deutschen Fürsten, unter andern den Herzog von Österreich auf, sie möchten vom Kaiser abfallen; er suchte Hülfe gegen ihn in Frankreich, Spanien, England, und nahm keine Rücksicht auf Heinrichs III löbliche Ermahnungen, den Frieden in der Christenheit herzustellen.

Indeß traten keineswegs alle Christen auf Gregors Seite; sondern viele fanden des Kaisers Gegengründe wo nicht überwiegend, doch im Gleichgewicht mit jenen, und sprachen: »über die frühern Zögerungen hat sich der Kaiser gerechtfertigt und den Kreuzzug, wenn auch nicht mit sehr großer, doch mit aller ihm zu Gebote stehenden Macht angetreten, und sein Reich, wie die Erfahrung zeigt, wehrlos zurückgelassen. Der Papst hingegen, anstatt das heilige Unternehmen auf alle Weise zu unterstützen, hielt, in blinder Leidenschaft, die eifrig nachfolgenden Pilger mit Gewalt vom Einschiffen zurückReg. Greg. II, 300.  Herm. Altah.  Pappenh.  Ursp. zu 1228.  Neuburg. chron., hemmte im Morgenlande durch seine Maaßregeln alle Schritte und billigte das freche und gottlose Benehmen des Patriarchen, der Templer und der Bettelmönche. Die Saracenen erkannten Friedrichs persönliche Größe und seinen reinen Willen, während diese angeblichen Christen ihn gering schätzten und verleumdeten; der Sultan, dieser Erbfeind des christlichen Namens, rettete das weltliche Oberhaupt der Christenheit vielleicht von Mordanschlägen, während das geistliche Oberhaupt der Christenheit den 451 {1229} Sultan vom Friedensschlusse abmahnte und zur Fortsetzung des Krieges aufreizteBei Math. Par. 338 behauptet dies der Kaiser, aber der Papst leugnet es. 341. Nach Peter Vin. I, 21, hatte jener die gegen ihn gerichteten Briefe des letzten in Händen., damit unterdessen die Eroberungsplane gegen Apulien ungestört könnten vollführt werden. Daher kommt der große Zorn gegen einen Frieden, den der Kaiser, in beispiellos ungünstigen Verhältnissen, mit einer auf alle Weise geschwächten und zerstückelten Macht glorreicher geschlossen hat, als andere mit großen Heeren bei allgemeiner Einigkeit. Warum ist denn Richard nicht gebannt worden, welcher Jerusalem nie zu sehen bekam und einen viel schlechtern Frieden schloß? Warum Philipp August nicht, der ohne irgend hinreichenden Grund, Gelübde und Kreuzzug aufgab? – Daß Friedrich gern einen noch vortheilhaftern Frieden abgeschlossen hätte, dafür hat er Gott zum ZeugenHaec vero non ideo vobis scribimus, quod idem placeat domino imperatori, et quod non libenter, sei potuisset, aliter ordinasset; sed sicut deus novit, pacem et treugas non potuit aliter stabilire. Schreiben Hermanns von Salza. Reg. Greg. 71-78 u. 110-117. David suchte Kamel durch muhamedanische Bettelmönche eben so verhaßt zu machen, wie Gregor den Kaiser. Abulf. zu 1228. angerufen, und ein jeder Vernünftige glaubt dies auch, ohne alle Betheurung; so wie jeder Unbefangene nicht ihm, sondern mehr noch seinen christlichen, als seinen muhamedanischen Feinden die Schuld giebt. Indeß liegen die Mängel des Friedens nicht da, wo man sie glaubt gefunden zu haben. So wird z. B. einerseits getadelt, daß der Vertrag mit Kamel keinen Krieg der übrigen Christen gegen die Ungläubigen erlaube; und zu gleicher Zeit, daß man von Antiochien und Tripolis aus noch Fehden mit ihnen beginnen könne. Wie würde Kamel so unerwartet viel bewilligt haben, wenn ihn der Friede keinen Tag lang gegen raubsüchtige Anfälle gesichert hätte? Wie konnte der Kaiser bis 452 {1229} zu dem entfernten Antiochien ziehn, das seinen Beistand nicht verlangte, da die Ritter, diese gehorsamen Diener des Papstes, ihm nicht einmal bis Joppe folgen wollten? Ferner sagt man: es fehle der Beitritt des Sultans David: aber die Tadler haben nicht bedacht, daß dieser mit Kamel in Fehde war; sie haben nicht angegeben, wie man mit zwei sich unter einander bekriegenden Theilen gleichzeitig und gleichmäßig Frieden schließen könne; und möchten wohl zugeben müssen, daß es in solchem Falle am klügsten war, sich mit dem Mächtigern zu versöhnen, welcher den bereits besiegten David in Ordnung halten konnte und wollte. Noch lauteres Geschrei wird erhoben, weil ein Paar alte muhamedanische Priester im Tempel geblieben sind, um ihn zu reinigen und zu beten, während kaiserliche Soldaten alle Eingänge besetzten und alle christliche Gaben in Empfang nahmen. Diejenigen, welche seit funfzig Jahren sich in Jerusalem nicht blicken lassen durften, oder das Ärgste erdulden mußten, kritteln mit gehässigem Sinne, statt dem Himmel für die wunderbare Erlösung zu danken, und hadern mit dem Kaiser, weil er die Gaben der Christen nicht unter faule Mönche, unnütze Geistliche und den stolzen habsüchtigen Patriarchen vertheilte, sondern dafür die Mauern Jerusalems herstellen ließ. Anders freilich verfährt der Papst, welcher die für das heilige Land eingegangenen Gelder zum Kriege gegen den edeln Kaiser verwendetHahn Litt. princ. 12-13.  Margan. annal.. In scheinheiligem, wahrhaft unchristlichem Eifer jammert man über eine Vermischung Christi und des Teufels, da doch gar nichts neues geschehen ist; sondern Saracenen zur Zeit der christlichen Herrschaft in vielen christlichen Städten so freien Gottesdienst hielten, wie ihn die Christen noch jetzt in Damaskus und andern saracenischen Städten feiern. Sollte der Kaiser denn verwerfen, was Vernunft und Milde ohnehin vorschrieben, und durch Aufstellung jenes unduldsamen Grundsatzes eine Verfolgung der Christen im ganzen Morgenlande veranlassen 453 {1229} und rechtfertigen? – Mit gleich thörichter Leidenschaft wirft man endlich dem Kaiser seine schnelle Rückkehr vor. War nicht in Asien von ihm alles irgend Erreichbare erreicht? und sollte er etwa dort in unnützer Ruhe warten, bis Gregor alle seine europäischen Länder erobert hätte? Dieser päpstliche Angriff, so spricht man, ist gerechtfertigt durch Rainalds Einfall in den Kirchenstaat; welche Behauptung sich aber vielmehr dahin umkehren ließe: weil der Papst den Bannspruch nicht aufhob, nachdem Friedrich den Kreuzzug angetreten hatte, so waren weltliche Mittel gegen geistliche Tyrannei erlaubt. Dennoch wollte Friedrich den Krieg nicht, das ist jetzt durch seine öffentliche Erklärung und durch die strenge Bestrafung Rainalds erwiesenMath. Paris 338.  Reg. Frid. II, 248, 249.  Peter Vin. I, 21.; nur aus altem Hasse oder Eigennutze hat dieser gegen die Befehle seines Herrn gehandelt; mithin verdient er, und nicht der Kaiser, die Strafe. Freilich sagen die, welche gern alles boshaft mißdeuten, die Erklärung des letzten sey unwahr, und Rainalds Zurücksetzung ein künstlicher Ausweg: aber sie sollten doch nur die Sachverhältnisse im Auge behalten und sich überzeugen, daß der Kaiser gar keine Kriegsmacht zurückgelassen hatte und durch diese unerwartete Fehde auf alle Weise in Asien gestört wurde; sie sollten endlich bedenken, daß er ohne Rainalds Ungehorsam alle Stimmen der Christenheit für sich gegen den Papst vereinigt hätte, während itzt manche, durch den äußern Schein verführt, zweifelhaft wurden, wer denn eigentlich der angreifende und ungerechte Theil sey.« – Dies und ähnliches enthielten auch die Schreiben, welche Friedrich gegen des Patriarchen Verleumdung an alle Könige und Fürsten der Christenheit sandte, und worin er namentlich die Bischöfe von Winton und Chichester, die Großmeister des Johanniter und des deutschen Ordens, mehre andere angesehene Personen und endlich sogar einige Predigermönche als Zeugen der Wahrheit seiner Darstellung anrief.

454 {1229} Zu spät überzeugte sich Gregor, daß der Patriarch seine Darstellung aus persönlichen Gründen entstellt habe, und daß die Lombarden keineswegs mit dem Eifer kriegten, als sie zum Kriege riethen. Zwar schrieben die Häupter des lombardischen Bundes Mannschaft ausSavioli III, 2, Urk. 570, 577.  Reg. Greg. III, 36.: allein sie sammelte sich nicht so schnell, als sie sollte, oder war schlecht gerüstet, oder es mangelte an der Löhnung. Einige Städte meinten, nach des Kaisers Abfahrt sey keine große Eile nöthig; andere glaubten, der Papst werde schon mit eigenen Mitteln Neapel erobern; noch andere gönnten ihm diese Eroberung nicht. Jetzt endlich, nach des Kaisers Rückkehr, wollten die wenigen zum päpstlichen Heer gestoßenen Lombarden keineswegs länger verweilen, und zeigten sich noch widerspenstiger, als bisher, gegen die Befehle des Königs Johann und des Kardinalgesandten. Fast in jeder Woche erließ Gregor neue Schreiben in die LombardeiGalv. Flamma 261.  Reg. Greg. III, 118.: aber weder Bitten, noch Gründe, noch Drohungen machten auf den losen, zerstreuten, oft in sich uneinigen Bund die gehoffte Wirkung. »Ihr wißt,« schrieb er den Häuptern, »und solltet als kluge Männer immer daran denken, daß wir nach eurem eifrigsten Wunsche und eurem wohlüberdachten Beschlusse die ganze Unternehmung gegen Friedrich begonnen haben. Und jetzo thut ihr nichts von allem dem, was sich gebührt. Welche Treulosigkeit konnte schändlicher, welcher Verrath offenbarer seyn, als dem Vertrauenden die Hülfe im Augenblicke der Noth vorenthalten, und noch überdem einer Noth, in welche er allein durch den Glauben an eure Versprechungen gerathen ist? Es ist euer Vortheil, für den wir kämpfen, euch und eure Nachkommen wird die Gefahr, das Unglück und die Schande treffen, wenn ihr länger unthätig bleibt und nicht begreifen könnt oder wollt, daß der Pfennig gut ausgegeben sey, welcher einen Thaler erspart.«

455 {1229} Je erschrockener, unthätiger, zweifelhafter nun des Kaisers Feinde waren, desto kühner und rastloser schritt er selbst vor. Im September 1229 stand er schon mit dem Heere seiner Lehnsmannen und der ihm getreuen Kreuzfahrer bei Kapua; ja die päpstlichen Schlüsselträger flohen überall so schnell, daß er binnen wenig Wochen sein ganzes Reich (nur mit Ausnahme einiger fester Plätze) von Feinden gesäubert hatte. Damit er jedoch den Frieden nicht erschwere, oder den Schein des Angriffs nochmals auf sich lade, ging er keineswegs über die Gränzen des Neapolitanischen hinaus; sondern verkündigte bloß seinen Freunden in der Lombardei, welche Siege er erfochten habe, und forderte sie auf, Mannschaft zu sammeln und ihm entgegenzuführenRich. S. Germ.  Reg. Frid. II, 332.. Mit ihrem Rathe und Beistande wollte er nämlich für alle seine Reiche den Frieden gewinnen, und dann nach Deutschland eilen, von welchem Lande ihn so viele Ursachen nur zu lange abgehalten hatten.

Als Gregor von jenem Kriegsunglücke, von mehren Gesandtschaften der Römer an den Kaiser, und von dessen weitern, höchst bedenklichen Planen Nachricht erhielt; stieg seine Besorgniß und Verlegenheit, und er schrieb am neunten Oktober 1229 an den Erzbischof von MailandReg. Greg. III, 230.: »o daß sich die Lombarden doch nie, dem Scheine nach, unserer Leitung unterworfen, o daß wir doch nie irgend einen Beistand von ihnen erwartet hätten! Um ihres Flehens, ihrer Versprechungen willen, haben wir ihnen unsere hülfreiche Hand nicht versagt und in fernen Gegenden ihre Sache geführt: denn für die Ehre der Kirche konnten wir auf andere Weise genügend sorgen. Wenn sie also nicht augenblicklich durch die höchsten Anstrengungen eine andere Wendung der Dinge herbeiführen, so haben sie es sich selbst beizumessen, daß wir diejenigen verlassen, welche uns verließen.«

Diese strengen Weisungen des Papstes machten 456 {1230} allerdings in der Lombardei Eindruck und schwächten die frühern Gründe der Zögerung: hingegen wurden auch die Widersprüche und Maaßregeln der kaiserlich Gesinnten lebhafter; und so wie erst übermäßiges Zutrauen, so hielt jetzt die Furcht manche von Anstrengungen zurück. Der Papst hatte indeß seine Hoffnungen nicht bloß auf die Lombarden gesetzt, sondern gleichzeitig in Deutschland größere Umwälzungen bezwecktAlberic. 535 zu 1230.. Allein so freundlich einzelne seinen Gesandten Otto hin und wieder auch aufnahmen, so wollten doch die Fürsten und Prälaten von keiner Absetzung König Heinrichs hören; vielmehr eilten die Herzöge Leopold von Österreich, Bernhard von Kärnthen und Otto von Meran, der Patriarch Bertold von Aquileja, der Erzbischof Eberhard von Salzburg, der Bischof von Regensburg und mehre andere, den Aufforderungen des Kaisers gemäß, nach Neapel, um ihn wo nicht in seinen Fehden, doch in seinen Unterhandlungen mit dem Papste zu unterstützenSalisburg. chr. Canis. 482.  Guil. Tyr. 700.  Pappenh.  Der Herzog von Österreich starb bald nachher in S. Germano.  Godofr. mon.  Mellic. chr. zu 1230.  Chron Udalr. Aug.  Bern. thesaur. 846..

Abgesehen von der Wirkung, welche Friedrichs Darstellungen auf viele Menschen machen mußten, fanden die Geistlichen noch darin einen persönlichen Grund, ihrem Oberhaupte Unrecht zu geben, daß er überall den Zehnten von ihren Gütern zum Kriege gegen den Kaiser erhobWaverl. ann. zu 1226.. Auf ähnliche Weise reizten zwar die FreiheitsbriefeReg. Greg. III, 124, 233, 239., welche Gregor mehren neapolitanischen Städten z. B. Gaeta, S. Agatha u. m. a. gegeben hatte, anfangs zum Abfall von des Kaisers Partei: als sich aber sehr bald große Kriegssteuern daran reihten, erkaltete der Eifer, und Grausamkeiten welche päpstlich Gesinnte begingen, führten mehr zu beharrlichem 457 {1230} Widerstande, als zu ängstlicher Ergebung. So erschlugen die Einwohner von Gaeta einen kaiserlichen Gesandten, welcher sie aufforderte, sich ihrem rechtmäßigen Herrn zu ergebenRich. S. Germ. 1014, 1016.  Rayn. 1229. Nr. 44.; so ward in Apulien der Oberrichter Paulus in Stücken zerrissen. Zwar mißbilligte der Papst laut diese und ähnliche Frevel und befahl seinem Gesandten, sie auf alle Weise zu verhindern: aber sie waren Mitursache, daß er, für den Fall des erneuten Krieges, auf wenig oder keine Anhänger oder Abtrünnige rechnen durfte. Überdies hatte schon Rainald von Spoleto die Bettelmönche, diese wichtigen Verbündeten des Papstes, aus dem Reiche vertrieben, und nach des Kaisers Rückkehr widerfuhr dasselbe den Tempelherrn.

Hierüber erhoben freilich manche, und zunächst die Vertriebenen, laute Klage: aber die meisten sahen darin und in des Kaisers strengen Maaßregeln gegen einzelne widerspenstige Städte nur die gerechte Strafe offener Empörer oder heimlicher FeindeGuil. Tyr. 700.  Bernard de S. Pierre 125.  Concil. XIII, 1117.  Godofr. mon. zu 1229.  Dandolo 347.  Tuzii memor. 88.. In Hinsicht auf Thätigkeit und Feldherrngeschick war endlich der Kaiser allen päpstlichen Anführern weit überlegen, und der tauglichste der letzten, König Johann eilte nach Konstantinopel, um dort, nach einem bereits abgeschlossenen VertrageReg. Greg. III, 8-25.  Vertrag vom 7ten April 1229. Das Nähere künftig bei Erzählung der Schicksale des lateinischen Kaiserthums., die Vormundschaft für den jüngern Balduin zu übernehmen.

Alle diese Gründe und Verhältnisse ließen also die Erneuerung des Krieges gegen den Kaiser unrathsam erscheinen, und nur ein Unglücksfall verwandelte sich für den Papst in ein Glück. Die Tiber stieg nämlich in Rom bis zu der fast beispiellosen Höhe, daß sie an einem Ende der Stadt die Paulskirche, an dem andern selbst die Peterskirche 458 {1230} überschwemmte, in den Häusern der Bürger den größten Schaden that und die Verbreitung böser Krankheiten veranlaßte. Dies erschien den geängsteten Römern als eine Strafe des Himmels für ihre gewaltsame Vertreibung des PapstesRaynald zu 1230, 2.  Rich. S. Germ. 1017.: sie beriefen ihn deshalb von Perugia zurück und holten ihn feierlich in ihre Stadt ein. Dieser einzelne vortheilhafte Umstand ließ jedoch den Papst seine bedenkliche Lage nicht verkennen, und auch der Kaiser war jeder weitern Fehde abgeneigt, indem sie seine Plane für Neapel, und noch mehr für Oberitalien, stören oder gar vereiteln mußten. Daher wurden die Friedensunterhandlungen aufs lebhafteste erneutDie Urkunden wurden allmählich und an verschiedenen Orten entworfen und vollzogen; die ersten schon im Julius 1230. Wir fassen alles zusammen. Reg. Greg. III, 453-488.  Dumont I, 169.. Weil indeß der Papst die kaiserlichen Vorschläge den Lombarden mittheilte und deren Antworten abwartete; weil gar viele und wichtige Dinge zu erörtern waren, so zog sich die Sache dennoch in die Länge; und erst nach unzähligem Hin- und Herreisen der beiderseitigen Bevollmächtigten, nach vielen Anfragen und Rückfragen kam man dem Abschlusse nahe. Da erklärte unerwartet das vom Kaiser abgefallene, Bestrafung fürchtende Gaeta: es werde sich ihm auf keine Weise ergeben; und andererseits wollte der ohnehin äußerst nachgiebige Friedrich schlechterdings nichts von seinem Reiche abtreten. Schon fürchtete man, das mühsam so weit gebrachte Friedenswerk werde deshalb ganz zerfallen, als es endlich dem Dominikaner GualoGualo Gualla aus Bergamo ward 1229 Bischof von Brescia. Ughelli Ital. sacra IV, 547. gelang, zur größten und allgemeinsten Freude, des Kaisers Beistimmung für einen aufgefundenen Mittelweg zu erhalten. Selbst Gregor, der mehr gewann, als er selbst wohl gehofft hatte, konnte die lauten Äußerungen seiner Freude nicht zurückhalten, und schickte eiligst die Kardinäle Johann und Thomas 459 nach Ceperano, wo sie der Kaiser mit der größten Auszeichnung empfing. Am 28sten August 1230 waren endlich alle erforderlichen Urkunden entworfen, vollzogen, beschworen, und der Kaiser wurde nebst seinen Anhängern, in Gegenwart der Fürsten und unzähligen Volkes, vom Banne gelöset und wieder in den Schooß der Kirche aufgenommen.

Jener Friede von S. Germano setzte fest: »der Kaiser ertheilt allen Lombarden, Deutschen, Franzosen, kurz jedem Verzeihung, der sich gegen ihn feindlich benommen hat, erläßt Acht und Strafe, und verspricht den Kirchenstaat nicht anzugreifen. Gaeta und S. Agatha dürfen wegen ihrer Ergebung an die Kirche nie gestraft werden, und bleiben vor der Hand noch in deren Besitz. Spätestens binnen Jahresfrist soll aber die Kirche eine Weise ausmitteln, wie man jene Städte, unbeschadet der Ehre des römischen Stuhles, an Friedrich zurückgeben könne. Geschieht dies nicht binnen der gesetzten Frist, so urteln zwei von jeder Seite gewählte Schiedsrichter. Bleiben diese vier uneinig, so erwählen sie einen fünften, wo dann drei Stimmen gegen die übrigen entscheiden. Der Kaiser genehmigt: daß Vorschläge, Wahlen und Bestätigungen bei Kirchen, Stiftern und Klöstern nach den allgemeinen Vorschriften des kirchlichen Rechtes erfolgen, und wird die Geistlichen weder vor weltliche Gerichte ziehen, noch mit außerordentlichen Steuern belästigen. Die Grafen von Aversa und Celano, die TemplerHist. des Templiers I, 341., Johanniter und alle etwa beeinträchtigte Geistlichen werden in ihre Rechte und Würden wieder eingesetzt. Der Patriarch von Aquileja, der Erzbischof von Salzburg, der Bischof von Regensburg, die Herzöge von Österreich, Kärnthen und Meran bestätigen das Vorstehende, und versprechen der Kirche Hülfe, wenn der Kaiser die Bedingungen nicht binnen drei Monaten im sicilischen Reiche, binnen vier Monaten innerhalb, und binnen fünf Monaten außerhalb Italiens 460 {1230} erfüllt. Es steht dem Papste frei, auch noch andere Personen oder Städte als Bürgen vorzuschlagen. Dem Großmeister des deutschen Ordens Hermann von Salza und dem Bischofe von Reggio übergiebt der Kaiser mehre Schlösser als Pfand für die Erfüllung der Bedingungen, und die Herbeischaffung der etwa noch verlangten Bürgen. Legt aber die Kirche selbst der Vollziehung des Friedens Schwierigkeiten in den Weg, so sind jene Bürgen und Eideshelfer von ihren Versprechungen gelöset; so wie umgekehrt, der Kaiser durch Verletzung des Vertrages von selbst in den Bann zurückfällt.« – Außerdem verlangte der Papst den Ersatz der zum Schutze des Kirchenstaates ausgegebenen Gelder und die Erneuung der alten Verpflichtungen in Hinsicht des heiligen Landes: aber es scheint daß er diese Ansprüche nur Ehren- oder Drohungshalber ausstellte, und daß sie nicht ausdrücklich in den Frieden aufgenommen wurden.

Unterdeß hatte Gregor von Anagni aus, die höflichsten und lobpreisendsten Briefe an den Kaiser erlassen, und zur letzten und vollkommenen Verständigung und Aussöhnung ward eine persönliche Zusammenkunft beider verabredet. Am ersten September 1230 zog Friedrich in Anagni feierlich ein, und erwies dem Papste und empfing von ihm die gebührende Ehre. Kein Kardinal wurde zu ihrer Tafel oder zu ihren geheimen Gesprächen zugelassen, nur Hermann von Salza nahm daran Theil; ein glänzender Beweis, daß Papst und Kaiser dessen Einsicht, redlichen Willen und strenge Unparteilichkeit überaus hoch schätzten. So viel hatten beide über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu sprechen, daß mehre Stunden nicht hinreichtenMath. Par. 252.  Godofr. mon.  Cod. Vindob. Philol. No. 305, fol. 54.  Reg. Greg. III, 498, 502.  Camici zu 1231, Urk. V.. Zuletzt schieden sie aber äußerst zufrieden von einander, so daß Gregor alle frühere Schuld auf böse Rathgeber schob und den Lombarden schrieb, er habe schon viel für sie beim Kaiser ausgewirkt, werde aber künftig auch die geringste 461 {1230} Beleidigung desselben als eine schwere Verletzung seiner eigenen Person rügen. Friedrich hingegen theilte den christlichen Königen die freudige Nachricht vom Abschlusse des Friedens mitReg. Greg. III, 493.  Wahrscheinlich ein Schreiben an den König von England, oder gleichmäßig an mehre. Genannt ist keiner.  Peter Vin. II, 16., und fügte hinzu: »der Papst hat uns seine Ansichten und Absichten bei einer persönlichen Zusammenkunft so milde und wohlwollend dargelegt, keinen streitigen oder zweifelhaften Punkt übergangen; sondern jedes einzelne auf so verständige Weise erörtert, daß wir, obgleich uns das Vorgefallene heftig bewegt und erzürnt hatte, durch jenes Wohlwollen ganz besänftigt und von allem etwa übrig gebliebenen Grolle vollständig befreit sind. Des Vergangenen soll also gar nicht mehr gedacht werden, damit das Gute welches aus dem Übel hervorging, desto glänzender und ungetrübter wirken könne.« 462

 


 


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