Friedrich von Raumer
Geschichte der Hohenstaufen und ihrer Zeit, Band 3
Friedrich von Raumer

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Viertes Hauptstück.

Am 18ten März 1227 starb Honorius III, am 19ten hielt man dessen feierliches Begräbniß, und am 20sten versammelten sich die Kardinäle zur neuen Wahl. Anfangs wollten einige den Kardinal Konrad Grafen von Urach erheben, vielleicht weil sie meinten: er werde, als ein alter Gegner des Kaisers, die kirchlichen Ansprüche am nachdrücklichsten vertreten: aber Konrad lehnte die Wahl ernstlich abCardella I, 2, 23.  Donio 262.  Er war und wurde Gesandter in Deutschland und Palästina. Cleß Gesch. von Wirtenberg, II, 120.  Schöpfl. histor. Zaring. Badens. V, 171., und nun fielen alle Stimmen auf den Kardinal HugolinusVitae Pontif. 575.  Reg. Greg. I, 1-5.  Aless. de Magistr. 138., welcher den Namen Gregors des neunten annahm und sich durch Geschlecht, Sinnesart und Thätigkeit gleich sehr auszeichnete. Sein Vater war Tristan ContiÜber dies Geschlecht der Conti siehe Contelori geneal., obgleich noch immer Lücken und Zweifel bleiben. Folgende Tafel enthält die Ergebnisse unserer Forschungen. , Graf von Signia, ein Bruder Innocenz des dritten; seine Mutter stammte aus einem der edelsten Häuser von Anagni. Bereits vor achtundzwanzig Jahren hatte ihm sein Oheim die Kardinalswürde verliehen, und seit dieser Zeit war er unablässig mit den wichtigsten Aufträgen beschäftigt. Mehr noch 413 {1227} als dies Zutrauen brachte ihm die Art und Weise Ehre, wie er jenen Aufträgen genügte. Nur durch seine Standhaftigkeit ward ein schmachvoller Vertrag hintertrieben, welchen eingeschüchterte Mitgesandte nach Markualds Forderung abschließen wolltenBuch VI, S. 89.; er leitete die schwierigen Verhandlungen mit König Philipp; er vermochte die stolzen Mailänder zum Gehorsam gegen den päpstlichen Stuhl; er versöhnte Pisa mit Genua, und stellte den Frieden in mehren andern italienischen Städten her; aus seinen Händen nahm Friedrich II in Achen das Kreuz; ihm wurde die Leitung aller den Kreuzzug betreffenden Angelegenheiten innerhalb Italiens übertragen u. s. w. Auch war Honorius nicht neidisch oder undankbar gegen einen solchen Mitarbeiter, sondern bezeugte öffentlich: »Hugolinus ist ein Mann nach meinem HerzenReg. Hon. I, 503.  Memor. Reg. 1105., mächtig in Worten und Thaten; auf ihn kann ich mich stützen und überall verlassen.« Fast noch gewichtiger erscheint das Lob des Kaisers, welcher sich freute, als Hugolinus den Auftrag erhielt, für den Kreuzzug zu wirken, und ihm unter andern schriebReg. Hon. V, 447.: »er sey ein Mann von tadellosem Rufe, reinem Lebenswandel, ausgezeichnet durch Frömmigkeit, Wissenschaft und Beredsamkeit. Unbeschadet der übrigen, leuchte er doch unter ihnen wie ein hellerer Stern 414 {1227} hervor, und werde am besten eine Sache befördern, welche der Kaiser brennender wünsche, als irgend etwas anderes.«

Nur der Zweifel hätte entstehen können: ob nämlich ein schon mehr als achtzigjähriger Mann noch im Stande sey, der gesammten christlich-kirchlichen Welt vorzustehen. Sein von Natur fester Körper hatte sich aber durch eine regelmäßige Lebensweise ungeschwächt erhalten, und so wie Gregor einst ein schöner Mann gewesen war, so galt er jetzt mit Recht für einen schönen und kräftigen Greis. Auch sein Gedächtniß blieb treu und sicher, und seine vielseitigen Kenntnisse, seine Meisterschaft in dem Kirchenrechte offenbarten sich seit seiner Erhebung noch mehr, als in frühern Verhältnissen.

So unwandelbar nun aber auch die Grundsätze des Kirchenrechts und die Ansichten des Kirchenthums für jeden Papst feststanden, so beweiset die Geschichte dennoch: daß die Anwendung des scheinbar Unveränderlichsten nicht ein stets gleiches, bloß sachliches Geschäft ist, sondern selbst Kirche und Papstthum durch die Persönlichkeit des Papstes bedingt werden. Gregor hegte z. B. die feste Überzeugung: daß die Nachgiebigkeit des milden Honorius gegen den klugen, weitsehenden und gewandten Kaiser unangemessen, und ein ganz anderer Weg einzuschlagen sey, um das vorgesteckte Ziel zu erreichen. Diese Ansicht beruhte indeß keineswegs ausschließend auf Gregors genauer Kenntniß der Personen und der Sache, sondern ging gutentheils aus seiner eigenen Natur hervor. Während es nämlich den meisten Menschen in ihren besten Jahren an der mit Recht zu fordernden Willens- und Charakter-Kraft gebricht, war Gregor noch im höchsten Alter der Gefahr ausgesetzt, daß seine Festigkeit in Halsstarrigkeit, seine Kraft in Härte, seine Thätigkeit in Übereilung, seine Beredsamkeit in heftiges Schelten ausartete. Das, was er als gut anerkannt hatte, ohne alle Rücksicht auf entgegenstehende Hindernisse, auf mögliches Mißlingen, auf gute oder übele Folgen, auf Billigung oder Tadel zu behaupten und durchzusetzen, das hielt 415 {1227} Gregor für sein höchstes Recht und für seine höchste Pflicht; und wenn wir auch diese Ansicht bisweilen einseitig und das darauf gegründete Verfahren mehr zerstörend als aufbauend finden sollten, so wird sich doch beides nie unwürdig, kleinlich oder verächtlich zeigen.

Gleich nach den Feierlichkeiten der Wahl und Weihe, welche durch aufrichtige Theilnahme der Römer noch erhöht wurden, erließ Gregor Schreiben in alle Lande der Christenheit, welche von seiner Erhebung Nachricht gaben und den Kreuzzug als den Gegenstand der ersten und würdigsten Thätigkeit bezeichneten. Der Brief an den Kaiser lautete umständlicher, höflicher, dringender. Gregor erinnerte an die vielen Geschäfte und Anstrengungen, welche er bereits in frühern Jahren für ihn unternommen habe, bat um ernstliche Beförderung des Kreuzzuges und um endliche Lösung des so lange schon übernommenen Gelübdes. »Wir wollen dir«, so schloß das Schreiben, »gern insoweit nachgeben, als es irgend mit unsern Pflichten verträglich ist; erwarten aber auch, daß du dich und uns nicht in jene Verlegenheit setzest, aus welcher wir dich schwerlich würden befreien können, wenn wir auch wolltenQuod nequaquam nos et te ipsum in illam necessitatem inducas, de qua forsan te de facili non poterimus, etiamsi voluerimus, expedire.  Reg. Greg. I, 1-8, vom 23sten März.

Der Kaiser ließ durch den Bischof von Reggio und den Deutschmeister Hermann von Salza nun auch seinerseits dem Papste höfliche GlückwünschungsbriefeCod. epist. Vindob. No. 61. fol. 46. überreichen, und hatte, was noch wichtiger erschien, bereits im Februar die Urkunden vollzogen nach Rom gesandtDie Universität Bologna wurde hergestellt, und nur über einige Schuld- und Pfand-Sachen in Bezug auf den Markgrafen v. Montferrat findet sich ein unverfänglicher Vorbehalt.  ib. p. 30.  Ghir. I, 145.  Murat. antiq. Ital. III, 909.  Lünig cod. diplom. Ital. III, 18.  Sarti 1, 2, app. p. 69., wodurch den Lombarden alle Strafe erlassen, die Acht 416 {1227} aufgehoben, jeder Gefangene befreit und die Beistimmung König Heinrichs versprochen wurde. Die Lombarden hingegen zeigten sich noch immer saumselig; weshalb sie Gregor am 24stenMärz ernstlich zurechtwies und hinzufügteReg. Greg. I, 13.: »kaiserliche Gesandte haben die Urkunden in vorgeschriebener Form beigebracht, und auf eure Bevollmächtigten lange gewartet; während ihr eure Nachlässigkeit und die Verachtung des Zugesagten durch geringe Boten entschuldigen wollt, und einige eitle und abgeschmacktefrivolas et ineptas. Vorwände hervorsucht, derentwegen euch bereits Papst Honorius streng tadelte. Jetzo genüget allen Befehlen und übersendet die Urkunden in höchster Eile, damit es nicht zur Kenntniß des Kaisers komme, daß ihr eure Pflicht so lange versäumtet, und so viel Erinnerungen von Seiten des apostolischen Stuhles nöthig wurden. Ihr wißt, wie wir euch schon früher während unserer Gesandtschaft in der Lombardei liebten: aber wir werden euch noch mehr lieben, wenn ihr gehorchet. Deshalb bereitet alles zum Kreuzzuge, damit ihr nicht dem Kaiser Vorwand und Veranlassung zu noch längerem Aufschube gebt, und Gott und Menschen gegen euch aufbringt. Wissen aber sollt ihr, daß, wenn ihr in dieser so wichtigen Angelegenheit Gottes unsere Befehle verachtet, verspottet oder umgeht, uns nichts übrig bleibt, als Himmel und Erde gegen eure argen Ungebührlichkeiten aufzurufencoelum et terram contra vestram insolentiam invocemus..

Einen Tag vor diesem Schreiben hatten zwar die Lombarden jene Urkunde in Brescia vollzogen und nach Rom abgesandt: allein Gregor fand, daß die Siegel des Markgrafen von Montferrat und vieler andern Städte fehltenSavioli III, 2, 561. Urk. vom 30sten März.  Reg. Greg. IX, J. I, p. 283.; weshalb er befahl, diesen und ähnlichen Mängeln der Form unverzüglich abzuhelfen, damit nicht die Vermuthung 417 {1227} entstehe, es walte hiebei Vorsatz ob, oder Betrug. Auf daß jedoch diese Mängel und die Gründe der Zögerung einstweilen verborgen bleiben möchten, schickte Gregor dem Kaiser nur eine Abschrift jener UrkundeReg. Gregor. I, 31-36, 60-69. und gab vor, er möge die Urschrift keinem Boten anvertrauen. Endlich gingen die Urkunden, tadellos nach Inhalt und Form, ein: aber der Papst glaubte nicht seine Einwirkung auf dies einzelne, obgleich höchst wichtige Geschäft beschränken zu dürfen, sondern schrieb, tiefer in die Verhältnisse eingehend, an alle Häupter und Städte der LombardeiAm 29sten April 1227. Reg. Gregor. I, 119.: »so vieles Lob ihr auch in mancher Beziehung verdient, so verdunkelt doch zweierlei euern Ruhm: die Schmach ketzerischer Schändlichkeit, und der hieraus folgende Untergang der Kirchenfreiheit. Ihr strebt mehr danach euch durch äußere Ehre den Menschen, als durch ein reines Gewissen Gott zu empfehlen; und so laut ihr auch die Gesetze gegen die Ketzer augendienerisch verkündet, so mangelt es euch doch an der rechten Lust und dem rechten Ernste, sie zu vollziehen. Zwar werden die Ketzer oft mit großem Geräusch in schwere Geldstrafe genommen oder gar vertrieben: aber bald nachher giebt man ihnen in aller Stille das Geld zurück, nimmt sie wieder in die Städte auf und erlaubt den weltlichen Obrigkeiten, die Gesetze über die Ketzer nach Willkür zu ändern. Niemand achtet die Steuer- und Gerichts-Freiheit der Geistlichen, ja man steigert die Maaßregeln gegen die ihr Recht Vertheidigenden auf thörichte und sträfliche Weise bis zu ihrer Bannung durch Laien. Im Fall ihr euch nun nicht nach diesen Warnungen und Drohungen zum Rechten wendet, so wird euch ein wirksamerer und strengerer Bann, der Kirchenbann treffen.«

Wenn der Papst alle Mängel mit solcher Strenge selbst an denen rügte, die er auf gewisse Weise als Verbündete betrachten mußte; so durfte der Kaiser noch 418 {1227} weniger hoffen, daß seine Fehler und Versehen würden unbemerkt bleiben. Auch behielt Gregor nicht bloß die öffentlichen und Reichs-Verhältnisse, sondern auch Friedrichs persönlichen Wandel im Auge. Wir werden an anderer Stelle sehen, wie fröhlich und geistreich man an dessen Hofe lebte, wie alles belebend er einwirkte: aber selbst seine Bewunderer können nicht leugnen, daß er die Vorschriften christlicher Sittenlehre, besonders in Beziehung auf das weibliche Geschlecht, nicht streng befolgte, und daß sich, neben den herrlichen Früchten des freien dichterischen Lebens, auch Auswüchse der losen Willkür hervordrängten. Weit mehr, als einem weltlichen oder gleichgültigen Beobachter, mußten Mängel solcher Art dem Oberhaupte der christlichen Kirche ins Auge fallen; und selbst abgesehen von diesem Verhältnisse, konnte sich der achtzigjährige Greis wohl für berechtigt und verpflichtet halten, einen jungen Mann zu ermahnen und zu warnen, für den er, als dieser noch ein Kind war, schon so thätig gewirkt hatte. Deshalb schrieb Gregor einen Brief an FriedrichReg. Gregor. I, 358. Geschrieben im Sommer 1227., worin er dessen Anlagen, Kenntnisse, Geisteskräfte, Macht und äußere Stellung außerordentlich erhob, dann aber an die hiedurch verdoppelte Pflicht erinnerte, sich alles dessen nur auf gottgefällige Weise zu bedienen. »Du mußt dich,« so fährt der Papst fort, »aufs äußerste hüten, daß du den Geist und die Liebe, welche dir mit den Engeln gemein sind, nicht zu dem wendest, was die Menschen mit den Thieren und Pflanzen gemein haben, zu den Sinnen und der Nahrung. Denn die Anhänglichkeit an sinnliche Dinge schwächt den Geist, und ein durch Nahrung verzärtelter Leib mißkennt und verdirbt die wahre Liebe. Wenn nun die Erkenntniß und die Liebe, diese beiden Leuchten verlöschten, wenn diese siegreich voranschwebenden Adler niederstürzten und sich in irdische Wollüste verwickelten: wie könntest du dann allen Nachfolgenden noch den Weg des Heiles zeigen? Fern bleibe von dir solch 419 {1227} Unglück! Wir aber, die wir dich von Kindheit an liebten, möchten mit ehernem Griffel Grundsätze in dein Herz graben, welche der Gefahr ewigen Todes vorbeugen und die Gnade Gottes und Jesu Christi erwerben können.«

Dieses Schreiben, welches außer dem Mitgetheilten, auch sinnbildliche Deutungen der kaiserlichen Würdezeichen enthielt und die päpstlichen Rechte bedeutend hervorhob, mochte dem Kaiser nicht behagen, und noch weniger vielleicht die mündliche Erläuterung, welche ihm der Überbringer, ein Predigermönch Gualo, geben sollte: dennoch war jetzt keine gelegene Zeit zu Streitigkeiten, weil der Monat August des Jahres 1227 herannahte, in welchem Friedrich, laut des Vertrages von S. Germano, den Kreuzzug antreten sollte. Die Schwierigkeiten, welche sich einem großen und allgemeinen Kreuzzuge entgegenstellten, hatten in den beiden letzten Jahren nichts weniger als abgenommen. Die Engländer und Franzosen zeigten keine, die Lombarden nur geringe Theilnahme; und in Deutschland, wo der Kardinal Konrad von UrachAlberic, zu 1226.  Pfister II, 294. neuen Aufträgen gemäß das Kreuz predigte, erklärten viele: eine jede nach Asien gerichtete Unternehmung sey überflüssig, ja thöricht. Bei dieser Stimmung wurden die für den Kreuzzug ausgeschriebenen Steuern keineswegs pünktlich bezahlt, und wenn es dem Landgrafen Ludwig von Thüringen und dem Herzoge Leopold von Österreich so an gutem Willen und Gelde fehlte, daß der Kaiser jenem 4000, diesem 10,000 Mark bieten mußte, um sie zur Annahme des Kreuzes zu bewegenReg. Hon. VII, 178, 180, 181.  Reg. Greg. I, 69., so würde auch ein größerer Schatz bald erschöpft worden seyn. Und obenein blieb der Herzog von Österreich eines Anfalls der Böhmen halber in seinem Lande zurück; der Landgraf von Thüringen, der Bischof von AugsburgReg. Greg. I, 59, 458. und mehre andere 420 langten dagegen im Sommer 1227 im untern Italien an, so daß allmählich, wenigstens der Zahl nach, ein bedeutendes Heer zusammenkam. Der Kaiser, welcher schon im Jahre 1226 eine Heeresabtheilung nach dem Morgenlande geschickt hatte, sorgte auch jetzt nach Kräften für Pferde, Lebensmittel und Obdach, und viele segelten in der Überzeugung voraus, daß jener nebst allen übrigen sehr bald nachfolgen würde. Aber die gewaltige Hitze des hohen Sommers erzeugte unter den aus nördlichen Ländern Herbeigezogenen eine ansteckende Krankheit, an welcher auch Landgraf LudwigLudwig starb an bösartigem Fieber. Annal. brev. Landgr. Thur. 351. und die Bischöfe von Augsburg und Anjou zu allgemeinem Leidwesen starben. Hiedurch ungeschreckt schiffte sich der Kaiser ein, erkrankteGuil. Tyr. 697.  Math. Par. 234.  Sanut. 211.Tactus vel vera vel simulata infirmitate. Alberic. 524. aber unterwegs ebenfalls so sehr, daß er nach dreitägiger Fahrt umkehren und in den Bädern von Puzzuoli Herstellung seiner Gesundheit suchen mußte. Sobald die bei Brundusium und Hydrunt verweilenden und durch die Krankheit bereits geschwächten und mißmuthigen Pilger hievon hörten, verloren sie völlig die Lust am Unternehmen und zerstreuten sich nach allen Seiten. Sie vertrauten, sagt ein Geschichtschreiber tadelnd, mehr der Führung des Kaisers, als der Hülfe Gottes. Eben so ließ sich voraussehen, daß die bereits nach Asien übergeschifften vereinzelt nichts tüchtiges zu Stande bringen würden; mithin konnte man alle zeitherigen Anstrengungen für das Morgenland als nutzlos und vereitelt betrachten!

Als der Papst in Anagni von diesen Ereignissen Nachricht erhielt, wußte er sich vor Zorn und Schmerz kaum zu fassen und sprach, dem Vertrage von S. Germano gemäß, am 29sten September 1227 den Bann über den KaiserMath. Paris 238.  Rayn. zu 1227, No. 30.  Concil. XIII, 1112.. 421 {1227} Zur Rechtfertigung dieses Schrittes setzte er in umständlichen Schreiben die Verhältnisse des päpstlichen Hofes zu Friedrich auseinander:

»In dem weiten Umfange des Meeres ist das Schifflein Petri hingestellt, oder vielmehr den Wirbeln aller Ungewitter ausgesetzt. So ununterbrochen wird es von Stürmen und Fluthen bedrängt, daß dessen Steuermänner und Ruderer, während der überströmenden und beängstigenden Regengüsse, kaum athmen, kaum die Schlünde der Charybdis vermeiden, kaum von der Scylla hinweglenken können. Denn wenn auch einmal das Schiff mit glücklichem Winde und vollen Segeln zum Hafen eilt, so trifft plötzlich ein Windstoß aus entgegengesetzter Richtung, und die kreisenden Wogen schlagen über das wieder ins Meer hinaus geworfene zusammen. Aber es wird nur untergetaucht und geht nicht unter: denn der Herr, welcher in demselben seine Wohnung genommen hat, erwacht endlich von dem Angstgeschrei seiner Schüler, verjagt die bösen Geister, gebietet dem Meere und den Winden, und es wird still. – Vor allen treffen vier Stürme jenes Schiff: die treulose Rotte der Heiden will das durch Christi Blut geweihte Land Gottes behalten; die Wuth der Tyrannen will die Freiheit der Kirche vertilgen; der Wahnsinn der Ketzer sucht Christi untheilbaren Mantel zu zerreißen; die arglistige Verderbtheit falscher Brüder trifft und verwundet das Herz der Gläubigen, und während die Kirche meint an ihrem Busen Söhne zu pflegen, nährt sie oft nur Feuer, Schlangen, oder regulos.Wohl die Übersetzung von βασιλισκος, also Basilisken., welche durch giftigen Hauch, Biß und Brand alles zu verwüsten suchen. Um nun Ungeheuer dieser Art zu tödten, feindliche Heere zu vernichten und die Wuth der Stürme zu besänftigen, hat die römische Kirche in diesen Zeiten den Kaiser Friedrich auserkoren; sie hat ihn gleichsam aus dem Schooße seiner Mutter übernommen, an ihren Brüsten gesäugt, auf ihren Armen getragen, aus 422 {1227} den Händen derer errettet, welche nach seiner Seele trachteten, mit vielen Anstrengungen und Aufopferungen zum Manne erzogen, zur königlichen Würde und endlich zum Gipfel kaiserlicher Hoheit erhoben: – alles in der Hoffnung, an ihm einen Stab der Vertheidigung und eine Stütze des Alters zu finden. Aber mehr Undank, als ein Kind gegen seine Mutter bezeigen kann, hat Friedrich bewiesen gegen die Kirche!«

»Ohne Rückfrage beim Papste, ohne Zustimmung desselben, nahm er in Deutschland aus freiem Entschlusse das Kreuz; und bei der Kaiserkrönung, wozu ihn Honorius einlud, (anstatt daß die Könige sonst durch ansehnliche Gesandtschaften darum zu bitten pflegten) wiederholte er jenes Gelübde und suchte selbst darum nach, daß der Bann ihn und alle Pilger treffen solle, welche den Kreuzzug nicht zur gesetzlichen Frist anträten. Dreimal aber wußte er Hindernisse aufzufinden, und anstatt jene Strafe auszusprechen, bewilligte Honorius dreimal, in Veroli, in Ferentino und in S. Germano, neue Fristen, gegen neue Versprechungen und neue Eidschwüre. Diesen vertraute die Kirche, es vertrauten ihnen die Pilger, welche in großen Schaaren freudig gen Brundusium zogen. Aber sie fanden keineswegs die zugesagten Vorkehrungen, sondern es mangelte an Lebensmitteln, ja an allem Nöthigen; und weil der Kaiser die Abfahrt widerrechtlich bis in den hohen Sommer verzögerte, so entstanden aus der glühenden Hitze Krankheiten, welche die eifrigsten Kämpfer dahinrafften. Endlich, als die Jahreszeit schon zu weit vorgerückt war, schiffte Friedrich sich ein, kehrte aber nach wenigen Tagen, – uneingedenk des Versprechens, der Eide, der Strafen und der Sache Christi –, zu den gewohnten Ergötzungen in sein Reich zurück! Vereitelt ist also das große Unternehmen, getäuscht die Blüthe der Gläubigen in ihren Hoffnungen; aber nicht getäuscht ist die Welt durch des Kaisers nichtige und leere Vorwände!«

»Es schmerzt uns, daß dieser von der Kirche so 423 {1227} sorgfältig erzogene, so glänzend erhobene Sohn jetzt auf so schlechte Weise, ohne Krieg bezwungen, ohne Feind zu Boden geworfen und in Schmach und Schande versunken ist; allein das Schicksal der unglücklichen Pilger und des verlassenen heiligen Landes darf uns keineswegs minder am Herzen liegen. Um also nicht stummen Hunden zu gleichen und den Schein zu erwecken, als ehrten wir Menschen mehr denn Gott, ist der Bann über den Kaiser ausgesprochen worden. Doch vertrauen wir der Gnade Gottes, welche niemandes Untergang will, daß jenem die Augen des Geistes durch dieses Heilmittel aufgehn werden. Alsdann soll der Reuige, von uns seit seiner Jugend Geliebte gern Milde finden: den länger Widerspenstigen aber sollen härtere Strafen treffen, damit er einsehe, das Gesetz Gottes gehe über die Willkür des Kaisers.«

Die an den letzten gerichteten Schreiben Gregors enthielten zuvörderst im wesentlichen die obigen Vorwürfe, dann folgten noch mehre andere Beschwerden. »Friedrich habe den von der Kirche bestätigten Vertrag mit dem Grafen von Celano übertreten und diesen zur Kreuzesannahme gezwungenRayn. zu 1227, No. 41.  Reg. Greg. I, 503.  Der Brief ist höchst wahrscheinlich Ende Oktober, oder Anfangs November, vor dem zweiten Bannspruche geschrieben.. Der Papst aber müsse sich desselben und mancher andern gleichmäßig Betheiligten annehmen, sowohl um jenes Vertrags willen, als weil alle Pilger unter seinem besondern Schutze ständen. Ferner leide das Königreich Sicilien an so mannigfachen Bedrückungen, daß sie der Papst kaum irgendwo, wie viel weniger in einem Reiche dulden dürfe, welches mit vollem Eigenthume der römischen Kirche gehöre. So wie der Kaiser nicht zugebe, daß die ihm mittelbar Unterworfenen von ihren nächsten Obern willkürlich behandelt würden: eben so könne auch der Papst jene Hülflosen nicht von der Wohlthat seines Trostes ausschließen lassen. Warnungen und Strafen, welche itzt an 424 {1227} den Kaiser ergingen, seyen kein Beweis verringerter Liebe; vielmehr züchtige ein Vater das Kind, welches er liebe, und Friedrich habe selbst erklärtBuch VII, S. 386.: daß er, im Fall einer Übertretung des Vertrages von S. Germano, ohne weiteres in den Bann verfalle. Über diese Erklärung sey Gregor nicht hinausgegangen und bitte, ermahne und beschwöre den Kaiser bei Christi vergossenem Blute, sich nicht denen zuzugesellen, von welchen der Prophet wehklagend sprecheJerem. V, 3.: Herr, du schlägest sie, aber sie fühlen es nicht, du plagest sie, aber sie bessern sich nicht; – vielmehr möge er dargebotene Heilmittel dankbar annehmen und schleunig in den Schooß seiner in Liebe harrenden Mutter, der Kirche, zurückkehren. Seinetwegen leide diese jetzt und er wisse sehr wohl, wie man nicht bloß murre, sondern laut darüber schelte: daß der Papst das Unglück und Elend der Bischöfe, Geistlichen, Pilger, Wittwen und Waisen und so manches andere Unrecht, manche Beraubung zeither habe ungerügt hingehen lassen. Um also seinen und des Papstes Ruhm und Gewissen zu wahren, möge der Kaiser alles was ihm obliege, aus reiner Liebe zur Tugend erfüllen und bedenken, daß es ihm nichts nütze, wenn er die ganze Welt gewönne und doch Schaden nähme an seiner Seele.«

Schon vor dem Empfange dieses Schreibens schickte Friedrich die Bischöfe von Reggio und Bari und Raynald von Spoleto an den Papst, damit sie die Umstände erzählen und ihn rechtfertigen möchten: allein Gregor glaubte entweder den Darstellungen gar nichtNach einer Urk. in Martene coll. ampliss. II, 1194, ließ Gregor die Gesandten Friedrichs nicht einmal vor sich., oder hielt einen offenen Bruch für gerathener, als unsichere Freundschaft, oder er folgte endlich mehr seinem eigenen Sinne, als andern Rücksichten. Am elften November und am Weihnachtsfeste 1227 bestätigte er nochmals den Bann. 425 {1227} Friedrich, den jene ersten vom Papste in der ganzen Christenheit umhergesandten Schreiben schon sehr verdrossen haben mochten, blieb, da die Hoffnung einer leichten und schnellen Versöhnung fehlschlug, nun auch nicht zurück, sondern erließ seinerseits SchreibenNach Rich. S. Germ. 1003 müssen Friedrichs Schreiben gegen Ende des Jahres 1227 erlassen seyn; auch Raynald setzt sie in diese Zeit. Math. Par. führt sie gleich den päpstlichen zu 1228 an, wo sie in England ankommen mochten. Peter Vin. I, 1, gehört aber gewiß in spätere Zeiten. Weder von der Kirchenversammlung, noch von Friedrichs Einfluß auf die Lombarden konnte jetzt die Rede seyn. Wohl aber gehört hieher das Schreiben im cod. Vatic. 4957, p. 3-4. zur Widerlegung, folgendes Inhalts: »Keineswegs unter leerem Vorwande, wie der Papst vorgiebt, keineswegs aus bösem Willen habe ich den Kreuzzug nicht angetreten; sondern weil mich (wofür Gott mein Zeuge ist) eine schwere Krankheit daniederwarf. Hiedurch ist meine letzte Zögerung gerechtfertigt, und alle frühere Festsetzungen, Bedingungen, Verlängerungen der Fristen u. s. w. bedürfen keiner neuen Rechtfertigung, da sie ja der Papst, dieser strengste Prüfer anerkannte und genehmigte. Mit seiner böswilligen Aufzählung kann er jetzt wohl Unwissende täuschen, aber keinen wahren Vorwurf gegen mich begründen. Vielmehr beweiset die stete Wiederholung meines Versprechens und mein jetziges Wort die Einheit und Festigkeit meiner Gesinnung; bald wird auch die That hinzutreten, jeden Zweifel widerlegen und offenbar machen: ob denn den Päpsten das Wohl des heiligen Landes so allein und über alles am Herzen liege, oder ob sie nicht vielmehr mein Verderben bezwecken?«

»Ich spreche ungern, aber ich kann nicht verhehlen, daß die Hoffnung, wie viele, so auch mich getäuscht hat. Das Ende aller Zeiten scheint sich zu nahen, denn die Liebe, die alles beherrscht und erhält, vertrocknet, nicht in den Nebenbächen, sondern in den Quellen, nicht in Nebenzweigen, sondern in Stamm und Wurzeln. Hat nicht der ungerechte Bann 426 {1227} der Päpste den Grafen von Toulouse und andere Fürsten so lange bedrückt, bis sie in die Knechtschaft hineingezwängt waren? Hat nicht Innocenz III die englischen Barone zum Aufruhr gegen ihren König Johann, als einen Feind der Kirche, aufgefordert? Sobald aber der gebeugte König sich und sein Reich unmännlich der römischen Kirche unterworfen hatte, gab der Papst (um nur das Fett des Landes mit frecher Gier einschlürfen zu können) jene Barone, welche er früher unterstützte und aufreizte, mit Beiseitsetzung aller Schaam vor Menschen und aller Furcht vor Gott, jeglichem Elende, ja dem Tode preis. Das ist die römische Weise, welche auch ich erkannt habe. Hinter widerlichen Redensarten, wo Honig über Honig, Öl über Öl zur Mehrung der Süßigkeit und Milde aufgetragen ist, verbirgt sich die unersättliche Blutsaugerinn, und während sich der römische Hof (als sey er die wahre Kirche) meine Mutter und Ernährerinn nennt, übt er stiefmütterliche Thaten und ist der Ursprung und die Wurzel aller Übel. Gesandte gehen unaufhörlich durch alle Lande, nach Willkür bindend, lösend, strafend; nicht damit der ächte Samen und das Wort Gottes ausgestreut werde und emporwachse, sondern damit diese in Schafskleider gehüllten Wölfe alle Freien unterjochen, alle Friedlichen beunruhigen und überall Geld erpressen. Weder die heiligen Kirchen, noch die Zufluchtsörter der Armen, noch die Wohnungen der Geweihten, welche unsere Väter mit frommem und einfachem Sinne gründeten, werden jetzo verschont. – Jene erste Kirche, welche Heilige in so großer Zahl erzeugte, war auf Armuth und Unschuld gegründet; und einen andern Grund, als den unser Herr Jesus Christus gelegt hat, kann niemand auffinden und legen. Jetzt aber, da die angebliche Kirche sich in Reichthümern wälzt, auf Reichthümern einherschifft, nur durch Reichthümer erbaut; steht zu befürchten, daß das ganze Gebäude zusammenstürze! Wenn das römische, zur Erhaltung der Christenheit bestimmte Reich von Feinden und Ungläubigen angefallen wird, so greift der Kaiser zum 427 {1227} Schwerte, und weiß was sein Amt und seine Ehre erheischt: wenn aber der Vater aller Christen, der Nachfolger des Apostels Petri, der Stellvertreter Christi, (uneingedenk, daß wir einst seinen Vorgänger aus den übermüthigen Händen Ottos erretteten) uns überall Feinde erweckt; was sollen wir da hoffen, was beginnen? Strecken nicht die Ausgearteten, die Unedlen, in ihrem Wahnsinne verwegene Hände nach Königreichen und Kaiserthümern aus? Möchten sie nicht, damit die ganze Welt sich verwirre, Kaiser, Könige und Fürsten zu ihren Füßen sehen? Diese wissen also, was der Papst von ihnen verlangt, und auch den Unterthanen ist nicht verborgen geblieben, was sie von kirchlichem Beistande zu erwarten haben, wenn sie sich von ihrer rechtmäßigen Obrigkeit abtrünnig machen lassen. Deshalb vereinige sich die Welt zur Vernichtung dieser unerhörten Tyrannei, dieser allgemeinen Gefahr: denn niemand wird dem Untergange entrinnen, welcher einem widerrechtlich Bedrängten beizustehen unterläßt und vergißt, daß da, wo das Feuer schon des Nachbars Wand ergriffen hat, stets von der eigenen Rettung die Rede isttua res agitur etc. Math. Par. l. c.

So sprach der Kaiser, im Gefühle seines Zornes und seiner Kraft, Überzeugungen aus, welche sich allmählich in ihm gebildet und befestigt hatten; sie standen in geradem Widerspruche mit den Grundsätzen der herrschenden Kirche, und es ist nun nicht mehr die Rede von einzelnen Veranlassungen zu Zwistigkeiten, sondern nur von einzelnen Veranlassungen vorübergehenden Friedens. Im Innern dauerte die Spaltung unaufhörlich fort, und durch alle Begebenheiten zieht sich der Kampf für die Unabhängigkeit der Staaten von geistlicher Gewalt. Dies ist der überall hervorklingende Grundton, dies die Aufgabe, die der Kaiser weder umgehen wollte, noch umgehen konnte. Welche Ansichten der einzelne auch hierüber hegen möge, immer muß ihm der Kampf großartig, die Aufgabe höchst wichtig erscheinen: denn nicht von 428 {1227} untergeordneten, persönlichen Mißverständnissen ist die Rede, oder von einem kleinen, leicht nach dem Buchstaben zu beseitigenden Rechtsstreite; sondern von Dingen, welche auf die Entwickelung der gesammten Menschheit den größten Einfluß haben, den Zustand ganzer Jahrhunderte vorbereiten oder festsetzen, und das Gemüth zu keiner Zeit ohne Theilnahme lassen sollen.

Aus untergeordnetem Standpunkte ist, bei den widersprechenden Berichten der Geschichtschreiber, schon der vorliegende Streit hinsichtlich der Thatsachen nicht hinreichend aufzuklären; wogegen eine gleichzeitige Betrachtung des Frühern und Spätern zu folgenden höchst wahrscheinlichen Ergebnissen führt. Der Kaiser wollte den Kreuzzug, aber nur einen erfolgreichen; und sofern die Kriegsmittel unzulänglich erschienen, hätte er den bezweckten Erfolg wohl eben so gern und noch lieber auf dem Wege friedlicher Unterhandlung mit den Muhamedanern herbeigeführt. An dieser gemäßigten, später noch mehr hervortretenden Ansicht nahmen aber alle diejenigen großen Anstoß, welche einen ewigen Krieg mit den Feinden des Glaubens für die erste Christenpflicht hielten. Auch wollte und konnte sie Friedrich nicht geltend machen, als sich bei Brundusium und Hydrunt über alle Erwartung viel Pilger zusammenfanden. Aber leider war ein großer Theil derselben unkriegerisch und ein noch größerer hülfsbedürftig; daher mochten Schiffe, Lebensmittel und Geld nicht zureichen, obgleich der Kaiser so viel als möglich und mehr geleistet hatte, als ihm die ursprünglichen Verträge auflegtenDies, und daß schon über die Zahlung der 80,000 Unzen, Quittungen in den Händen des Kaisers waren, wird behauptet. Martene coll. ampliss. II, 1194.. Während selbst seine Gegner dies einräumen und die ausbrechenden Krankheiten ganz richtig als Folge der heißen Jahreszeit bezeichnen; behaupten sie, der Kaiser habe den Landgrafen von Thüringen vergiften lassen, was, ganz abgesehen von der Sittlichkeit, zwecklos, 429 {1227} ja unsinnig gewesen wäre. Nicht begründeter ist der Zweifel an Friedrichs eigener Krankheit, welche unter solchen Umständen so höchstwahrscheinlich, von ihm feierlich bezeugt, ja, wie es scheint, selbst von den päpstlichen Gesandten bestätigt wardRich. S. Germ. 1003 die Stelle: quibus non plus credens, quam nuntiis suis.  Vitae Pont. 576.  Villani VI, 16.  Malespini 125.  Suntheim 631.. Ob dem Kaiser diese Krankheit bei der täglich mehr zusammenschmelzenden Kriegesmacht nicht auf gewisse Weise willkommen war, oder ob er ohne solchen Vorwand aus diesen und ähnlichen innern Gründen umgekehrt seyn würde, ist eine andere Frage. Wenn sich Gregor diese Frage auch bejahte, so hatte er doch nicht nöthig den Kaiser einer offenbaren Lüge zu zeihen, wodurch der Streit eine sehr gehässige Wendung nehmen mußte. Für den Fall daß Friedrich im August 1227 nicht nach Palästina aufbrach, war er nach dem Vertrage von S. Germano ohne weiteres in den Bann verfallen; er war in den Bann verfallen, selbst wenn Gregor ihn nicht noch einmal ausgesprochen hätte; er mußte es sich selbst beimessen, daß dieser übereilte Vertrag gar keinen Ausweg, keinen Entschuldigungsgrund zuließ, sondern unbedingt verurtheilte. Darin aber versah es Gregor, daß er den Bann nicht mit der alleinigen Beziehung auf jenen Vertrag, ohne alle weitere Angabe eines einzelnen Grundes aussprach, wozu ihm offenbar ein Recht zustand; sondern daß er die Entschuldigungsgründe des Kaisers berührte und als Lügen behandelte. Hierüber beschwerte sich dieser mit vollem Recht, und es war nicht mehr die Rede davon, ob und welche Entschuldigungsgründe gelten könnten; sondern ob der angegebene (an sich keineswegs als ungenügend ausgeschlossene) wahr sey.

Für die Wahrheit desselben sprach auch der Ernst, womit Friedrich nach wie vor für den Kreuzzug wirkte. Der Erzbischof von Palermo ging als Abgesandter an den Sultan von Ägypten; der Graf Thomas von Ammo und 430 {1228} Acerra war bereits im Herbste 1227 mit einem Theile der Pilger glücklich im Morgenlande angelangt; alle Lehnsträger des Reichs und alle Grundbesitzer wurden aufgefordert, sie möchten zum Frühjahre Mannen stellen oder angemessene Summen zahlen. Ohne Rücksicht auf dieses und ähnliches, verbot der Papst allen Prälaten und Geistlichen des sicilischen Reiches, bei Strafe des Bannes, dem Kaiser das geringste zu zahlen oder zu liefern; und gab durch diese strenge, aber unzeitige Anwendung eines lange bestrittenen und in jenen Ländern nie durchgesetzten Grundsatzes, Anstoß bei den Laien, welche der geistlichen Gewalt abhold waren, und nicht minder bei frommen Beförderern des Kreuzzuges. Manche Geistliche hielten es für unrecht dem Papste zu gehorchen, andere fürchteten den Kaiser, und viele, welche jenen Befehl zu ihrem Vortheil benutzen wollten, geriethen in große Noth, als Friedrich ihnen ihre Beischläferinnen wegnehmen ließ und sich dabei auf die Nothwendigkeit einer strengen Befolgung auch dieser kirchlichen Vorschrift bezog. – Selbst den Papst erreichte itzt die Rückwirkung kaiserlicher Feindschaft.

Friedrich hatte nämlich im Frühlinge 1227 den Römern, um einer höchst drückenden Hungersnoth abzuhelfen, beträchtliche Getreidevorräthe zugesandt, und ihnen auch sonst seine freundliche Gesinnung bewiesen. Jetzo verlas sein Gesandter Roffrid von BeneventÜber Roffrid, der einst Professor der Rechte in Bologna war, siehe Sarti I, 1, 118., mit Genehmigung des Senats und Volks, die kaiserliche Rechtfertigungsschrift öffentlich auf dem Kapitol, und gewann dadurch noch mehr Stimmen. Den mächtigen Frangipani, welche fast nie päpstlich gesinnt waren, kaufte Friedrich ihre Güter ab und gab sie ihnen unentgeltlich als Lehn zurück. Dafür traten diese an die Spitze seiner Freunde und tadelten laut das Verfahren des Papstes. Als dieser, ohne hierauf die mindeste Rücksicht zu nehmen, den Kaiser am zweiten Ostertage 431 {1228} den 27sten März 1228 in der Peterskirche nochmals banntePappenh.  Neuburg. chron.  Alberic. 527.  Salisb. chron.  Albert. Stad.  Vitae Pontif. 578.  Rich. S. Germ. 1004.  Ursperg zu 1227.  Reg. Greg. I, 586-588., seine Unterthanen nun auch vom Eide der Treue lossprach und das apulische Reich für verwirkt erklärte; so erhob sich erst ein tadelndes Gemurmel, dann folgten Geschrei, Schimpfreden und Schmähungen, daß der Papst kaum thätlichen Mißhandlungen entging und über Rieti nach Perugia entfliehen mußte.

Um dieselbe Zeit feierte Friedrich das Osterfest in Baroli unter großen Freuden: denn es trafen Nachrichten ein, daß Graf Thomas von Acerra in Syrien gesiegt habe, und der Sultan Moattam von Damaskus gestorben sey. Deshalb ließ der Kaiser sogleich 500 andere Ritter unter Anführung des Marschalls Richard einschiffen, und ordnete jegliches für seinen eigenen Aufbruch. In einer unter freiem Himmel gehaltenen Versammlung, – denn kein Gebäude konnte die Menge der Zuströmenden fassen –, wurden folgende Punkte als letztwillige Verordnung des Kaisers bekannt gemacht und beschworen: »alle Stände und Unterthanen verpflichten sich, ruhig und nach den Gesetzen zu leben. Herzog Rainold ist Reichsverweser. Stirbt der Kaiser auf dem Kreuzzuge, so folgt ihm sein ältester Sohn Heinrich, dann Konrad; und wenn diese oder andere männliche Nachkommen nicht mehr vorhanden sind, geht die Herrschaft auf die ehelichen Töchter über.

Jetzo war alles im Innern geordnet, Flotte und Heer für den Kreuzzug bereitet: da starb die Kaiserinn Jolante an den Folgen ihres Wochenbettes; aber Friedrich ließ sich hiedurch nicht von der endlichen Ausführung seines ernsten Vorsatzes abhalten: er schiffte sich am 11ten August 1228 einDandolo 344., und landete nach günstiger Fahrt erst in Cypern, dann am 8ten September in Akkon. 432

 


 


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