Friedrich von Raumer
Geschichte der Hohenstaufen und ihrer Zeit, Band 3
Friedrich von Raumer

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Viertes Hauptstück.

{11980 Sogleich nach dem Tode Papst Cölestins versammelte sich ein Theil der Kardinäle im Kloster Clivisauro zur Berathung über die bevorstehende Wahl; die übrigen hielten gleichzeitig des Verstorbenen Todtenfeier in der Kirche Konstantins. Jene wollten, der größeren Zahl nachDonie 219., den Kardinal Johannes von Salerno erwählen; welcher es aber nicht allein aufs bestimmteste ablehnte, sondern auch die zehn ihm geneigten Wähler vermochte, ihre Stimmen dem Kardinal Lothar zu geben. Hiedurch verloren alle andern Vorschläge ihr Gewicht, und nachdem die vorher mit der Todtenfeier beschäftigten Kardinäle sich ebenfalls eingefunden hatten, wurde Lothar einstimmig zum Papst erwähltInnoc. epist. I, 11.. Drei Tauben, so erzählt man, flogen während der Berathung in der Kirche umher, und zuletzt setzte sich eine weiße, was für günstige Vorbedeutung galt, zu seiner Rechten nieder.

Innocenz IIIGesta Innoc. 1.  Contelori geneal. Notices VI, 142., so nannte sich der neue Papst, war ein Sohn des Grafen Trasimund von Signia, und einer edlen Römerinn Klaricia. Er erhielt seine Bildung zunächst 75 {1198} in Rom, dann in Paris, endlich in BolognaVon Uguggione, dem Lehrer Innocenz III in Bologna, s. Memor. d'illustri Pisani I, 153.  Sarti I, 296.  Über ihn selbst, ebendas. S. 312.. Gregor VIII ernannte ihn zum Unterhelfer, Klemens III im Jahre 1190 zum Kardinal der Kirche des heiligen Sergius und Bacchus in Rom, welche Kirche er auch aus eigenen Mitteln neu baute. An den Streitigkeiten der Kardinäle nahm er bisher keinen Theil, und schien nur mit wissenschaftlichen Arbeiten beschäftigt. Seine, vor der Erhebung zur päpstlichen WürdeGewiß ist das meiste vor der Erhebung ausgearbeitet (Mart. Fuld. 1698.  Biblioth. pontific. 118); doch sagt Innocenz in der Vorrede zur Erklärung der Bußpsalmen: weil ihn die vielen Geschäfte von heiliger Betrachtung abführten und zu leicht in Fehler und Sünden verwickelten, habe er diese Beschäftigung erwählt. Er schrieb außerdem Predigten, Gebete, Hymnen. In jenen sind die biblischen Stellen sehr aufeinander gehäuft, und an mystischen und sinnbildlichen Deutungen ist Überfluß.  Opera I, 208, 420 u. s. w. entworfenen Schriften: von den Geheimnissen der Messe, von der vierfachen Art der Ehe, Erläuterungen der Bußpsalmen und des Petrus Lombardus, über das Elend des menschlichen Geschlechtes, Gespräche zwischen Gott und einem Sünder u. a. m. sind Beweise, daß er mit jedem wetteifern konnte in damaliger Gelehrsamkeit und damals geschätztem Scharfsinne. In dem zuletzt erwähnten Gespräche des Sünders mit Gott erklärt jener seine BesorgnißInnoc. III. dialog. Mscr. 363.: der Geistliche möge ihm lange Pilgerungen, etwa nach Jerusalem auflegen, wodurch sein ganzes irdisches Gut und Hauswesen zu Grunde gehe; welche Ansicht Gott indessen gründlich prüft und berichtigt. Der Sünder fürchtet, Gott werde ihm die Menge seiner Fehler nicht verzeihen; worauf dieser antwortet: er wolle nie das Unmögliche, noch den Tod des Sünders. An ihm, der die Güte selbst sey, zu verzweifeln, müsse vielmehr als die höchste, unverzeihlichste Sünde betrachtet werden. – Überall finden sich in diesem Gespräche Hinweisungen auf diejenigen 76 {1198} Rettungsmittel, welche die Kirche darbietet, und als die höchste Behörde auf Erden erscheint der Papst, der Statthalter Gottes.

Noch eigenthümlicher und bezeichnender sind die Betrachtungen, worin das Elend des menschlichen Geschlechts auf eine alles umfassende Weise dargelegt wird. Unreine Erzeugung, ekelhafte Ernährung im Mutterleibe, Schlechtigkeit des Stoffes woraus der Mensch sich entwickelt, Hülflosigkeit des Kindes, Quälerei in männlichen Jahren, Hinfälligkeit des Alters, Kürze des Lebens u. s. w. – Ist der Mensch auch nur einem Baume vergleichbar? Dieser duftet in lieblichen Gerüchen, jener verbreitet scheußlichen Gestank; dieser trägt herrliche Früchte, jener Speichel, Urin und Koth. Scheints euch aber, daß der menschliche Körper (gleich dem Baume) Stamm, Wurzel und Zweige habe, o so erkennt vielmehr darin die größte Ähnlichkeit, daß der Wind ihn hinwegweht wie ein Blatt. Gern möchtet ihr euern Geist erheben: aber er wird niedergedrückt und beschränkt durch den Körper, und eure anmaaßliche Weisheit hat euch noch nicht einmal dahin gebracht, eure Unwissenheit einzusehn. Die Sterblichen eilen hin und wieder, auf Wegen und Stegen, über Berge und Abgründe, dringen in die Tiefen der Erde und des Meeres, wagen sich über die Fluthen, trotzen Stürmen und Gewittern, graben und schmelzen die Metalle, bilden und glätten die Steine, fertigen sich Kleider und bauen sich Häuser, pflanzen Gärten, pflegen Weinstöcke, besäen die Felder, fischen, jagen und vogelstellen, denken und grübeln, rathen und ordnen, binden und lösen, handeln und betrügen, klagen und streiten, rauben und werden beraubt, kriegen und werden bekriegt: alles damit sie Schätze gewinnen, Ehren erlangen, Würden erjagen, Macht erhöhen; – und doch ist auch dieses nur eitle Mühe und tödtende Betrübniß!

Sehet die Leiden der Armuth: den Bettelnden ergreift Scham und den Schamhaften der Hunger; beiden steht die Verführung zu Lastern an der Seite. Die Reichen dagegen trifft Mühe beim Erwerben, Furcht während 77 {1198} des Besitzes, und Schmerz im Verluste. Überfluß entnervt sie, oder macht sie frech und hochmüthig. – Sehet den Sklaven: er leidet nicht bloß, sondern trägt seine Schmerzen unbemitleidet ganz allein. Betrachtet den Herrn: ist er streng, so wird er gehaßt; ist er milde, so wird er verachtet. – Der Ehelose leidet an steter Begier, die, befriedigt oder unbefriedigt, immer vom Übel ist: den Verehlichten dagegen drücken die Sorgen des Hauswesens. Denn die Frau verlangt Kleider, Schmuck, Dienerinnen u. s. w. mehr, als die Einnahmen des Mannes erlauben; und wenn er dieses verweigert, so seufzet, schmollet, brummt und weint sie Tag und Nachtplangit et suspirat, garrit et murmurat.  Lib. I, c. 18.. Die Schöne wird von andern gesucht, die Häßliche von andern verachtet: das aber, was viele suchen, ist schwer zu bewachen, und das lästig zu behalten, was kein Dritter haben möchte. Den einen verführt die reizende Gestalt, den zweiten der besonnene Geist, den dritten der leichte Scherz, den vierten das Geld: alle haben ihre leicht verwundliche Seite, und allen werden die Fehler vor der Hochzeit leicht verborgen. Nachher aber kommen die Leiden, und dann muß man zusammen bleiben, oder die, eine zweite Ehe nicht erlaubende, Trennung führt wieder zu den Plagen der Ehelosen.

Daß die Bösen leiden, scheint gerecht und natürlich: aber geht es den Guten und Heiligen besser? Hier ist ihr Gefängniß, nicht ihre Heimath und ihr Glück. Alles steht sich feindlich entgegen: der Geist und das Fleisch, der Teufel und die Reinen, die Menschen und die Thiere, die Elemente, die Reiche, die Völker! Zeigt sich auch einmal Friede und Freude, so ist doch beides nur kurz, und durch innere Mängel, oder äußeren Neid und Gewalt getrübt. Desto häufiger, unerwarteter, dauernder tritt der Schmerz hervor, und der überall nahe Tod umgiebt das ganze Geschlecht. Denkst du im Schlafe Ruhe zu finden, so schrecken dich die finsteren Träume, oder die heiteren täuschen dich schmerzhaft beim Erwachen.

78 {1198} Wäre man aber auch sicher vor eigenem Leiden, wessen Brust ist so von Eisen, daß ihn fremder Schmerz nicht ergriffe? wer so geschützt, daß fremde Ungerechtigkeit ihn nicht berührte? Wenn der auf Erden allein Reine und Schuldlose dadurch nicht von Leiden befreit blieb; welch Schicksal erwartet die Menschen? Durch alle Verhältnisse, durch alle Richtungen menschlicher Thätigkeit, durch alle Begierden, Leidenschaften, Irrthümer und Laster hindurch, ist nichts als Elend bis zum Tode, ja drüber hinaus im Fegefeuer, der Hölle, bis zum jüngsten GerichteDieser Auszug enthält das Wesentlichste aus der Schrift, de miseria condit. humanae..

Dieser, hienach allem Irdischen völlig abgestorbene, es in seiner allseitigen Nichtigkeit tief erkennende Mann, ward in so schwierigen Zeiten der Nachfolger des bejahrten, geduldigen Cölestin. Und die Kardinäle hatten sich nicht geirrt; vielmehr war durch die uneigennützige Erwählung des erst siebenunddreißigjährigen Innocenz, besser für die Kirchenherrschaft gesorgt wordenAuch Walter von der Vogelweide sagte: O we, der babst is ze jung, hilf herre diner Kristenheit.  Manesse S. 102., als deren Feinde glaubten und ihre Freunde zu hoffen wagten. – Eben weil alles bloß Irdische in seiner zerstreuten Haltungslosigkeit, für ihn gar keine Bedeutung hatte, bedurfte Innocenz eines höhern Bindungsmittels, eines drüber hinaus liegenden Mittelpunktes, einer anderweitigen Ansicht; durch welche das Vereinzelte in Zusammenhang kam, das Thörichte Verstand erhielt, und das vorher Hinfällige und Jämmerliche Festigkeit und Freudigkeit erwarb. Abgesehn aber von dem demüthig stillen Vertrauen auf die Erlösung durch Jesus Christus, gab es auf der ganzen Erde nur eine Stelle, nur einen Beruf, welcher all diesen Forderungen genügte. Der Papst, dieser Statthalter Gottes auf Erden war, nach der katholischen Ansicht, um deswillen aus dem Kreise aller irdischen Abhängigkeit herausgehoben und über alles Irdische 79 {1198} gesetzt, damit er und die unwandelbare Kirche den Hülfsbedürftigen ein sicherer Anker, den Bösen ein Schrecken, der irdischen Herrschaft ein Reiniger und der irdischen Knechtschaft ein Tröster seyAlle diese Ansichten und Behauptungen sind aufs bestimmteste in den Briefen des Papstes ausgesprochen.. Diesen himmlischen, alles umfassenden Beruf, den niederen Wirkungskreisen weltlicher Könige als etwas Gleichartiges gegenübersetzen und wegen des Vorranges streiten, erscheint durchaus thöricht. Anstatt in übereilter Anmaaßung zu wähnen, ihr weltliches Treiben und des Papstes heilige Herrschaft ständen auf gleichem Boden; sollten die Könige und Fürsten vielmehr dem Himmel danken, daß er in seiner Barmherzigkeit eine Macht höheren Ursprungs auf Erden begründete, zu welcher sie, wie zu etwas Erhabenern, Dauernden und Tadellosen, ehrfurchtsvoll hinaufsehn können, und daß ihnen ein untrüglicher Leitstern hingestellt ist, um sie aus ihren Irrsalen zu erretten. – In dem Maaße als der Mond und die Planeten der Sonne näher stehn, wird ihnen größeres Licht und größere Wärme zu Theil: in dem Maaße als sie sich aus dem Kreise dieser Einwirkung entfernen, entweicht ihr Leben und der Tod bricht herein. In demselben Verhältnisse steht die, alles eigenen Lichtes und einer unabhängigen Bahn ermangelnde weltliche Macht, zu der selbständigen, Leben in sich tragenden und Leben verbreitenden geistlichen MachtGesta c. 11..

So betrachtete Innocenz das Papstthum, danach ergriff er seinen großen Beruf, und der anscheinend sonderbare Gegensatz früherer spitzfindiger Untersuchungen mit den spätern Worten und Thaten, ist hinreichend erklärt. Zwar ließ er sich, in Erinnerung an ehemalige Forschungen, auch noch jetzt darauf ein, künstliche Fragen der Schule schulmäßig zu erörtern, dann aber setzte er hinzu: »so viel auf scholastische Weise; als Papst dagegen und Statthalter Christi antworte ich u. s. w.Innoc. coll. decret. 546.«.

80 {1198} Was seiner Gestalt an Größe fehlte, ersetzten die bedeutenden Gesichtszüge und die äußere HaltungForma conspicuus.  Günther hist,. Const. IX. nach dem Bericht eines Augenzeugen.  Mariotti Memor. I, 3, 423.. Er war streng und fest gegen Widersetzliche, im Umgange aber milde, und selbst ein Freund anständigen Scherzes und ein heiterer Zuschauer bei Volksfesten1209 bei den Volksfesten in Viterbo.  Bussi 114.  Salimbeni 215, 220.. Zwischen Geiz und Verschwendung geschickt die Mitte haltend, sparte er bei manchen Zweigen der Ausgaben, um desto mehr für Almosen und für die, von ihm sehr geschätztePtol. Luc. ann. zu 1198.  Vasari II, 173., Baukunst übrig zu behalten. Kirchliche Übungen versäumte er nie, und man rühmte ihn als einen guten Chorsänger. Sein Gedächtniß war sehr stark. In der Rechtswissenschaft hatte er ungemein große Kenntnisse, und sprach eben so gründlich und gewandt, als er schrieb.

Aber alle diese Einzelheiten finden erst dadurch ihren Mittelpunkt und ihre Bedeutung, daß in ihm der Geist, die Festigkeit, die Besonnenheit, die Charakterkraft war, welche den gebornen Herrscher bezeichnet, und daß dieser Herrschergeist vermöge jener Ansicht des Papstthums, Rechte und Pflichten, Bahn und Ziel auf die großartigste Weise vorgezeichnet fandMonach. Patav. 669.  Memor. Reg. 1078.  Aquic. auct zu 1197.  Alber. 413.  Cardella I, 2, 172.  Innoc. Opera I, 321.  Sermones I, 184. Innocenz III, ein wahrhaft hochwürdiger Mann, sagt Joh. Müller, Werke VI, 272.. Allein je höher er sich, seinen Beruf und seine Zwecke stellteDieser Fingerzeig mag, zu Vermeidung von Mißverständnissen, hier Platz finden; ganz unpassend aber wäre es, wenn der Geschichtschreiber versuchen wollte, obige Ansichten aus protestantischem Standpunkte umständlich zu widerlegen. Schon in diesem Buche und noch weit mehr in der Geschichte Friedrichs II, werden Feinde des Papstthums die damaligen Gegengründe entwickelt finden., desto gefährlicher und 81 {1198} verwerflicher ward andererseits jeder Irrthum und jeder Mißgriff, desto schneidender der Gegensatz zwischen der ideellen Ansicht und der wirklichen Ausführung. Daß es nicht ganz an solchen Übelständen fehlte, wird mancher Theil der folgenden Geschichte, insbesondere die der Albigenserkriege, zeigen. – Auch darf nicht vergessen werden, daß die Zeiten sehr günstig für die Ausführung der Plane des Papstes waren; obgleich gewiß nur wenige verstanden haben würden, sie so zu benutzen und zu lenken.

Kaum waren die feierlichen auf die Papstwahl sich beziehenden Aufzüge in Rom vorüber, so wurde das Volk unruhig und verlangte dringend die von jedem Papste gewöhnlich bewilligten Geschenke. Innocenz verschonte sogar Kirchenschätze nicht, um die Begehrlichen völlig zufrieden zu stellen; verstärkte aber hiedurch seine Partei so sehr, daß er den Senator, welcher nebst seinen Rechtsbeisitzern dem Kaiser gehuldigt hatte, aus eigener Macht neu ernennen konnte. Dieser schwur nunmehr, er wolle Innocenz und die Kardinäle schützen, erklärte sich in jeder Beziehung von ihnen abhängig und erkannte sogar das Recht des Papstes, ihn nach Belieben abzusetzenGesta 2.  Innoc. ep. I, 577.Rog. Hov. 778 abweichende Nachrichten, daß Innocenz das Geschenk verweigerte, die Römer hierauf plünderten und er sie bannte, sind minder glaubwürdig.. Hiemit war für Innocenz doch ein fester Punkt gewonnen, man gehorchte ihm doch wenigstens in Rom; aber bis zu den Thoren dieser Stadt erstreckte sich seit Heinrich VI die Herrschaft des Kaisers und seiner Statthalter, und niemand achtete das Eigenthum, viel weniger die mittelbare Herrschaft der Kirche.

Seinem Rechte und den Zwistigkeiten vertrauend, welche itzt in Deutschland und Italien alle Gegner des Papstthums schwächten, schickte Innocenz unverzüglich zwei 82 {1198} Kardinäle an Markuald mit der Weisung, er solle die der Kirche gehörigen Landschaften zurückgeben. Markuald oder Markwart von AnweilerBenigni I, Urk. 13.  Vergl. Rubeus Rav. 361. (Seneschall des Reiches, Herzog von Ravenna und Romaniola, Graf von Molisi, ein kluger und verschlagener Mann, der als Günstling Heinrichs VI nicht minder Geld wie Macht gewonnen hatte) versprach in seiner Antwort: er wolle der Kirche treu seyn und ihre Macht höher heben, als sie seit Konstantin gewesen; nur möge Innocenz die Einwohner der Mark Ankona nicht zur Huldigung anhalten lassen, ehe er ihn gesprochen habe. Innocenz bewilligte, hierauf eingehend, dem Herzoge sicheres Geleit; aber in dem Gespräche, welches zwischen diesem und den neuen päpstlichen Bevollmächtigten nunmehr statt fand, leugnete er sein früheres Anerbieten und behauptete: er sey durch das, was sein Schreiber niedergeschrieben haben möchte, um so weniger gebunden, da er Geschriebenes nicht lesen könne. Für so listige Ausflüchte und andere Unbilden belegten ihn die Kardinäle mit dem Banne und sprachen seine Untergebenen von dem ihm geleisteten Eide losInnoc. ep. I, 38.. Doch traten sie in Bezug auf die Städte der Mark Ankona mehr als Rathgeber, denn als Befehlshaber auf; der von jenen verlangte Eid war mehr ein Bundes- als ein Unterwerfungs-EidCiatti 279, 295., und ihre Vorrechte wurden eher erhöht als vermindert. Hiemit ward indessen Ruhe und Ordnung in der Mark Ankona nicht sogleich begründet: denn die Anforderungen des Papstes, ob sie gleich milder blieben als die der weltlichen Herrscher, erschienen dennoch vielen kaiserlich- oder freigesinnten Bürgern unleidlich; Parteien und Unbilden dauerten fort, ja die Einwohner von Forli waren dem Herzoge noch so eifrig zugethan, daß sie einen Verwandten des Papstes gefangen nahmen und freventlich aufhängten. Innocenz mußte Kriegs- Geld- und Überredungs-Mittel anwenden, um sein Ziel zu erreichen, 83 {1198} und erst als auch Forli und Cesena mit Hülfe von Bologna und Ravenna besiegt warenInnoc. ep. III, 28, 29, 48, 50.  Tonduzzi 231, Bonoli 60., unterwarfen und beruhigten sich alle übrige Städte. – In der Eigenschaft eines Landesherrn belieh er itzt den Bischof von Firmo mit den weltlichen BesitzthümernCatalanus 153..

Als Konrad von LutzelinhartLuzenhart, ein schwäbisch Dorf.  Cleß Gesch. v. Wirtenb. II, 161.  Savioli zu 1198 stellt ihn mit dem Hause oder Herzogthume Meran in Verbindung., der vom Kaiser eingesetzte Herzog von Spoleto, so bedenklichen Vorgang sah, bot er dem Papste für die Bestätigung seiner Besitzthümer die baare Zahlung von 10,000 Pfund Silber, einen jährlichen Zins von 100 Pfund, die Stellung von 200 Reisigen zur Vertheidigung des Kirchenstaates, die Übergabe mehrer Festungen und die Auslieferung seiner Söhne als Bürgen der abzuschließenden Verträge. So vortheilhaft diese Anerbietungen auch erschienen, so meinte doch der Papst: man könne einem der dies freiwillig biete, mit Gewalt leicht alles nehmen; und dann hielt er es für schimpflich, daß er durch seine Mitwirkung der in Italien verhaßten tyrannischen Herrschaft der Deutschen Festigkeit und Dauer geben sollte. Auch unterwarf sich Konrad, übereilt oder im richtigen Gefühle seiner durchaus unsicheren Stellung, ohne weitere Bedingungen, entband seine Vasallen ihres Eides und ging, einer päpstlichen Weisung gehorchend, nach Deutschland zurück. – Aber schwieriger als die Verzichtleistung auf das Ganze vom Herzoge zu erzwingen, war es die Unterwerfung der einzelnen Städte zu erlangen; doch half des Papstes persönliche Einwirkung, welcher umherreisete und anordnete, klüglich belohnte und strafte, bis allmählich Spoleto, Reate, Assisi, Foligno, Nocera, PerugiaGesta l. c. ep. I, 88. II, 4.  Fatteschi 123.  Bussi 113.  Contelori memor. 21., ja selbst Radikofani, 84 {1198 bis 1199} Aquapendente und Montefiaskone sich die neue Abhängigkeit gefallen ließen.

Hierauf nahm Innocenz das Exarchat von Ravenna und die Grafschaft Bertinoro in Anspruch: aber die Weigerung des Erzbischofs von Ravenna, welche sich selbst auf alte päpstliche Verleihungsbriefe gründete1102 schenkte Graf Hugo von Bertinoro der Kirche von Ravenna jene Burg nebst Zubehör (Savioli I, 2. Urk. 86.), und als 1177 Graf Cavalcante die römische Kirche zum Erben einsetzte, bestätigte Alexander III die ravennatischen Ansprüche.  Fantuzzi IV, Urk. 69, 90.  Mittarelli III, 330., lautete so bestimmt, daß der Papst, unter Vorbehalt aller etwanigen Rechte des römischen Stuhles, für jetzt zurücktratGesta c. 12. Epist. I, 27.

Gleich unvollendet blieben seine Verhandlungen über die mathildischen Güter, in deren Besitz seit Innocenz II kein Papst gekommen war. Denn hier traten seinen Ansprüchen nicht bloß die in Italien minder geachteten kaiserlichen Rechte in den Weg; sondern auch die Forderungen der Lombarden, die Anmaaßungen einzelner Städte und die Hartnäckigkeit derjenigen, welche sich schon seit langer Zeit im Besitze jener Güter behanptetenCenni II, 200..

Immer war doch der größte Theil dessen gewonnen, was die Päpste als nächstes Eigenthum der Kirche öfter verlangt als behauptet hatten, und Innocenz konnte nunmehr desto thätiger nach allen Gegenden, den oben entwickelten Ansichten von der geistlichen Weltherrschaft gemäß, einwirken. Zuerst in Tuscien, welches jedoch nach seinen Äußerungen nicht bloß diesem allgemeinen kirchlichen Verbande, sondern, laut alter UrkundenEpist. I, 15, 155., der besonderen Herrschaft des römischen Stuhles unterworfen sey. {1198} Päpstliche Abgeordnete stellten hier den Einwohnern vor: wenn ja ein vorübergehendes Verhältniß zum Kaiser statt gefunden habe, so sey dies durch dessen Tod aufgelöset. und das ursprünglichere zur Kirche trete um so mehr wieder hervor, 85 {1198} als die Deutschen ihre Gewalt gemißbraucht und drückende Abgaben beigetrieben hättenSismondi II, 312.  Camici Urk. VI1. p. 61, zu 1197.. Dieser mit ihren eigenen Wünschen übereinstimmenden Aufforderung folgend, schlossen die tuscischen Städte einen Bund und ernannten einen Vorsteher zur Leitung aller gemeinsamen Angelegenheiten, welcher gleich den obrigkeitlichen Personen in den einzelnen Städten schwur: daß der Bund zur Ehre und zum Schutze des römischen Stuhles wirken und nur den als Kaiser anerkennen solle, welchen der Papst bestätige. Gern erlaubte dieser den Städten des Herzogthums Spoleto, unter Vorbehalt aller kirchlichen Rechte, einem von ihm so abhängigen Vereine beizutreten; Pisa hingegen, welches die Kaiser stets auf alle Weise beschützt und bevorrechtet hattenPisana monumenta 977.  Auch Volterra und Pistoja habe nicht Theil genommen, Camici zu 1198, p. 26., hielt das Bündniß seiner Ehre und seiner Macht nachtheilig, und ließ sich weder durch päpstliche Begünstigungen, noch durch den Bann zur Theilnahme bewegen.

{1197} Wichtiger, als diese tuscischen Angelegenheiten, waren die des untern Italiens. Sogleich nach Heinrichs VI Tode hatten sich die Willkür der einzelnen deutschen Befehlshaber und der Haß der Eingebornen gegen alle Fremden, so laut und lebhaft gezeigt, daß die Kaiserinn Konstanze, in eine üble Mitte zwischen beide Parteien gestellt, es für so unmöglich hielt sie zu versöhnen, als gleichmäßig zu beherrschen. {1198} Sie ließ daher zuvörderst ihren, erst dreijährigen Sohn Friedrich, welcher sich in Jesi bei der Herzoginn von Spoleto befand, nach Sicilien bringen und im Frühlinge des Jahres 1198 feierlich in Palermo krönenGuil. Tyr. cont. 651.  Nach Inveg. ann. 508 fiele die Krönung auf den September oder November 1198; aber Daniele 59 beweiset aus einer Urkunde, daß Friedrich schon im Mai 1198 gekrönt war.. Nächstdem erklärte sie sich, ihres Stammes und Volks eingedenk, gegen die Deutschen, und verwies diese und ihren 86 {1198} Hauptanführer Herzog Markuald aus dem ReicheInveg. ann. 500.  Rich. S. Germano.. Allein, ob sich dieser gleich nach der ihm damals noch unterworfenen Markgrafschaft Ankona begab, so blieben doch andere Häuptlinge und Kriegsleute im Lande zurück, und der Aufstände und Verwirrungen war kein Ende. Hieraus entstand in der Kaiserinn die Überzeugung: daß ohne eine günstige Stellung zum Papste, weder ihre Vormundschaft, noch die künftige Herrschaft ihres Sohnes gegründet und gesichert werden könne.

Früher schon war der Papst durch Abgeordnete ersucht worden: Friedrichs Anrechte unter den bisher gewöhnlichen Lehnsbedingungen zu bestätigen. Innocenz gab zur Antwort: »der zuerst von Hadrian ertheilte, von Klemens erneuerte Lehnbrief sey nicht allein der päpstlichen Würde, sondern auch der Kirchenfreiheit unangemessen. Die Kaiserinn müsse den darin bewilligten Vorrechten über die Wahlen, die Gesandtschaften, die Berufungen und die Kirchenversammlungen entsagen.« Vergeblich suchte Konstanze den Papst durch Geschenke von diesen Forderungen abzubringen; er hielt es für seine Pflicht, bei dieser günstigen Gelegenheit die allgemeinen Ansprüche des römischen Stuhles auch hier geltend zu machen. Theils durch die Umstände gezwungen, theils überredet, entsagte die Kaiserinn jenen Vorrechten, und Innocenz übersandte ihr hierauf den Lehnbrief, worin die Zahlung eines jährlichen Zinses von 1000 Goldstücken und die persönliche Leistung des Lehnseides von ihr und König Friedrich ausbedungen warGesta c. 21.  Ep. I, 410, 412.  Cardella I, 2, 146..

Ehe aber diese Urkunden in Sicilien ankamen, starb Konstanze am 27sten November 1198, im 45sten Jahre ihres AltersBaron. zu 1186, c. 18.  Lello tab. cronol. 27.  Daniele 61.  Rocch. chron. 43 hat den 17ten November., und hinterließ ein Testament, des Inhalts: »der Papst ist als Oberlehnsherr Vormund Friedrichs und 87 {1198} erhält, den Ersatz etwaniger Auslagen ungerechnet, dafür jährlich 30,000 Tarener. Unter seiner höheren Leitung wirken, als nächste Räthe und Erzieher Friedrichs, die Erzbischöfe von Palermo, Kapua und Monreale und der Bischof Walter von Troja.« – Diese Bestimmungen genügten aber durchaus nicht zur Erhaltung der Ordnung und des Gehorsams: denn jeder von den einzelnen Baronen hoffte während der Verwirrung für sich zu gewinnen. Der Bischof Walter, welcher als Reichskanzler allen Geschäften bis itzt vorgestanden, war mißvergnügt über die Beschränkung seines Wirkungskreises; und sobald Markuald von Konstanzens Tode hörte, eilte er aus der Mark Ankona, – wo ihn ohnedies der Papst bedrängte –, nach Apulien und behauptete: »durch das Testament Heinrichs VIGodofr. mon. zu 1199. Das Testament ist gewiß nicht ächt. Selbst die Päpste haben sich nicht auf den ihnen so günstigen Inhalt berufen. Gesta 11 u. Baluz. u. Brequignys Noten, 27.  Plancks Kirchenverf. IV, 1, 451., welches sich in seinen Händen befinde, sey er zum Vormunde Friedrichs und zum Statthalter des Reiches ernannt, und König Philipp habe seine Zustimmung ertheilt.« Obgleich dies Testament gewiß untergeschoben war, so schlossen sich doch alle Deutsche dem Herzoge an, und seine Macht wuchs in Apulien von Tage zu Tage. Gleichzeitig hatte Innocenz, dem letzten Willen Konstanzens zufolge, mehr jedoch auf sein eigenes Anrecht fußendEp. IX, 249., die Vormundschaft übernommen, und den jungen König damit getröstet: daß, wo der Statthalter Christi und die römische Kirche Vater- und Mutter-Stelle vertreteEp. I, 565., ein irdischer Verlust leicht zu verschmerzen sey. Kardinäle gingen in alle Theile des Reichs: aber in Sicilien wurden ihnen große Schwierigkeiten von den Räthen des KönigsGallo II, 76.  Bonon. hist. misc. zu 1198., besonders von dem Kanzler Walter in den Weg gelegt, und der über Markuald und 88 {1198} seine Anhänger gesprochene Bann konnte Leute wenig schrecken, welche sich nicht schämten, Heiligthümer und Kreuzbilder zu verunreinigen.

Auch eroberte der Herzog S. Germano, belagerte Montekassino, und wurde durch die vom Papste aufgerufenen Barone wenig bedrängt, da sie, kurzsichtig nur auf ihre Vortheile bedacht, lieber des Ausganges harrten. Ja der Graf von Celano, dem Innocenz 1500 Unzen Goldes sandte, um jene Belagerten zu unterstützen, gab das Geld seinen Soldaten und schickte kaum einige mit Mehl beladene Lastthiere nach Montekassino. – Dennoch fand sich Markuald durch des Papstes Feindschaft vielfach in seinen größern Planen gestört, und ließ ihm deshalb antragen: {1199} »er wolle sogleich 20,000 Unzen Goldes baar, und 20,000 nach der Einnahme Palermos zahlen, er wolle den Lehnseid schwören und den ehemaligen Lehnszins verdoppeln, wenn der Papst ihm das sicilische Reich überlasse. Um seines Mündels willen brauche der Papst diese Vorschläge nicht abzulehnen, denn er, Markuald, wolle durch Zeugen beweisen, daß Friedrich II untergeschoben und weder des Kaisers noch der Kaiserinn Sohn sey.« Innocenz verwarf mit Recht Anerbieten solcher Art als verabscheuungswürdigexecrabiles. Gesta c. 23.; worauf Markuald nur die Wiederaufnahme in den Schoos der Kirche verlangte. Allein auch hier ward ihm die strenge Antwort zu Theil: »er müsse erst schwören, den Befehlen der Kirche in Hinsicht aller Gegenstände zu gehorchen, welche den Bann begründet hätten.« Nachgiebiger versprach itzt der Herzog: er wolle in geistlichen Dingen unbedingt gehorchen und für die Erfüllung aller übrigen gerechten Sprüche eine eidliche Bürgschaft leisten. Innocenz aber beharrte darauf: »er werde um seinetwillen an den gesetzlichen Formen nicht das geringste ändern; – und erhielt nun vom Herzoge das Versprechen unbedingten Gehorsams.

89 {1199} Die Kardinäle, welche zur Lösung des Bannes abgesandt wurden, empfing Markuald sehr zuvorkommend, und gab ihnen ein großes Gastmahl in einem offenen Orte, wo seine Anhänger bei weitem die Oberhand hatten. Während des Festes entstand unter diesen ein Gemurmel: daß man die Überbringer beschränkender Befehle eines anmaaßlichen Priesters gefangen setzen und dadurch größere Nachgiebigkeit erzwingen möge. Auch erschraken zwei von den Kardinälen so sehr, daß sie meinten, es sey rathsamer, den strengen Inhalt des päpstlichen Schreibens in diesem Augenblicke nicht mitzutheilen; aber der dritte, Hugolinus, der nachmalige Papst Gregor IX, verlor den Muth nicht, sondern sprach kühn: »es ist der unabänderliche Wille unseres Herrn Innocenz, daß der Herzog allen Ansprüchen auf die Vormundschaft entsage, das sicilische Reich und den Kirchenstaat nie wieder angreife, das Eroberte zurückgebe, Schadenersatz nach seinem Vermögen leiste und keinem Geistlichen an Leib und Gut zu nahe treteEpist. II, 107..« – Als jene Anhänger Markualds diese Forderungen vernahmen, zürnten sie noch weit mehr und würden sich Gewaltschritte erlaubt haben, wenn der Herzog nicht mit Nachdruck dazwischengetreten wäreSo erzählen die gesta; nach epist. II, 167, scheint Markuald in Veroli alles angenommen und beschworen, nachher aber das Gegentheil des Inhalts bekannt gemacht zu haben.. Er führte die Kardinäle sicher bis Veroli und bat sie, den Inhalt jenes Schreibens nicht weiter bekannt zu machen, da er dem Papste vorher sehr wichtige Geheimnisse entdecken müsse. Dieser Vorwand, das höfliche Benehmen Markualds und die noch immer nicht ganz beseitigte Furcht vor dem Heere, bestimmte die Kardinäle zur Nachgiebigkeit; kaum aber hatten sie sich entfernt, so ließ der Herzog in allen Gegenden des Reiches bekannt machen: »er sey ausgesöhnt mit der Kirche, anerkannt als Statthalter und jeder verbunden ihm 90 {1199} zu gehorchen.« Als Innocenz hierüber sogleich Rechenschaft verlangte, antwortete jener: »da mit dem Papste, wie er leider erfahren habe, auf keine billige und verständige Weise zu unterhandeln sey, so werde er ihm nicht gehorchen, sondern Gewalt mit Gewalt vertreiben.« – Zu dieser entscheidenden Antwort vermochte ihn theils die Strenge der päpstlichen Bedingungen, theils die Fortschritte seiner Verbündeten, welche in Apulien so sehr die Oberhand hatten, daß er zur Ausführung weiterer Plane nach Sicilien übersetzen konnte, die dortigen Saracenen auf seine Seite brachte und bis in die Gegend von Palermo vordrang.

Nicht minder thätig war jedoch der Papst: er verkündete sogleich, daß Markuald noch immer gebannt sey, und forderte Weltliche und Geistliche, Vornehme und Geringe auf, gegen einen Menschen zu wirken, der mit seinen Genossen alle nur denkbare Frevel übe, sich mit Ungläubigen verbinde und die Errettung des heiligen Landes durch innere Kriege unmöglich mache. Deshalb müsse auch gegen ihn, wie gegen einen Ungläubigen, das Kreuz gepredigt und den wider ihn Fechtenden jedes Vorrecht eines Kreuzfahrers eingeräumt werden.

Tuscien stellte hierauf Mannschaft, von den Anhängern Friedrichs II erhielt der Papst Geldmittelep. I, 557, 588, {1200} und mancher Eifrige oder den Deutschen Abholde fand sich bei dem Heere ein, welches der Marschall Jakob des Papstes Vetter, und der Kardinal Centius anführten. Sie schlugen einen deutschen Befehlshaber, Friedrich, in Kalabrien, segelten nach Messina hinüber und eilten, in Verbindung mit dem Kanzler Walter und den übrigen Räthen des Königs, gen Palermo, um diese von Markuald hart bedrängte Stadt zu entsetzen. Sogleich schickte ihnen der Herzog Bevollmächtigte entgegen, um einen Frieden zu vermitteln; doch war ihm mehr als an dem unwahrscheinlichen Abschlusse 91 {1200} desselben, daran gelegen, daß er Zeit gewinne zum Sammeln seiner eigenen Mannschaft, daß er die Stärke der feindlichen erkunde und durch längere Zögerungen Aufruhr unter ihr errege. Denn seine Gegner litten, dies wußte er, Mangel an Gelde, und der rückständige Sold ward heftig verlangt. Aus denselben Gründen stimmten der Kanzler Walter und die Erzbischöfe von Messina, Cephaludia und Monreale bereits für den Abschluß des Friedens, als Bartholomäus, der Schreiber des Papstes, welchem die Bedingungen für Markuald zu vortheilhaft erschienen, päpstliche Briefe vorzeigte, welche jede Einigung mit dem Herzoge untersagten. Wahrscheinlich hatte man dergleichen verschiedenen Inhalts und in Vorrath gefertigt, um nach den Umständen durch sie den Ausschlag zu geben. – Die Friedensunterhandlungen wurden hieraus abgebrochen, und es kam im Julius des Jahres 1200 zwischen Palermo und Monreale zur SchlachtGesta c. 26. epist. XV, 114.. Zweimal wurden die päpstlichen Schaaren geworfen, zweimal stellte der Marschall Jakob mit so vieler Klugheit als Muth die Ordnung wieder her, und siegte beim dritten Angriffe so vollkommen, daß Markuald entfliehen mußte und sein ganzes Lager erobert wurde.

Ehe der Papst von dieser glücklichen Wendung der Dinge Nachricht erhielt, mußte er in einer bedenklichen Angelegenheit entscheiden. Auf seine Verwendung und auf Irenens Fürbitten, hatte Philipp von Schwaben alle in Deutschland befindliche apulische Gefangene frei gelassen. Sie gingen itzt, zum Theil geblendet, durch Italien nach ihrer Heimath und verbreiteten den Haß gegen deutsche TyranneiUrsperg. chr. 319. Epist. I, 24.  Chron. msc. No. 911.  Burchardi vita Frider. I, 111.. Wilhelm, der Sohn König Tankreds, war bereits im Gefängnisse gestorben; seine Mutter fand hingegen mit ihren drei Töchtern eine günstige Aufnahme in Frankreich, und manchem Ritter mochte es als Pflicht erscheinen sie zu 92 {1200} rächen, manchem vortheilhaft ihre Ansprüche auf ein Königreich zu vertreten. Daher heirathete Walter, Graf von Brennes oder Brienne, aus einem alten und berühmten GeschlechteRocchi chron. 36.  Sanuto vite 538.  Nach Inveges ann. 506,, war Mandoniens Gemahl der Graf von Monte Scaglioso; nach dem Chr. msc. 911, blieb sie unvermählt. Ammirato fam. napol. I, 98 hat weitere Nachrichten über die Familie Brienne.

                  Erard von Brienne
           ┌──────────────┴─────────────┐
           │                        Johann
        Walter.               König von Jerusalem.
      Albina oder          1) Marie von Jerusalem.
        Albiria            2) Berengaria von Kastilien
           │             ┌──────────────┼───────────────┐
        Walter.       Jolante.          │             Maria.
      Maria, Toch-  Friedrich II   Alfons, Graf     Balduin II
       ter Hugos                     von Eu.       von Konstan-
      von Cypern.                                    tinopel

Du Fresne hist. de Constantin 162., die älteste der Schwestern, Albina; und die beiden jüngern, Konstanze und Mandonia, wurden später an den Dogen von Venedig, Peter Ziani, und den Grafen Sforza von S. Severino vermählt. – WalterMit Walter war der geblendete Margaritone, den aber ein Diener in Rom ermordete. Rog. Hov. 894., ein so entschlossener als kluger Mann, eilte sogleich mit seiner Gemahlinn nach Rom und verlangte, daß ihm der Papst die Grafschaft Lecce und das Fürstenthum Tarent anweise, welche Kaiser Heinrich VI den Erben Tankreds versprochen, aber widerrechtlich vorenthalten habe. Lange war Innocenz im Zweifel, was er thun solle: einerseits schien es sehr gefährlich, dem ernsthaft von ihm beschützten Friedrich einen Nebenbuhler zu erwecken, dessen scheinbar bescheidene Ansprüche sich leicht erweitern konnten, und der mit seiner Gemahlinn den Wunsch hegen mußte, das von den Hohenstaufen erlittene Unrecht zu rächen. Andererseits war die Billigkeit der ausgesprochenen Forderungen unleugbar und vorherzusehn, daß sich Walter, im Fall einer 93 {1200} gänzlichen Zurücksetzung, den Feinden Friedrichs und des Papstes zugesellen werde. Deshalb bewilligte Innocenz dem Grafen Lecce und TarentBorgia istoria 186., verlangte aber die Huldigung für Friedrich und einen feierlichen Eid, daß er sich aller weitern Ansprüche und Anmaaßungen begebe. Der Graf schwur den Eid ohne Weigern, und ging nach Frankreich zurück, um Mannschaft für die Eroberung der ihm überwiesenen Landschaften zu sammeln.

Auch mußte man, ungeachtet der Niederlage Markualds, von neuem auf Krieg bedacht seyn. Diephold nämlich, der Graf von Acerra, welcher, nach einer vorgeblichen Entscheidung Heinrichs VIPipin II, 3.  Gui. Tyr. cont. 650.  Es verhielt sich damit wohl wie mit dem von Markuald zum Vorschein gebrachten Testamente., auf die Statthalterschaft Apuliens Anspruch machte, war durch den Grafen von Kaserta gefangen worden, erhielt aber von dessen Sohne, nach des Vaters baldigem Tode, nicht allein die Freiheit wieder, sondern verheirathete auch seine Tochter an den jungen GrafenNotamenti 2.  Innocenz widersprach vergebens der Freilassung Diepholds.  Epist. I, 575. und gewann für seinen Bruder Siegfried die Hand der Gräfinn von Fondi. Mit Hülfe dieser neuen Verwandten und Verbündeten besiegte Diephold im Junius des Jahres 1200 den Grafen von Celano und erhielt in Apulien wieder die Oberhand.

Gleichzeitig entstand in Sicilien ein unerwarteter Zwist. Innocenz machte die Verleihung von Lecce und Tarent an den Grafen von Brennes dem Kanzler Walter bekannt: allein so geschickt auch das päpstliche Schreiben abgefaßt war, so erklärte dieser dennoch, der Papst dürfe nicht einseitig über Landschaften des Reiches verfügen, nicht dem Könige durch Begünstigungen seiner angestammten Feinde neue Gefahren bereiten. Zu dieser Erklärung wurde der Kanzler nicht bloß aus allgemeinen Rücksichten, sondern auch 94 {1201} dadurch vermocht, daß er, als ein alter Feind des tankredischen Hauses, jede Art der Rückkehr desselben fürchten mußte und des päpstlichen Einflusses längst überdrüßig war. Innocenz hingegen warf dem Kanzler und den übrigen zur Verwaltung des Reichs bestellten Bischöfen vor, daß sie, – von ihm nicht zu viel, sondern zu wenig beschränkt –, die Krongüter vergeudeten und zur Herstellung aller Dinge in den vorigen Stand müßten angehalten werdenEpist. II, 187 vom September 1200.. – Hieran reihten sich anderweite Unannehmlichkeiten über das Erzbisthum Palermo. Der Kanzler Walter hatte sich nach Erledigung desselben wählen lassen, und die Beistimmung des gutmüthigen Kardinals Centius, – des nachmaligen Papstes Honorius III –, erhaltenInveges ann. 511, 538.  Pirri Sicilia I, 122.: Innocenz aber tadelte die Verbindung dieser Würde mit dem Bisthume von Troja und gebot, daß sich Walter vor Erhaltung des Palliums nicht Erzbischof nenne und nur als einstweiliger Verwalter des Hochstifts auftrete. Hiedurch beleidigt, verfuhr Walter noch eigenmächtiger als vorher, nahm seinen Bruder, den Grafen Gentilis von Monopello, in den Vormundschaftsrath auf und vereitelte die Einwirkung des päpstlichen Gesandten so sehr, daß dieser vorzog das Land zu verlassen.

Markuald, welcher von dem allen wohl unterrichtet und wieder mächtig geworden war, weil das päpstliche Heer Geldmangels und ausbrechender Krankheiten wegen, Sicilien verlassen hatte, näherte sich dem Kanzler, und es kam ein Bündniß zwischen beiden zu Stande. Ihre Einigkeit dauerte jedoch nicht lange, weil jeder nach ungetheilter Herrschaft trachtete und dazu verschiedenartiger Mittel bedurfte. Daher beschuldigte Walter den Herzog, er wolle den jungen König durch List oder Gewalt bei Seite schaffen, und Markuald behauptete wiederum, der Kanzler wolle seinem Bruder Gentilis die Krone aufsetzen.

95 {1201} Bei diesen Umständen zögerte Innocenz nicht länger, sondern sprach den Bann über den Kanzler, welcher indeß seine, gleiches Schicksal besorgenden, Regierungsgenossen vermochte den Papst zu warnen: er möge nicht die Gefahren durch seine Strenge erhöhen. Dieser richtete seine Antwort an den jungen KönigGesta c. 33. Das Schreiben ist etwas später, vom 3ten Julius 1201.: »während der Kanzler die Krongüter und Schätze vergeude, habe er Geld und Schätze großmüthig aufgeopfert. Friedrich möge, durch Gottes Hülfe, in früher Jugend Recht von Unrecht, Treue von Untreue unterscheiden lernen und sich vor falschen Freunden hüten. Wer sich dem Papste widersetze, sey auch des Königs Feind, und von dem durch starke Eide gebundenen Grafen von Brennes habe man nichts zu befürchten.« – Der Kanzler, dessen Macht seit dem Banne des Papstes sehr abnahm, begab sich nach Apulien und verband sich mit Diephold, welcher jedoch an dem nebst tapferer Mannschaft aus Frankreich zurückgekehrten Grafen Walter von Brennes einen neuen tüchtigen Gegner fand und bei Kapua besiegt wurde. Dieser Unfall machte den Kanzler geneigt, sich mit Innocenz wieder auszusöhnen, und die Verhandlung hatte guten Fortgang, bis man verlangte: er solle sich dem Grafen von Brennes nicht widersetzen. Da rief er laut: »und wenn mir der Apostel Petrus dies beföhle und wenn ich deshalb in die Hölle fahren müßte, dennoch würde ich nicht gehorchen.« – Er verließ sich auf Diephold, welcher mit großer Geschicklichkeit eine neue ansehnliche Macht versammelt hatte und den schwächern Grafen von Brennes bei Baroti einschloßDie erste Niederlage fällt schon auf den Januar 1201. Rich. S. Germ. setzt die zweite Schlacht auf den 6ten Oktober 1202, aber sie mußte schon vor dem Mai 1202 gefochten seyn. Ep. V, 37, 84, 89. Sollte vom 6ten Oktober 1201 die Rede seyn?. Dessen treffliche Anordnungen und die Segenssprüche und Verfluchungen 96 {1202} des ängstlichern Kardinalgesandten wirkten aber gleichmäßig so sehr zur Befeuerung der Mannschaft, daß Diephold gegen alle Erwartung hier noch härter als das erste Mal geschlagen, und sein Bruder mit vielen andern Edlen gefangen wurde.

Während die päpstliche Partei in Apulien auf solche Weise die Oberhand gewann, hatte Markuald, zum Theil mit Hülfe der Pisaner, fast ganz Sicilien unterworfen, Palermo nach einem mit dem Grafen Gentilis geschlossenen Vertrage besetzt und den jungen König in seine Gewalt bekommenEp. V, 4, 37. 89.. Schwerlich trachtete er diesem nach dem Leben, sondern bediente sich lieber seines Namens, um den eigenen Anmaaßungen dadurch den Schein des Gesetzlichen zu verschaffen. Um dieselbe Zeit erhielt Walter von Brennes, der itzt eilig nach Sicilien übersetzen sollte, vom Papste Vollmacht, zur Bestreitung der nöthigen Ausgaben die Staatseinnahmen zu verkaufen, oder gegen zinsbare Anleihen an Kaufleute zu verpfändenEp. V, 84.. – So drückten beide Parteien gleichmäßig das Land, und während manche in diesen Verwirrungen über alles billige Maaß angestrengt wurden, entzogen sich andere auch den gewöhnlichen Verpflichtungen zu Steuer- und Pacht-ZahlungEp. V, 76.. Wisse man doch kaum, – so entschuldigten sie sich –, wer Herr sey und bleiben werde, stehe doch ein neuer Krieg bevor. Dieser ward nun zwar glücklich abgewendetBorgia istoria 186.  Lello vite 8-9.  Epist. V, 89; VI, 71., weil Markuald im September des Jahres 1202 an den Folgen eines Steinschnittes starb: allein das Land ward hiedurch noch immer nicht ganz beruhigt: denn Wilhelm Kapparone bemächtigte sich der Herrschaft in Palermo, und die früheren Anhänger Markualds schlossen sich an den Kanzler Walter an, welcher diesen Zeitpunkt benutzt und für das Versprechen unbedingten Gehorsams, die Lösung vom Banne 97 {1203} erhalten hatte. Der päpstliche Gesandte freute sich sehr, als es ihm gelang diese beiden Parteien auszusöhnen; bald bemerkte er indessen, die Versöhnung sey nur aufrichtig, sofern beide gemeinschaftlich gegen ihn wirkten. Wenigstens hintertrieb Kapparone, bei allem Scheine äußerer Unterwürfigkeit, dessen Maaßregeln; und der Kanzler erhob laute Klagen, daß die ihm früher gehörigen Bisthümer von Innocenz neu besetzt wären und er beharrlich deren Rückgabe verweigere. Von beiden Seiten dergestalt bedrängt, ging der päpstliche Gesandte nach Messina, und erwartete weitere Verhaltungsbefehle.

Diese mochten aber diesmal länger ausbleiben, weil Innocenz, unruhiger Bewegungen der Römer halbenMan stritt über Gemeinde- und Kirchen-Gut. Ep. VII, 133. nach Anagni gehen mußte und hier schwer erkrankte; ja in Apulien wurde das Gerücht verbreitet, er sey gestorben. Sogleich offenbarte sich, wessen Geist die zeither Gehorsamen gebändigt, und welcher Groll sich über die fast ausschließliche Anstellung von Verwandten des Papstes allmählich erzeugt hatte. Matera, Brundusium, Hydrunt, Baroli u. s. w. vertrieben sogleich die päpstlichen Besatzungen, und obgleich die Nachricht von der hergestellten Gesundheit des Papstes bald einging, fürchteten sie doch nun die Strafe des Abfalles und widerstanden so beharrlich, daß der Graf von Brennes bloß auf dem offenen Lande die Oberhand behielt. Erst im Jahre 1204 siegte er nochmals bei Salerno über den unermüdlichen Diephold, und äußerte: kein Deutscher wage mehr einen unbewaffneten Franzosen anzugreifenCassin. mon.  Ursp. 322.  Guil. Tyr. 651. Alberic. 422.  Gesta c. 38.. Die Strafe für diese Prahlerei blieb jedoch nicht lange aus, denn am 11ten Junius 1205, wo der Graf keine Gefahr ahnete, ward er von Diephold in seinem Lager überfallen, geschlagen und bei der 98 Gefangennehmung so schwer verwundet, daß er nach wenigen Tagen starbDie Deutschen thaten allerdings dem Lande viel Schaden, und die wichtigen Städte stellten Wachen vor den Thoren aus, um nicht überfallen zu werden. Acta Sanct. 16ten Febr. p. 882. Die Wittwe des Grafen Walter heirathete den Grafen Jakob von Tricario. Cron. mscr. No. 911..

{1206} Ein so entscheidender Unfall und die zweifelhafte Lage Siciliens vermochten den Papst, Diepholds lang zurückgewiesenen Bitten Gehör zu geben. Dieser versprach: er wolle ihm überall gehorchen, für ihn fechten und keine Ansprüche Philipps von Schwaben anerkennen; und erhielt dafür nicht allein mit allen Deutschen die Lösung vom Banne, sondern ging nun auch in Gesellschaft eines päpstlichen Gesandten nach Palermo, um an den Reichsgeschäften den vorzüglichsten Antheil zu nehmen. Durch diesen Wechsel überrascht, gab Kapparone den jungen König in seine Hände, nichts stand des Grafen Oberleitung mehr im Wege, und ein gemeinsames großes Fest sollte die völlige Einigung auf eine heitere Weise bekräftigen. Während dieses Festes entstand aber das Gerücht: Diephold wolle seine hiebei gegenwärtigen Feinde gefangen nehmen. Laut widersprach er, aber vergebens: denn jene hatten sehr wahrscheinlich das Gerücht selbst ersonnen, um einen Vorwand für Diepholds schon beschlossene Gefangennehmung zu bekommen. {1207} Bald darauf entfloh dieser jedoch aus der Haft, und erhob in Apulien neue Fehden. Friedrichs II Leitung übernahm der Kanzler Walter, Kapparone hielt das Schloß von Palermo fernerhin besetzt, Genueser und Pisaner kriegten über SyracusäOgerius zu 1204–6.  Pipin II, 22.  Cassin. mon. zu 1206.  Im Jahre 1207 zerstörten die Neapolitaner Cumä als Sitz aller Räuber und Laster.  Acta Sanct. 16ten Febr. p. 882., als sey es ihr Eigenthum, und die Saracenen drangen oft aus den sicilischen Gebirgen hervor, die Christen verfolgend und beraubend. 99 {1207} Dies Unwürdige und Drückende seiner Lage sehr wohl fühlend, erließ der junge König ein Rundschreiben folgendes Inhalts: »allen Königen der Welt und allen Fürsten des Erdkreises, der minderjährige unschuldige König Siciliens, – nur Friedrich genannt –, Heil im Namen Gottes! Versammelt euch ihr Völker, nahet ihr Könige, eilt herbei ihr Fürsten und sehet, ob ein Schmerz dem meinen gleich sey. Der Vater starb mir, ehe ich ihn sah und kannte, die Mutter wurde dem Kinde entrissen, und wie ein geduldiges Lamm fiel ich in sklavische Abhängigkeit von Dienern aller Art und aus allen Völkern, welche über Reich und Güter das Loos warfen und mir, der ich von einer Hand in die andere gerieth, selbst das tägliche Brot darzureichen für unbequem hielten. In mir wird des Volkes Freiheit verletzt, überall der Name der Kirche gemißbraucht; ich werde mehr beherrscht als ich herrsche, und bitte vielmehr als daß ich geben könnte. Und dennoch wirkt das Volk in seiner Thorheit mehr zum Zwiespalt als zum Frieden. Euch selbst, o ihr Fürsten, kommt ihr zu Hülfe, wenn ihr mir beisteht, den Sohn des Kaisers befreiet, die gefallene Krone aufrichtet und das zerstreute Volk wieder versammeltDer Brief gehört offenbar in diese Zeit, und es ist kein genügender Grund vorhanden, ihn für unächt zu halten. Martene coll. ampl. II, 1159.

Aber all diese Klagen und Bitten verhallten ohne Erfolg, und die einzige Art von Hülfe kam durch den Papst, welcher, obgleich die Zeit seiner Vormundschaft eigentlich schon abgelaufen war, im Junius 1208 einen Reichstag nach S. Germano berief und folgendes festsetzte: »die Grafen Peter von Celano und Richard von Fondi sind Statthalter des Reichs diesseit des Pharus und richten über jede Beschwerde nach den Gesetzen. Wer rechtswidrig einen andern befehdet oder sich selbst rächt, wird als ein 100 {1208} allgemeiner Feind von allen bekriegt. Zweihundert Ritter müssen, zur Unterstützung des Königs in Sicilien, am ersten September versammelt und auf ein Jahr mit allem Nöthigen versorgt seyn; eine gleiche Zahl wird jenen Grafen gestellt, sobald die öffentlichen Angelegenheiten kriegerische Maaßregeln erfordern. Wie viel ein jeder hiezu beitrage, bestimmen päpstliche Bevollmächtigte nach der bisherigen Verpflichtung und dem Vermögen der Grafen, Barone und StädteGesta cap. 40. Epist. XI, 132-133.

Wenn es bedenklich erscheint, daß Innocenz sich noch jetzo das Recht vorbehielt, diese und ähnliche Bestimmungen zu ändern, zu erklären und zu erlassen; so war doch sein Verfahren wohlgemeint und bezweckte die Herstellung des innern Friedens und der königlichen Macht. Allerdings wollte er die Rechte eines lehnsherrlichen Vormundes in vollem Maaße ausüben, und als Oberhaupt der Kirche am wenigsten ein päpstliches Lehn vom päpstlichen Einflusse frei lassen: aber eben so gewiß wollte er Friedrich II als König erhalten und meinte es besser mit ihm, als die deutschen Heerführer und die apulischen Großen, welche einer völligen Unabhängigkeit von höherem Einflusse nachstrebten und herrenlose Unordnung sehr irrig für ihren größten Gewinn hielten. Friedrich beklagte sich oft bitter über sie beim Papste, und dieser schrieb ihnen, so ernst als wahrEpist. X, 141. VI, 53, 54. Geschenke wirkten nicht auf Innocenz, quasi stercora curavimus recusare. Ep. II, 280. Dagegen berechnete er seine Vorschüsse und Auslagen auf 12800 Unzen Goldes, über welche Friedrich eine Schuldverschreibung ausstellen und gewisse Güter als Pfand einräumen mußte. Martene collect. ampl. II, 1236.: »wenn ihr euch auch nicht fürchtet den König zu beleidigen, wenn ihr den Vorwurf der Untreue, wenn ihr offenbare Schande, wenn ihr den Zorn Gottes nicht scheuet; so solltet ihr doch 101 {1208} wenigstens einsehen, daß eure Güter bei solchem Benehmen zuletzt unfehlbar zu Grunde gehen, und eure Personen jeder Willkür preis gegeben sind!« – Sie wollten es nicht einsehn, und die Beschlüsse von S. Germano endigten auf keine Weise die Leiden dieser schönen Länder. Deutschland aber, dessen Geschichte itzt nachgeholt werden muß, war nicht glücklicher als Italien. 102

 


 


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