Friedrich von Raumer
Geschichte der Hohenstaufen und ihrer Zeit, Band 3
Friedrich von Raumer

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Kaiser Friedrich II.

 

Siebentes Buch.

Von der Erhebung Papst Honorius des dritten, bis zu dem Tode Kaiser Friedrichs II.

(Von 1216 bis 1250.)

 

Erstes Hauptstück.

{1216} Der erste und wichtigste Gegenstand der Thätigkeit Papst Honorius des dritten war die Anordnung und Beförderung eines neuen KreuzzugesRegesta Honor. Jahr I, epist. 2, 8, 10.  Mscr in Archiv. Vatic.. Gleich nach seiner Wahl stellte er in Rundschreiben die Noth des Morgenlandes allen Christen dar, und verwies auf die bereits deshalb gefaßten Kirchenbeschlüsse. Niemand, so lauteten die erneuten Gebote, solle einzeln aufbrechen, weil nur durch umfassende zusammenstimmende Maaßregeln etwas Großes erreicht werden könne; niemand dürfe sich eigenmächtig vom Gelübde entbindenReg. Honor. I, 142.; doch solle denen, welche unfähig wären in eigener Person dem Zuge beizuwohnen, jede den Kreuzfahrern versprochene kirchliche Begünstigung ebenfalls zu Theil werden, sobald sie andere tüchtige Männer für sich stellten und ernährtenReg. Honor. I, 52, 104.. Den Geistlichen befahl Honorius bei Entrichtung des ausgeschriebenen Zwanzigsten mit gutem Beispiele voranzugehen, und verlangte: auch die Laien möchten diese Abgabe von allen beständigen und unbeständigen Einnahmen, spätestens bis zum Mai 1217 an die beauftragten Personen zahlen. Hiebei fanden sich aber große 312 {1216} Schwierigkeiten: denn manche deutelten eigennützig die Worte des Gesetzes zu ihrem Vortheile, oder boten Erzeugnisse statt des in der Ferne allein brauchbaren Geldes, oder verweigerten alle ZahlungReg. Honor. I, 255, 311.  Würdtwein subsid. III, 43, 49.. Andere tadelten die zur Hebung bevollmächtigten Personen, lehnten aber den Auftrag, in kleinern Bezirken die Sammlung selbst zu übernehmen, in der Hoffnung ab, das Ganze zu vereiteln, weil alsdann jene Hauptsammler bei allen einzelnen umhergehn, abschätzen, prüfen und beitreiben müßten. Der Papst that alles mögliche, um diese Übelstände durch nachträgliche Vorschriften zu beseitigen. Der Zwanzigste, so heißt es in denselben, soll baar, und wo möglich auf einmal für drei Jahre bezahlt werden. In jeder Stadt oder in jedem Sprengel leiten vier bis fünf Geistliche oder Laien guten Rufs die Hebung; und mit ihnen der Bischof, sofern auch er, gleich jenen, das Kreuz genommen hat. Diese ernennen alle übrigen Einsammler und führen schriftlich eine genaue, den Großmeistern der Orden und dem päpstlichen Gesandten abzulegende Rechnung über Einnahme und Ausgabe. Die Vertheilung erfolgt vorzugsweise an die Armen des einzahlenden Sprengels; damit jedoch das Geld nicht vorher vergeudet werde, wo möglich, erst bei dem Absegeln nach dem Morgenlande.

Mit Ernst ermahnte Honorius ferner alle Christen, jede den Kreuzzug störende Fehde bei Seite zu setzenReg. Honor. I, 10, 14; II, 559-562.  Rayn. zu 1217. No. 19.: aber nicht einmal diejenigen gehorchten, welche um Hülfe baten (wie Antiochien, Armenien, die Ritterorden, Venedig, Tyrus, Konstantinopel), wie viel weniger diejenigen, welche Beistand leisten sollten. In Deutschland hatte sich Kaiser Otto dem Könige Friedrich noch immer nicht unterworfen; England, Frankreich und Spanien waren in äußere und innere Kriege verwickelt; die Albigenser in Südfrankreich 313 {1216 bis 1217} und die ungläubigen Preußen und Liefländer theilten die Kräfte der Kreuzfahrer; die nordischen Reiche konnten ihrer Entfernung wegen nicht bedeutend einwirkenDer König von Norwegen nahm indessen das Kreuz und versprach Hülfe. Reg. Hon. I, 306; XI, 367.; und von den italienischen Staaten und Städten that die eine Hälfte immer das Gegentheil von dem, was die andere beschloßReg. Hon. I, 189..

Andreas II von Ungern war der einzige König, welcher ernstliche Anstalten traf, den Kreuzzug nach Syrien anzutreten; aber ein unerwartetes Ereigniß hätte beinahe dem ganzen Plane eine andere Richtung gegeben. Nach dem Tode Kaiser Heinrichs von Konstantinopel, wollte nämlich eine Partei den Gemahl seiner Schwester Jolante, den Grafen Peter von Auxerre, auf den Thron erheben; die zweite erklärte sich für den König Andreas, welcher Jolante, die Tochter des Grafen Peter geheirathet hatte. Für jenen sprach die nähere Verwandtschaft mit dem flandrischen Hause, für diesen die größere Macht. Eine Verbindung des griechisch-fränkischen Reiches mit dem ungerischen hätte jenem vielleicht Dauer und Festigkeit verliehen und die Türken für immer von Europa abgehalten: aber durch die sehr unzeitige Eifersucht Venedigs gegen Ungern siegte Peter ob, und König Andreas war weit entfernt, seinem nach der Kaiserwürde sehr begierigen Schwiegervater feindselig in den Weg zu treten. Unerwartet langte Graf Peter mit seiner Gemahlinn in Rom an und setzte dem Papste mit Bitten, Flehen und Beschwörungen so lange zu, bis er ihn am neunten April 1217 in der Lorenzkirche zum Kaiser krönteEngels Gesch. von Ungern I, 297.  Reg. Hon. I, 211, 525.; obgleich Honorius die Zurücksetzung des Königs von Ungern innerlich mißbilligte und sich gewissermaaßen beim Patriarchen entschuldigte, daß er anscheinend in dessen Rechte eingegriffen habe.

314 {1217} Zu gleicher Zeit schrieb er nach KonstantinopelReg. Hon. II, 570. Schreiben vom August 1217.: »nur in der Einigkeit liegt eure Rettung, und ihr seyd alle um so mehr verpflichtet Friedensliebe und Mäßigung zu zeigen, da die unzufriedenen Griechen durch jeden Streit der Abendländer neuen Muth und neue Kraft bekommen, und die Laien, wenn man sie übereilt bannt, den Krieg lässig führen. Deshalb entscheide ich, nach reiflicher Überlegung: daß alle Streitfragen über Herausgabe der Kirchengüter, Abgaben und andere Freiheiten für jetzt schlechthin auf sich beruhen und nicht zur Erhöhung der Spaltungen nochmals angeregt werden sollen.« – Mit ähnlichen, sehr weisen Ermahnungen entließ er den neuen Kaiser, welcher nebst dem päpstlichen Gesandten Kolonna die Einladung Theodors, des Beherrschers von Epirus, annahm, durch dieses Land auf dem kürzesten Wege nach Konstantinopel zu reisen. Beide aber wurden von Theodor verrätherisch gefangen; und ehe des Papstes und des Königs von Ungern ernste Fürsprache etwas wirkte, starb Peter im Gefängniß, und das fränkisch-griechische Reich sah sich binnen zwölf Jahren zum dritten Male ohne HauptReg. Hon. II, 544-546, 711. Den mitgefangenen Legaten ließ Theodor frei, wie aus Reg. Hon. I, 881, 882 hervorgeht; des Kaisers geschieht keine Erwähnung. Alberic. 494.  Dandolo 340.  Miraei opera diplom. I. Urk. 79. Peter starb 1213, einige sagen, gewaltsamen Todes. Guil. Tyr. 675.  Chron. fossae novae 894.  Rich. S. Germ. 990..

Unterdeß hatte der König von Ungern ein ansehnliches Heer gesammelt, und brach (nachdem der Papst alle für die Ruhe und Verwaltung seines Reiches getroffenen Vorkehrungen bestätigt hatte) im August 1217 gen Spalatro auf. Zu ihm gesellten sich viele, besonders deutsche Fürsten und PrälatenHerm. Altah. 1217.  Erf. chr. S. Petrin.  Avent. VII, 3, 5.  Reg. Hon. I, 241, 281.  Chr. Udalr. Aug.: die Herzoge Leopold von Österreich und 315 {1217} Otto von Meran, der Erzbischof von Salzburg, die Bischöfe von Bamberg, Zeiz, Utrecht und Münster, die Grafen von Playen und von Bogen u. a. m. Wegen ihrer Aufnahme hatte der Papst bereits an viele Seestädte geschrieben, nochmals vor jeder Vereinzelung beim Überschiffen gewarnt, und das Aussondern der Weiber und der Untauglichen ernstlich anempfohlenReg. Hon. 536-537, 539.. Über Cypern gelangten alle nach Akkon und drangen, weil sich die schwächern Türken zurückzogen, im November 1217 verwüstend bis zum galiläischen Meere vorReg. Hon. II, 739.  Abulf. zu 1217.  Hist. des Templiers I, 276.; mußten aber dann bald nach Akkon zurückkehren, weil es in diesem unfruchtbaren Jahre mehr noch als gewöhnlich an Lebensmitteln gebrach. Gleich vergeblich war die Umlagerung des festen Schlosses auf dem Berge Tabor; und bei einem dritten Streifzuge um Weihnachten, wäre ein großer Theil des Heeres in der Gegend von Sarepta aus Mangel an Kleidung, Holz und Nahrung fast umgekommen. Auch stellte sich bei diesen, mehr Räubereien als einem Kriege gleichenden Unternehmungen die oft gerügte Uneinigkeit und Unordnung wieder einBernard. thesaur. 821.  Vincent. Spec. XXX, 79.  Godofr. mon.; besonders klagte man, daß die Baiern zügellos die christlichen Gärten zerstört, Geistliche aus ihren Wohnungen gejagt und selbst Christen umgebracht hätten.

{1218} Im Frühlinge des folgenden Jahres stellte man Cäsarea wieder her und befestigte einige Burgen; als aber der König von Cypern in jener Stadt starb, und der ohnehin kranke König von Ungern üble Nachrichten aus der Heimath erhielt, so beschloß er die RückkehrNeuburg. chr.  Hung. reg. epist. 1193.  Sanut. 206.  Math. Paris 201.  Vitr. hist. Hier. 1130.  Guil. Tyr. 631.  Guil. Armor. 91.  Dandolo 340.. Vergeblich 316 suchten ihn die übrigen zu längerem Bleiben zu bereden, vergeblich schalten sie über seine Feigheit, vergeblich that ihn der Patriarch in den Bann: er brach auf, erreichte aber erst nach manchen Unfällen sein Reich, und mochte als einzigen Gewinn der Unternehmung die in aller Eil zusammengekauften Reliquien betrachten: den Kopf des heiligen Stephan und der heiligen Margaretha, die Hände des Apostel Thomas und Bartholomäus, ein Stück von der Ruthe Aarons und einen von den Krügen der Hochzeit zu KanaEngels Gesch. von Ungern I, 301..

{1217} Gleichzeitig mit dem Könige von Ungern und den oben genannten Fürsten, rüsteten die Anwohner des Niederrheins, und insbesondere die Bürger der Stadt Köln, eine Flotte von 300 Schiffen aus, um damit nach Palästina zu segelnSanut. 207.  Math. Paris 207.  Vitriac. hist. Hier. 1131.  Oliv. Dam. 1401.  Godofr. mon.  Reg. Hon. II, 817, 820, 857.  Alberic. 496.  Neufville I, 112.. Über Kompostella, den heiligen Wallfahrtsort, erreichten sie Lissabon, wo ihnen König Alfons II und die dortigen Templer vorstellten, daß Lissabon um die Zeit des zweiten Kreuzzuges von ihren Vorfahren auf rühmliche Weise erobertBuch III, S. 558., und jetzt zu einer gleich preiswürdigen That so erwünschte als dringende Gelegenheit vorhanden sey. Die Friesen wollten sich durch nichts von der pünktlichen und eiligen Erfüllung ihres Gelübdes abhalten lassen und segelten mit achtzig Schiffen davon; die übrigen, an ihrer Spitze die Grafen Wilhelm von Holland und Georg von Waitz oder Wida, behaupteten hingegen: sie könnten, der schon so weit vorgerückten Jahreszeit halber, Syrien nicht ohne Gefahr erreichen; auch werde man vor der Ankunft König Friedrichs in jenen Gegenden nichts Erhebliches unternehmen. Dem gemäß umlagerten sie mit den Portugiesen Alkazar, schlugen das zum Entsatze heranrückende maurische Heer und 317 {1217} eroberten am 21sten Oktober 1217 jene Festung. Von diesen Ereignissen erstatteten die Kreuzfahrer dem Papste Bericht und baten: er möge ihnen erlauben, noch ein Jahr in Portugal zu verweilen, und kirchliche Begünstigungen eben so bewilligen, als wenn sie das heilige Land erreicht hätten. Honorius aber gab zur Antwort: »alle Gläubige in Spanien möchten sich durch jenen Erfolg zu neuer Thätigkeit angeregt fühlen: die Errettung Palästinas bleibe aber so sehr die Hauptsache, daß er von buchstäblicher Erfüllung des Gelübdes nur diejenigen entbinden könne, welchen alle und jede Mittel fehlten, die Reise fortzusetzen, oder welche bei der Belagerung von Alkazar ihre Schiffe hergegeben hätten, um Kriegszeug daraus zu fertigen.« Diesem Befehle gehorchend, segelten die Kreuzfahrer im Frühlinge 1218 von Lissabon ab, erreichten aber, da Stürme sie nach Barcellona, Marseille, Pisa, Genua und Messina zerstreuten, erst spät und nur zum Theil die syrischen Küsten.

Größere Hülfe erwartete die morgenländische Christenheit mit Recht von König Friedrich II, welcher seit dem Sommer 1215 schon das Kreuz trug, durch die Angelegenheiten Deutschlands aber noch immer abgehalten wurde, sein Gelübde zu erfüllen. Einerseits nämlich trat er im größten Theile des Reiches ungehindert als König auf: andererseits aber fehlte es auch nicht an Ungehorsam und Widersetzlichkeit. So suchten und empfingen z. B. der Erzbischof und die Stadt ArlesSaxii pont. Arel. 273 zu 1214. eine Bestätigung ihrer Vorrechte, der König Wenzel von BöhmenLünig Reichsarchiv p. spec. cont. I. Forts. 1. von kaiserl. Erblanden, Urk. 1. von 1216. eine Bestätigung seiner Wahl, und selbst Waldemar von Dänemark hielt den Besitz der Länder nördlich von der Elbe erst für sicher, nachdem Friedrich und die Fürsten darin gewilligt hatten. Wiederum mußte Friedrich den Grafen von Nancy förmlich bekriegenReineri chron. zu 1217., und hatte Mühe die offene Fehde zu schlichten, 318 {1218} welche zwischen dem Herzoge Ludwig von Baiern und dem Pfalzgrafen Heinrich über die Belehnung mit der Rheinpfalz ausbrachZschokke I, 440.  Gemeiner Chronik 304.  Avent. ann. VII, 3, 1-2.  Tolner 35.  Orig. guelf. III, 217. für die Jahre 1214–1216.. Ja wenn nicht Lehns- und Erb-Ansprüche dadurch zusammengekommen wären, daß Ludwigs Sohn Otto, sich mit Heinrichs Tochter Agnes verlobte, so möchte des Königs Wille schwerlich größeren Unruhen vorgebeugt haben.

Eine zweite nicht geringere Gefahr neuer Verwirrung entstand, als Herzog Bertold V von Zäringen im Jahre 1218 kinderlos starb. Schwer war es zu entscheiden, was in dessen reicher Erbschaft Allode, was eröffnetes Reichslehn sey; und noch schwerer um des alten, nur auf männliche Erben gehenden Lehnerbrechts willen, alle Ansprüche der weiblichen Erben und der Nebenlinien zurückzuweisen. Durch Friedrichs Milde und Nachgiebigkeit kamen indeß gütliche Vereine zu Stande, und da er nicht alles zum Reich einziehen konnte, war ihm eine Zersplitterung der Besitzungen wohl lieber, als wenn sie in einer Hand geblieben wären. Graf Ulrich von Kyburg, der eine Neffe Bertolds von seiner Schwester Anna, erhielt einen großen Theil der burgundischen ErbgüterPfister II, 291.  Schöpfl. hist Zar. Bad. I, 41, 201-233.  Sachs Gesch. von Baden 146.  Frauenmünsterurk. I, 178, wo Bertold judex constitutus et advocatus von Zürich heißt., Graf Egeno von Urach, der Sohn seiner zweiten Schwester Agnes und die Söhne seines Bruders Adalbert von Teck, erhielten die meisten Allodialbesitzungen in Schwaben. Einiges nahm der Graf von Savoyen und der Bischof von Lausanne, einiges überließ man mächtigen Baronen; Freiburg, Bern und Solothurn wurden freie Städte; Breisgau und anderes Lehn gab Friedrich dem Markgrafen Hermann V von Baden; Zürich, die Grafschaft Rheinfelden und manche andere Städte, Güter und 319 {1218} Vogteien behielt er für das Reich, oder vielmehr für sein Haus.

All dieser Gewinn war indeß wider Otto IV nicht entscheidend: denn ob er gleich seit der Niederlage bei Bouvines sich auf den Schutz seiner Erblande beschränktWolter 56.  Anon. Saxo 219.  Auct. Danic. bei Ludw. No. 6. Vol. IX, 154., und Fehden nur mit den nächsten Nachbaren, dem Erzbischofe von Bremen wegen Stade und dem Könige von Dänemark wegen der Grenzmarken geführt hatte; so trat er doch noch immer, dem Könige Friedrich gegenüber, als Kaiser auf. Nach Ostern 1218 erkrankte er aber und gerieth, als Fieber und Durchlauf sich mehrten, in die schwere Besorgniß, er werde ausgeschlossen von der Gemeinschaft der christlichen Kirche dahinsterben. Deshalb berief er den Bischof von Hildesheim, den Abt von Walkenried und andere fromme Männer, um von ihnen Rath und Trost zu empfangen. Als diese jedoch, aus innern oder äußern Gründen, zögerten, so gab er dem Probste zu S. Burkard in Halberstadt eine allgemeine eidliche Versicherung, er wolle den päpstlichen Befehlen gehorchen, und ward hierauf vom Banne losgesprochen. Am folgenden Tage beichtete er dem Abte von Walkenried umständlicher seine Sünden, sein gegen Kirche und Papst begangenes Unrecht, und wiederholte für den Fall der Herstellung seiner Gesundheit jenes Versprechen des Gehorsams, jedoch mit Vorbehalt seiner Rechte an das Reich. Diese Ausnahme hob zwar jenes Versprechen in der Hauptsache wieder auf: aber die Bischöfe und Äbte wollten mit dem Sterbenden darüber nicht hadern, und Honorius genehmigte später ihr Verfahren. Nachdem Otto, zum stärkern Beweise seiner Reue, sich hatte auf einem Teppich ausstrecken und von Priestern hart geißeln lassen, empfing er Abendmahl und letzte Ölung, und starb dreiundvierzig Jahre alt am 19ten Mai 1218 in der HarzburgÜber Todesjahr, Todestag und beim Tode gegenwärtige Personen finden sich viele Abweichungen. Den 19ten Mai 1218 haben Alb. Stad., Chron. Duc. Brunsv. 17., Lüneb,. chron. Leibn. 174.  Godofr. mon. hat den 15ten Mai. Siehe noch Alberic. 498.  Ursp. chr. 334.  Gui. Armor. 9.  Nach Stadvegii chr. 272 sagte Otto sterbend. »o Gott, gieb einen guten Herrn, der dein Volk regiere.« Über Ottos Alter siehe die Orig. guelf. III, 248.. 320 {1218} Er wurde, wie er es befohlen, in vollem kaiserlichen Schmucke und mit allen Würdezeichen, neben seinen Ältern in der Kirche des heiligen Blasius zu Braunschweig begrabenMartene thesaur. III, 1374.. Seiner Frau bestimmte er ein ansehnliches Wittwengut und vermachte ihr Gold, Edelsteine, andere Kleinode und eine Hälfte der von ihm gesammelten Reliquien; die zweite Hälfte bekam die Kirche des heiligen BlasiusLünig cod. dipl. I, 365.  Orig. guelf. III, 345.. Zum Wohl seiner Seele verordnete er die Rückgabe oder den Ersatz manches widerrechtlich in Besitz genommenen geistlichen oder weltlichen Gutes, und befahl seinem Bruder, dem Pfalzgrafen Heinrich: er solle die Reichskleinode dem einstimmig erwählten Könige selbst dann aushändigen, wenn er die Herstellung in alle Erbgüter seines Hauses nicht zu erlangen im Stande sey.

Otto besaß weniger Überlegenheit des Geistes, als Beharrlichkeit des Willens: aber diese Beharrlichkeit war nicht zu einem wahrhaft großen Charakter hinangebildet, sondern erscheint, bei dem Mißverhältnisse seiner Kräfte und Vorsätze, bisweilen als Halsstarrigkeit. Auch muß man bedauern, daß der Wechsel seines Benehmens gegen den Papst die kirchlichen Verhältnisse nur noch mehr verwirrte, und daß seine Fehden wider die Hohenstaufen sehr dazu beitrugen, in Deutschland die friedliche Entwickelung einer gemäßigten Königsmacht neben ständischen Rechten zu vereiteln.

In dieser selbigen Zeit, wo mit Ottos Tode die Welfen niedersanken und ihre Gegner kühn emporstiegen, hob 321 {1218} Friedrich II, als gnädig herablassender König, ein Kind aus der Taufe, auf dessen Haupt, nach dem furchtbaren Untergange aller Hohenstaufen, Deutschlands Krone gesetzt wardGuilliman Habsb. 77 nach einer Urkunde. Im Mai 1218, Roo 6.; – es war Rudolf von Habsburg!

Der Tod Ottos änderte vielerlei in den Planen und dem Benehmen aller Parteien. König Friedrich trachtete zunächst nach der Kaiserkrone und nach der Erhebung seines Sohnes Heinrich zum römischen König; Papst Honorius, welcher jenen zeither auf keine Weise mit dem Antreten des Kreuzzuges gedrängt hatteDie ersten Briefe, welche sich darüber in den vollständigen Regestis des Honorius befinden, sind vom Februar 1219., hielt dagegen alle Hindernisse jetzt für gehoben, machte die Kaiserkrönung gewissermaaßen davon abhängig, und konnte bei dem eidlichen Versprechen Friedrichs, die deutsche und sicilische Krone nie zu vereinen, dessen Absichten auf die Erhebung seines Sohnes nicht mit gleichgültigem Auge ansehn. Zwischen beiden, dem Könige und dem Papste, entstand hierüber ein Briefwechsel, den wir seiner Wichtigkeit wegen, ausführlicher mittheilen.

Im Frühjahre 1217 schickte Friedrich den Abt von S. Gallen, den Markgrafen Wilhelm von Montferrat, den Dechanten von Speier und den Burgvogt von S. Miniato an den Papst, und bezeigte in dem ihnen mitgegebenen Schreiben sein Leid über den Tod Innocenz des dritten, seine Theilnahme an der neuen Wahl und versprach in höflichen Ausdrücken Gehorsam und Freundschaft. Honorius antwortete am achten April 1217 gleich verbindlichReg. Hon. I, 359, 360.  Der Abt von S. Gallen erhielt für seine Person die Erlaubniß, eine mitra zu tragen. 361., schickte einen Gesandten zur weitern Verhandlung nach Deutschland und ermahnte die Fürsten, daß sie dem Könige wie bisher männlich und mächtig beistehen sollten. – Diese beiden Schreiben ausgenommen, findet sich in der sonst so reichen 322 und vollständigen Sammlung päpstlicher und kaiserlicher Briefe im vatikanischen Archive für die Jahre 1217 und 1218 keine Spur weiterer Verhandlungen; so daß man zweifelhaft bleibt, ob sie bloß mündlich geführt wurden, oder verloren gingen, oder ganz unterbrochen waren. Desto lebhafter erscheint der Briefwechsel im Jahre 1219. Honorius hatte dem Könige von den Gefahren Nachricht gegeben, welche (wie weiter unten im Zusammenhange erzählt werden soll) das vom Könige Johann aus Syrien nach Ägypten geführte Heer vor Damiette bedrohten, und ihn deshalb zur ernstlichen Beschleunigung des Kreuzzuges ermahnt. Friedrich antwortete am 12ten Januar 1219 aus HagenauReg. Hon. III, 272.:

»Wir erkennen die dringende Nothwendigkeit und das Verdienst des Kreuzzuges, und haben darüber nicht allein in Fulda verhandelt, sondern werden auf dem zum vierzehnten März 1219 in Magdeburg angesetzten Reichstage mit noch größerem Erfolge wirken: indem wir, nach Beseitigung früherer Streitigkeiten, zu ansehnlicher Macht gelangt sind und bei den Fürsten leicht dasjenige durchsetzen, was zum Vortheile und zur Ehre des Reiches dient. Damit aber der große Zweck sicherer erreicht werde, so eröffnet eurerseits allen bekreuzten Fürsten und Prälaten, daß der Bann sie treffe, wenn sie bis Johannis den Zug nicht antreten; entbindet niemanden vom Gelübde, der nicht nach unserer und der Fürsten Meinung zur Verwaltung des Reichs nothwendig zurückbleiben muß; befehlt allen, daß sie den von uns gesetzten Stellvertretern in unserer Abwesenheit Gehorsam leisten; bannet den Pfalzgrafen Heinrich und die Stadt Braunschweig, wenn sie mit Aushändigung der Reichskleinode länger zögern. Durch diese Mittel wird Christi Angelegenheit ohne Schwierigkeit zum Ziele geführt werden, und jede etwa früher vorhandene Entschuldigung dahinfallen. Überhaupt könnt ihr euch von der 323 {1219} Reinheit unserer Absichten und davon leicht überzeugen, daß wir zeither in Deutschland nur durch diejenigen aufgehalten worden sind, welche zwar guten Willen zur Schau tragen, aber der Wahrheit nach bösen Willen hegen.«

Der Papst genügte unverzüglich allen in diesem Briefe ausgedrückten WünschenReg. Hon. III, 273, 278, 279, vom achten u. 13ten Febr.: er nahm den König und seine Familie in besonderen Schutz, bestätigte die von ihm gesetzten Stellvertreter, wies alle Prälaten an für die Ruhe Deutschlands nach Kräften zu wirken, bannte die widerrechtlich Zögernden und befahl dem Pfalzgrafen Heinrich die Reichskleinode herauszugeben. Dem Könige schrieb er noch insbesondereReg. Hon. III, 288 und 458. vom 13ten Febr. und vom 18ten Mai.: ihm wäre der Ruhm der Errettung des heiligen Landes vorbehalten, denn die Christen hätten alle Hoffnungen auf ihn gestellt und die Ungläubigen fürchteten sich so vor seinem mächtigen Arme, daß sie glaubten, bei seiner Erscheinung bleibe ihnen kein anderer Ausweg, als die Flucht. Obgleich den Gerüsteten jede Zögerung schädlich sey, wolle er dennoch die Frist des Aufbruchs von Johannis bis Michaelis verlängern, weil, nach Friedrichs Versicherung, die Vorbereitungen unmöglich eher beendet seyn könnten. – Diese päpstlichen Schreiben beantwortete Friedrich am 16ten Junius 1219 in Ausdrücken des herzlichsten Dankesibid. III, 531.. Nunmehr sey allen Fürsten und Prälaten, welche auf dem bevorstehenden nürnberger Reichstage vielleicht dem Kreuzzuge widersprochen hätten, jeder Einwand abgeschnitten. Sollte aber von denen, die gern Unruhe und Ärgernisse beförderten, beim Papste etwas gegen ihn angebracht werden, so möge er sein Ohr solchen Verleumdungen verschließen.

Daß aber in Rom über ihn mancherlei Klage erhoben 324 {1219} werde, hatte Friedrich zuerst aus den Berichten des Bischofs von Brundusium, dann unmittelbar aus Briefen des Papstes ersehenReg. Hon. III, 527; IV, 572.  Den Brief des Papstes an den Kaiser habe ich nicht im päpstlichen Archive gefunden.; worauf er sich in zweien Schreiben vom zehnten Mai und vom sechsten September 1219 aus Ulm und Hagenau, über die Hauptpunkte folgendermaaßen vertheidigte: »die Nachrichten, welche ich von dem Bischofe von Brundusium empfing und die Briefe, welche mir euer UnterhelferSubdiaconus. überbrachte, haben mich sehr beunruhigt. Ich sehe daraus, daß man mich verleumdet, als beleidige ich die Kirche; welche, wie der ganzen Welt bekannt ist, für mein Wohl weder Anstrengungen noch Ausgaben scheute, mich so lange mit ihrer Milch nährte und endlich mit Gottes Hülfe zu festerer Nahrung erzog. Ich weiß sehr wohl, daß die, welche gegen die römische Kirche aufzutreten wagen, aus dem Kelche Babylons trinken, und hoffe, daß man mich niemals in meinem Leben mit Recht des Undankes gegen meine heilige Mutter werde beschuldigen könnennunquam - poterimus toto tempore vitae nostrae ingratitudinis argui.. Man klagt mich an, erstens: ich wolle meinen Sohn Heinrich zum römischen König wählen lassen, und dadurch, gegen mein Versprechen, das deutsche und sicilische Reich vereinigen. Hierauf antworte ich mit reinem Gewissen: wenn mein Sohn nach Rath der Fürsten zum deutschen König gewählt würde, so geschähe dies nicht, um beide Reiche zu vereinigen, sondern damit in meiner Abwesenheit, zu Christi Ehren, besser regiert werde und damit es meinem Sohne, im Fall ich etwa stürbe, leichter sey, das ihm in Deutschland bekanntlich gebührende Erbgut zu erhalten. Sonst verbleibt er euern und der römischen Kirche Anordnungen unterworfenRelinquentes filium in dispositione ecclesiae etc., die ihn in seinen Rechten beschützen möge, wie sie mich beschützt und erhoben hat.«

325 {1219} »Man beschuldigt mich, zweitens: daß ich die Freiheit der geistlichen Wahlen durch weltlichen Einfluß störe: ich bin aber nie der Wahlfreiheit zu nahe getreten und habe nur in sehr wenigen Fällen, ohne Zudringlichkeit und Gewalt, eine Bitte oder Empfehlung an die Wähler oder an euch ergehen lassen.«

»Die versprochene Absendung von Bevollmächtigten habe ich ferner nicht aus Verachtung unterlassen, sondern weil die Geschäfte zeither noch unbeendet und vollständige Berichtserstattungen unmöglich waren.«

»Eben so fallen die mehrfachen Beschuldigungen dahin, als wäre ich euren Rechten im Kirchenstaate zu nahe getreten. Wenn sich der Sohn des Herzogs von Spoleto in der Unterschrift einer Urkunde Herzog nennt, so mögt ihr über die deutsche Gewohnheit nicht bedenklich werden, nach welcher sich die Söhne von Herzögen auch Herzog zu unterschreiben pflegen, selbst wenn sie kein Herzogthum besitzen. Wenn königliche Briefe mit diesem oder jenem Verlangen auch an Orte des Kirchenstaates kommen, so rechtet nicht über dies Versehen, da die deutschen Reichsschreiber nicht wissen, wo jene Orte liegen und welche Rechte uns daselbst zustehn. Dasselbe gilt von unsern Beauftragten. Solltet ihr aber glauben durch einzelne Schreiben, Befehle, Verleihungen u. s. w. verkürzt zu seyn, so wird eine nähere Prüfung und Darstellung die Schwierigkeiten und Vorwürfe leicht heben. Im ganzen können diese jetzt keine Bedeutung haben und nur Kleinigkeiten betreffen, da wir euch und allen feierlich erklärt haben: daß jede etwanige Hoheitsmaaßregel oder Verleihung im Herzogthume Spoleto, dem Kirchenstaate und den Besitzungen Mathildens nichtig seyn solle.« – Um dieselbe ZeitIm September 1219 aus Hagenau. Murat. antiq. Ital. VI, 84.  Lünig cod. dipl. Ital. II, 714. stellte Friedrich dem Papste nochmals eine besondere Urkunde aus, wodurch er die Freiheit der geistlichen Wahlen bestätigt, die 326 {1219} Berufung nach Rom erlaubt, den Ansprüchen auf den Nachlaß der Geistlichen entsagt und das Gebiet des Kirchenstaates von Radikofani bis Ceperano anerkennt. Auch erließ er an die Einwohner von Spoleto und Narni einen offenen BefehlReg. Hon. IV, 593, bei Strafe seiner Ungnade, dem Papste unweigerlich zu gehorchen.

Honorius erklärte, in seiner Antwort vom ersten OktoberReg. Hon. IV, 576, 577.: er freue sich, daß Friedrich alle Beschuldigungen so ernstlich widerlege und so günstig gegen die römische Kirche gesinnt sey; doch möge er diese Gesinnung nicht bloß gegen ihn aussprechen, sondern öffentlich und gegen alle zeigen. Dasselbe gelte in Hinsicht des Kreuzzuges: denn wenn auch der wirkliche Aufbruch Schwierigkeiten finde, so könne man doch durch den Ernst und den Umfang der Vorbereitungen deutlich den guten Willen beweisen. Seinen Wünschen gemäß, wolle er zwar die Frist nochmals bis zum 21sten März 1220 hinausschieben: jedoch müsse er ihn immer dringender an die Beschleunigung erinnern und ihn warnen, nicht durch nochmalige Versäumniß in die Schlingen zu fallen, welche er sich durch die Aufforderung, jeden Nachlässigen zu bannen, selbst gelegt habe.

Diese Nachgiebigkeit des Papstes war dem Könige sehr willkommen; doch lag ihm noch weit mehr daran, über den Besitz Siciliens und Deutschlands einen neuen Vertrag zu schließen. Nur so viel hatte Honorius nachgegebenReg. Hon. IV, 681, vom 19ten Februar 1220., daß, wenn der junge Heinrich ohne Erben und Brüder sterbe, Friedrich beide Reiche auf Lebenszeit verwalten möge; der Antrag desselben, ihm Deutschland und Neapel ohne jene Bedingung lebenslänglich zu lassen, fand hingegen bei dem Papste so viel Bedenken, daß Friedrich die schriftlichen Verhandlungen über diesen Punkt abbrach, zugleich aber die 327 {1219} Hoffnung ausdrückte, durch mündliche Darstellung dereinst zum Ziele zu gelangen. Denn, fährt er fort: wer wird der Kirche gehorsamer seyn, als wer an ihren Brüsten sog und in ihrem Schooße ruhte? Wer getreuer? Wer der empfangenen Wohlthaten mehr eingedenk, als derjenige, welcher sich bestrebt, seine Schuld nach dem Belieben und dem Befehle seines Wohlthäters abzutragen? Des Kreuzzuges wegen, erzählte der König weiter, sey ein Reichstag in Nürnberg gehalten worden, und ein zweiter nach Augsburg berufen: aber viele Fürsten wären dem Unternehmen ganz abgeneigt; weshalb der Papst nochmals nicht bloß allgemeine Schreiben erlassen, sondern durch einzelne Briefe die einzelnen Fürsten antreiben und den Bann über jeden sprechen möge, welcher die gesetzten Fristen nicht halte. Seinerseits wolle Friedrich, sofern der Papst es billige, einstweilen die Gerüsteten vorausschicken, fortdauernd für das heilige Unternehmen wirken und endlich selbst nachfolgen. Wenn er bei diesem Plane etwa einige Tage über die gesetzte Frist verweilen müsse, so möge ihn der Papst um so weniger unter die Säumigen zählen, da er Gott zum Zeugen anrufe, daß er nicht betrüglich oder hinterlistig rede.

Hierauf antwortete der Papst im März 1220Reg. Hon. IV, 692, verglichen mit 593.: »über dein Schreiben, geliebter Sohn, habe ich mich sehr gefreut; möchtest du dein ganzes Leben hindurch dich so ganz der Kirche, so ganz Gott getreu zeigen! Aber je mehr man einen liebt, desto größer ist die Besorgniß um ihn. Deshalb habe ich mit Ermahnungen nicht nachgelassen, du mögest den Kreuzzug beeilen, der sich, so lange der Eifer im Volke noch lebendig ist, leichter zu Stande bringen läßt. Was dein erlauchter Großvater Friedrich I mit allen Kräften ernstlich unternahm, mußt du, seinem rühmlichen Beispiele folgend, glorreich zu Ende führen. Jugend, Macht, Beruf, Gelübde, Beispiel stehen fördernd und verpflichtend vor Augen. Schon dreimal habe ich nach deinen Wünschen 328 {1220} die Frist verlängert, ohne Rücksicht, daß der dreimal gesetzlich Vorgeforderte, aber Ausleibende der Versäumniß wegen zu verurtheilen ist; ich habe dein Verfahren nicht als Widersacher, sondern als Freund ausgelegt, und will auch jetzt nochmals die Frist bis zum ersten Mai ausdehnen. Betrachte aber, wessen Sache betrieben wird? nicht die meine, sondern die Sache Christi. Wessen Vortheil? der seiner Anhänger. Wessen Ruhm? der aller Christen! Und du könntest es vernachlässigen, der Vorfechter der Sache Gottes zu seyn? der Gründer deines Vortheils? der Beschützer hülfsbedürftiger Christen? Bist du nicht durch Belohnungen angelockt, durch Wunder aufgefordert, durch Beispiele belehrt? – Selbst die Geringsten haben bei mindern Antrieben rüstig das Kreuz genommen; in dem Maaße aber, als bei dir die Beweggründe wichtiger, die Macht bedeutender, die dadurch eintretende Hülfe größer ist: in dem Maaße findet auch weniger Entschuldigung für Lässigkeit und Versäumniß statt.«

Um dieselbe Zeit schickte Friedrich den Abt von Fulda nach Rom, um wegen der Kaiserkrönung das Nähere mit dem Papste zu verabreden; und dieser erklärte am zehnten AprilReg. Hon. IV, 695: in ähnlichen Fällen hätten des Königes Vorgänger einen Erzbischof oder Bischof nach Rom gesandt; doch wolle er hierüber keine Schwierigkeiten machen: denn Friedrichs Erhebung sey nöthig und erwünscht für das heilige Land und die kirchliche Freiheit, für die Unterdrückung der Ketzer und der Unruhen. Nochmals nahm der Papst den König, seinen Sohn und seine Länder in besondern Schutz, und theilte ihm die aus Ägypten neu eingegangenen Nachrichten mit, welche die Gefahren der Christen lebhaft schilderten und die Nothwendigkeit schleuniger Hülfe dringend darstelltenReg. Hon. IV, 700, 745.. Bisher, schrieb Honorius an den Kardinalgesandten nach ÄgyptenReg. Hon. V, 1, vom Julius 1220., sey Friedrich von andern gehindert, oder durch 329 {1220} eigenen Willen aufgehalten worden; zu Michaelis werde er indeß ohne Zweifel aufbrechen.

Aus einer Vergleichung aller Quellen und Thatsachen ergiebt sich, daß Friedrich allerdings den Kreuzzug ernstlich wollteAuf dem Reichstage zu Frankfurt im Jahre 1220: coguntur omnes signati abire, tam principes quam inferiores personae.  Reineri chron.; keineswegs aber mit Zurücksetzung der Plane für die Erhaltung der Kaiserkrone und für die Erhebung seines Sohnes Heinrich. So lange Kaiser Otto lebte, konnte er weder in Hinsicht des einen noch des andern erhebliche Vorschritte machenHerm. Altah.  Chron. Udalr. Aug.  Alb. Stad.: erst nachdem dieser gestorben war und Pfalzgraf Heinrich, päpstlichen Befehlen gemäß und gegen Zubilligung einiger Vortheile, die Reichskleinode herausgegeben hatte, schien das Haupthinderniß gehoben zu seyn. Statt dieses einen Hindernisses fanden sich aber jetzo mehre: denn der Papst wollte auf den Plan lebenslänglicher Verleihung beider Reiche an Friedrich nicht eingehen, und der schleunige Antritt des Kreuzzuges, wodurch der König jenen vielleicht zu allem bewogen hätte, wurde durch die allgemein zunehmende Abneigung gegen Pilgerungen nach dem Morgenlande so erschwert, daß alle dafür angewandte weltliche und geistliche Mittel ohne großen Erfolg blieben. Bei diesen Verhältnissen kam Friedrich zu dem Vorsatze, in Deutschland das Nächste und Wichtigste ohne den Papst durchzusetzen: nämlich, die Wahl seines Sohnes Heinrich, den er schon früher, gleichwie seine Gemahlinn, aus Italien nach Deutschland berufenPfister II, 292. Nach Rich. S. Germ. kam Heinrich 1216, Konstanze 1218 nach Deutschland; laut bolognesischer Schriftsteller, beide im Jahr 1216. Hist. Bonon. misc.  Mem. Regiens. 1083.  Tonduzzi 245.  Inveges ann. 541, hat das Jahr 1219. und zum Herzoge von Schwaben und zum Statthalter von Burgund ernannt hatte. Wenn es ihm aber schon Mühe machte, die weltlichen 330 {1220} Fürsten für seine Absicht zu gewinnen: so war noch weit eher vorauszusehen, daß die Prälaten im Andenken an den Widerspruch ihres Oberhaupts, darauf gar nicht eingehen würden. Dennoch gewann er ihre Zustimmung, ehe vom Papste Weisungen oder Gegenbefehle einliefen.

Eine am 26sten April 1220, gleich nach der Wahl Heinrichs, aber wahrscheinlich frühern Verabredungen gemäß, ausgestellte Urkunde, bewilligte den geistlichen Fürsten für treuen Beistand, welchen sie dem Könige im allgemeinen und insbesondere bei der Wahl seines Sohnes, geleistet hatten, folgende VorrechteGudenus cod. dipl. I, 469.  Godofr. mon.  Anon. Saxo 121.  Beka et Heda 332..:

»Weder der König, noch sonst ein Laie darf sich der geistlichen Verlassenschaften bemächtigen; sie gebühren, sofern kein Erbe durch letzten Willen ernannt ist, dem jedesmaligen Nachfolger. In den Ländern oder Gerichtsbezirken der geistlichen Fürsten wird der König ohne ihre Zustimmung keine neuen Münzstätten oder Zölle anlegen, auch nicht gestatten, daß man anderwärts ihre Münzen falsch nachpräge. Dienstpflichtige und eigene Leute der Prälaten sollen in keiner Reichsstadt und von keinem Laien aufgenommen werden, und den Kirchengütern, unter dem Vorwande des Schutzes, von den Vögten kein Schade geschehen. Niemand darf die, geistlichen Fürsten eröffneten Lehen gewaltsam an sich ziehen. Wer sich binnen sechs Wochen nicht aus dem Kirchenbanne befreit, verfällt auch in die Acht, und darf weder als Richter noch als Kläger oder Zeuge im Gericht auftreten; wogegen die geistlichen Fürsten versprechen auch jeden, der des Königs Befehlen widerstrebt, zu verfolgen und zu strafen. Niemand darf in den Ländern geistlicher Fürsten feste Burgen anlegen oder anlegen lassen. Kein königlicher Beamte hat in den Städten jener Fürsten Gerichtsbarkeit oder Gewalt an Münzen, Zöllen oder andern Sachen; ausgenommen acht Tage vor, bis acht Tage nach 331 {1220} einem daselbst gehaltenen Reichstage. Nur wenn der König selbst in eine solche Stadt kömmt, so hört, für die Zeit seiner Anwesenheit, die Gewalt der Fürsten auf und er herrscht allein.«

Von diesen Bewilligungen haben einige die Freiheit, andere den Verfall Deutschlands abgeleitet, je nachdem sie sich auf diesen oder jenen einseitigen, erst in spätern Zeiten aufgefundenen Standpunkt stellten. Damals mochte für deren Inhalt folgendes angeführt werden: das Spolienrecht oder das Recht des Königs den beweglichen Nachlaß verstorbener Prälaten an sich zu nehmen, ist eine unnatürliche, einseitig drückende und im ganzen, bei den leichten Unterschleifen, nur wenig eintragende Steuer; weshalb in dem Wunsche nach ihrer Aufhebung nichts Unbilliges, und in der Bewilligung dieser Aufhebung kein wesentlicher, unersetzlicher Verlust liegt. Auch hat ja Otto IV bereits darauf Verzicht geleistetBeweisstellen bei Ritter de elect. Henr. VII, 17.  Orig. guelf. III, 639, 755, obgleich Ottos Entsagungen wohl nie für ganz Deutschland zur Anwendung kamen. Mehr davon in den kirchlichen Alterthümern. und Friedrich kann unmöglich seine Macht in diesem Augenblick über das in den letzten Zeiten anerkannte Maaß erweitern. Dasselbe gilt von der wiederholten Anerkenntniß bereits urkundlich vorhandener Rechte der Geistlichen, und von dem Versprechen keine neuen Münzstätten anzulegen. Denn der letzten sind schon zu viel und wahrscheinlich hätte der König größeren Vortheil, wenn er von einer einzigen Stelle aus mit verdoppelten Kräften auf das Münzwesen wirkte, und dadurch alle andern Münzstätten und Prägungen unbedeutend machte. – Das Verbot, dienstpflichtige oder leibeigene Personen in die Städte aufzunehmen, besteht schon seit längerer Zeit; und es wäre unbillig, vom Kaiser eine Aufhebung dieser und ähnlicher Verhältnisse, mit Verletzung aller feststehenden Gerechtsame, zu verlangen. Selbst das republikanische MailandGiulini zu 1211., wo 332 {1220} die Volkspartei so mächtig ist, hat noch im Jahre 1211 festgesetzt: kein irgend einem Dritten verpflichteter Mensch kann Bürger der Stadt werden. – Daß der König die Geistlichen gegen Willkür übende Vögte schütze, ist seine längst anerkannte Pflicht; daß er Afterlehen nicht vor Abgang des die Afterbeleihung Vornehmenden einziehen dürfe, ein natürlicher, wenn auch nicht immer befolgter Grundsatz des Lehnrechts. Die feindliche Entgegensetzung der Acht und des Bannes entspringt nur aus unrichtiger Stellung der Kirche und des Staats; wogegen bei gesunden Verhältnissen eins zum andern gehört, und nur der Zweifel entstehen könnte: wer mehr gewinne, die Geistlichen, sofern die Gebannten nun auch geächtet werden, oder der König, sofern die Geächteten auch in Kirchenstrafen verfallen. – Wenn man ferner das Anlegen fester Burgen erschwert, so gereicht dies ohne Zweifel zur Beförderung des Landfriedens; wenn man die Verwaltung der Gerechtigkeit den Fürsten oder Prälaten in den ihnen zustehenden Bezirken, ohne Dazwischenkunft anderer Beamten überläßt, so folgt man nur der ältesten, richtigsten und natürlichsten Ansicht, wonach jene selbst die ersten Reichsbeamten sind und der König über alle als höchster Richter steht.

Wenn Friedrich diese Ansichten auch nicht im ganzen Umfange theilte, so schienen ihm doch jene Bewilligungen keineswegs zu groß, um dafür, beim Mangel eines festen Erbrechts, seinem Sohne die Thronfolge zu sichern: und andererseits waren die Geistlichen erfreut, bei Gelegenheit einer zuletzt nicht zu umgehenden Königswahl theils einige neue Rechte, theils was ihnen noch wichtiger erschien, die laute Mißbilligung mancher, fast für gesetzlich ausgegebenen Unbilden zu erlangen. – Was sich später aus tausend verschiedenen Gründen an diese Urkunde noch angereiht hat, gehört nicht in die Prüfung ihres wesentlichen Inhalts, nicht in das Urtheil über ihre Entstehung. – Es war natürlich, daß der König den Kreuzzug erst antreten wollte, wenn durch die Anerkenntniß von Heinrichs Erbrecht der 333 {1220} Wiederkehr kaum geendigter Bürgerkriege vorgebeugt sey; und als ihm hiebei nur die Wahl blieb, seine Absicht durch die weltliche Gewalt der Fürsten oder den guten Willen der hohen Geistlichen durchzusetzen, entschied er sich für das letzte, weil ohnehin schon ein Übergewicht auf Seiten der erblich gewordenen Fürsten lag, und die Einigung der deutschen Geistlichkeit mit dem deutschen Könige als einzig genügendes Mittel erschien, um nöthigenfalls gegen den Papst mit Nachdruck auftreten zu können.

Damit der sehr unangenehme Eindruck, welchen die Wahl Heinrichs und der ganze Hergang nothwendig in Rom machen mußte, gemildert werde, schrieb Friedrich am 13ten Julius 1220, aus Nürnberg an den PapstReg. Hon. V, 40.: »ob wir gleich von euch selbst keine Briefe empfangen haben, so hören wir doch aus den Erzählungen vieler Personen, daß die Kirche, unsere Mutter, über die Erhebung unseres geliebten Sohnes nicht wenig beunruhigt sey, weil wir diesen schon längst ihrem Schooße anvertraut, und versprochen hätten, für ihn, nach völliger Entlassung aus der väterlichen Gewalt, keine weiteren Bemühungen zu übernehmen. Die Kirche ist ferner beunruhigt, daß ihr wegen der Erhebung unsers Sohnes keine Anzeige gemacht, und unser so oft angekündigter Aufbruch immer noch sey verschoben worden. Wir wollen eurer Heiligkeit den Hergang dieser Sachen aufrichtig und der Wahrheit gemäß erzählen, und können und dürfen hiebei zuvörderst nicht leugnen, daß wir zur Erhebung unseres einzigen Sohnes, – den wir mit väterlicher Zärtlichkeit zu lieben nicht unterlassen können –, stets mit aller Anstrengung wirkten, bisher jedoch das Ziel nicht zu erreichen im Stande waren. – Als wir nun aber einen Reichstag in Frankfurt wegen des bevorstehenden Aufbruches nach Rom hielten, erneuerte sich ein alter Streit zwischen dem Erzbischofe von Mainz und dem Landgrafen von Thüringen, und wuchs durch das Vertrauen auf die 334 {1220} gegenseitige Kraft und Kriegsmacht zu einer solchen Höhe, daß dem ganzen Reiche hieraus schwere Gefahr drohte. Deshalb schwuren die Fürsten: sie wollten nicht eher von der Stelle weichen, bis sie die Streitenden versöhnt hätten; und wir bestätigten urkundlich diesen Schluß. Als aber alle Bemühungen der Vermittler ohne Erfolg blieben, und vorherzusehn war, daß nach unserer Entfernung das Übel zum größten Verderben des Reichs überhand nehmen werde; so traten unerwartet die Fürsten, und vorzüglich diejenigen zusammen, welche sich zeither der Erhebung unsers Sohnes am meisten widersetzt hatten, und wählten ihn zum Könige in unserer Abwesenheit und ohne unser Wissen. Sobald uns diese Wahl bekannt wurde, welcher euer Wissen und eure Zustimmung fehlte, – worohne wir nie etwas wollen, oder unternehmen –: so verweigerten wir unsere Einwilligung und drangen darauf, daß jeder von den Wählenden seinen Beschluß in einer mit seinem Siegel beglaubigten Schrift vorlege, und eure Heiligkeit hienach die Wahl annehme. Dem zufolge sollte der Bischof von Metz sogleich nach Rom abreisen, aber eine schwere Krankheit hat ihn unterwegs aufgehalten; welches alles euer Kapellan umständlicher erläutern und bestätigen wird. – Übrigens scheint es uns, heiligster Vater, als könnte euch, bei der großen Liebe, die ihr zu uns und unserem Sohne traget, jene Wahl aus keinem andern Grunde lästig erscheinen, als weil ihr daraus auf eine Vereinigung des deutschen und sicilischen Reiches schließet. Dies soll aber die Kirche, unsere Mutter, weder fürchten noch argwöhnen: weil wir die Trennung jener Reiche auf alle Weise bezwecken, und alle eure Befehle und Wünsche, so wie ihr sie uns mündlich vorlegen werdet, erfüllen wollen. Es sey ferne daß das Kaiserthum mit dem Königreiche etwas gemein habe, oder bei Gelegenheit der Wahl unseres Sohnes vereinigt werdeHeinrich wurde den achten Mai 1222 in Achen vom Erzbischof Engelbert von Köln gekrönt. Aegid. Hist. Leod. Episc. 664.: vielmehr streben wir mit allen Kräften eine solche 335 {1220} Vereinigung für alle Zeiten zu verhindern; und die That und der Ausgang soll euch überzeugen, daß wir hierin, wie in allen andern Dingen, uns stets so gegen eure Heiligkeit benehmen werden, daß die Kirche mit Recht sich freuen könne, einen solchen Sohn gezeugt zu haben. Ja wenn auch die Kirche gar kein Recht an das Königreich hätte, so wollten wir es, im Fall eines kinderlosen Todes, doch weit lieber ihr vermachen, als dem Kaiserreiche. Zwar wird uns oft gesagt: alle Liebe, welche die Kirche gegen uns zeige, sey nicht aufrichtig und werde nicht beständig seyn: aber wir glauben solchen giftigen Einflüsterungen nicht, und dürfen auch von euch, heiliger Vater, erwarten, daß ihr an unsern Maaßregeln keinen Anstoß nehmen und in unserer Abwesenheit so für das Reich sorgen werdet, daß euer Sohn an Ehre und Würde keinen Schaden leide.«

»Was den zweiten Hauptpunkt, das Antreten des Kreuzzuges betrifft, so haben wir euch die nach und nach und oft ganz unerwartet entstandenen Ursachen der Verzögerung mehre Male angezeigt, und berühren diesmal, aus vielen ähnlichen neu hervorgetretenen, nur folgende zwei: erstens, hatten wir um euretwillen den Grafen Egeno von Urach unter der Bedingung zu Gnaden angenommen, daß er zehn Ritter und zwanzig Söldner stelle und 20,000 Mark zahle, welche wir zum Kreuzzuge verwenden wollten. Statt dessen zahlte er nur 3000 Mark, und sein überall gegen uns feindselig wirkender Bruder, der Bischof von PortoPortuensis, Porto an der Tiber?, sprach ihn von aller weitern Verpflichtung und vom Gelübde los. Viele andere verlangen nun ähnliche Begünstigungen, und haben sie in Elsaß zum Theil erhalten; zum Theil nehmen sie sich dieselben aus eigener Macht. – Zweitens, die Wittwe des Herzogs von Lothringen heirathete den Grafen von Champagne, und dieser, obenein ein Ausländer, setzte sich eigenmächtig in den Besitz von Reichslehen. Die Fürsten baten und forderten mit Recht, daß diese des 336 {1220} Reiches Ehre betheiligende Angelegenheit vor unserem Aufbruche gebührend zu Ende gebracht werde. Jetzt aber, nach Beseitigung dieser Hindernisse, wollen wir ohne allen weitern Verzug aufbrechen, wie es unsern und euren Wünschen gemäß ist.«

So unangenehm dem Papste auch die Wahl Heinrichs war, wollte er doch keineswegs gleichzeitig mit dem Könige und der deutschen Geistlichkeit eine Fehde beginnen, und hiedurch den von ihm sehnlichst gewünschten Kreuzzug vereiteln. Er beharrte auf seinem milden WegeReg. Hon V, 62, 63, 68, 70, 71., nahm den König und dessen Besitzungen nochmals in besondern Schutz, befahl dem Grafen von Urach und allen übrigen etwa vom Gelübde gelöseten Personen, unweigerlich den Kreuzzug anzutreten, und drohte endlich, er werde jeden, der irgend etwas wider den König unternehme, unfehlbar mit schwerer Kirchenstrafe belegen.

Mittlerweile hatte Friedrich den Edlen Heinrich von NeussenNoch werden als Erzieher Heinrichs genannt: Bischof Otto von Würzburg, Werner von Boland, und Konrad von Tanne auf Winterstetten. Auct. incert. ap. Urstis.  Gesta Trevir. Marten. 241.  Burchardi vita 160. zum Aufseher seines Sohnes und des Herzogthums Schwaben, und den so schönen als klugen Erzbischof Engelbert von KölnEngelbert ward im März 1215 Erzbischof an Theodorichs Stelle, erhielt das Pallium aber erst drei Jahre nachher. Godofr. mon.  Northof et Gremb. catal. arch.  Belg. chron. magn. 247.  Bohem chr. 70.  Reg. Hon. Jahr II, Urk. 1047., einen gebornen Grafen von Mons, zum Reichsverweser ernannt; er selbst zog im September des Jahres 1220 mit dem deutschen Heere über die Alpen in die Lombardei hinab, deren Geschichte hier nachgeholt werden muß.

Während der letzten acht Jahre hatte so wenig als nach dem Tode Heinrichs VI, eine überalpische Macht in die italienischen Verhältnisse eingegriffen, und eben so, wie 337 damals zeigten sich einerseits zwar rastlose Beweglichkeit und Thätigkeit, andererseits aber statt maaßhaltender Ordnung und regelmäßiger Entwickelung, nur Leidenschaften der heftigsten Art und zahllose FehdenMurat. ant. It. IV, 425-428.  Ioh. de Mussis 1213-1220.. Ward auch einmal Friede geschlossen, so hielt er entweder nicht lange, oder diente nur zu einer, neue Kriege herbeiführenden Umstellung der Parteien.

Die Bürger von Pavia, welche im Sommer 1212 den jungen König Friedrich bis an den Fluß Lambro begleitet hatten, erlitten, wie schon früher erzählt wardBuch VI, S. 177, 178., auf dem Rückwege eine Niederlage von den Mailändern. Um diese Schmach zu rächen, verbanden sie sich mit den Cremonesern, welche aber auf ihrem Zuge gen Pavia am zweiten Junius 1213 von den Mailändern bei Castiglione eingeschlossen wurden. Vergeblich baten jene, daß man die Schlacht, weil gerade das Pfingstfest gefeiert wurde, bis zum folgenden Tage verschiebe: denn die mit Soldaten aus Piacenza, Lodi, Como, Crema, Brescia u. s. w. verstärkten Mailänder vertrauten ihrer Überlegenheit, fürchteten, daß während der verlangten Zögerung Hülfe für die Cremoneser anlange, und waren endlich in Beobachtung kirchlicher Formen keineswegs sehr streng und gewissenhaft. Sobald die Cremoneser sahen, daß nur die höchste Tapferkeit vom Untergange retten könne, schwuren sie, in geschlossenen Reihen auf die Feinde einzudringen und sich durch Beutesucht oder andere verwerfliche Gründe schlechterdings nicht vom Hauptzwecke abbringen zu lassen. Zwar geriethen sie desungeachtet anfangs durch die Überzahl ihrer Gegner in harte BedrängnißAlberic. 471.  Vincent. XXX. 7.  Sicard. 624.  Crem. chr. 639.  Memor. Reg. 1082.  Rigord. 54.  Mon. Patav. 668.  Bonon hist. misc.  Cremon. chron. Baluz.  Pipin II, 24., zuletzt aber siegte ihre Ausdauer so vollkommen, daß ihnen sogar der mailändische 338 {1213} Fahnenwagen und eine sehr große Zahl von Gefangenen in die Hände fiel.

Sobald sich die Mailänder einigermaaßen von dieser Niederlage erholt hatten, zogen sie unter dem Beistande von Alessandria, Tortona, Vercelli, Aqui u. a. O. aufs neue gen Pavia, eroberten Sala und umlagerten Casselo. Bei dieser Burg wurden sie aber von den Paviensern angegriffen und am Michaelistage 1213 so geschlagen, daß sie angeblich 2000 Mann und ihr ganzes Lager verlorenOger zu 1213.  Estense chron. 302.  Ioh. de Mussis.. – Das sey, so sagte man, die gerechte Strafe für ihre Anhänglichkeit an den gebannten Otto und für ihre eigenen ketzerischen Grundsätze. Cremonas und Pavias Ruhm wurde laut verkündet, und Innocenz III that alles mögliche, um durch kirchliche Mittel diese günstigen Wirkungen des Kriegsglücks zu verdoppeln. Er hob alle Bestimmungen Ottos gegen Kirchen und Geistliche auf und versprach den letzten, sofern sie von ihm abfallen würden, die sichere Erhaltung ihrer Pfründen; er bannte die widerspenstige Stadt Neapel und drohte den Mailändern mit Untersagen aller Gemeinschaft, Wegnahme aller ihnen zugeführten Waaren, Entbindung ihrer Schuldner von allen Verpflichtungen, und Verlegung des Erzbisthums; ja sogar mit einem Kreuzzuge, weil die Zahl der Ketzer in ihrer Stadt übergroß seyInnoc. epist. XV, 20, 31, 84, 122, 138, 189; XIII, 210; XIV, 74, 78, 79..

Zwei Todesfälle hatten um diese Zeit bedeutenden Einfluß auf die öffentlichen Angelegenheiten des obern Italiens: der Graf S. Bonifacio starb am 10ten November, Markgraf Azzo von EsteVerci Ecel. I, 364.  Mauris. 23.  Mon. Patav. 663.  Roland. Patav. I, 12.  Murat. antiq. Estens. I, 400-416.  Buch VI, S. 177, 178. am 18ten November 1212, und sogleich brachen arge Fehden in Verona, Padua und Ferrara aus. 339 {1213} Ezelin der Mönch und Salinguerra wußten dem 22jährigen Sohn Azzos, Aldobrandin, mancherlei abzugewinnen, und nur Innocenz III schien durch die Belehnung mit der Mark Ankona uneigennützig für ihn zu sorgenMurat. antiq. Ital. I, 328.  Baldassini 45.  Siene 97.  Innoc. epist. XVI, 102, 117.. Aber die Bewohner derselben blieben aller Ermahnungen des Papstes ungeachtet, ihm abgeneigt, und als er, nach Beendigung einer schweren Fehde mit Padua, seine Rechte im Frühjahre 1214 geltend machen wollte, fand er an dem Grafen Walter von Celano, einem Anhänger Kaiser Ottos, unerwartet einen bedeutenden Gegner. Noch hatte er diesen nicht völlig bezwungen, als er in der Blüthe seiner JahreEr starb 1215.  Roland. Pat. I, 15.  Mon. Patav. 669.  Amiani I, 181., unerwiesenen Gerüchten nach, an Gifte starb, und seinem kleinen Bruder Azzo VII eine unsichere, mit Gefahren umringte Herrschaft hinterließ.

Innocenz III sah ein, daß er bei diesen Umständen die Erhaltung der kirchlichen Gerechtsame nicht ausschließlich dem Hause Este anvertrauen könne, sondern mehre Häupter zur Mitwirkung für seine Zwecke gewinnen müsse; deshalb belehnte er im September des Jahres 1215 den klugen Salinguerra mit Medicina, Argelata und einer großen Zahl sogenannter mathildischer Orte und GüterRainald zu 1215, No. 39.  Cenni II, 200.  Reg. Honor. I, 337., welche in den Bisthümern Modena, Reggio, Parma, Bologna, Ferrara und Imola zerstreut lagen. Dafür versprach Salinguerra: er wolle die römische Kirche auf alle Weise vertheidigen, jene Güter von keinem andern jemals zu Lehn nehmen, jährlich 400 Mark Silber zahlen, päpstliche Gesandte ehrfurchtsvoll empfangen und dem Papste eine, für die verschiedenen Landesabtheilungen Italiens verschieden bestimmte, Zahl von Hülfsvölkern stellen. Honorius erneute 340 {1217} zwar diese Belehnung am 17ten April 1217: aber ein großer Theil des Überlassenen bestand aus den Reichsgütern, welche Otto IV bei seinem Zuge nach Italien nicht allein vom Papste, sondern auch von mehren Städten zurückverlangt und zurückerhalten hatte; und wenn gleich in diesem Augenblicke die kaiserlichen Ansprüche ruhten, so hatten doch die Städte, nach Ottos Entfernung, um so eiliger zugegriffenSavioli II, Urk. 444, 453, 454., und insbesondere war Bologna selbst durch den Bann nicht dahin zu bringen, Medicina und Argelata zu räumen.

Mindern Widerspruch fand die neue päpstliche Belehnung Azzos von Este mit der Markgrafschaft AnkonaMurat. antiq. Est. I, 423.  Baldassini 46.  Reg. Honor. Jahr II, Urk. 756. und des Markgrafen von Massa mit seinen Besitzungen; obgleich bei dem Auftreten eines kräftigen Kaisers, die Erneuung alter Bedenken und Ansprüche zu befürchten war. Durchaus löblich aber wirkte Honorius, seiner milden Natur und seinem Berufe gemäß, mit Nachdruck dafür daß endlich die Fehden ein Ende nahmen, welche seit den erwähnten Todesfällen zwischen Venedig und Padua, Verona und Reggio, Bologna und Pistoja, Mailand und Cremona und zwischen vielen andern Städten mit erneuter Leidenschaft ausgebrochen warenCereta.  Sicard. 625.  Mem. Reg. 1084.  Griffò. Crem. chr. 639.  Giulini 343.  Roland. Patav. II, 1.  Tonduzzi 244.. Bitten, Ermahnungen, Drohungen, Strafen hatten zeither keineswegs Frieden und Gehorsam herbeigeführt, und oft mochte der Papst nicht wissen, ob ihm und der Kirche mehr Gefahr drohe von den Städten, oder vom Könige. Die Bürger von Mailand und Piacenza waren schon durch Innocenz III gebannt worden, und bald nach seiner Erhebung schrieb ihnen Honorius: »ihr lehnt euch auf gegen den Herrn, wie das Gefäß gegen den Meister, und setzt euer Vertrauen nicht auf Gott, sondern 341 {1217} auf eure Pferde und vierspännige Wagen. Deshalb muß ich euch warnen, wie ein Vater seinen geliebten Sohn vor dem Untergange warnt, und an eure alte Treue gegen die römische Kirche erinnern.«

Als dies und ähnliches vergeblich blieb, und der schon von der lateranischen Kirchenversammlung zum Besten des heiligen Landes vorgeschriebene Friede von den Mailändern und ihren Bundesgenossen noch immer nicht gehalten wurde, so belegte Honorius auch diejenigen mit dem BanneReg. Hon. I, 17, 18; II, 1024, 1263., welche jenen Städten irgend Hülfe leisteten, oder ihre Obrigkeiten aus denselben erwählten, oder irgend Umgang, Handel und Verkehr mit ihnen unterhielten. Anstatt aber, daß dieses Steigern der Drohungen und kirchlichen Strafen erschreckte, führte es die mit den Ortsgeistlichen sogleich darüber zerfallenden Bürgerschaften und Obrigkeiten auf den Gedanken, ihrerseits mit weltlichen Mitteln, in folgerechter Abstufung entgegenzuwirken.

So klagte HonoriusReg. Hon. VI, 172. über den Wahnsinn unerhörter Anmaaßung, als der Podesta von Mailand den dasigen Erzbischof bannte; und doch finden sich Maaßregeln welche, ob sie gleich den kirchlichen Ansichten weniger Hohn sprachen, durch ihre drückende Mannigfaltigkeit und handgreifliche Anwendung für die Geistlichen noch viel verderblicher wurden. Im Jahre 1220 entbanden z. B. die 300 Räthe der Stadt Parma den Podesta von seinem Eide, die Kirchen, die Geistlichen und den Bischof zu schützen. Kein Priester erhielt Recht, der sich nicht vor weltlich Gericht stellte; kein Bürger durfte mit Geistlichen Verträge eingehen, ihnen Brot backen, ihr Getreide mahlen, oder sich ihrer Backöfen und Mühlen bedienen. Keiner durfte ihnen den Bart scheren. War ein Bürger so schwach, daß er auf dem Todtenbette um der Lossprechung willen schwur, er wolle den Befehlen der Kirche gehorchen, 342 {1220} so begrub man ihn nicht in geweihter Erde, sondern im Miste. Erhielt er die Gesundheit wieder, so zog man seine Güter ein, u. s. w.Reg. Honor. V, 178, 435.. – Bei der Anwendung dieser strengen Maaßregeln wurden die bischöflichen Gebäude ausgeplündert, die Grundstücke verwüstet, und viele Geistliche geprügelt und verwundet. Und dies wagten nicht bloß die mächtigeren Städte, sondern auch die kleinerenReg. Honor. II, 671, 680, 1298; IV, 835; V, 509., wie Modena, Novara, Viterbo, Fano, Treviso, Feltre, Belluno u. a. m. Die Kirche blieb indeß mit Gegenmitteln nicht zurück. So wurden z. B. die Venetianer, der König von Frankreich und alle mit ihnen in Verkehr stehende Staaten angewiesen, die Güter und Forderungen der Parmenser in Beschlag zu nehmen, bis sie Genugthuung geleistet hätten; und der äußerliche Sieg beider Parteien hing in Italien, ohne Beziehung auf ein heiligeres Verhältniß der Laien zu den Geistlichen, nur davon ab, wer am längsten Gehorsam fand, oder am längsten den Druck aushielt.

Durch die ernsten Bemühungen des Kardinals Hugotinus (des nachmaligen Papstes Gregor IX) kamen indeß während der Jahre 1218 bis 1220 mehre Friedensschlüsse in der Lombardei zu StandeReg. Honor. III, 199., und sogar Mailand wurde mit der Kirche wieder ausgesöhnt: aber diese Friedensschlüsse und Aussöhnungen hinderten weder den Ausbruch neuer Fehden, noch beendigten sie alle Willkür gegen die Geistlichen. Bei diesen Umständen, und da er ungeachtet aller Nachgiebigkeit auch mit den Römern lange in Feindschaft, dann in unsicherer Freundschaft lebteRich. S. Germ. 991.  Reg. Honor. I, 435., wollte sich Honorius so wenig allein auf die Städte als auf den König verlassen; und eben so wenig wollte sich dieser, eingedenk der bittern Erfahrungen seiner Vorgänger, bloß einer Partei in die Arme werfen. Wenn nun aber der 343 {1220} nähere, geliebtere und geehrtere Papst nicht im Stande war, den Grundsätzen oder Leidenschaften der Italiener gegenüber, die Ansichten des Kirchenthums durchzusetzen; wie viel weniger Friedrich, – der Entfernte, minder Mächtige und minder Verehrte –, die Rechte des Kaiserthums! Zwar ernannte er im Frühjahre 1213 zu Stellvertretern den Bischof Friedrich von TridentMonum. eccles. Trident. 52.  Ecclesia 67.  Bonelli notiz. II, 536., einen gebornen Herrn von Wangen, und im Frühjahr 1218 den Bischof Jakob von Turin: diese konnten jedoch, ob sie gleich Geistliche waren, nur eine vermittelnde Wirksamkeit üben, und fanden für bestimmtere Befehle keinen Gehorsam. Das alles werde sich, so antwortete man jenen, schon finden, wenn der König komme; – und die meisten hofften, er werde noch lange ausbleiben, oder nie nach Italien ziehen.

Als nun aber im Sommer des Jahres 1220 bestimmtere Nachrichten von den Vorbereitungen zum Römerzuge eintrafen, fragten mehre Städte, so Alessandria, beim Papste an: wie sie sich gegen den König benehmen sollten? und er antwortete: daß ihm alle Lombarden den Eid der Treue, jedoch mit Vorbehalt der kirchlichen Rechte, schwören solltenReg. Hon. IV, 555, Urk. vom 30sten August 1219.. Was nun aber für Rechte durch jenen Eid anerkannt wurden, darüber waren die Ansichten sehr verschieden, und insbesondere zeigte Mailand noch so viel Spuren innerer Abneigung, daß Friedrich, um die Sachen nicht gleich anfangs zum Bruche zu treiben, jene Stadt vermied und, da die Abwesenheit des Erzbischofs von Mailand im Morgenlande, einen schicklichen Vorwand botGiulini 352.  Savioli zu 1220., die Krönung mit der lombardischen Krone jetzt gar nicht verlangte. Venedig erhielt auf höfliches Ansuchen die Bestätigung aller alten Rechte und BesitzungenMarin IV, 202.  Dandolo 342.; worauf Genua noch weit mehr 344 {1220} erwartete, weil es den König bei seiner ersten Reise nach Deutschland so freundlich aufgenommen und so getreu unterstützt habe. Friedrich erklärte: er wolle den Genuesern jetzo diejenigen Rechte und Versprechungen bestätigen, welche auf das deutsche, nicht aber die, welche auf das apulische Reich Bezug hätten; indem er über deren Anwendbarkeit erst an Ort und Stelle urtheilen könne. Doch glaube er nicht, daß alsdann ein Hinderniß im Wege stehen werde, und ersuche die Gesandten, ihm nach Rom zu folgenMarchisius zu 1220.. Aus Verdruß über ihre getäuschten Hoffnungen gaben diese aber zur Antwort: sie wären dazu von ihrer Stadt keineswegs bevollmächtigt; auch fände sich nicht, daß Genua Abgeordnete zu den Krönungen seiner Vorgänger abgeschickt habe. Dem Könige entging ihr Unmuth nichtRistretto cronol. IV, 13., und der Wunsch sich nach allen Seiten zu sichern, mochte mit dazu beitragen, daß er die Bitte der Pisaner um Bestätigung ihrer Rechte und Besitzungen nicht abschlug, obgleich sie sich früher gegen ihn feindlich bewiesen hattenTonduzzi 249.. Eben so begünstigte er Faenza, als dessen Bürger ihn und sein Heer zuvorkommend aufnahmen, mit auserlesenen Speisen reichlich bewirtheten und ihm 1500 Mark Silber überreichten. Sehr übel nahmen es aber die Faventiner, daß er ihren alten Feinden, den Forliensern, auch etwas bewilligte; – so unmöglich war es, allen zu genügen! – Bologna, welches in die Acht verfallen war, weil es, aller Rechtssprüche ungeachtet, die Grafschaft Imola nicht herausgab, zeigte itzt reuigen Gehorsam, und erhielt eine Bestätigung aller von den Kaisern Friedrich I und Heinrich VI bereits anerkannten VorrechteSavioli zu 1219, Urk. 468 zu 1220; Urk. 492, 493, 503, 504.. Da nun aber die Stadt seit jenen Zeiten sehr um sich gegriffen hatte, so blieben Gegenstände des Streites genug übrig.

345 {1220} In eben so ungewissen Verhältnissen, als Friedrich, stand der Papst noch immer zu den Städten: erstens, wegen der schon erwähnten allgemeinen Ansicht von den Rechten der Geistlichkeit; zweitens, weil die Einwohner des Kirchenstaats und der Markgrafschaft Ankona ihm weniger leisten wollten, als ehemals den Kaisern. Denn, so sprachen sie, die Ansprüche der letzten waren gewaltsam, und was hätten wir sonst von dem Übergang in geistliche Hände für GewinnReg. Hon. IV, 848, und ein Schreiben vom 27sten September des Jahres 5.? Drittens lag ein neuer Grund vielfachen Mißvergnügens darin, daß Honorius dem vom Könige erhaltenen Versprechen zufolge, jetzo die Aushändigung aller, großentheils von Bürgerschaften besessenen Güter Mathildens verlangte. Der Kanzler, Bischof Konrad von Metz, welchem Friedrich aufgetragen hatte, diese Rückgabe zu bewirken, zögerte jedoch hiemit so lange, bis Honorius auf den Gedanken kam, daß ihn nicht bloß die inneren Schwierigkeiten der Sache, sondern auch wohl geheime Befehle des Königs abhielten. Deshalb erinnerte er jenen so höflich als dringend und ließ ihm durch seinen Kapellan Mittel anbieten, sich ohne Schwierigkeit aus dem Banne zu ziehen, in welchen er, gleich andern säumigen Kreuzfahrern, auf Friedrichs Antrag verfallen war. Der Kanzler versprach hierauf sein Gelübde zu erfüllenReg. Hon. V, 16, 34, 91, 92, 191, 192., und zeigte sich auch im übrigen so bereitwillig, daß er, als ein beim Könige hoch angesehener Mann, vom Papste mancherlei Vorrechte für seine Person und sein Bisthum erhielt, z. B. über Verpfändungen, Sündenerlaß, Hebungen in fremden Sprengeln und dergl. Weil aber desungeachtet die Übergabe der mathildischen Güter noch nicht erfolgte, so schrieb Honorius dem Könige: er möge endlich dies von allen Fürsten bestätigte Versprechen erfüllen und gegen die Ketzerei der Lombarden 346 {1220} wirkenReg. Hon. V, 140, 150.. Denn wenn er im kleineren nicht Wort halte, müsse man über größeres bedenklich werden. Friedrich antwortete am zweiten September 1220 aus Verona und am 12ten October aus Bologna, in den theilnehmendsten Ausdrücken und unter wiederholter Versicherung seiner guten Gesinnungen.

Damit er aber nicht in Rom anlange, ehe über jeden wichtigen Streitpunkt neue und völlige Sicherheit gegeben sey, schickte ihm der Papst den Bischof von Tuskulum und den Unterhelfer Alatrinus entgegen, mit der Weisung: sie sollten die ihnen übergebenen Vertragspunkte, mit Beibehaltung des ursprünglichen Sinnes, in die Gestalt öffentlicher Gesetze bringen, und vom Könige feierlich bestätigen und besiegeln lassen, damit man sie am Krönungstage in der Peterskirche öffentlich bekannt machen könne. Sie möchten ferner die wahren Gesinnungen Friedrichs, besonders über die Vereinigung des deutschen und sicilischen Reiches und über den Kreuzzug, erforschen und ihm dabei ausdrücklich bemerkbar machen: erstens, daß ohne seinen schleunigen Aufbruch nach dem Morgenlande die Angelegenheiten der Christen dort unrettbar zu Grunde gingen; zweitens, daß von ihm die klarsten Versprechungen offenbar wären übertreten worden, indem er nicht allein seinen Sohn, den König von Sicilien, zum deutschen König habe erwählen lassen, sondern auch itzt die Prälaten und Großen Siciliens zur Kaiserkrönung berufe und von ihnen einen neuen Eid der Treue verlange. Durch dies alles scheine er auf sehr bedenkliche Weise die Vereinigung beider Reiche, zum Nachtheile des römischen Stuhles, und nicht minder zum Verderben seiner eigenen Nachkommenschaft, zu bezweckenReg. Hon. V, 184..

Der Inhalt jener dem Könige vorgelegten Vertragspunkte findet sich nirgends vollständig verzeichnet: es leidet aber 347 {1220} keinen Zweifel, daß sie im wesentlichen mit denen übereinstimmen, welche Otto IV einst beschwurOrig. guelf. III, 639.  Hohenst. Buch VI, S. 117., und welche Friedrich zuerst 1213 in Eger, dann 1215 in Straßburg, hierauf 1219 in Hagenau annahm, und welche endlich von den deutschen Fürsten im April 1220 auf dem Reichstage zu Frankfurt bestätigt wurdenLünig Reichsarch. Spic. eccl. Cont. I, von päpstlichen Urkunden, Urk. 10–12, und Theil XIX, 168.  Lünig cod. diplom. Ital. II, 1715.. Nur der Herzog von Österreich verweigerte anfangs die Unterschrift dieser Urkunde, weil es in derselben hieß: jeder verpflichte sich mit Frau und Kindern, bei Strafe des Bannes, dahin zu wirken, daß weder der König noch die Fürsten dem Inhalte derselben irgend zu nahe trätenReg,. Hon. V, 185.. Bald nachher aber entschuldigte sich der Herzog beim Papste und versicherte, er werde gewiß dem Guten nicht hinderlich seyn, welches Friedrich der Kirche erzeigen wolle.

Jetzo einigte sich Friedrich mit den Abgeordneten des Papstes über alle Punkte, und so stand denn nichts mehr seinem Einzuge in RomChron. Cavense 926.  Rich. S. Germ. 992.  Savioli zu 1220.  Giulini 352.  Herm. Altah.  Würdtw. nova subsid. XI, 4. entgegen. Bei ihm waren unter mehren andern, die Erzbischöfe von Mainz und Ravenna, der Patriarch von Aquileja, die Bischöfe von Metz, Passau, Trident, Augsburg und Brixen, der Herzog Ludwig von Baiern und der Pfalzgraf Heinrich. Es erschienen Gesandte aus den meisten Städten Italiens, und aus Apulien die Grafen von Celano, S. Severino und Aquila; Neapel schickte durch einen Bevollmächtigten Pignatelli ein ansehnliches Geschenk zur Bestreitung der KrönungskostenLelli disc. II, 95.  Malespini 113., und sogar die Römer (welche Friedrich zur Einigkeit mit dem 348 {1220} Papste ermahnt, und von denen er sehr höfliche Antwortschreiben erhalten hatte) zeigten sich, gegen ihre Gewohnheit, ruhig und theilnehmendReg. Hon. IV, 681, 693, verglichen mit Alberic. 508.  App. ad Malat. zu 1220.. Und so wurden denn der König und die Königinn, nach des Papstes eigenem Ausdruck, unter unbeschreiblichem Jubelcum inextimabili alacritate.  Reg. Hon. V, 62, 260. am 22sten November 1220 in der Peterskirche gekrönt. Doch sollten die seit Jahrhunderten fast immer bei den Kaiserkrönungen eintretenden Ungebührlichkeiten auch diesmal nicht ganz fehlen, und beim Mangel größerer Ursachen wirkten kleine Veranlassungen.

Der florentinische Abgesandte aß an jenem festlichen Tage bei einem Kardinal, und erhielt von ihm einen schönen Hund zum Geschenke. Am folgenden Tage wurde der pisanische Gesandte zu Tische gebeten, lobte den Hund nicht weniger, und des frühern Versprechens wahrscheinlich uneingedenk, schenkte ihn der Kardinal itzt zum zweiten Male an den Pisaner. Der florentinische Gesandte schickte aber zuerst und erhielt den Hund; wogegen der Bote des pisanischen Gesandten abgewiesen wurde, was diesem, der den wahren Zusammenhang nicht wußte, beleidigend erschien. Beide Gesandte begegneten sich auf der Straße; es kam zu Erklärungen und Vorwürfen, und die der Zahl nach schwächern Florentiner wurden gehöhnt und beschimpft. Hierauf versammelten diese ihre in Rom gegenwärtigen Landsleute und nahmen so ungebührlich harte Rache an ihren Gegnern, daß man in Pisa Beschlag auf alle florentinische Waaren legte und deren Verabfolgung unter dem Vorwande ablehnte, daß sie bereits veräußert wären. Die Florentiner baten jetzo: Pisa möge, um der Herstellung ihrer Ehre willen, wenigstens scheinbar einige Waaren, wenn auch geringern Werthes, aushändigen; ja man wolle sogar die Bürger Pisas dafür aus öffentlichem Schatz 349 {1220} entschädigen. Pisa, stolz auf seine Land- und See-Herrschaft, verwarf diese billigen Vorschläge, und so entstand aus jener geringen Veranlassung ein so blutiger Krieg und so unzähliges Übel, daß Villani sagt: man möchte glauben, der Teufel habe es in Gestalt eines Hundes veranlaßtMalespini 113.  Villani VI, 2..

An dem Krönungstage Friedrichs wurden die neuen und wichtigen Verträge bekannt gemacht, welche zwischen ihm und dem Papste waren abgeschlossen worden und nach den heitern Ansichten der meisten, der Welt einen langen Frieden versprachen, nach der Meinung Besorgterer hingegen, unvertilgbare Keime schwerer Mißhelligkeiten in sich schlossen.

Der Kaiser nahm noch einmal das Kreuz aus den Händen des Kardinals HugolinusReg. Hon. V, 234.  Rich. S. Germ. 692.  Guil. Tyr. 691., versprach im März des nächsten Jahres einen Theil seines Heers voranzuschicken und schwur einen feierlichen Eid, im Monat August selbst nachzufolgen. Er bestätigte die Rechte des Papstes auf alle Landschaften von Radikofani bis Ceperano, auf das Herzogthum Spoleto und die Markgrafschaft Ankona. Er entband alle Inhaber mathildischer Güter von den ihm geleisteten Eiden, befahl, daß weder Laien noch Geistliche noch Städte daselbst Obrigkeiten ernennen, und die etwa bereits Angestellten zurückberufen sollten. Einige, welche die Aushändigung solcher Güter an den Kanzler Konrad, zur weitern Übergabe an den Papst, verweigerten, wurden sogar geächtetDiese Maaßregeln wegen der mathildischen Güter, wurden schon im September 1220 ergriffen. Dumont I, 161. Urk. 300.  Lünig Reichsarch., Th. XXI, 170. Urk. 13.  Maffei ann. di Mantua 566.  Murat. antiq. Ital. I, 178; VI, 85.  Würdtw. nova subsid. I, 50..

Noch wichtiger und für alle seine Reiche verbindlich waren einige andere Gesetze Friedrichs über die Freiheiten 350 {1220} der Geistlichen, die Ketzer, das Strandrecht, die Behandlung der Pilger und der LandleuteConstit. Frid. II im Corp. juris, tit. I.  Bullar. Rom. I, 63.  Lünig Reichsarchiv. Th. XV.  Spic. eccl. Urk. 80, 84.  Baluzii misc. I, 441.  Ried cod. diplom. I, Urk. 351.  Pipin II, 38.. Im ersten Gesetze, die Geistlichen betreffend, heißt es: alle Gesetze und Gewohnheiten, welche Städte, Gemeinden, Obrigkeiten u. s. w. gegen die Freiheiten der Kirchen, der Geistlichen und gegen kirchliche und kaiserliche Gesetze erlassen oder üben, sind nichtig und aufgehoben. In der Zukunft ziehen ähnliche Übertretungen den Verlust der Gerichtsbarkeit und schwere Geldstrafen nach sich. Die Urheber, die Mitrathenden, die Schreiber, die nach denselben Recht Sprechenden sind durch die That selbst ehrlos und verlieren ihre Güter, wenn sie ein Jahr lang in Ungehorsam verharren. Niemand soll den Geistlichen, Kirchen, milden Stiftungen u. s. w. Steuern auflegen, oder sie auf irgend eine Weise belästigen. Wer deshalb von der kirchlichen oder weltlichen Macht zur Genugthuung aufgefordert wird und sie nicht sogleich leistet, erlegt den dreifachen Werth des Erpreßten und verfällt in die vor gebührender Genugthuung nicht aufzuhebende Acht. Überhaupt wird jeder geächtet, der wegen Beeinträchtigung von Kirchenfreiheiten in den Bann geräth und sich binnen Jahresfrist nicht herauszieht. Wer einen Geistlichen vor einem weltlichen Gerichte verklagt, verliert seine Anrechte, und die Behörde, welche die Klage annimmt, verliert ihre Gerichtsbarkeit. Dasselbe geschieht, wenn ein Richter sich dreimal weigert, einem Geistlichen zu seinem Rechte zu verhelfen.

Das zweite Gesetz über die Ketzer stimmte in allem wesentlichen mit dem überein, was schon Innocenz III angeordnet und Otto IV bestätigt hatteDies Gesetz wurde 1224 erneut und geschärft.  Raynald zu 1231, §. 18–19. Wenigstens findet sich in den Regest. Greg. IX, Jahr IV, S. 396 ein Schreiben Friedrichs an den Erzbischof von Magdeburg als kaiserlichen Legaten in der Lombardei: er solle überwiesene Ketzer verbrennen lassen. – Innoc. epist. X, 130.  Gesta 80.  Über Otto IV siehe Mur. antiq. Ital. V, 89.. Es lautete dahin: die Katharer, Patarener, Leonisten, Speronisten, Arnaldisten 351 {1220} und alle andern Ketzer, wie sie auch heißen mögen, sind ehrlos und geächtet. Ihre Güter werden eingezogen und selbst ihren Kindern nicht zurückgegeben, da Beleidigungen des himmlischen Herrn eine schwerere Strafe verdienen, als Beleidigungen des weltlichen Herrn. Wenn sich die der Ketzerei Verdächtigen nicht binnen Jahresfrist vom Verdachte reinigen, so werden sie wie Ketzer behandelt. Jede obrigkeitliche Person muß vor dem Antritte ihres Amtes schwören, auf die Reinheit der Glaubenslehre zu halten und alle von der Kirche bezeichnete Ketzer nach Kräften zu vertilgen. Reinigt ein weltlicher Herr, ungeachtet kirchlicher Aufforderungen, sein Land nicht von den Freveln der Ketzerei, so sollen die Rechtgläubigen dies Geschäft übernehmen und seine Güter empfangen, sofern nicht Rechte eines unschuldigen Oberlehnsherrn vorhanden und zu beachten sind. Hehler, Vertheidiger, Beschützer von Ketzern gerathen in Bann und Acht, und sind, sofern sie sich binnen Jahresfrist nicht auslösen, ehrlos und rechtlos; sie können mithin weder öffentliche Ämter bekommen, noch erben, noch Recht erhalten, noch Zeugniß ablegen u. s. w.

Nach einer dritten an dem Krönungstage Friedrichs erlassenen VorschriftReg. Hon. V, 483. ward ferner das Strandrecht (nur nicht gegen Seeräuber und ungläubige Feinde) gänzlich aufgehoben und jedem Übertreter, neben dem Verluste seiner Güter auch noch eine außerordentliche, vom Kaiser festzusetzende Strafe angedroht.

Um, viertens, den Mißbräuchen, welche zeither gegen Pilger geübt wurden, vorzubeugen, ergingen folgende Bestimmungen: man soll die Pilger überall milde aufnehmen und sie, im Fall eintretender Krankheit, nicht hindern ein 352 {1220} Testament zu machen. Wenn sie ohne letztwillige Verordnung sterben, so kommen ihre Güter nicht an den, welcher sie zuletzt beherbergte; sondern, durch Vermittelung des Bischofs, an ihre nächsten Erben, oder, wenn diese fehlen, an milde Stiftungen. Nimmt der Beherbergende ungeachtet dieser Bestimmung etwas von den Gütern des Pilgers, so ist er zu dreifachem Ersatze verpflichtet; hindert er ihn ein Testament zu machen, so verliert er für seine Person dies Recht und leidet, im Fall dabei noch andere Unbilden vorgefallen sind, deshalb besondere Strafe.

Endlich bewilligte der Kaiser, fünftens, den Landleuten in ihren Häusern und aus ihren Äckern, für ihre Personen, ihr Ackergeräth und ihr Zugvieh vollkommene Sicherheit; jeder, welcher ihnen dies mit Gewalt nähme, oder sie verhaftete, sollte vierfachen Ersatz geben, durch die That unmittelbar ehrlos seyn, und noch mit anderweiten außerordentlichen Strafen belegt werden.

Jene ersten Gesetze über die Geistlichen und die Ketzer, damals als die nothwendigsten, wichtigsten, heilbringendsten, mit voller Überzeugung betrieben und vorangestellt, sind in spätern Zeiten als Irrthümer und Frevel betrachtet worden; während die letzten, minder hervorgehobenen und fast nur beiläufig angehängten Bestimmungen, wegen ihrer einfachen Natürlichkeit und Gemeinnützigkeit, steten Beifall verdienen und erhalten. So erscheint oft das, was ein Geschlecht mit dem höchsten Eifer ergreift und mit der höchsten Begeisterung verfolgt, den Nachkommen ein gleichgültiger, oder widerwärtiger, oder verspotteter Gegenstand!

Jene Gesetze wurden überall bekannt gemacht, den Städten anbefohlen, sie in ihre Rechtssammlungen aufzunehmen, und den Lehrern in Bologna, sie zu erläutern. Ja der Papst hielt sie, die Ansicht von der allgemeinen Oberleitung des Kaisers diesmal nicht bei Seite setzend, wohl für verbindlich in allen christlichen Reichen; wenigstens schrieb er dem Könige von Portugal: er solle und dürfe um so weniger die Geistlichen und Kirchen besteuern und bedrücken, 353 {1220} da Friedrich die eben mitgetheilten Gesetze darüber erlassen habeReg. Hon. V, 301, 305..

Nach seiner Krönung hielt sich der Kaiser noch einige Tage in Rom auf, ernannte am 27sten November im Lager von Sutri den Kanzler Konrad zu seinem Stellvertreter im nördlichen und mittlern Italien mit der ausgedehntesten VollmachtMittarelli ann. IV, 412. Die Appellation an Friedrich war nicht einmal gestattet; doch dauerten diese Vollmachten wohl nur sehr kurze Zeit. – Im September 1220 ward Eberhard von Lutra von Friedrich zum Bevollmächtigten in Tuscien ernannt. Camici zu 1220. Urk. VI, 29., und brach dann auf gen Neapel. Daß während dieses Zuges einige Mißverständnisse zwischen ihm und dem Papste entstanden, geht aus einem Schreiben des letztenReg. Hon. V, 228, 232.  Würdtw. nova subsid. I, 45. vom 11ten December 1220 hervor, worin es heißt:

»Wir glauben nicht, daß je ein römischer Papst einen Kaiser aufrichtiger liebte, als wir dich lieben; daher möge kein unbedeutender Grund dies Verhältniß stören. Hat es unterwegs etwa an Nahrung für Menschen und Vieh gefehlt, so ist dies nicht unsere Schuld: denn wir haben nach allen Gegenden hin die bestimmtesten Befehle ergehen lassen, daß jeder willig und ohne anmaaßliche Weigerung das Nöthige darreiche. Doch müssen wir bemerken: erstens, sollen laut des ausdrücklichen Vertrages, innerhalb des ganzen Kirchenstaats nicht kaiserliche, sondern päpstliche Beauftragte die Beitreibung besorgen. Zweitens, leisten die Landschaften Maritima und Campania gesetzlich keine Verpflegung, da sie weder auf dem Hinzuge zur Kaiserkrönung, noch auf dem Rückzuge berührt werden. Wenn Kaiser auf ihrem Wege nach Apulien dennoch die Verpflegung daselbst beitrieben, so geschah dies keineswegs mit Recht, sondern durch Gewalt. Nicht also weil wir dazu verpflichtet sind, sondern um dir unsere besondere Gunst zu zeigen, haben wir einem Kardinal aufgetragen, dafür zu sorgen, daß auch 354 {1220} in jenen Gegenden das Erforderliche in hinreichender Menge geliefert werde.«

Durch diesen, in der Sache nachgebenden und doch das Recht wahrenden päpstlichen Beschluß wurden alle weitere Unannehmlichkeiten für jetzt abgeschnitten, und Friedrich betrat schon am 15ten December sein mütterliches Reich, nach den Worten des Papstes: »in Frieden und Freuden«In pace et gaudio. Vielleicht geschah dies noch einige Tage früher, denn der Brief (V, 260) ist vom 15ten December 1220..

Beide Theile, Kaiser und Papst waren jetzt einig und zufrieden. Honorius hatte alle seine Wünsche über den Umfang des Kirchenstaates, den Kreuzzug und die Rechte der Geistlichen erreicht. Der Kaiser hingegen sah in der letzten Verwilligung nur das Bestätigen alter Ansichten, in dem nochmaligen Empfange des Kreuzes nur wiederholte Anerkenntniß bereits übernommener Pflichten, und die erneute Verzichtleistung auf die mathildischen Güter verlor der Wahrheit nach einen Theil ihrer scheinbaren Wichtigkeit, weil weder Kaiser noch Papst ihre Ansprüche gegen die Inhaber derselben geltend machen konnten. Als bestimmter Gewinn für Friedrich erschien es aber: daß ihn der Papst jetzt als Kaiser und zugleich als König von Sicilien behandelteDer Papst nennt ihn imperatorem et regem Siciliae., und daß über die Wahl Heinrichs zum deutschen Könige kein weiterer Zweifel erhoben wurde. Doch finden wir keine Urkunden, worin über die dauernde Vereinigung des deutschen und apulischen Reiches itzt etwas Entscheidendes wäre festgesetzt worden; wahrscheinlich hielten sich beide Theile insgeheim den Ausweg offen, daß jeder von seinen Bewilligungen zurückgehen könne, sobald der andere mit Erfüllung des Versprochenen zurückbleibe. 355

 


 


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