Friedrich von Raumer
Geschichte der Hohenstaufen und ihrer Zeit, Band 3
Friedrich von Raumer

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Sechstes Buch.

Von der Thronbesteigung Kaiser Heinrichs VI, bis zum Tode Papst Innocenz III.

(Von 1190 bis 1216.)

 

Erstes Hauptstück.

Kaiser Friedrich hatte weder in der ersten Kraft seiner Jugend, noch in reifern Jahren die große Aufgabe vollständig gelöset, Deutschland und Italien als einen wohlgeordneten ruhigen Staat zu beherrschen, oder die Verhältnisse der Völker, Fürsten und Päpste in friedliche Übereinstimmung zu bringen. Wie viel schwerer mußte dies seinem Sohne werden, der erst dreiundzwanzig Jahre zählte, als Friedrich den Zug nach dem Morgenlande antrat. Aber Heinrich war kein Jüngling gewöhnlicher Art. Er stärkte seinen wohlgebauten, obgleich etwas schwachen und schlanken Körper durch Jagd, Vogelfang und ritterliche Übungen; allen Lüsten hingegen war er abhold. Den sorgfältigen Unterricht gewissenhaft benutzend, erlernte er die damals unentbehrliche lateinische SpracheViterb. Panth. 467.  Nicetas Alex. I, 306.  Aquic. auct zu 1197.  Chron. Udalr. Aug. 318.  Oliv. Schol. hist. reg. 1395.  Alberic. 367.  Günther I, 64.  Burigny II, 348. Seine Kapelläne aßen mit an seinem Tische.  Chron. ex libr. Pantal. 32., kannte die bürgerlichen und 4 kirchlichen Gesetze so genau als es sein großer Beruf erforderte, sprach lebhaft und beredt, wußte mit Scharfsinn die Menschen für seine Zwecke auszuwählen, und alle, – selbst Gelehrte und Dichter nicht ausgenommen –, richtig zu würdigen und angemessen zu behandeln. Nur die welche bescheiden baten, mochten sich seiner Milde, nur die welche ihm nützten, besonders die Kriegsleute, seiner Freigebigkeit erfreuen; sonst war er hart gegen Abgeneigte, grausam gegen Widerspenstige, unerbittlich gegen VerrätherGervas. Tilber. 943.  Rigord. 33.  Belg. chron. magn. 225., geldgierig überall: so bei der Besetzung von Bisthümern, bei der Besiegung von Feinden, bei der Behandlung König Richards von England. Aber Milde wie Grausamkeit, Freigebigkeit wie Habsucht, erhalten bei Heinrich VI eine eigenthümliche Bedeutung, da er sie nie bewußtlos, nie aus kleinen Rücksichten oder zu kleinen Zwecken übte; sondern dem in allen Geschäften Regelmäßigen, überaus Thätigen, trat jegliches in unmittelbare Beziehung zu seinen großartigen PlanenFreiburger Chron. bei Königsh. Elsaßer Chron. p. 6. vir summae felicitatis et prudentiae. Reineri chron. zu 1197.. Mögen diese aber auch noch umfassender und geistreicher gewesen seyn, als die Kaiser Friedrichs I, so bleibt doch der Sohn darin weit hinter dem Vater zurück, daß er auch schlechte, gemeine Mittel nicht verschmähte, und an die Stelle edler Festigkeit eine grausame Folgerichtigkeit des Verstandes, an die Stelle freier Kühnheit des Gemüthes frühzeitig eine krampfhafte Leidenschaftlichkeit eintrat, welche nicht selten die Schranken schlauberechneter Selbstbeherrschung durchbrach.

Schon im achtzehnten Lebensjahre wirkte Heinrich mit kluger Voraussicht für den konstanzer Frieden, benahm sich geschickt bei dem Streite des Erzbischofs Philipp von Köln und des Abtes von Fulda auf dem Reichstage in MainzIm Jahre 1184. Band II, S. 283., verfuhr dagegen streng, als Philipp gefangene augsburger 5 Kaufleute nicht frei lassen, und als die trierschen Domherrn den zwiespaltig erwählten, aber von Kaiser Friedrich belehnten Rudolf nicht als Erzbischof anerkennen wollten. Am härtesten endlich zeigte er sich gegen einen lombardischen Bischof, welcher das Recht des Kaisers, die Bischöfe zu belehnen, ableugnete. Er ward auf Heinrichs Befehl mit Schlägen gezüchtigtRegistr. Imperii 29. und vielleicht noch auf andere Weise gemißhandelt. – Ungeachtet einzelner Thatsachen und Anmaaßungen solcher Art, blieb das höchste Ansehn und die höchste Gewalt bei FriedrichDoch befragte der Kaiser seinen Sohn über viele wichtige Dinge und er hatte großen Einfluß.  Gisleb. mont. chr. 383., so lange er im Abendlande verweilte; nachher wurden die Verhältnisse schon um deswillen schwieriger, weil sich nicht mehr einer von beiden Herrschern in Italien, und der andere in Deutschland aufhalten konnte. König Heinrich war bereits im Winter des Jahres 1187 aus jenem Lande zurückgekehrt, um seinem Vater bei den Vorkehrungen zum Kreuzzuge thätige Hülfe zu leisten, und noch mehr Gründe hielten ihn nach dessen Entfernung in Deutschland fest. Zunächst eine unnatürliche, in Meißen ausgebrochene Fehde.

Markgraf Otto setzte nämlich seinen erstgebornen Sohn Albert zum Erben von Meißen ein, und stattete den zweiten, Dietrich, hinreichend mit Gütern aus. Hedwig, die Mutter beider, eine Tochter Albrecht des Bären, glaubte aber, daß ihrem jüngern geliebteren Sohne Unrecht geschehen sey, und brachte es dahin, daß ihr Gemahl sein Testament änderte. Hierüber gerieth Albert in so ungemäßigten Zorn, daß er seinen Vater bekriegte, {1189} gefangen nahm und in dem Schlosse Dewin einsperrteDas Umständliche und die Beweisstellen in Weißes Geschichte von Sachsen.. Schon Friedrich I hatte ihm, bei Verlust kaiserlicher Gnade, anbefohlen, seinen Vater auf freien Fuß zu stellen, und diesen ermahnt, 6 des Sohnes Fehltritt zu verzeihen. Allein des Kaisers Weisung wurde von den Theilnehmern nicht gebührend befolgt, und erst als die Böhmen unter ihrem Herzoge zum zweiten Male das Land bis Meißen verwüsteten, wurden jene Erzürnten milder und fügten sich den vermittelnden Vorschlägen König HeinrichsIm Jahre 1189 fanden nach Godofr. mon. noch mehre Fehden statt, z. B. zwischen Herzog Heinrich von Brabant und dem Grafen von Lo..

Schon wollte dieser itzt seine Blicke nach den südlichern Gegenden richten, als sich in Norddeutschland für ihn neue Gefahren entwickelten. Im Herbste des Jahres 1189 erscholl die Kunde, der älteste Sohn Heinrichs des Löwen sey aus England zurückgekehrt; ja bald nachher vernahm man, der alte kühne Herzog sey selbst in Deutschland wieder angekommen. Die Entfernung des Kaisers mit dem größten Theile der Reichsmannen, die beistimmende Aufmunterung seines Schwagers des Königs von England und seines Schwiegersohns des Königs Kanut von Dänemark, die alte Anhänglichkeit vieler seiner Unterthanen und der unaustilgbare Groll über seine Erniedrigung, reizten den Herzog, diesen günstigen Augenblick zur Herstellung seiner Macht zu benutzen; und der wohl nicht ganz ersonnene Umstand, daß für die ihm gebliebenen Besitzungen der Friede nicht gehalten seyGerhard 431 u. Stederburg. chr. 361, zwei welfisch Gesinnte, sprechen im allgemeinen von nicht gehaltenem Frieden; aber die einzelnen Beweise fehlen, und immer ist der Weg Rechtens dagegen nicht versucht worden. Venit contra sacramentum, sagt selbst der ihm geneigte Bened. Petrob. 569., sollte den lauten Vorwurf der Eidbrüchigkeit von ihm abwälzen und seinen Feinden zuschieben. Erzbischof Hartwich von Bremen, unter den Ständen jener Gegend einer der mächtigsten, erklärte sich unerwartet für den Herzog: denn ob ihm gleich Friedrich I die Grafschaft Stade überlassen hatteLünig Reichsarchiv Spic. eccl. v. Bremen, Urk. 75., so verlor dieser Gewinn doch um 7 {1189} neuer Beschränkungen und neuer Hoffnungen willen, seine frühere Wichtigkeit. Auch die Holsteiner, Polaber und Stormarn, die Grafen Bernhard von Ratzeburg, Helmold von Schwerin, Bernhard von Wölpe und andere Edle traten, theils aus eigenem Triebe, theils durch Versprechungen angelockt, auf die Seite Heinrichs des Löwen. Hamburg, Plön und Itzehöe gedachten keines Widerstandes, und Graf Adolf von Dassel, der für seinen auf dem Kreuzzuge abwesenden Vater Adolf von Holstein das Land verwaltete, mußte mit den seinen nach Lübeck entweichen, nachdem er, von allen übrigen Orten, nur Siegberg befestigt und Bardewick zu muthiger Vertheidigung aufgefordert hatte. Herzog Heinrich ließ sogleich jene Burg durch die Holsteiner insoweit einschließen, daß kein schädlicher Ausfall gewagt werden konnte, und wandte sich mit seiner Hauptmacht gegen Bardewick. Dessen Bürger weigerten sich nicht allein beharrlich den Herzog aufzunehmen, sondern einige sollen ihn auch aufs neue von den Mauern herab beschimpft habenSie zeigten ihm den Hintern.  Bardew. Meib. 63.  Corner 791.  Godesch. histor. 870.  Arnold. Lub. IV, 1.  Heinric. de primord.  Lubec. c. 10.  Bardev. chron. fragm. 217.  Westphalen monum. II, 1280. Es steht nicht ganz fest, ob neue Beschimpfungen eintraten, oder Heinrich nur die rächte, welche die Bürger ihm bei seinem Abzuge nach England anthaten. Hamburg und Lübeck zogen Vortheil aus Bardewicks Zerstörung.. Aber schon am dritten Tage, am 28sten Oktober 1189, traf die Strafe nicht allein die Schuldigen, sondern alle ohne Unterschied. Die Stadt ward erstürmt, die Männer getödtet, die Weiber und Kinder versetzt, die Mauern niedergerissen, die Gräben zugeschüttet, das Kirchengut nach Ratzeburg gebracht, alles andere geplündert, die Stadt angesteckt und ganz niedergebrannt. So verfuhr Heinrich der Löwe mit Bardewick, und darüber erschrocken öffnete ihm Lübeck ohne Widerstand die Thore, nachdem er alle Rechte und Freiheiten der Bürger bestätigt und dem Grafen von Dassel nebst dessen Anverwandten für ihre 8 {1189} Personen und Güter freien Abzug bewilligt hatte. Auch Lauenburg, die Feste Herzog Bernhards, wurde von Heinrich dem Löwen erobert, während sein Sohn Braunschweig befestigte und für den Fall eines Angriffs mit allem Nöthigen versorgte.

Ein solcher Angriff war auch unausbleiblich: denn sobald König Heinrich von diesen Ereignissen Nachricht erhielt, versammelte er die Stände des Reichs zuerst in Merseburg, dann in GoslarDen 16ten Oktober in Merseburg, um Martini in Goslar.. In des Herzogs Rückkehr sah er eine Verachtung seiner Jugend und seiner Würde, und einen Bruch des geleisteten Eides; die Fürsten hielten die Klagen Herzog Bernhards für begründeter, als die unerwiesenen Beschwerden seines Gegners:– und so beschloß man Heinrich den Löwen unverzüglich zu befehden. Hannover wurde bei dieser Veranlassung zwar verbranntLüneb. chron. Leibnitz 174.  Pegav. chron. cont.  Bosov. annal.  Stederburg. chron. 891.  Lerbeke 507.  Wolter 55., zur Vergeltung, daß der Herzog des Reiches Stadt, Bardewick, grausam zerstört habe; Braunschweig aber widerstand beharrlich, bis das königliche Heer wegen der heftigen Kälte des Winters umkehren und sich auflösen mußte. – Das, auf Sieg und Strafe gerichtete Gemüth König Heinrichs würde hiedurch nicht zur Nachgiebigkeit, sondern zu den größten Kriegsanstrengungen aufgereizt worden seyn; wenn nicht um dieselbe Zeit ein unerwartetes Ereigniß alle seine Thätigkeit für ganz andere Gegenden in Anspruch genommen hätte.

König Wilhelm II von Neapel und Sicilien, war nämlich am ersten November 1189 in seinen besten Jahren kinderlos gestorben, und die zeither entfernte Hoffnung, diese schönsten Länder von Europa als Erbtheil Konstanzens in Besitz zu nehmen, stand plötzlich in allem Glanze erreichbarer Wirklichkeit vor den Augen des kühnen, ruhmbegierigen Königs. Sein war die Herrschaft vom Ätna bis zur 9 {1189} Eider, eingeschlossen der abgeneigte Papst in hohenstaufische Reiche, neu eröffnet die alten normannischen Aussichten auf Griechenland, ja über Griechenland hinweg nach Syrien, nach Afrika, nach Ägypten! Alle bisherige Zwecke, alle bisherige Fehden verloren gegen diese Plane und Hoffnungen ihre Bedeutung; und jene zu beseitigen, um für diese Raum und Kraft zu gewinnen, war der erste und nächste Gegenstand der Bemühungen König Heinrichs. – Nur zwei Männer konnten ihm in Deutschland gefährlich werden: Philipp von Köln und Heinrich der Löwe. Jener kluge, ruhmbegierige, kriegerische Erzbischof, sehr lange ein um Geistlichkeit und Kirchen sich wenig kümmernder Anhänger des Kaisers, dann sein Gegner, war endlich im Jahre 1188 durch den päpstlichen Gesandten mit Friedrich ausgesöhnt wordenChron. mont. ser.  Chronogr. Saxo.  Colon. episc. catal. 393.. Doch geschah dies wohl mehr, damit er den Schein einer Verhinderung des heiligen Kreuzzuges abwende, als aus innerer Einigkeit; auch dauerte die Spannung mit König Heinrich fort, und wenn der Erzbischof zu seinen großen Besitzungen noch für mehr als 40,000 Mark Güter kaufte, so schien dies seine Unabhängigkeit zu bezwecken, wie zu beweisen. Auf dem neuen Reichstage in Nürnberg, zu Pfingsten 1190, gewann aber der König den Erzbischof ganz für seine Plane, indem er ihn so zart als ehrenvoll behandelte, von aller Schuld freisprach, ihm einige Zölle und Münzstätten verliehTelonia quaedam et monetas concessit.  Godofr. monach. zu 1190. und verpfändete Güter zurückgab.

Nicht weniger gelang es dem Könige, die Fehde gegen Heinrich den Löwen zu beenden: denn die vergebliche Umlagerung Braunschweigs und die Hoffnung, des Königs Macht werde nunmehr stets in anderen Ländern beschäftigt bleiben, hatte zwar einerseits den Muth der Welfen erhöht, andererseits aber konnte der Herzog Siegberg nicht erobern, 10 {1190} und war durch die Holsteiner, welche ihren Abfall von Adolf zum Theil bereuten, sogar geschlagen wordenCorner 792.  Arnold. Lubec. IV, 3.. Deshalb schien es ihm nicht rathsam, die Vermittelung des Erzbischofs Konrad von Mainz, und seines ehemaligen Gegners Philipp von Köln abzulehnen, durch deren Hülfe in Fulda ein Vertrag mit Heinrich VI zu Stande kam, des Inhalts: der Herzog wird zu Gnaden angenommen und erhält die Hälfte Lübecks vom Könige als Geschenk, die andere Hälfte nebst dem dazu gehörigen Lande, verbleibt dem Grafen Adolf von Holstein. Die Mauern Braunschweigs werden an vier Stellen eingerissen, Lauenburg geschleift und zwei Söhne des Herzogs, Lothar und Heinrich, dem Könige als Geißeln übergeben. An Erzbischof Hartwich erging für seinen Abfall der königliche Befehl, das Land zu räumen, und da auch die Bürger von Bremen feindlich gegen ihn verfuhren, so mußte er gehorchen.

Jetzt schienen alle Hindernisse des italienischen Zuges beseitigt, da entstand eine neue Zögerung: denn Landgraf Ludwig der Fromme von Thüringen war vor Akkon kinderlos gestorben, und dem Könige entstand zunächst der Gedanke, sein Land für sich in Besitz zu nehmen; dann aber schien es ihm, bei näherer Überlegung, gerathener, den Bruder des Verstorbenen Hermann, vielleicht gegen andere vortheilhafte Bedingungen, damit zu belehnenGodofr. monach. zu 1190.. Kaum war nun auch diese Angelegenheit vermittelt, so traf die Botschaft ein: Kaiser Friedrich I sey auf seinem Siegeszuge jämmerlich ertrunken1190 im November hatte man Friedrichs Tod erfahren.  Rüchat. XIII, 1.  Überall wurden große Todtenfeiern gehalten, z. B. in Pistoja.  Salvi I, 107.; und die Gefühle des wahren Schmerzes, die Vorkehrungen zu anständiger Trauer und die bei solchem Thronwechsel unausbleiblich nothwendigen Maaßregeln, veranlaßten auf gleiche Weise neuen Aufenthalt; 11 {1190} währenddessen die Feinde König Heinrichs in Apulien und Sicilien jeden Augenblick zu seinem Nachtheile benutzten.

Der Tod König Wilhelms erregte dort die allgemeinste Betrübniß, und wenn auch seine Person und seine Regierung minder vortrefflich gewesen wäre, so würde doch beides durch die Vergleichung mit den frühern und spätern Zeiten glänzend heraustreten. Denn kaum war der erste Schmerz bezwungen, so richtete jeder seinen Blick auf die ungewisse Zukunft, und die entgegengesetztesten Ansichten entwickelten sich mit gefährlicher Heftigkeit. Zuerst brach in Palermo eine Fehde aus zwischen den Christen und den fast gleich begünstigten Saracenenal Khattib chron. in Gregorii coll. 179.  Cassin. mon.  Alberic. 384.; wobei diese zwar anfangs unterlagen, dann aber in die Berge flohen und von da aus den Krieg fortsetzten. Der hohe Adel ferner glaubte, dieser Zeitpunkt sey günstig, volle Unabhängigkeit zu erstreiten und eine Baronenherrschaft an die Stelle königlicher Oberleitung einzuführen. So verschieden und mannigfaltig sich aber auch die Hoffnungen und Bestrebungen im einzelnen gestalten mochten, in der letzten Frage mußte doch jeder für, oder gegen König Heinrich auftreten. – An der Spitze seiner Vertheidiger stand der Erzbischof Walter Ophamille von Palermo, an der Spitze seiner Gegner der Reichskanzler Mathäus von Salerno. Dieser hatte früher den Erzbischof dadurch sehr beleidigt, daß er für die Errichtung des Erzbisthums Monreale wirkteDenina XI, 166., welches den Sprengel von Palermo beschränkte: wogegen die Heirath Heinrichs und Konstanzens von jenem, wider die Wünsche des Kanzlers, war betrieben worden. Jetzt behauptete der Erzbischof Walter: die päpstlichen Belehnungen über Apulien und Sicilien gehn auf alle Erben, und schließen also die weibliche Linie beim Mangel männlicher Nachkommen keineswegs aus. Dem gemäß hat nicht allein König Wilhelm das Erbrecht 12 {1190} Konstanzens und Heinrichs anerkannt, sondern die Prälaten und Barone haben es auch auf der Reichsversammlung in Troja beschworenBromton 1167.  Pirri Sicilia I, 114, 699.: mithin kann, ohne Übertretung der Gesetze, ohne Eidesbruch, gar nicht davon die Rede seyn dem Hohenstaufen den Gehorsam zu verweigern, oder irgend einen andern an seine Stelle zu setzen.

Daß man nun ohne die Aufstellung eines bestimmten andern unmöglich Heinrichs Rechte widerlegen und seine Macht bezwingen könne, sah der Kanzler Mathäus sehr wohl ein, und richtete deshalb seine Blicke auf Tankred den Grafen von Lecce, über dessen Herkunft und frühere Schicksale folgendes berichtet wird. König Roger schickte seinen erstgebornen Sohn gleiches Namens zum Grafen Robert von Lecce, damit er an dessen Lehnshofe zu ritterlichen und andern Tugenden gebildet werde. Hier verliebte sich aber Roger in die Tochter des Grafen, Sibylla, und zeugte mit ihr zwei Söhne Tankred und Wilhelm. Als König Roger nicht allein dies erfuhr, sondern auch daß sein Sohn bloßen Ergötzungen zu sehr nachhinge und, durch unersättliche Liebeswuth fortgerissen, bald an der Auszehrung erliegen werdeNimio usu venereo factus est Ethicus.  Dandolo 311.; so erzürnte er aufs heftigste, berief den Prinzen zurück, und wollte den Grafen Robert mit seiner ganzen Familie vertilgen: denn in ihnen sah er die Urheber des Geschehenen und die Verführer seines hoffnungsvollen Sohnes. Dieser bekannte seine Schuld und ertrug anfangs geduldig des Vaters Vorwürfe; dann aber schilderte er seine Liebe mit glühenden Farben und flehte um die Erlaubniß zur Heirath mit Sibyllen, damit seine Kinder dereinst nicht für unächt gölten. Hiedurch und durch den Anblick des hinschmachtenden Sohnes gerührt, sandte König Roger den Ritter Vintimiglia nach Lecce, auf daß die Ehe mit Sibyllen durch Bevollmächtigte vollzogen werde. Allein ehe Vintimiglia hinkam, starb Prinz Roger in MessinaSo erzählt Infantino 194 und mehre Schriftsteller. Doch bleibts zweifelhaft, ob König Roger in die Heirath willigte, gewiß ists, daß sie nicht vollzogen wurde. Sonst hatte König Roger sich wohl ähnliche Liebesvergehn zu Schulden kommen lassen, und war deshalb vielleicht milder, als gewöhnlich. Der Prinz starb, nach Infantino, am 2ten Mai 1152, nach Romuald. Salern. hingegen, schon 1149. Vergl. Inveges annal. 253., 13 {1190} und nun wurde der Zorn und der Schmerz von neuem so mächtig im Könige, daß er, uneingedenk des angeblich seinem Sohne ertheilten Versprechens, den Grafen von Lecce zwang mit seiner Familie nach Griechenland zu entfliehen. Die beiden Söhne des Prinzen wurden dagegen nach Palermo gebracht und bald in leidlicher, bald (wie zur Zeit des Admiral Majo) in strenger Haft gehalten, bis der eine, Wilhelm, starb und der zweite, Tankred, bei dem Aufstande des Bonellus frei ward. Er gesellte sich zu den Feinden König Wilhelms I, mußte aber, als dieser die Oberhand gewann, nach Griechenland entweichen, und lebte lange mit seiner Mutter in AthenHugo Falcand. 285, 290, 295.. Nach der Thronbesteigung Wilhelms II erhielt er die Erlaubniß in sein Vaterland zurückzukehrenNach Ebulo 87, kehrte Tankred 1166 zurück., ward allmählich Graf von Lecce, Kronfeldherr, Oberrichter, und im Jahre 1185 Flottenführer gegen die Griechen. Auch verdiente Tankred diese Auszeichnungen: sein Körper war nicht groß und stark, aber schöne Augen und eine gebogene Nase gaben seinem Gesichte bedeutenden Ausdruck. Noch mehr werden seine geistigen Anlagen gepriesen, seine Tapferkeit, Klugheit und Gewandtheit, seine Liebe für Künste und Wissenschaften, seine Kenntniß der Tonkunst, Größenlehre und SternkundePagi zu 1189, c. 10.  Giannet. I, 320.  Denina XI, 168.  Signorelli II, 269..

Als sich nun die Barone des Reichs zur Entscheidung der öffentlichen Angelegenheiten in Palermo eingefunden hatten, legte der Kanzler Mathäus, den man als einen 14 {1190} besonders über die sicilischen Verhältnisse wohl unterrichteten Mann kannte, seine Ansichten folgendergestalt dar: »wir haben einen König verloren, unter dessen Regierung sich das Reich im Innern der Ordnung und des Wohlstandes, und gegen das Ausland derjenigen Achtung erfreute, ohne welche für jenes die Bürgschaft fehlt. In dem Maaße aber als wir die Vorzüge der nächsten Vergangenheit tiefer erkennen, wachsen unsre Besorgnisse in Hinsicht der Zukunft. Was steht uns bevor? Soll ein fremdes Volk, in Italien nur bekannt durch seine Rohheit und seine Verwüstungen, künftig auch an uns seinen Übermuth üben? Kann ein fremder Herrscher, der schon in den Jahren der Jugend keine Milde kennt und kein Gesetz außer seinem Willen, bei dem unvermeidlichen Zusammenstoßen verschiedener Ansichten, unsere Einrichtungen, unsere Sitten und unsere Sprache erhalten und in Schutz nehmen? Anstatt ausschließend für uns und unsere Zwecke zu leben, wie die normannischen Könige, wird er anderweitigen Planen in fernen Gegenden nachhängen, uns zurücksetzen und der Zuchtruthe hergesandter Befehlshaber unterordnen. Wir werden fechten, wir werden zahlen: aber nicht für unser Vaterland, nicht für unsere Weiber und Kinder, sondern für fremde Tyrannen. O der Thorheit, welche behauptet, zu solcher Sklaverei, zu solcher Vernichtung hätten wir uns durch einen Eid unablöslich verpflichtet: – durch einen Eid, den einige arglistig betrieben und die meisten gedankenlos nachsprachen; durch einen Eid, welchen hohe Geistliche vertheidigen, während dessen Inhalt und Zweck die Freiheit der Kirche untergräbt und die von unsern Königen so lang und mächtig geschützten Päpste preis giebt –; durch einen Eid, geschworen wider das Vaterland! Ja wenn es kein Mittel, keine Rettung gäbe aus diesem Abgrunde! Allein das Mittel liegt so nahe, die Rettung ist gewiß, wenn wir den Grafen Tankred von Lecce zu unserm König erheben! – Er ist aber, wendet man ein, nicht ehelich geboren, er hat kein Erbrecht. – Also das soll entscheiden, daß sein Vater, 15 {1190} der seine Mutter liebte wie je ein ehelich Weib geliebt worden ist, nicht um ein weniges länger lebte! Das soll der zur Herrschaft unfähigen, die Ausländer herbeiführenden Konstanze den Vorzug geben vor einem Manne, gegen dessen Trefflichkeit auch seine Feinde nichts einzuwenden wissen! Er ist der letzte Sprosse desjenigen Königshauses, welches Reich und Volk groß und berühmt gemacht hat; und wenn das Erbrecht nicht hinreicht, so steht uns ein Wahlrecht zu, wie es unsere Vorfahren übten, indem sie die Söhne Tankreds von Altaville an ihre Spitze stellten. Reichten aber auch alle diese tiefern Gründe nicht aus, so müßte der nächste entscheiden: Aufruhr wüthet im Lande, und wir bedürfen eines Oberhauptes in diesem, diesem gegenwärtigen Augenblicke.«

Viele Barone theilten des Kanzlers Ansichten und Gefühle; das Volk, welches ihn um seiner Mildthätigkeit willen ehrteGaetani memor. 212. und sich durch keinen Eid für gebunden hielt, sprach sich laut dafür aus, und dem Erzbischofe von Palermo mangelte es an Geschick und Entschlossenheit, um die Anhänger seiner Meinung zu thätigem Widerstande zu vereinen. – So geschah es, daß Boten an Tankred abgingen, um ihn nach Palermo zu berufen und ihm die Krone anzubieten. – Dieser zweifelte lange, was er thun sollte: denn des schwächern urkundlichen Rechtes war er sich wohl bewußtCassin. mon., und fürchtete, da er Heinrichen und Konstanzen ebenfalls geschworen hatte, die göttliche Strafe des Meineides. Zuletzt aber erschien es ihm als Pflicht, sein Vaterland von fremder Herrschaft zu retten, und er glaubte darin, daß sich ihm eine glorreiche Laufbahn ohne eignes sträfliches Zuthun eröffne, auch eine göttliche Fügung erkennen zu dürfen.

Im Januar 1190 wurde Tankred in Palermo unter großen Feierlichkeiten gekröntMartene coll. ampl. II, 1232., und da ihm Klemens III 16 {1190} die päpstliche Belehnung ertheilte, so schienen damit zwar alle innere Zweifel beseitigt zu seyn, nicht aber alle äußere Hindernisse: denn mehre Prälaten und Barone hielten sich ihres Eides nicht für entbunden; andere sahen in der strengen Befolgung des Rechts keineswegs die vom Kanzler dargelegten Gefahren; noch andere fanden sich durch die ergriffenen Maaßregeln für ihre Person beleidigt und zurückgesetzt. Aus diesen und ähnlichen Gründen schickten die Grafen von Andria, Gravina, Molisi und Celano, die Erzbischöfe und Bischöfe von Palermo, Kapua u. s. w. Eilboten an König Heinrich: er möge schnell mit Heeresmacht herbeiziehn und die Räuber seiner Krone bestrafen. Insbesondere zürnte Graf Roger von Andria über Tankreds Erhebung und meinte: »wenn die Wahl an die Stelle der Geburt treten solle, so habe er, als ein von König Wilhelm II in den wichtigsten Geschäften gebrauchter MannEr war in Venedig bei der Aussöhnung Alexanders III und Friedrichs I. und als Kronfeldherr, das nächste Recht zum Throne.« – Bei so drohenden Gefahren blieb Tankred nicht müßig, sondern stärkte seine Anhänger in ihrer Treue durch BelohnungenMathäus der Vicekanzler ward wirklicher Reichskanzler, und sein Sohn Richard erhielt die Grafschaft Ajello., und brachte manche Abgünstige durch freiwilliges Spenden aus den königlichen Schätzen, auf seine Seite. Demnächst zwang er die Saracenen in den Bergen Siciliens Frieden zu halten, zog sich mit großer Geschicklichkeit aus den unerwarteten Verlegenheiten, welche ihm die Ankunft König Richards in Sicilien bereitete, und gewann mit Hülfe seines Schwagers des Grafen von Acerra fast ganz Apulien.

Bei der Botschaft vom Tode König Wilhelms, hatte Heinrich VI wohl schwerlich geglaubt, daß ihm irgend jemand die Besitznahme des apulischen Reiches streitig machen werde; doch schickte er, nach Empfang der ersten besorglichen Nachrichten, um Ostern 1190 den Erzbischof von 17 {1190} Mainz und den Kanzler Diether voraus, um die Lage der Dinge zu erforschen. Weil sich aber beide entzweiten, kehrte jener bald zurück, und dieser berichtete noch im November desselben Jahres, das Reich sey ohne Mühe einzunehmenOmnia captu facilia judicans.  Godofr. monach. zu 1190.. Täuschungen solcher Art, die schon erwähnten Verhältnisse Deutschlands und der Verlust der besten Kriegsmannen durch den Kreuzzug, verzögerten und erschwerten Heinrichs Aufbruch; doch befahl er seinem Statthalter in Tuscien, dem Reichsmarschall Testa, mit einer schnell gesammelten Heeresmacht nach Apulien aufzubrechenTesta lieh im März 1190 vom Bischofe von Volterra 1000 Mark, wofür er ihm, um daraus den Ersatz herzunehmen, manche Reichseinnahmen anwies.  Camici zu 1190, Urk. IV, S. 26.  Lami memorab. I, 343.  Im Mai kam er nach Apulien.  Bened. Petrob. 623..

Vereint mit dem Grafen von Andria eroberte er Korneto, und zerstörte nicht bloß diesen Ort, welcher dem Abte von Venusium, einem Anhänger Tankreds, gehörte; sondern verwüstete auch, so unklug als grausam, das ganze umliegende Land und bestätigte dadurch alle Weissagungen des Kanzlers Mathäus über die Gefahren einer fremden Oberherrschaft. Für jetzt konnte der Graf von Acerra im freien Felde nicht widerstehn, sondern schloß sich in Ariano ein. Als aber bei der Belagerung dieser Stadt während der größten Sommerhitze gefährliche Krankheiten ausbrachen und großer Mangel an Lebensmitteln entstand, mußte Testa nicht allein von Ariano hinwegziehn, sondern im September 1190 sogar das Reich verlassen, und der Graf von Andria hinter den Mauern des festen Askoli Sicherheit suchen. Diese Stadt widerstand so beharrlich als früher Ariano, weshalb Graf Richard von Acerra mit dem Grafen Roger von Andria Verhandlungen wegen einer Aussöhnung anknüpfte und ihn, damit man schneller zum Ziele komme, vermochte in eine persönliche Unterredung zu willigen.

18 {1190} Kaum aber war Roger ohne Mißtrauen aus seiner Feste hervorgegangen, so ließ ihn Richard ergreifen und auf jämmerliche Weise hinrichtenCassin. mon.  Bromton, Aquicinct auctar., app. ad Malaterram, Richard S. Germ. zu 1190.  Chron. fossae novae 877.  Capacelatro I, 190.  Pagi zu 1190, c. 21.. Treulosigkeit, so meinte der Graf von Acerra, sey gerechtfertigt gegen einen Verräther: – als wenn die entscheidende Wahl zwischen staatsrechtlichen Ansichten, welche hier zum mindesten von gleich gewichtigen Gründen unterstützt wurden, ein gemeiner Verrath, und der etwanige Irrthum so strafbar wäre, wie das offenbare Verbrechen! Und hatte man sich nicht durch solchen Vorgang, im Fall des Unglücks, jeder Willkür des strengen Königs Heinrich selbst preis gegeben? Für jetzt gewann Tankred freilich viel durch den Tod seines mächtigsten einheimischen Feindes: denn Kapua übergab sich übereilt im ersten Schrecken, Graf Rainald von Abruzzo und der Abt Roffrid von Montekassino leisteten, obwohl ungern, die Huldigung; den Reichstag zu Thermulä im Frühjahre 1191 störte kein Gegner mehr, und in Brundusium wurde sogar Tankreds zum Mitherrscher angenommener Sohn Roger gekrönt und mit Irenen, der Tochter des Kaisers Isaak, vermählt. Hiedurch war zugleich Tankreds Anrecht auf den Thron von den Griechen anerkannt, und eine Aussicht auf deren Beistand gegen Heinrich VI eröffnet.

Die Nachricht von Testas mißlungenem Einfalle, welche allerdings die Nothwendigkeit größerer Eile zeigte, traf den König Heinrich auf dem Wege nach dem obern Italien. Hier aber fanden sich Gründe und Veranlassung zu neuem Zögern. Anstatt nach dem konstanzer Frieden des Nothwendigsten und Unentbehrlichsten, der innern Einigkeit und Ordnung zu gedenken, bekriegten sichCapreoli 31 zu 1191.  Johann. de mussis.  Sigon. zu 1183.  Alferius zu 1190.  Tiraboschi IV, 4.  Selbst Sigonius sagt am Anfange des 15ten Buchs seiner Hist. Ital.: caedes, latrocinia, ac gravissima quaeque flagitia impune se patrare posse confiderent. in diesen und den nächsten Jahren Brescia und Cremona, Mailand und Bergamo, Parma und Piacenza, Pisa und Venedig, 19 {1190} Ferrara und Mantua, Asti und der Markgraf von Montferrat, Verona und Padua. Seiner Pflicht gemäß, und um freie Kräfte für andre Zwecke zu gewinnen, untersagte König Heinrich, welcher Ende Novembers 1190 Mailand erreichte, jeden Friedensbruch bei einer Strafe von 200 Pfund Goldes und söhnte die kriegenden Städte mit einander ausMalvecius 887.  Zanetti IV, 473.. An Piacenza verpfändete er die Reichsbesitzungen S. Donnino und Bargone für zweitausend PfundPoggiali V, 5.  Affò Storia di Parma III, 97 hat 1000 Pfund.; ein Beweis, daß er damals noch keinen Grund zu einem Schatze gelegt hatte. Den Pisanern und Genuesern versprach er, für zugesicherten Beistand, im voraus große Handelsvortheile im apulischen ReicheLamius delic. IV, 194.  Stella 976.  Jac. a Vorag. chron. Januens. 42.  Pipin. II, 2., und vermehrte die Besitzungen jener mit Monako. Ferrara lösete er im Februar 1191 von einer frühern Acht, gegen das Versprechen, treu zu seyn und nicht in den lombardischen Bund zu tretenCodex epistol. N. 378. p. 1.  Amiani I, 159.  Savioli II, 2, Urk. 298.  Bonon. hist. misc.; Ankona rechtfertigte sich wegen Vertreibung des habsüchtigen Markgrafen Gotibald; Bologna endlich empfing den König ehrenvoll und erhielt für die Übernahme eines jährlichen Zinses, die Bestätigung des Münzrechts.

Wichtiger jedoch als diese Verhältnisse zu einzelnen Städten, war die Stellung Heinrichs gegen den Papst und gegen Rom. Im Jahre 1189 hatte Klemens III den Kardinal Gottfried nach Deutschland gesandt, welcher unter anderm auch den alten Streit über die Besetzung des Erzbisthums Trier dahin vermittelte: daß die beiden bisherigen Bewerber 20 {1191} zurücktraten, und der Reichskanzler Johann vom Könige und Papste bestätigt wurde. Nach dem Tode Friedrichs I schickte dagegen Heinrich seinerseits Abgeordnete an Klemens, und versprach die Rechte der Kirche zu schützen; worauf ihm jener die Kaiserkrönung bewilligte, zugleich aber auch, aus eigenem Antriebe oder von den Bürgern gezwungen, verlangte, daß Heinrich die Rechte der Stadt Rom anerkennen mögeRoger Hoved. 680.. – Nach fast funfzigjährigen Unruhen hatte nämlich Klemens am 31sten Mai 1188 mit den Römern einen Vertrag folgendes Inhalts zu Stande gebracht:

»Es wird kein Patricius mehr gewählt; der Senat und der Stadtpräfekt aber vom Papste anerkannt und beliehen, sobald er schwört diesem hold und gewärtig zu seyn. Der Papst ertheilt den Senatoren, Richtern und Beamten die gewöhnlichen Pfründen, und entschädigt alle, welche in den letzten Zeiten durch seine Söldner oder durch die Einwohner von Tuskulum Schaden erlitten. Die Hoheitsrechte fallen mit nur geringen Ausnahmen an ihn zurück; wogegen er jährlich eine bestimmte Summe zur Befestigung von Rom hergiebt. Beide Theile versprechen sich Schutz und wechselseitigen Beistand im Kriege. Tuskulum wird den Römern zur Schleifung übergeben, und fällt erst nachher an die Kirche zurückBaronius c. 24,  Pagi c. 11 zu 1188.  Murat antiq. Ital. III, 785..« Als nun aber Klemens mit der Auslieferung von Tuskulum zögerte, entweder weil er es retten wollte, oder weil er es nicht zwingen konnte; so wurden die Römer mit ihm unzufrieden, und hofften ihren Wunsch eher bei dem mit Heeresmacht nahenden König durchzusetzen, welcher ihres Beistandes bei der Kaiserkrönung bedurfte, und auf den Papst wegen der Belehnung Tankreds sehr zürnte. Allein nicht minder vertrauten die Einwohner von Tuskulum, daß Heinrich ihre Burg und Stadt, die so oft den Kaisern 21 {1191} gegen die Römer und die Päpste beigestanden hatte, von der Gefahr des Untergangs befreien werde, und nahmen deshalb willig eine deutsche Besatzung in ihre Mauern auf.

Unter diesen sehr bedenklichen Verhältnissen starb Klemens  III am 25sten März 1191Albert. Lub. IV, 4.  Bullar. rom. I, 49.  Cassin,. chron.  Alberic. 395.Rigord. 33 und Roger Hov. 689 haben falsche Tage., und drei Tage nachher ward der hochbejahrte aus Rom gebürtige Kardinal Hyacinth erwählt, welcher den Nahmen Cölestin III annahm. Des Königs Macht und Anmaaßung fürchtend, beschloß dieser die Kaiserkrönung so lange auszusetzen, bis er von ihm hinlängliche Sicherheit erhalten hätte. Um aber nicht sogleich den Schein der Abneigung auf sich zu laden und dem Könige einen Vorwand für heftige Maaßregeln zu geben, schob er mit Vorsatz seine eigne Weihung auf, und entschuldigte sich nun, daß er erst nach derselben die Kaiserkrönung vornehmen könne. Der König, welchem der innere Zusammenhang der Dinge keineswegs entging, setzte jetzt ohne Verzug die Römer gegen den Papst in Bewegung, indem er ihnen die Übergabe von Tuskulum versprach und Hoffnung machte, sein lästiges Heer gleich nach der Krönung aus ihrer Landmark abzuführen. Auch Heinrich der jüngere, der Sohn Heinrichs des Löwen, verwandte sich großen Lohn erwartend sehr lebhaft für den König beim Papste, und so von allen Seiten bedrängt ließ sich dieser endlich am ersten Ostertage, am 13ten April 1191 weihen. Des folgenden Morgens zog Heinrich, begleitet von allen Fürsten, nicht durch das noch immer von den Bürgern gesperrte Rom, sondern auf dem rechten Ufer der Tiber zur Peterskirche und empfingChron. mont. ser.  Chron. Udalr. August.  Auct. incert. ap. Urstis.  Erfurt. chr.  S. Petrin.  Stederb. chr.  Alle zu diesem Jahre. Rog. Hov. Angaben, daß der Papst dem Kaiser die Krone wieder vom Haupte geworfen u. s. w., sind ungegründet., nachdem er eidlich 22 {1191} angelobt die Kirche zu schützen und zu ehren, mit seiner Gemahlinn kniend die Kaiserkrone aus den Händen des Papstes.

Während der sich hieran reihenden Freudenfeste gedachte man kaum des unermeßlichen Elends, welches damit in naher Verbindung stand. Kaum hatte nämlich der Kaiser Tuskulum dem Papste, und der Papst es den Römern übergebenTuskulum ward entweder vom Kaiser unmittelbar, oder durch den Papst, oder von beiden den Römern übergeben. Über die Sache selbst waren sie wenigstens einig.  Ursp. 317.  Rich. S. Germ. Gervas. Tilber. 943.  Godofr. mon.  Sicardi chron. 615.  Roger Hov. 689.  Sigon. 349., als diese (im Angedenken langer Fehden und der zur Zeit Friedrichs I hier erlittenen großen Niederlage) die Mauern und Thürme niederrissen, alle Häuser niederbrannten, die Einwohner verstümmelten, blendeten und umbrachten; so daß nur wenige ihr Leben retteten und in schlechten Hütten von Zweigen wohnten, aus denen an der Stelle des verschwundenen Tuskulum, FraskatiVon frasche, Zweige. entstand. Mit Recht ward der Kaiser getadelt, daß er solche Frevel veranlaßt, der Papst, daß er sie nicht verhindert hatte. Auch dauerte die auf solchem Boden erwachsene Einigkeit nicht lange: denn als Cölestin und Tankred den Kaiser durch Bitten, Drohungen und Unterhandlungen von Apulien abzuhalten suchtenEbulo 24.  Aquic. auct.  Meo annal., gab er zur Antwort: »sein Erbrecht sey genügend und unbestreitbar, aber selbst davon abgesehn, gebühre ihm das apulische Reich nach altem Kaiser- und Lehn-Recht.« Nur in einigen andern minder wichtigen Punkten gab Heinrich nach, und vermied dadurch einen völligen Bruch mit Cölestin. Ein jüngerer, kräftigerer Papst hätte sich in so entscheidenden Augenblicken wohl schwerlich auf diese Weise mit halben Maaßregeln begnügt, sondern die Vereinigung Neapels und der Kaiserwürde um 23 {1191} jeden Preis, als Lehnsherr und Kirchenfürst zu hintertreiben gesucht. Vielleicht ward indessen Cölestin auf eine persönlich löbliche Weise von den äußersten Maaßregeln dadurch abgehalten, daß er die Ansprüche Heinrichs für rechtmäßig und wohlbegründet hielt.

Mit dem Ende des Monats April 1191 erreichte dieser, zur Freude seiner Anhänger, die apulische Gränze; seine Feinde dagegen hofften, Rocca d'Arce werde sogleich seine Fortschritte hemmenChron. fossae novae 877.  Grossi lettere II, 7, 8, 29.. Diese Stadt, am Abhange eines Berges erbaut, schien kaum einnehmbar; ganz unersteiglich aber ihre Burg, welche auf der Spitze schroffer senkrecht abgeschnittener Felsen lag, und deren steiler enger Zugang gegen die größte Übermacht leicht vertheidigt werden konnte. Dennoch erstürmte das deutsche Heer am 29sten April Stadt und Feste in kühnem Anlaufe; worüber alle Barone, Städte und Landschaften so sehr erschraken, daß sie jedes Widerstandes vergaßen und nur in einer eiligen Ergebung Schutz gegen größere Kriegsübel sahen. Montekassino, S. Germano, Atino, Theano, Sorella, Kapua, Aversa, die Grafen von Fondi und Molisi und mehre andere, huldigten dem Kaiser; bis Neapel wars kein Krieg, sondern ein leichter Siegeszug. Aber wenn auch Heinrich einzelnen, wie dem Kloster von MontekassinoGattula III, 274.  Inn. epist. VII, 151., alle Freiheitsbriefe bestätigte und erweiterte, so litten doch die meisten Einwohner Unbilden mancher Art, und die Abgeneigtern flohen nach Neapel, welches Graf Richard von Acerra und der tapfre Aligeraus zu vertheidigen beschlossen.

Im Monat Mai umlagerte der Kaiser diese Stadt; mit ihm waren die Erzbischöfe von Köln und Ravenna, der Patriarch von Aquileja, mehre deutsche und italienische Bischöfe, die Herzoge Otto von Böhmen, Bertold von Dalmatien, Konrad von Rothenburg, Heinrich von 24 {1191} Braunschweig der Sohn Heinrichs des Löwen, der Markgraf von Istrien, Heinrich der Bruder des Herzogs von Österreich, Peter der Präfekt von Rom und viele andereMiraei op. dipl. V. I, Urk. 68.  Reposati I, Urk. 397.. Beide Theile, Belagerer wie Belagerte, übertrafen sich in wechselseitigen Anstrengungen; doch schien sich für diese die Gefahr zu verdoppeln, als die Pisaner das bisher offene Meer sperrten. Bald darauf segelte aber die überlegene sicilische Flotte, unter Anführung des kühnen Margaritone herbei, so daß die Pisaner es noch für ein Glück halten mußten, des Nachts aus Castellamare, wo sie eingeschlossen waren, zu entkommen. Eine genuesische Flotte, deren Ankunft man jetzo verkündete, würde freilich den kaiserlich Gesinnten nochmals zur See die Oberhand gegeben haben, wenn nicht die Neapolitaner schneller eine noch bedeutendere Hülfsmacht an der gewaltigen Hitze des Sommers gefunden hätten. In dem deutschen Heere brachen nämlich so bösartige und ansteckende Krankheiten aus, daß mehre Tausende, unter ihnen Herzog Otto von Böhmen und Erzbischof Philipp von KölnPhilipp st. den 13. Aug.  Belg. chr. magn. 210., starben, und der Kaiser selbst schwer darniederlag. Es blieb ihm keine Wahl: um nur etwas von seinem Heere zu retten, mußte er am 24sten August die Belagerung Neapels aufhebenSuessan. chr.  Bavar. et Suev. chr.  Anon. Saxo 115.  Reichersb. chron.  Herm. Altah.  Arnold Lub. IV, 6.; allein der Rückzug der Gedemüthigten war wo möglich noch verwüstender, als der Hinzug der Stolzen. Geißeln wurden überall zur Sicherung der Treue mitgenommen, Besatzungen konnte man dagegen nur in den wichtigsten Orten zurücklassen: in Kapua, Arce und Sora unter Konrad Lutzelinhart, Diephold und Konrad von MarleyCassin. mon.  Tuzii memor. 82..

Die Genueser, welche dem in S. Germano kranken Kaiser wiederholt meldeten: ihre Flotte werde binnen 25 {1191} wenig Tagen von Civitavecchia vor Neapel eintreffen, mußte er selbst zur Heimkehr anweisen. Fast um dieselbe Zeit entfloh Heinrich von Braunschweig hinterrücks nach DeutschlandStella 981.  Ottobonus zu 1191., und es ergab sich, daß andere Häuptlinge von den Neapolitanern bestochen warenEbulo 43.. In solchem Übermaaße von Unglück aller Art, wo der von seiner Höhe herabgestürzte Kaiser sich wohl gern vor jedem verborgen hätte, besuchte ihn der aus Syrien zurückkehrende König Philipp August von FrankreichWenn Philipp August im August Akkon verließ und den Kaiser in Apulien sah, so war es schon nach eingebrochenem Unglück.  Otto S. Blas. 37.  Nach Bened. Petrob. 718–719 kam er im Oktober 1191 nach Apulien; es ist aber nicht deutlich, ob er den Kaiser sprach. Doch konnte Philipp einen Eid, diesem nirgends zuwider zu seyn, wohl nur in dessen Gegenwart leisten. Die Nachricht vom Tode Herzog Friedrichs traf wahrscheinlich schon früher ein., und brachte ihm vielleicht die Trauerbotschaft vom Tode Friedrichs seines Bruders; – endlich um sogar die Hoffnungen für die Zukunft abzuschneiden, traf die Nachricht ein: Konstanze, die Kaiserinn, sey von Tankred gefangen!

Während Heinrich VI Neapel belagerte, erschien nämlich eine Gesandtschaft aus Salerno, versprach unbedingten Gehorsam und bat: Konstanze möge nicht im Kriegslager bleiben, sondern unter dem Schutze ihrer treuen Unterthanen in Salerno wohnen. Der Kaiser bewilligte dies Gesuch ohne Bedenken, und wußte wohl nicht, daß sich in jener Stadt manche Freunde Tankreds aufhielten, welche die Anwesenheit der Kaiserinn benutzen und sie wo möglich ihrem Gemahl abtrünnig machen, oder für Tankred umstimmen wollten. Beides mißlang; als nun aber Nachrichten von den Unfällen der Deutschen und von Heinrichs Krankheit, ja auch wohl von seinem Tode, eintrafen, so blieben die Anhänger Tankreds nicht bei jenen milden Versuchen stehn, sondern erregten gewaltigen Aufruhr. Umsonst redete 26 {1191} Konstanze von einem Balkone erst milde, dann mit Ernst und Strenge zu dem Volke; sie ward gefangen und auf sicilischen Schiffen nach Messina geführt. Als sie in kaiserlichem Schmucke vor Tankred erschien, sagte dieser: »warum genügte dir der Glanz einer halben Welt nicht? Warum kamst du, auch meine Länder anzugreifen? Siehe, der gerechte Gott hat die freventlichen Hoffnungen deines Mannes an ihm selbst und an dir bestraft.« Konstanze erwiederte: »jetzo sank unser Gestirn, bald sinkt das deine. Nicht nach fremdem Gute habe ich getrachtet, sondern nach meinem Reiche, welches du mir freventlich entrissen hastEbulo 68, die Hauptquelle. Abweichende Nachrichten bei Ptol. Lac. XX, c. 44.  Ursp. 317.Aquic. auct.  Sicardi chr. 605.  Guil. Neubr. V, 7.  Sismondi II, 272.  Henrici Septimellensis elegia in Leyseri hist. Poet. 61.

Der Kaiser, welchem alle Mittel fehlten, seine Gemahlinn zu befreien, oder im Felde obzusiegen, verließ Apulien im September 1191 und eilte nach Deutschland zurück. Ohne Mühe eroberten nunmehr Tankred und sein Schwager Richard von Acerra die Städte Kapua, Theano, Aversa, S. Germano, bezwangen den Grafen Rainald von Abruzzo, und befestigten allmählich Tarent, Brundusium, Oria, Nardo und LecceAlex. Penn. 56.  Neritin. chron. u. Suess. chron. zu 1191.  Epulo 29.. Fast das ganze Reich ward dem Könige unterthan, und nur Graf Peter von Celano, die Abtei Montekassino, Sora und Rocca d'Arce widerstanden ihm noch beharrlich. 27

 


 


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