Friedrich von Raumer
Geschichte der Hohenstaufen und ihrer Zeit, Band 3
Friedrich von Raumer

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Zweites Hauptstück.

{1191} Sobald die Nachricht von den Unfällen des Kaisers und der Flucht Heinrichs von Braunschweig in Deutschland eintraf, dachten manche an Abfall und eine neue KönigswahlAlbert. Stad. und Ursperg. zu 1191 und 1192.. Aber gerade um die Zeit als Kaiser Heinrich über die Alpen zurückkam, starb sein Oheim Welf VI im 76sten Jahre seines Alters, und jener behielt dessen an Gütern, Schutzherrschaften und Dienstmannen reichen Nachlaß für sich selbst zu erblichem BesitzWeingart. chron. 798.  Otto S. Blas. 37.  Orig. guelf. II, 359.. Ferner ernannte er seinen Bruder Konrad, an die Stelle des verstorbenen Friedrich zum Herzog von Schwaben. Nach solcher Verstärkung seiner Macht hielt der Kaiser am 6ten Januar 1192 seinen ersten Reichstag in Worms, und benahm sich hiebei so fest und bestimmt, daß alle, auf etwanige Schwäche und Wankelmuth berechnete Plane dahinfielen. Nicht ohne Wirkung empfahl er einen seiner Räthe zum Bischof von Worms, belieh den neuen Erzbischof von Köln, Grafen Bruno von DasselBruno dankte Alters halber im nächsten Jahre ab, und sein Bruder Adolf folgte ihm.  Godofr. mon. mit dem Weltlichen, und entschied die streitige Wahl des Bischofs von Lüttich schlechthin nach seinem Willen.

28 {1192} Bischof Rudolf war nämlich auf dem Kreuzzuge gestorben, und von einer Partei Albert, der Bruder des Herzogs Heinrich von Brabant, von der andern Albert, der Bruder des Grafen von Retest gewählt worden; welcher letzte, in Wissenschaften minder bewandert, seinem jüngern und geistreichen Gegner, im Fall eines höhern Befehls, gern den Vorzug würde eingeräumt haben. Der Kaiser aber behauptete in Übereinstimmung mit allen Prälaten: nach den wormser Verträgen stehe ihm bei zwistigen Wahlen das Recht der Ernennung eines Dritten zu, und gab das Bisthum gegen Zahlung von 3000 Mark dem Grafen Lothar von HerstallAquic. auct. nennt ihn einen Grafen von Ostade. Albert von Retest war der avunculus der Kaiserinn Konstanze, und der Kaiser wollte ihn wegen gemachter Auslagen entschädigen, was er aber nicht annahm.  Gisleb. 406, 410., welcher bisher die Stelle eines Stiftsvorstehers in Bonn bekleidet hatte. Mit dieser Entscheidung beruhigten sich die Zurückgesetzten keineswegs, sondern Albert von Brabant ging, mit der Bestätigung des Erzbischofs Bruno von Köln, seines Anverwandten versehn, nach Rom, um sein Recht vor dem Papste geltend zu machen, während Herzog Heinrich gegen Lothar Fehde erhob. Der Kaiser sperrte hierauf den ungehorsamen Kölnern den Rhein und zog selbst bis Lüttich hinab, wo er die Häuser der Geistlichen, welche es mit Albert hielten, zerstören ließ, ihre Güter einzog und den Herzog von Brabant zu dem eidlichen Versprechen zwang, er wolle seinen Bruder fernerhin nicht unterstützen. Dieser kehrte jedoch bald nachher aus Rom zurück und brachte päpstliche Schreiben mit, des Inhalts: »die ohne vorschriftsmäßige Zuziehung des Erzbischofs und der Bischöfe geschehene und noch an andern Mängeln leidende Ernennung Lothars sey ungültig; der rechtmäßig erwählte Albert hingegen von dem Erzbischofe Bruno, oder wenn dieser sich vor des Kaisers Macht fürchte, von dem Erzbischofe von Rheims zu weihen.« Bruno 29 {1192} war oder stellte sich krank, weshalb Albert nach Rheims ging und vom dasigen Erzbischofe günstig aufgenommen wurde. – Wenige Tage nachher kamen auch einige Dienstmannen des Kaisers, unter ihnen Otto von BarchistenNorthof zu 1193.  Guil. Neubr. IV, 33.  Rigord 33.  Guil. Armor. 76.  Inn. III, epist. V, 155., daselbst an und klagten: daß jener ihre Güter eingezogen und sie des Landes verwiesen habe. Diese Ähnlichkeit ihres Schicksals erweckte die Theilnahme des Bischofs; und damit das Zutrauen noch größer, die Verbindung noch enger werde, leisteten ihm jene Männer den Lehnseid. Gemeinschaftlich überlegend, wie sie ihren Feinden Abbruch thun könnten, gingen sie eines Tages vor den Thoren von Rheims spatzieren, unmerklich immer weiter und weiter, bis zu einer abgelegenen und einsamen Stelle. Hier nun ergriffen jene Frevler plötzlich den Bischof, ermordeten ihn und entflohenMord den 24sten Nov. 1192.  Aquic. auct.  Lünig Reichsarchiv. Cont. I, Forts. 3, Abschnitt 3, v. Cöln Urk. 42, p. 79.. – Sobald die Verwandten desselben von dieser Unthat Nachricht bekamen, hielten sie sich durch kein früheres Versprechen mehr gebunden, sondern begannen, in Verbindung mit Bruno von Köln, einen so lebhaften Krieg gegen den Bischof Lothar von Lüttich, daß er mit Verlust seiner Besitzungen zum Kaiser fliehen mußte. Beide wurden der Theilnahme oder Begünstigung des Mordes beschuldigt: aber Lothar beschwor seine Unschuld und der Kaiser verwies, sobald er vom Hergange genauer unterrichtet worden, die anfangs günstig aufgenommenen Thäter aus dem ReicheRemovit ab aula et finibus regni.  Gisleb. 413.  Aegid. Hist. Leod. episc. 648. und söhnte sich mit den Verwandten des Ermordeten aus.

Hiedurch entstand jedoch um so weniger in diesen Gegenden ein sicherer Friede, als Heinrichs Gegenwart in andern Theilen des Reichs nicht minder nöthig warReichersb. chr. Herm. Altag.  Zschokke I, 430 hat das Nähere.. 30 {1192} So in Baiern zur Beilegung verwüstender Fehden, welche zwischen Herzog Ludwig und dem von den Böhmen unterstützten Grafen von Hohenbogen entstanden waren und mit der Ächtung des letzten endigten. Wichtiger indeß als alle diese Verhältnisse in Süddeutschland, erschienen die neuen Kriege in Norddeutschland.

{1191} Heinrich der jüngere von Braunschweig verließ, wie gesagt, den Kaiser heimlich bei S. Germano: weil seine Bemühungen für dessen Krönung nicht so belohnt wurden, wie er wünschte; weil die Nachricht eintraf, sein älterer Bruder Lothar sey in Augsburg gestorben, und weil endlich die ansteckenden Krankheiten ihn selbst hinzuraffen drohten. Verkleidet und auf großen Umwegen, entging er allen NachstellungenArnold. Lub. IV, 5.  Alb. Stad. zu 1192 sagt: Heinrich sey durch Griechenland, Ungern und Böhmen als verkleideter Einäugiger zurückgekehrt. Nach Stederb. chron. und Gobelin 275 wäre Heinrich selbst über Neapel geflohen. Doch ist vielleicht örtliche Unkunde im Spiele. und erreichte glücklich Braunschweig. So sehr man sich hier über seine Ankunft freute, so sehr zürnte der Kaiser und äußerte: »er sey in höchster Noth gleich verrätherisch von Heinrich dem jüngern verlassen worden, wie dessen Vater einst seinen Vater Friedrich I in der Lombardei verlassen habe.« Und nicht mindern Grund zur Klage gab ihm Heinrich der Löwe selbst: denn er schleifte, ungeachtet seines Versprechens, weder Lauenburg, noch gab er dem Grafen Adolf von Holstein die Hälfte Lübecks, noch hielt er Frieden gegen dessen Lande; welches letzte um so ungerechter erschien, da der Graf noch nicht von seiner frommen Pilgerfahrt zurückgekehrt war. Auf der andern Seite brachen die Bischöfe von Halberstadt und Hildesheim und der Abt von Korvey, schon im Junius 1191Wenn anders dieser Kriegszug nicht in das Jahr 1192 gehört. Böttiger 432. in die Besitzungen des Herzogs ein: entweder von ihm ebenfalls gereizt, oder bloß in Hoffnung des Gewinns und 31 {1191} der Beute. Wenigstens hielten sie mit ihren Leuten durchaus keine Zucht und Ordnung, und würden noch schneller verjagt worden seyn, wenn nicht der Vogt Ludolf selbst in Braunschweig eine Verschwörung gegen Heinrich den Löwen angezettelt hätte.

Mittlerweile war Graf Adolf von Holstein, der in Tyrus Nachricht über jene Fehden bekommen hatte, nach Europa zurückgekehrt und erhielt vom Kaiser, den er in Schwaben sprach, große Versprechungen und ansehnliche Geschenke zur kräftigern Führung des Krieges. Weil aber Heinrich der Löwe alle Orte an der Elbe inne hatte, und sein Schwiegersohn Fürst BorvinGener ducis. Arnold.  Lubec. IV, 6.  Mathilde, Borvins Gemahlin war des Herzogs natürliche Tochter.  Orig. guelf. III, 176. die slavischen Länder deckte, so schien es unmöglich, daß Adolf seine Besitzungen erreichen könne. {1192} Wie erstaunte also der Herzog, als er hörte: der Graf sey unter dem Schutze Markgraf Ottos II von Brandenburg und Herzog Bernhards von Sachsen, in der Gegend von Lauenburg über die Elbe gegangen, habe hier Weib, Mutter, Sohn und ein bedeutendes Heer ihm zugethaner Holsteiner und Stormarn gefunden, und belagere mit dem Beistand des jüngeren Grafen von Ratzeburg das ihm vorenthaltene Lübeck. – So lange indeß den Bürgern die Fahrt auf der Trave frei blieb, kümmerten sie sich wenig um diese Einschließung, und ehe die Belagerer den Strom durch ein Pfahlwerk völlig gesperrt hatten, mußte Graf Adolf zur Beseitigung anderer Streitpunkte nach Dänemark eilen. Auch vertheidigte sich der Befehlshaber Heinrichs des Löwen mit Nachdruck, bis ein Heer unter Anführung Bernhards von Rothe zum Entsatze herbeikam und den Grafen von Ratzeburg vertrieb, welcher die eine Hälfte Lübecks eingeschlossen hatte. Hiedurch ermuthigt, hofften die Belagerten am folgenden Tage auch die zweite Hälfte ihrer Feinde zu besiegen, welche aber an einer Fuhrt der Swartow eine so vortheilhafte Stellung nahmen, 32 {1192} daß sie ungeachtet ihrer geringern Zahl die Oberhand behielten, und der Graf von Ratzeburg sich mit seiner wieder gesammelten Mannschaft aufs neue vor Lübeck lagern konnte. Dieses Unfalls wegen verließen die meisten Anhänger Heinrichs des Löwen die Stadt, wurden aber, ehe sie die Elbe erreichten, durch Bernhard von Ratzeburg eingeholt, bei Boizenburg geschlagen und viele von ihnen zu Gefangenen gemacht. Graf Adolf, dessen Thätigkeit nach seiner Rückkehr aus Dänemark eine schwere Krankheit gehemmt hatte, ließ diese Gefangenen, meist Einwohner von Stade, frei und ward dafür, als er sich dieser Stadt näherte, dankbar aufgenommen.

Ganz anders dachten die Lübecker: denn sie entwarfen während dieser Zeit mehre Plane, um nicht in die Botmäßigkeit des, wahrscheinlich wegen strenger ZollerhebungNach Corner 776 war wenigstens früher Streit zwischen Lübeck und Adolf über den am Ausfluß der Trave zu erhebenden Zoll., verhaßten, Grafen zu fallen. Einige wollten die Stadt dem Könige von Dänemark übergeben, denn der Handel werde unter diesem mächtigsten aller Schutzherren am schnellsten aufblühen; andere dagegen fürchteten Züchtigung, Schande und Handelsverlust bei einer Trennung vom deutschen Reiche, und schlugen vor dem Markgrafen Otto, unter hoffentlicher Genehmigung des Kaisers, die Unterwerfung anzubieten. Allein keiner von diesen Vorschlägen ward ausgeführt, weil Graf Adolf die Stadt so hart bedrängte, daß sie sich ihm ergeben mußte und nur die noch zurückgebliebene Mannschaft Herzog Heinrichs freien Abzug erhielt. Der Kaiser, welchen diese Demüthigung seines alten Gegners freute, überließ dem Grafen Adolf alle Einnahmen von Lübeck und ein Drittheil der Einnahmen von StadeArnold. Lub. IV, 12, 22.  Auch der Erzbischof Wichmann von Magdeburg erhielt vom Kaiser mehre Besitzungen Heinrichs des Löwen.  Gerken IV, 225, Urk. von 1193.. Andererseits ward Herzog Bernhard im Februar 33 {1193} bei Lauenburg von den Schaaren Heinrichs des Löwen gänzlich geschlagen, und der Graf fand neue Beschäftigung in Dänemark.

Waldemar nämlichBuch IV, S. 164., der Sohn des von Sueno ermordeten Königs Kanut V, welcher Bischof von Schleswig und Herr der Ditmarsen geworden war, verband sich mit den Königen von Schweden und Norwegen und mit allen Feinden des welfischen Hauses, gegen König Kanut VI, den Schwiegersohn Heinrichs des Löwen. Kanut würdigte die Gefahr richtig, hielt aber bei unzureichenden Kriegsmitteln Hinterlist gegen den ungerecht Anfallenden für erlaubt; und durch die Erinnerung an ihre Verwandtschaft und ehemalige Einigkeit, und durch neue Versprechungen mannigfacher Art, verleitete er Waldemar in eine persönliche Zusammenkunft zu willigen. Bei dieser Zusammenkunft ließ der König den unbesorgt Zutraulichen fesseln, und hielt ihn fast dreizehn Jahre lang gefangenCorner 800.  Auctor danicus No VI bei Ludwig IX, 152.. Graf Adolf, welcher als dessen Bundsgenosse schon verwüstende Einfälle bis Schleswig gewagt hatte, sah sich itzt unerwartet und vereinzelt der größern Gewalt Kanuts so preis gegeben, daß er den Frieden mit 1400 Mark Silber erkaufen mußte.

Ob nun gleich diese Ereignisse vortheilhaft auf Heinrich den Löwen zurückwirkten, so überzeugte er sich dennoch, daß er mit Gewalt nie vollständig siegen könne und ohne Versöhnung mit dem Kaiser jeder Gewinn unsicher bleibe. Bald nach dessen Rückkehr aus Italien, hatte der Herzog Geistliche zum Unterhandeln an ihn abgeschickt: allein der Zorn über die wiederholten Beleidigungen war damals noch so neu, und die Anreizungen der Feinde des welfischen Hauses so lebhaft, daß man die Gesandten schnöde zurückwies. Seitdem werde der Kaiser, dies hoffte Herzog Heinrich, durch den Ablauf der Zeit und manche ungünstige 34 {1194} Erfahrung milder und nachgiebiger geworden seyn. Und wirklich fand der jüngere Heinrich, welcher ihn durch seine Flucht so erzürnt hatte, bei persönlichem Erscheinen im Hoflager einen weit freundlichern Empfang, als man erwartet hatte: nur auf den Hauptantrag, daß der Kaiser Heinrich dem Löwen alle Länder nordwärts der Elbe lassen möge, antwortete jener niemals bestimmt; und so verfloß, bei der innern Schwierigkeit der Sache, den anderweit dringenden Reichsgeschäften und der, wenigstens insgeheim noch fortdauernden Abneigung des Kaisers, ein Tag nach dem andern, ohne daß Heinrich der jüngere seinem Ziele irgend näher gekommen wäre. Da ging ihm unerwartet ein Glücksstern auf, dessen milden Glanz wieder zu schauen er nie erwartet hatte.

Dem Pfalzgrafen Konrad, einem Bruder Kaiser Friedrichs I, blieb von seinen Kindern nur eine Tochter Agnes am Leben, welche schon in frühster Jugend, nach freundlichem Übereinkommen der beiderseitigen Ältern, jenem Heinrich, dem Sohne Heinrichs des Löwen, zugedacht ward. Als nun aber der Herzog bald darauf vom Kaiser Friedrich abfiel und die grimmige Fehde zwischen Hohenstaufen und Welfen wieder ausbrach, so zerrissen auch diese zarten Bande und Agnes wurde nicht bloß als reiche Erbtochter, sondern noch mehr darum von Rittern geehrt und von Fürsten geminnt, weil sie reich an Tugend und herrlich in Schönheit emporblühte. Auch König Philipp August von Frankreich bekam hievon Kunde, und hielt es in seiner damaligen Stellung zu Richard Löwenherz für gerathen, sich mit dem Kaiser durch die Heirat seiner nächsten Verwandtinn noch enger zu verbinden. Gern unterstützte Heinrich VI des Königs Antrag bei seinem Oheim Konrad, und da nun auch dieser beistimmte, so schien der Ehe kein Hinderniß mehr im Wege zu stehen. Aber Konrads Gemahlinn Irmengard, eine geborne Gräfinn von Henneberg, war dem Plane in der Stille abgeneigt, eilte zu ihrer Tochter und sprach, diese erforschend: »ein ruhmvolles Schicksal, liebe Tochter, ein 35 {1194} königliches Ehebett bietet sich dir dar, Philipp August von Frankreich verlangt dich zu seiner Gemahlinn.« Da antwortete Agnes bestürzt: »Mutter, ich habe oft gehört, daß der König die schöne Ingeburg von Dänemark ohne Grund beschimpfte und verstieß; ich fürchte solch Beispiel!« – »Aber wen«, fuhr die Mutter fort, »möchtest du lieber zum Gemahle?« – »Von dem«, erwiederte Agnes, »werde ich mich nie trennen, dessen Braut ich schon in frühster Jugend hieß und dessen Schönheit, Muth und Tugend jetzt alle Stimmen preisen. Er allein, – denn was kümmern mich die wilden Fehden der Männer –, er allein war im stillen der Freund und Geliebte meines Herzens, er allein wird mein Herr und Gemahl seyn.« – Als Irmengard diesen festen Willen ihrer Tochter sah, sprach sie erfreut: »deine Wünsche sollen erfüllt werden;« und schickte sichere Boten in das Hoflager des Kaisers, mit geheimen Briefen an Heinrich den jüngern. Sogleich eilte dieser nach Stalecke bei Bacharach, dem Schlosse der Pfalzgräfinn, und ward hier, da die geringste Zögerung mit der größten Gefahr des Mißlingens verbunden schien, noch an demselben Abende seiner treuen Agnes angetrautIm März oder April 1194.  Tolner 340.  Orig. guelf. III, 186.. Auch war der folgende Tag kaum angebrochen, so hieß es: Pfalzgraf Konrad sey vor den Thoren. Irmengard ging ihm schnell entgegen und zeigte sich so freundlich, so dienstfertig, und dabei doch so ängstlich, daß der Pfalzgraf, es bemerkend, fragte: was neues geschehen sey? »Herr«, antwortete Irmengard, »gestern kam ein Falke übers Feld geflogen mit braunem Haupte und weißer Kehle. Gut gekrünnnt sind ihm Klauen und Schnabel zu mächtigem Fange, und die Schwungfedern reichen so weit, daß man wohl sieht, sein Vater habe ihn auf einem hohen Aste erzogen. Diesen Falken, nie saht ihr einen schönern, habe ich gefangen und behalten.« – Ehe noch der Pfalzgraf den Sinn dieser 36 {1194} Worte genauer fassen und erforschen konnte, führte Irmengard ihn schon weiter in ein Zimmer, wo Heinrich und Agnes Schach spielten. Sie standen, ihre Hände traulich in einander legend, auf und Irmengard sagte: »Herr, das ist der Sohn des Fürsten von Braunschweig, des edlen Löwen; dem habe ich unsere Tochter zum Weibe gegeben; möge es euch lieb und genehm seyn.« Da erschrak Konrad sehr und schwieg lange Zeit; endlich aber hub er an: »es ist geschehen ohne mein Wissen und Zuthun, das möge mich entschuldigen beim Kaiser.« Auch gerieth dieser, über das Verschmähen seines Antrags für den König von Frankreich und über die Erhebung seines Feindes, in den heftigsten Zorn und sagte zu Konrad: »Geh hin und löse das Band auf, das ihr mit diesem Taugenichts geschlossen habt!« Erst als der Pfalzgraf seine Unschuld beschwur und die Trennung der Ehe seiner Tochter beschimpfend, ja in Hinsicht auf die Kirche unmöglich nannteGuil. Neubrig. IV, 32.  Hemingf. II, 68.  Stederburg. chr. Chron. rhythm. princip.  Brunsvic. 78., mußte sich der Kaiser beruhigen. Auch schien es ihm wohl, bei näherer Überlegung, gerathener diese unerwartete Verschwägerung der Welfen und Gibellinen für einen allgemeinen Frieden zu benutzen, und die künftige Belehnung Heinrichs des jüngern mit der Pfalzgrafschaft am Rheine von dessen Benehmen und seiner Mitwirkung für die italienischen Plane abhängig zu machen.

Dem gemäß eilte der jüngere Heinrich nach Braunschweig und überredete seinen Vater, nicht ohne einige Mühe, sich dem Ausspruche des Kaisers und der Fürsten auf einem Reichstage in Salfeld zu stellen. Unterwegs aber stürzte der bejahrte Herzog bei Bothfeld mit dem Pferde, beschädigte den Fuß und wurde krank nach Walkenried gebracht. Als man den Kaiser hievon benachrichtigte, hielt er anfangs die Entschuldigung des Außenbleibens für erfunden; später jedoch von der Wahrheit des 37 Unfalls überzeugt, legte er die Tagsatzung, dem Herzoge bequemer, nach Dullethe oder Tilleda bei KifhausenIm April oder Mai 1194.  Tolner 341.. – Hier traten nun die Häupter der beiden mächtigsten deutschen Häuser, nach langen blutigen Fehden, persönlich einander gegenüber; aber Heinrich war nicht mehr der grimme Löwe, sondern durch Alter und Unglück gezähmt und gemildert. Ihm schien es hinreichender Gewinn, des Friedens mit allen Nachbarn sicher zu werden, nicht mehr als Gegner des Kaisers halb geächtet zu erscheinen und für seinen Sohn, gegen das Versprechen ernster Theilnahme am italienischen Zuge, die Belehnung mit der wichtigen Pfalzgrafschaft am Rheine zu erhalten. Auf der andern Seite riefen so dringende Gründe den Kaiser nach Neapel, daß er um jeden Preis den Frieden innerhalb Deutschlands begründen und Unterstützung aus Deutschland gewinnen wollte. – Zu denselben Zwecken benutzte er die Unfälle König Richards von England, deren zusammenhängende Erzählung wir daher an dieser Stelle einschalten.

Die im Oktober 1192 angetretene Seereise der Frau und Schwester Richards war glücklichAbfahrt Richards den 9ten Oktober.  Rad. a Diceto imag.  Bromton 1240.  Dandolo 317.  Die Erzählungen weichen in sehr vielen Kleinigkeiten von einander ab; ich habe gesucht das Wahrscheinlichste auszufinden., ihn selbst aber warfen Stürme sechs Wochen lang umher, und als er sich endlich auf die bevorstehende Landung freute, erkannte er die französischen Küsten und beschloß, bei der laut ausgesprochenen Feindschaft des Grafen von Toulouse und des Königs von Frankreich, lieber nach Italien zu segeln. Allein hier mußte Richard nicht minder die Nachstellungen der Verwandten des angeblich auf seine Veranstaltung ermordeten Markgrafen Konrad von Montferrat fürchten; weshalb er sich, Italien nochmals umschiffend, zum adriatischen Meere wandte, um durch Deutschland heimzukehren. Beinahe wäre er auf 38 {1192} dieser Fahrt an die Küsten der ihm gleichfalls abgeneigten Griechen geworfen worden; und in dem Augenblicke, wo man diese Gefahr nur mit Mühe vermieden hatte, griffen wiederum zwei Raubschiffe Richards Schiff an und zwangen ihn zu einem Kampfe, dessen Ausgang zweifelhaft schien, bis man hoch erfreut in der Besatzung Engländer erkannte, welche nun ihren König, um ihn besser zu verbergen, aufnahmen und nach Zara in Dalmatien übersetzten. Dem Befehlshaber dieser Stadt sandte Richard einen kostbaren Ring und bat für sich und die seinen, unter dem Namen eines Kaufmanns Hugo um freien Durchzug. Aber jener antwortete: »nicht Hugo, der Kaufmann, sondern Richard der König sandte mir dies Geschenk, und ich habe geschworen, jeden Kreuzfahrer anzuhalten. Allein ein Fürst, der freiwillig selbst einen Unbekannten so ehrt, verdient keine unwürdige Behandlung; er möge seine Gabe zurücknehmen und frei seines Weges ziehn.« Die Freude über diesen Ausgang hob die Besorgnisse nicht auf, und Richard eilte noch in der Nacht weiter bis zu einer zweiten Stadt, deren Befehlshaber ein Bruder jenes ersten und durch ihn bereits von den Vorfällen unterrichtet war. Minder großmüthig, dachte dieser den König zu fangen und ließ durch Roger von Argenton alle Häuser durchsuchen, wo Pilger verweilten; auch entdeckte Roger den König, ward aber mit Geschenken und Versprechungen zu der Aussage bewogen, er sey nirgends zu finden. Durch diese wiederholte Gefahr noch ängstlicher geworden, vertraute sich Richard wiederum dem Meere an, litt aber Schiffbruch zwischen Venedig und Aquileja und rettete kaum sein Leben.

Den Vortheil schien dies Unglück jedoch zu bringen, daß er nun weniger bemerkt seinen Weg fortsetzen konnte; allein der Kaiser Heinrich VI, Herzog Leopold von Österreich und viele Deutsche waren von ihm zu schwer beleidigt worden, als daß sie ihm nicht hätten mit größter Aufmerksamkeit nachstellen sollen. Zuerst erhielt Graf Meinhard von Görz Nachricht von des Königs Ankunft und 39 {1192} ergriff acht seiner Begleiter; mit den andern entkam Richard über Civitate nach Kärnthen, hörte aber hier von den gleich feindlichen Gesinnungen des Herzogs Ulrich und wollte sich nach dem Salzburgischen wenden, in der Hoffnung, daß man hier von seiner Landung noch nichts wisse. Aber vor der Ausführung dieses Beschlusses überfiel ihn Friedrich von Botesow in der Gegend von Friesach, und fing und zerstreute seine wenigen Begleiter; Richard selbst rettete sich nur durch eine Verkleidung. Mit Wilhelm von Stagno und einem KnabenConradi catal. imp. 410.  Goggesh. chr. angl. 830.  Chron. Nortm. 1005., welcher deutsch sprach, irrte er mehre Tage und Nächte in Wäldern und Bergen fast ohne Nahrung umher, und kam zuletzt unglücklicherweise nach Erperg vor Wien. Sein Diener ging zur Stadt, um Lebensmittel einzukaufen, erregte aber durch seine ungewöhnliche Aussprache, durch die Wahl kostbarer Gegenstände und durch anmaaßliches Betragen die Aufmerksamkeit von vielen, und nur die Nothlüge, sein Herr sey ein reicher Kaufmann, der bald zur Stadt kommen werde, befreite ihn diesmal von weiterer Nachforschung. Gern wäre Richard hierauf sogleich abgereiset, aber seine Kräfte waren von der Seefahrt und den Irrsalen des Landwegs zu erschöpft; und während dieser nothwendigen Zögerung erhielt Leopold von Österreich durch den Herzog von Kärnthen Nachricht über des Königs Ankunft, und befahl alle Fremden mit erhöhter Aufmerksamkeit zu beobachten. Unvorsichtig trug Richard, bei sonst geringer Kleidung, einen kostbaren Ring am Finger; eitel zeigte sein Diener ritterliche Handschuhe: da wurde dieser verhaftet und jener von einem Österreicher erkannt, der vor Akkon mit gefochten hatteAdmont. chr. zu 1193.  Hemingf. II, 62.  Rigord. 36.  Richard sey schlafend in seinem Bette, durch Unvorsichtigkeit seines Dieners gefangen worden, sagt Abbas S. Petri in Burgo in Sparke script. 87.. Sogleich ließ der hievon benachrichtigte Herzog das Haus umringen und trat 40 {1192} in dem Augenblicke, als Richard noch an Widerstand dachte, selbst hinzu und sprach: »vergebens, König, verbirgst und verkleidest du dich, dein Gesicht macht dich kenntlich. Versuche nicht unbesonnen der Übermacht zu widerstehn und bedenke, daß wir weniger deine Feinde, als vielmehr deine Retter sind: denn fielest du in die Hände der Freunde des Markgrafen von Montferrat, welche dir überall nachstellen, wahrlich von tausend Leben würden sie dir nicht eines lassen.« – Auf diese Weise wurde Richard am 21sten December 1192 gefangenZwetlense chron. recent. 531.  Alberic. 395. und an Hadamar von Chunring zu anständiger Verwahrung in Thierstein übergeben.

{1193} Sobald König Philipp August und Kaiser Heinrich hievon hörten, waren beide sehr erfreut, der letzte aber behauptete: kein Herzog dürfe einen König gefangen halten, dies Recht stehe nur dem Kaiser zu; – und so mußte Leopold von Österreich nach einem in Regensburg gefaßten BeschlusseBromton 1250.  Gemeiner Chronik 287. – Henricus tenens eum in libera custodia, honoravit plurimum.  Oliv. Schol. hist. regum 1394., jedoch mit Vorbehalt seiner Ansprüche, Richarden an Heinrich ausliefern, der ihn nach Trifels bringen und äußerlich ehren, sonst aber streng bewachen ließ. Der König, eine baldige Befreiung hoffend, verlor den Muth nicht, sondern trieb Scherz mit seinen Wächtern, machte sie trunken, oder erschreckte sie durch seine gewaltige Leibeskraft; sich selbst erheiterte er mit Dichten und Singen von Liebes- und Spott-Liedern. Eines Tages antwortete ihm eine bekannte Stimme: es war BlondelBei Michaud II, 324 der Auszug aus der französischen Chronik des 13ten Jahrhunderts über Blondel. Daß und wo Richard gefangen saß, war kein Geheimniß: aber das in den Text Aufgenommene möchte wohl die geschichtliche Grundlage der Erzählung seyn. sein treuer Sänger, welchen die Unfälle der Reise von ihm 41 {1193} getrennt, und der nach langem Irren des Königs Aufenthalt gefunden hatte. Blondel nahm Dienste bei dem Burgvogt und gewann sein Zutrauen, er sprach Richarden und eilte dann nach England, um für dessen Befreiung zu wirken. Eleonore, des Königs Mutter, war jedoch seit Empfang der Unglücksbotschaft nicht unthätig gewesen, sondern hatte sich vor allem mit Bitten an den Papst gewandt. Als aber Cölestin III, des Kaisers Macht fürchtend, keinen entscheidenden Schritt wagte, schrieb ihm jene heftiger: »sonst wird wohl um geringer Kleinigkeiten willen ein Gesandter abgeschickt; diesmal aber geschieht nichts, um die ungeheuersten Frevel, um die Gefangennehmung eines freien Königs, eines Kreuzfahrers, eines unter dem besondern Schutze der Kirche stehenden heiligen Kämpfers aufzuheben und zu bestrafen. Aber freilich die Ehre der Kirche und die Ruhe der Reiche kommt wenig in Betracht, wenn bei einer Angelegenheit sonst nichts zu gewinnen ist!«Rymer foed. I, 23 sq.  Petrus Blesensis schrieb in derselben Angelegenheit an den Erzbischof von Mainz.  epist. 143, 144, 146.

Hierauf wandte sich endlich Cölestin mit Ernst an Heinrich VI, und dieser (der nicht sowohl aus Haß, als um ein höheres Lösegeld vom Könige zu erpressen, gezögert hatte) berief auf den Rath seines Kanzlers und des Abts von Clugny eine Versammlung der Fürsten nach HagenauCoggesh. chr. angl. 833.  Auch am 13ten Julius 1193 sey in Worms auf einem Reichstage über Richard verhandelt worden. Rad. a Diceto imag. 670., wo, der Ansicht von kaiserlicher, römisch-deutscher Weltherrschaft gemäß, jede Beschuldigung wider Richard geprüft und ein Urtheil gesprochen werden sollte. Man warf ihm vor: »er habe Tankred, den unrechtmäßigen Besitzer Siciliens, unterstützt und dadurch den Kaiser gezwungen, sein Eigenthum mit großem Aufwande und durch Krieg wieder zu erobern. Er habe Isaak, den König von Cypern, einen nahen Verwandten des Kaisers und des Herzogs von 42 {1193} ÖsterreichMartertera Leopoldi ducis erat uxor Rectoris Cypri.  Avent. ann. boic. VII, 2, 9.  Richardus multorum odia in partibus transmarinis incurrit.  Alber. 395.  Guil. Neubr. IV, 25., widerrechtlich vertrieben und unwürdig behandelt. Die deutschen Pilger seyen von ihm in Palästina mit Worten und Thaten beleidigt, und insbesondere der Herzog von Österreich auf eine nicht zu duldende übermüthige Weise beschimpft worden. Allen endlich habe er aus Eigennutz ihren rechtmäßigen Antheil an der Beute vorenthalten. Der Mord des für die Sache der Christenheit so rastlos wirkenden Markgrafen von Montferrat falle ihm zur Last, nicht minder daß er Geschenke von Saladin genommen und Gaza, Nazareth und Askalon ohne Noth preis gegeben habe. Hierauf folgten die Beschwerden des Königs von Frankreich, welche man für gleich gegründet erklärte. Richard wies, so heißt es darin, dessen Schwester, seine verlobte Braut zurück, beleidigte ihn auf mannigfache Weise, und theilte das von Tankred und Isaak erhaltene Geld keineswegs nach den Bestimmungen des Vertrages. In Syrien suchte er, obgleich selbst ein Lehnsmann Philipp Augusts, dessen Ritter von ihm abwendig zu machen, wollte ihn den Saracenen ausliefern und sandte selbst Frevler nach Europa, deren Mordanschlägen der König von Frankreich nur durch die größte Vorsicht entging.«

Auf diese Beschuldigungen antwortete Richard so kühn als bestimmt: »ich habe Tankred befehdet, weil er meiner Schwester das ihr Gebührende vorenthielt, und mich mit ihm versöhnt, als er ihr Genugthuung leistete; beides ohne Rücksicht auf seine oder des Kaisers wechselseitige Ansprüche an Sicilien. Ich habe Isaak befehdet, weil er Christen beleidigte und mit Saladin im Bunde stand. Ich habe die Ansprüche des Markgrafen von Montferrat auf Jerusalem nicht unterstützt, so lange sie mir widerrechtlich erschienen: aber ich habe weder ihm, noch dem Könige von Frankreich nach dem Leben getrachtet. Nicht als sey ich 43 {1193} dazu verpflichtet, sondern um meiner Ehre willen bin ich bereit, vor einer so erlauchten Versammlung jene nichtswürdigen Lügen durch Kampf zu widerlegen. Ob ich oder der König von Frankreich das heilige Land voreilig verlassen oder verrätherisch preis gegeben habe, mögen Unparteiische entscheiden; und wenn seine Mannen sich von ihm wandten, so war es, weil sie ihr Gelübde höher achteten, als irdische RücksichtenMath. Paris 121.  Rymer foed. I, 1, 32.. Von aller Beute hat er sein richtiges Theil empfangen, und mich von der Heirath mit seiner Schwester für große Summen entbunden. So bleibt ihm also kein Grund zur Klage gegen mich, wohl aber mir zu härterer Beschwerde gegen ihn: denn, ohne Rücksicht auf seinen Eid und das heilige Verbot der Kirche, wirkt er überall feindlich gegen mich und mein Reich. – Wenn ich sonst jemanden in der Hitze beleidigte, so habe ich dafür genug gebüßt, und es ist kein Grund vorhanden, mich, einen freien König, einen Streiter Christi, länger in ungebührlicher, gottloser Haft zu halten.«

Richards Vertheidigung und Persönlichkeit machten Eindruck auf die Fürsten und noch mehr auf den Kaiser, welcher ihn hier zum ersten Male sah und klug genug war, einen solchen Mann zu würdigen. Daher stand er auf, umarmte ihn und bewies ihm seitdem große Achtung. Aber ein großmüthiges Verfahren lag nicht in Heinrichs Natur; weshalb er die von Richard nicht vollständig widerlegten Beschuldigungen über den Punkt mit Tankred, die Behandlung des Königs von Cypern und des Herzogs von Österreich heraushob, und für sich und Leopold Schadloshaltung und Ersatz wegen der nicht vertheilten Beute verlangte. Ob nun gleich diese Forderung, so wie das ganze Verfahren gegen Richard, in England den höchsten Abscheu erregte, so war doch die Stimme des Volks in Deutschland und Frankreich wider ihn: es sah, ohne Rücksicht auf die einzelnen Anklagen, in seinem Unglück eine natürliche Folge 44 {1193} der Behandlung seiner Mitpilger, und noch mehr eine Strafe des Himmels für den unvollendeten Kreuzzug, und dafür, daß Richard sich gegen seinen alten und kranken Vater empört, ihn bekriegt, belagert und dadurch seinen Tod befördert hatte.

Nach langem Verhandeln und dem Fehlschlagen aller Hoffnung auf eine freiwillige oder von dem Papste durchgesetzte Lösung aus der Haft, schloß der König endlich einen Vertrag mit Heinrich VI, wonach er versprach 100,000 Mark vor, und 50,000 Mark nach seiner Freilassung zu zahlen und ihm sechzig, dem Herzoge von Österreich aber sieben Geißeln zu stellen. Die letzterwähnten 50,000 Mark sollten jedoch für den Fall erlassen seyn, daß Richard eine unbekannte geheime BedingungGodofr. mon. zu 1194.  Dumont I, 118, Urk. 213.  Ebulo 111.  Rymer foed. I, 1, 27. in Betreff Heinrichs des Löwen erfülle. Herzog Leopold erhielt 20,000 Mark, und mehre deutsche Fürsten und Bischöfe einen geringern Antheil von der Lösungssumme.

Sobald Richards Bruder Johann und König Philipp August von diesem Vertrage hörten, boten sie dem Kaiser große Summen, wenn er den König ausliefern, oder wenigstens noch ein Jahr gefangen halten wolleGuil. Neubr. IV, 41.  Bromton 1257.  Chron. S. Steph. Cad. 1120.; und vielleicht bereute Heinrich einen Augenblick lang den Abschluß jenes Vertrages, doch hielt ihn sein einmal gegebenes Wort und die hinzugefügte Bürgschaft mehrer Fürsten nicht bloß von tadelnswerthen Maaßregeln zurück, sondern er ließ sich itzt auch in nähere Verhandlungen mit dem tapfern Richard ein, und wollte ihm Arles, Marseille, Lyon, Provence und andere Landschaften, welche dem Reiche nur ungern oder gar nicht gehorchten, als Lehn übergeben und so eine mächtige Mark gegen Frankreich bilden, welche sich andererseits wieder mit Hülfe Frankreichs im Zaum halten ließe. 45 {1193} Aber dieser Plan kam nicht zur Ausführung, und eben so wenig wurde die Lösungssumme mit Schnelligkeit zusammengebracht, worüber Richard in kräftigen Liedern seine Mitstreiter und Mannen anklagtGinguené I, 266..

So erhielt dieser erst im Februar 1194, nach vorläufig hinreichender Erfüllung der Vertragsbedingungen, seine Freiheit wieder und eilte nach Swine; aber Stürme verzögerten seine Einschiffung, bis sich durch Argwöhnische oder Furchtsame das Gerücht verbreitete, der Kaiser wolle ihn noch einmal einfangen lassen. Da vertraute er sein Leben lieber dem Meere, und hielt sich erst für wahrhaft frei, als er am 13ten Mai 1194 in Sandwich den englischen Boden betrat; er hielt sich erst wiederum für einen König, als er am heiligen Osterfeste zum zweiten Male in Winton gekrönt wurde. Groß war die Freude und Theilnahme des Volks, und die zur Herbeischaffung des Lösegeldes nöthigen Abgaben erhöhten nur den Haß gegen Kaiser Heinrich und Herzog Leopold. Die Einwohner von Österreich, sagt deshalb ein englischer Geschichtschreiber, sind ungeschlacht in Reden, schmutzig in der Kleidung und ihre Wohnungen sollte man eher für einen Aufenthaltsort von Thieren als von Menschen haltenHorrent verbis, habitu squalent, immunditiis feculescunt, ut intelligas eorum cohabitationem ferinam potius quam humanam.  Rad. a Diceto imag. 668.  Wenns nicht vielmehr heißt: im Umgange erschienen sie mehr viehisch als menschlich.. – Als nun aber allmählich in England selbst Kirchen und Särge besteuert und geplündert wurden, als man den Cistertiensern, welche kein Gold oder Silber besaßen, die einjährige Wollschur nahm, erhoben sich laute Klagen gegen den König; und Geschichtschreiber die ihn sonst äußerst verehrenVexationibus, sive juste, sive injuste, tota Anglia a mari usque ad mare reducta est ad inopiam.  Rog. Hov. 684.  Waverl. ann. zu 1193.  Guil. Neubr. IV, 38.  Margan. ann.  Math. Paris 110.  Robert. de Monte zu 1194.  Coggesh. chr. angl. 854. . Anderson I, 615.  Es war fletus et stridor dentium.  Bened. Petrob. 568., bezeugen seinen unritterlichen Geiz 46 {1194} und erzählen, daß er schon vor seinem Kreuzzuge einmal fälschlich vorgab, er habe sein Reichssiegel verloren, um aus der für nothwendig erklärten neuen Besiegelung aller Urkunden doppelte Gebühren zu ziehen. Mithin stand er in dieser Sinnesweise dem Kaiser näher, als man gewöhnlich glaubt.

Alle Bemühungen Richards, diesen, oder den Herzog von Österreich zum Verzichten auf ihre Forderungen oder zum Freilassen der Geißeln zu bewegen, blieben fruchtlos, und selbst der, jedoch erst später eintretende päpstliche Bann that keine Wirkung. Als indeß Herzog Leopold mit dem Pferde stürzte und das Bein brach, erklärten die Geistlichen dies Ereigniß für eine Strafe des Himmels und bewogen ihn, sich auf dem Todtenbette mit der Kirche auszusöhnenHerm. Altah. zu 1195.  Bernard. Noric. und Vatzo.  Hemingf. II, 77.  Roger Hov. 748.  Guil. Neubr. V, 8.  Narrat. geneal. Poster. Leop. Austriae 575.  Innoc registr. imp. 70. epist. I, 243.  Rymer foed. I, 1, 28 u. 133.  Math. Paris 125.  Coggesh. chr. angl. 837.  Alber. 406.. Sein Sohn Friedrich erfüllte aber das hiebei geleistete väterliche Versprechen nicht, und noch mehre Jahre nachher bedrohte Innocenz III ihn und andre Fürsten und Bischöfe mit den härtesten Kirchenstrafen, wenn sie die Rückzahlung des für Richards Befreiung empfangenen Geldes länger verzögern würden. – Am wenigsten nahm Heinrich VI auf solche Weisungen Rücksicht, sondern verwandte das englische Geld zur Erhöhung seiner Streitkräfte gegen Tankred.

{1191 bis 1193} Obgleich dieser nach des Kaisers Rückzug in Sicilien bis ruhig herrschte und fast überall in Apulien die Oberhand hatte, so entstand doch keine volle Ruhe und Einigkeit, weil seine Gegner sich an die in den festen Orten zurückgebliebenen Deutschen anschlossen und deren Streifzüge unterstützten. So gelang es Diepholden zweimal, bei 47 {1194} Aquino und bei Kapua, Heeresabtheilungen Tankreds zu schlagen; und noch bedenklicher wurden die Umstände, als der dem Kaiser durchaus zugethane Abt Roffrid von MontekassinoAbt Roffrid war gegen seine Unterthanen milde, und wurde vom Kaiser für seine Treue reichlich belohnt.  Gattula III, 370–390.  Tauleri mem. 104.  Später ward er Kardinal.  Cardella I, 2, 179. aus Deutschland zurückkehrte, und Graf Bertold, welcher theils deutsche, theils florentinische Krieger herbeiführte, mit Hülfe der Unzufriedenen bedeutende Fortschritte machte und das Land verheerte- dissipans et consumens quaeque poterat, more gentis suae barbarae.  Aber der Haupttheil des Heeres bestand aus Florentinern und Apuliern.  Cassin. chr.. Deshalb sammelte Tankred eine ansehnliche Macht, und beide Heere trafen bei Montefoskolo auf einander; aber Bertold vermied weislich die Schlacht, weil er sich für schwächer hielt, und Tankred wollte entweder auch nicht das Äußerste wagen, oder ließ sich bereden: in dem Kampfe eines Königs mit einem so viel geringern Heerführer sey wenig Ruhm zu erwerben. Doch dürfte ihm dieser geringere Heerführer noch viel Sorge gemacht haben, wenn er nicht bei der Belagerung des Schlosses Rodone wäre von einem Wurfsteine erschlagen worden. Sein Nachfolger Konrad Lutzelinhart eroberte dies Schloß und ließ die meisten Einwohner auf mannigfache Weise ums Leben bringen; Tankred hingegen nahm S. Agatha, Aversa, Telesia, und befahl den Herrn des Schlosses Sarolio aufzuknüpfen, weil er laut gegen ihn gesprochen hatteQui de rege ipso multum fuerat oblocutus.  Rich. S. Germ.. Auf diese Weise war die Ruhe in Apulien und Kampanien wieder hergestellt, und der König ging seiner Siege froh nach Sicilien zurück. Gleich nach seiner Ankunft in Palermo starb aber sein erstgeborner hoffnungsvoller Sohn Roger, und dieser Verlust schmerzte den zärtlichen Vater so sehr, daß er kaum Kraft und Fassung behielt, die Krönung seines zweiten Sohnes Wilhelm 48 {1194} anzuordnen; dann erkrankte er selbst, und starb am 20sten Februar 1194Sicil. chr. c. 20. append. ad Malat.  Lello tab. cronol. p. 27..

Sobald Kaiser Heinrich von diesen vortheilhaften Ereignissen Kunde erhielt, beschleunigte er seinen Zug nach Italien so sehr, daß er vier Monate darauf, im Junius 1194, schon Genua erreicht hatte. Diese Stadt wollte er um jeden Preis für sich gewinnen: denn ohne ihre Seemacht durfte er kaum hoffen Apulien, wie viel weniger Sicilien, zu erobern. – »Wenn ich mir (so sprach er zu den Genuesern) das sicilische Reich unterwerfe, so habe ich davon freilich den Ruhm, ihr aber den VortheilOttobonus zu 1194.. Denn ich kann mit meinen Deutschen dort nicht verweilen, während ihr und eure Nachkommen daselbst bleibet: mithin wird das Reich nicht das meine, es wird das eure seyn.« – Durch solche Hoffnungen und Versprechungen setzte der Kaiser ganz Genua für sich in Bewegung, und eben so ward Pisa, – welches jetzt schon aus Eifersucht auf Genua nicht zurückgeblieben wäre –, durch urkundliche Zusicherungen gewonnen und begeistert. Abgabenfreier Handel in Süditalien, selbst Ausschließung anderer auf Verlangen Pisas, zu Lehn die Hälfte von Palermo, Messina, Neapel und Salerno, ganz Gaeta, Mazara und TrapaniMurat. antiq. Ital. IV, 474., Niederlassungen in allen übrigen Städten, ein Drittheil der Schätze Tankreds: – dies und noch anderes hätte der Kaiser itzt wohl versprochen: denn nach dem Siege, so meinte er, stehe ja das Halten in seiner Macht, und bei der alten Feindschaft zwischen Pisa und Genua, könne er äußersten Falles, sich der einen Stadt gegen die andere bedienenHeinrich überließ Alexandria mit allen Einwohnern und Zubehör dem Markgrafen von Montferrat zu Lehn, aber dieser konnte die Stadt nicht in seine Gewalt bringen.  Ghilini 16.. – Von den Lombarden, mit denen nicht zu zerfallen schon 49 {1194} Gewinn war, erhielt der Kaiser wahrscheinlich keinen Beistand: mehr mochten die Aufforderungen wirken, welche an die toskanischen Städte, z. B. an Florenz ergingenCartepecore di Firenze I, 1..

Um den Papst hatte sich Heinrich VI in der letzten Zeit wenig bekümmert, und weder für dessen Forderungen Nachgiebigkeit, noch für dessen freundliche Dienste große Dankbarkeit bezeigt. Denn gleich nach Heinrichs Rückzuge von Neapel hatte sich Cölestin, auf dessen Bitte, für die Befreiung der Kaiserinn Konstanze so ernstlich bei Tankred verwendet, daß sie nach ehrenvoller Behandlung mir Geschenken entlassen ward. Indeß hatte diese Unterhandlung wohl weniger Schwierigkeit, als man glaubte, weil es Tankred nicht rathsam erschien, die nächste Thronerbinn länger in seiner zweifelhaft gesinnten Hauptstadt zu behaltenNach Gisleb. 422 hätten die Bürger von Palermo Konstanzen invito Tancredo freigegeben.. Auch hoffte er, Cölestin werde sich theils durch diese Gefälligkeit und noch weit mehr dadurch gewinnen lassen, daß er ihm die Rückgabe aller dem Kirchenstaate früher entrissenen Besitzungen anbot. Allein der Papst wollte auf keine Weise mit dem Kaiser brechen, und ergriff selbst in dem Augenblicke wo dieser, ungeachtet aller Ermahnungen, weder die englischen Gelder, noch die mathildischen Besitzungen herausgab, keine ihn unmittelbar treffende heftigere MaaßregelMittelbar war Heinrich, als Verfolger Richards, im Bann, aber persönlich steigerte Cölestin diese ihm abgedrungene Maaßregel nicht.  Baronius zu 1193, c. 18.  Sismondi II, 302., er störte seinen zweiten italienischen Zug weder durch kirchliche noch durch kriegerische Mittel.

Im Laufe des Augustes 1194 erreichte Heinrich mit seinem Heere ohne Unfall die Grenze ApuliensDoch hatte Heinrich (nach Otto S. Blas. edit. Blasiana) 1194, Markuald dapifer de Annwiler und Bertold von Königsberg nach Apulien vorausgesandt, welche mehre Schlösser eroberten.; anstatt 50 {1194} aber hier auf Feinde zu stoßen, kamen ihm die angesehensten Barone huldigend entgegen; viele Städte, selbst Neapel, öffneten ihre Thore, und nur Salerno widerstand im Angedenken des gegen die Kaiserinn geübten Verrathes. Daher wurde die Stadt mit Gewalt erstürmt, geplündert und zum Theil verbranntSalerno den 27sten Sept. erobert.  Cavense chron. 926.  Cassin. mon. Radulph. a Diceto imag. 678.  Guil. Neubr. V, 7.; die Einwohner wurden verjagt, gefangen oder getödtet. Ohne Hinderniß zog der Kaiser itzt durch Kalabrien vorwärts; während welcher Zeit seine Bundesgenossen, die Genueser und Pisaner, sich nicht minder thätig zeigten. Schon im August eroberten sie Gaeta und ließen sich, nach dem Inhalte jener Verträge, sogleich von dem Bischofe, der Obrigkeiten und dem Volke huldigen. Hiebei entstand indeß wahrscheinlich auch schon der erste Streit über den Umfang der pisanischen und genuesischen Anrechte; ein Streit, den man bei gleichen, sich zum Theil unter einander absichtlich aufhebenden Bewilligungen des Kaisers, wohl unmöglich nach dem Buchstaben der Verträge schlichten konnte. Bis Messina, welches die Flotten am ersten September erreichten, hielten beide Theile wenigstens äußerlichen Frieden: hier aber kam es zu einer offenen Fehde, wo die Pisaner auf dem festen Lande und die Genueser aus dem Meere siegten. Der kaiserliche Feldherr Markuald erschrak, daß die Verbündeten zerfielen, ehe der Hauptzweck irgend mit Sicherheit erreicht war, und brachte beide Theile halb mit Güte, halb mit Gewalt, jedoch nicht ohne sehr große Mühe zu dem eidlichen Versprechen: sie wollten künftig Frieden halten und das Erbeutete zurückgebenOttobonus 369.. Hienach zahlten die Genueser 1000 Mark Silber und überantworteten die Wracke der genommenen Schiffe; wogegen die Pisaner als gemachte Beute nur aushändigten: einen Schild, einen Pechkessel, zehn Flachsbrechen, einen Korb mit etwas Zimmt und eine 51 {1194} Galgantwurzel. Aus diesem Spott und dem Vorenthalten der Rüstungen, des Geldes und anderer kostbarer Sachen entstand neuer Zwist, wobei die Pisaner einige Genueser mißhandelten und ihnen ein reiches nach Alexandrien bestimmtes Schiff nahmen. Dennoch wagten diese, aus Furcht vor dem Kaiser, kaum zu klagen, und ihr Podesta Obertus von Olivano starb vor Gram und Verdruß. Die Pisaner wollten dessen Leichenzug beschimpfen, aber Markuald hinderte dies um so eher, da ihm ein Gerücht zu Ohren kam, daß die Pisaner heimlich Tankreds Familie begünstigten und sich Messinas bemächtigen wollten. Auch verließen jene mit ihrer Flotte den Hafen nicht, während die Genueser den Marschall Heinrich von Kalinthin unterstützten, das Heer der Königinn Sibylla schlugen und Katanea und Syrakusä, jedoch nicht ohne manchen Frevel zu begehen, eroberten. Als nun der Kaiser um diese Zeit mit seiner Landmacht nach Messina kam und dieser Stadt große Freiheiten ertheilteCaraffa della città di Messina 150.  Gallo ann. II, 70., trat Otto von Karreto, der neue genuesische Feldherr, zu ihm und sprach: »Herr, wir haben unserm Versprechen gemäß treu für dich gefochten, gieb uns nun auch deinem Versprechen gemäß Syrakusä und die Landschaft von Noto.« Der Kaiser antwortete: »ihr habt tapfer gefochten, nach eurer Gewohnheit und eurer Vorfahren würdig. Noch ist mir aber Palermo nicht unterthan, wartet bis wir dies genommen haben, dann will ich meine Versprechungen erfüllen.«

Die Sicilianer, früher so eifernd gegen die fremde Herrschaft, jetzt in Reichthum verweichlicht und trotz aller Parteiwuth unentschlossenInnoc. epist. I, 26., thaten nichts Erhebliches zur Unterstützung der unglücklichen Königinn Sibylle und ihres Sohnes Wilhelm. Der Kanzler Mathäus, welcher vielleicht allein im Stande gewesen wäre alle zu vereinigen, war gestorben; die Schnelligkeit der Fortschritte des Kaisers verwirrte, seine Strafen erschreckten, und die Bischöfe von 52 {1194} Palermo und Salerno, welche treu bei dem Könige aushielten, konnten diesen gegen die Kriegsmacht nicht schützenMongitor bullae 60, 61.. Deshalb rettete sich die Königinn mit ihrer Familie in das feste Schloß Kalatabellota, und die Bürger von Palermo baten den Kaiser, als Herrscher in seine Hauptstadt einzuziehen. Nach Stand und Alter in regelmäßige Schaaren abgetheiltOtto S. Blas. 40.  Inveg. ann. 483., gingen ihm alle am 30sten November 1194 festlich entgegen, die Straßen dampften von Weihrauch, sie waren geschmückt mit ausgehangenen Teppichen und andern Prachtstoffen. Schön geordnet, zur strengsten Zucht ernstlich angewiesen nahte das Heer; in dessen Mitte der Kaiser, umgeben von den Fürsten und Edlen; – jetzo keine Spur von Strenge, keine Ahnung von Strafe.

Bei diesen Umständen hielt Sibylle eine völlige Herstellung ihrer Macht für unmöglich: dem Kaiser hingegen war eine lange Belagerung des sehr festen Kalatabellota unangenehm; deshalb kam es zwischen beiden Theilen zu einem Vertrage, wonach Wilhelm die angestammte Grafschaft Lecce und das Fürstenthum Tarent erhalten sollte, allen aber Sicherheit der Güter und Personen versprochen wurde. Wilhelm legte hierauf selbst seine Krone zu den Füßen Heinrichs nieder, und dieser ließ sie sich in der Domkirche von Palermo aufs Haupt setzenInnoc. gesta 5. ep. V, 38.  Rad. a Diceto 678 setzt Heinrichs Krönung irrig auf den 23sten Oktober. Sicil. chron. c. 21 spricht vom Ende des Novembers, womit app. ad Malaterr. übereinstimmt. Nach dem Chron. fossae novae 880 würde man sie bis in den December hinaussetzen müssen. ^Giannett. I, 326 erzählt ohne Beweise, Heinrich habe, nach dem Vertrage, nur Sicilien behalten sollen.. – Er war am Ziele. – Itzt traten die Genueser nochmals vor ihn und sprachen: »Herr, das ganze Reich ist dir mit unserer Hülfe unterthan worden, halte nun dein Versprechen.« Der Kaiser antwortete, – nach der Eingebung einiger 53 {1194} unvaterländisch gesinnten Genueser –: »ich sehe hier keinen unter euch, der für Genua zu sprechen ein Recht hätte. Euer Podesta ist todt und erst wenn ein wahrer Bevollmächtigter der Stadt erscheint, werde ich erfüllen, was ich gelobte.« – Bald nachher wurden indeß alle früheren Freibriefe der Genueser für nichtig erklärt, und jeder mit dem Tode bedroht, welcher innerhalb des apulischen Reiches als ihr Konsul aufträte.

Mittlerweile war Weihnachten herangekommen; allein dies fröhliche Fest der Geburt des Erlösers verwandelte sich in eine Zeit des Entsetzens und der Gräuel. Der Kaiser nämlich behauptete in einer großen Versammlung: durch einen Mönch sey ihm eine neue Verschwörung entdeckt worden, und legte Briefe vor, welche die Schuld vieler Bischöfe, Grafen und Edlen, ja auch der königlichen Familie beweisen solltenEbulo 137.litteris fictitiis et mendosis. Cassin. mon.  Decepit Henricus regem et comites per sacramenta. Chron. fossae novae 880.. Diese Briefe hielten einige für ächt, andere für falsch und untergeschoben; ein Beweis, wie ihn Recht und Gesetz verlangte, ward wenigstens nie geführt. Angenommen aber, daß die Sicilianer sich nochmals gegen den fremden Herrscher verbunden hatten, so war dies, wenn nicht gerecht, doch natürlich; und der Kaiser mußte politische Parteiungen von gemeinen Verbrechen unterscheiden, er mußte sich der Milde Tankreds gegen Konstanze erinnern und dessen, aller Theilnahme und eigener Schuld unfähige kleine Kinder nicht in seine Anklage, viel weniger in seine Bestrafung einschließen. An dem Grafen Peter von Celano fand er einen Richter wie er ihn wünschte. Dessen Spruche und seiner eigenen Weisung zufolge, wurden die Gräber Tankreds und Rogers erbrochen und ihnen, als unrechtmäßigen Königen, die Kronen vom Haupte gerissen; es wurden Erzbischöfe, Bischöfe, Grafen und Edle, – unter ihnen drei Söhne des Kanzler 54 {1194} Mathäus –, der Erzbischof von Salerno und der große Seeheld MargaritoneCassin. mon. Admont. chron. zu 1193.  Capacelatro I, 201., als Verräther verhaftet und einige aufgehenkt, andere geblendet oder gespießt, oder in die Erde vergraben, oder verbrannt. Auch die Königinn Sibylla mit ihren drei kleinen Töchtern Albina, Konstanze und Mandonia ließ der Kaiser gefangen nehmen, und den jungen König Wilhelm blenden und entmannen. Von weitern Grausamkeiten hielt ihn weniger die Milde ab, als die Besorgniß über die Gesinnung und Theilnahme der HauptstadtVillani 114.  Malespini 87.  Dandolo 317.  Roger Hov. 746.  Nur die Entmannung und Blendung Wilhelms bleibt zweifelhaft: Meo läugnet sie, weil kein gleichzeitiger Schriftsteller sie erzähle. Doch berichtet Otto S. Blas. 41 die Blendung. – »Fast vergebe, wenigstens entschuldige ich nun einigermaaßen (sagt Joh. Müller, Werke VI, 263) die Härte Heinrichs VI: sie waren in der Volkssitte; nur durch dergleichen Schrecknisse war die verwilderte Nation, deren Fantasie so beweglich war, zu Ruhe und Ordnung zu bringen.« Dennoch ging Heinrich gewiß über das richtige Maaß hinaus..

An dem Tage dieser Gräuel, am 26sten December 1194, – welch eine furchtbare Vorbedeutung für sein eigenes Geschlecht! – lag des Kaisers Gemahlinn Konstanze zu Jesi in Kindesnöthen, und gebar einen Sohn, Friedrich Roger, den nachmaligen Kaiser Friedrich den zweitenRad. a Diceto 679.  Rich. S. Germ. zu 1194.  Ebulo 139.  Albert. Stad.  Murat. ann. Tiraboschi Lett. IV, 4.  Der geächtete Graf Albert von Bogen brachte dem Kaiser die erste Nachricht von Friedrichs Geburt, und erhielt dafür seine Gunst wieder.  Avent. ann. VII, 2, 11.. 55

 


 


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