Friedrich von Raumer
Geschichte der Hohenstaufen und ihrer Zeit, Band 3
Friedrich von Raumer

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Fünftes Hauptstück.

{1197} In Viterbo erhielt Herzog Philipp von Schwaben und Tuscien, die Nachricht vom Tode Kaiser Heinrichs VI. Ehe er noch Zeit hatte zu überlegen, ob er jetzo, nach seinem ersten Plane, die Reise nach Apulien fortsetzen und Friedrich II zur Krönung nach Deutschland abholen solle, oder nicht, erhob sich ringsum Empörung gegen ihn und seine Anhänger. Mit Mühe und Gefahr entging er diesen Nachstellungen und erreichte Deutschland gegen das Ende des Jahres 1197. – Schon früher war hier ein unwahres Gerücht verbreitet worden, Kaiser Heinrich sey gestorben, und sogleich erlaubten sich viele, der Furcht entbunden, Raub, Plünderung und Unbilden mancher ArtGodofr. mon.  Ursp. 319.. Der Widerruf jener Nachricht erzeugte Schrecken, die endliche Bestätigung aber neue Frevel; so daß es doppelt wichtig erschien, sich über die Regierung des Reiches schnell und entschieden zu vereinigen.

{1198} Herzog Philipp trat zunächst als Vormund seines Neffen Friedrich auf, und gewann mehre süddeutsche und oberrheinische Fürsten und Bischöfe für seine Ansichten. Dagegen behaupteten die Erzbischöfe von Trier und Köln, ihnen stehe, – denn der Erzbischof von Mainz war noch im Morgenlande abwesend –, die Einleitung einer 103 Königswahl von Rechtswegen zu, und kamen auf einer Versammlung in Andernach mit mehren Fürsten und Bischöfen überein, daß jene Wahl am 1sten März 1198 in Köln stattfinden und die Reichsstände, besonders aber Bertold von Zäringen berufen werden solle, dessen Erhebung sie heimlich schon beschlossen hatten. Ihnen wirkte Philipp mit desto größerem Erfolg entgegen, da er im Besitze der Reichskleinode und Schätze war, da alle alten Freunde seines Hauses und alle Reichsbeamte und Reichsmannen seine Partei ergriffenBurchardi vita 119., und viele von den Fürsten und Bischöfen, welche durch den Fall Heinrichs des Löwen gewonnen hatten, nur in der fortdauernden Obermacht der Hohenstaufen die Bürgschaft ihrer verbesserten Stellung erblickten. Diese letzten, die Herzöge Ludwig von Baiern und Bernhard von Sachsen, der Erzbischof von Magdeburg, die Bischöfe von Bamberg, Worms und Zeiz, die Markgrafen der östlichen Marken und mehre andere Fürsten und Prälaten, versammelten sich deshalb in Arnstadt, im Schwarzburgischen, wo Herzog Philipp von Schwaben verlangte, daß er zum Reichsverweser bis zur Großjährigkeit seines Neffen ernannt werde. Hiegegen bemerkten aber mehre: auf Friedrich dürfe man keine Rücksicht nehmen, weil seine Wahl zum Theil erzwungen, und weil er nach dem unerwartet frühen Tode Heinrichs VI, als ein dreijähriges Kind Rechte und Pflichten solcher Art zu übernehmen nicht im Stande sey.

Während nun Philipp mit seinen Freunden, besonders dem Bischofe Diethelm von KonstanzConrad a Fabaria 79. Diethelm war ein geborner Herr von Krenkingen. Zapf. monum. I, 371., noch überlegte, ob er seines Neffen Ansprüche vertheidigen, oder ob er für sich selbst hervortreten sollte; eröffneten die Erzbischöfe von Köln und Trier ihre Wahlversammlung. Sie erstaunten aber sehr, als so viele Reichsstände ausblieben, und 104 {1198} von jenen thüringischen Zusammenkünften Nachricht einlief. Deshalb wurde sogleich der Bischof Hermann von Münster nebst andern geehrten Männern an jene Versammelten geschickt, mit dem Ersuchen, nicht in Abwesenheit der übrigen eine Wahl vorzunehmen, sondern an einem bestimmten Orte gemeinsam darüber zu verhandeln. Als diese Gesandten in Thüringen anlangten, war aber Philipp am 5ten März 1198 in Mühlhausen schon zum König erwählt und in mehren Orten als solcher anerkannt worden. Hierüber zürnten die in Köln Versammelten um so mehr, da die größere Zahl der Wähler Philipps aus sächsischen Fürsten bestandDie Nachrichten bei Godofr., Otto S. Blas., Erfurt. chron. S. Petrin., Corner 814 u. s. w. sind nicht ganz zu vereinigen, besonders in Hinsicht der Zeit und der Orte, wo die thüringischen Versammlungen gehalten wurden. Die oberdeutschen Stände hatte Philipp wohl schon vorher in Worms gewonnen, wenigstens sagt Godofr. monach., er sey albis Paschalibus (das wäre der 15te Febr. 1198) daselbst gekrönt einhergegangen. Burchardi vita 113 nennt Mühlhausen als den ersten Wahlort., und überhaupt noch nie ein König innerhalb Sachsens gewählt worden sey. Sie erneuten daher sogleich ihre Unterhandlungen mit Bertold von Zäringen und versprachen ihn zum König zu erheben, wenn er sich an einem bestimmten Tage mit Heeresmacht in Andernach einfände. Bertold beschwur dies und stellte, um größerer Sicherheit willen, seine Neffen die Grafen von Urach zu Geißeln. Als er aber vernahm, daß Philipp bereits von vielen Reichsständen anerkannt sey, als er, mehr haushälterisch denn ehrgeizig gesinntFreiburger Chron. 21. Unedel war es, daß Bertold seine Neffen nicht aus der Haft lösete. Sie mußten ihr eigenes Vermögen dazu verwenden, und gelobten im Fall der Befreiung Mönche zu werden. Konrad, der eine, stieg empor bis zum Kardinal. Burchardi vita 115., nachrechnete, daß sich die Kosten schon jetzt auf 6000 Mark beliefen, so erschien ihm der Ausgang des für ihn schon ungünstig beginnenden Krieges sehr ungewiß, 105 {1198} die Erschöpfung seiner Schätze aber außer Zweifel, und gern trat er seine Ansprüche gegen Empfang von 11,000 Mark an Philipp ab.

Unterdeß warteten die Fürsten in Andernach mit Sehnsucht auf Bertolds Ankunft und schalten, als jener Vertrag bekannt wurde, daß er aus Lässigkeit und Geiz eine Königskrone verscherzeSchöpflin hist. Zar. Bad. I, 153.; worauf er, die Habsucht in ihren Maaßregeln hervorhebend, antwortete: »er möge eine Krone nicht, wenn er sie erkaufen solle.« – Eben so wenig wollte Herzog Bernhard von SachsenRegistr. imper. 136., an den sich jene Fürsten itzt wandten, auf eine so unsichere und kostspielige Unternehmung eingehen.

Nach Beseitigung dieser Gegner, und nachdem ihn der Bischof von Sutri in Worms übereilt vom Banne gelöset hatte, hoffte Philipp leicht seine übrigen Widersacher zu gewinnen: aber sie wiesen alle Anerbietungen zurück, obgleich die Gründe dieses Zurückweisens nicht bei allen dieselben waren. Zorn über verletztes WahlrechtConr. a Fabaria 79., Hoffnung größerer Unabhängigkeit oder Geldgewinns, Furcht vor der hohenstaufischen Übermacht u. s. w. wirkten abwechselnd; und wie es manche für rühmlich hielten die Erbfolge dieses Hauses zu unterstützen, so achteten es andere für Pflicht dessen Ansprüche zu untergraben. Nach Bertolds und Bernhards Rücktritte konnte man aber nur unter den Welfen einen würdigen Gegner Philipps finden; weshalb die Grafen von Tagsburg und Leiningen zu vorläufigen Unterhandlungen an Otto, den jüngern Sohn Heinrichs des LöwenRichard machte den Otto erst zum Grafen von York, dann aber, weil er hier wenig Gehorsam fand, zum Grafen von Poitou. Roger Hov. 685.  Alberic. 380.  Tolner 344. Otto war ein großer und starker Mann. Burchardi vita 115., (der ältere, Pfalzgraf Heinrich, war noch in Palästina) geschickt wurden, welcher sich als Stellvertreter seines Oheims 106 {1198} Richard in Poitou aufhielt. Auch diesen König lud man ein, – wahrscheinlich in Bezug auf seine Verhandlungen mit Heinrich VI über das arelatische Reich –, er möge am ersten Mai zur Königswahl in Köln erscheinen; aber aus Furcht, daß die Fürsten, denen er die versprochenen Summen noch nicht gezahlt hatte, ihn vielleicht wiederum festhalten würden, unterstützte er Otto nur aus der Ferne mit vielem Gelde und gewandten FürsprechernArnold. Lub. VII, 17.  Halberst. chron. 140.  Registr. imper. 4, 5, 28.  Coggesh. chron. angl. 851.  Robert. de Monte.  Roger Hov. 776.  Laudun. chron. 710..

In dem Maaße als nun Richard und sein Verbündeter, Graf Balduin von Flandern, für die Welfen auftraten, schloß sich sein alter Gegner Philipp August an die Hohenstaufen an, und so kam am 29sten Junius 1198Leibnitz cod. Urk. 5.  Rymer foed. I, 1, 34.  Dumont I, Urk. 218. in Worms ein wirksames Bündniß zwischen dem Könige von Frankreich und König Philipp zu Stande gegen Richard, Otto und deren Freunde und Anhänger. Schon sammelten sich diese am Niederrhein und umlagerten Achen, damit die Krönung Ottos nach altem ehrwürdigem Herkommen hier vollzogen werde: allein die Bürger, denen König Philipp Verstärkung zugeschickt hatte, widerstanden sechs Wochen lang mit der höchsten Tapferkeit. Erst nach Aufopferung vieler Menschen und vielen Geldes eroberte Otto die Stadt am 10ten Julius, ward am 12ten daselbst vom Erzbischofe von Köln gekröntAquic. auct.  Auctor inc. ap. Urstis.  Die Abweichungen über Ottos Krönungstag zählen auf: Pfeffinger I, 498, Meibom script. III, 117. Wir folgen im Text den Angaben von Radulph. a Diceto 703.. In Achen befehligten für Philipp: Walram, der Sohn des Herzogs Heinrich von Limburg, und Heinrich Truchseß von Waldburg. Burch. vita 117. und verlobte sich, zu nicht geringer Verstärkung seiner Partei, mit der Tochter des Herzogs Heinrich von Brabant. – Noch mehr als Otto gewann 107 {1198} indeß Philipp, als sich der zum König erhobene Herzog Ottokar von Böhmen, und später sogar der Erzbischof von Trier für ihn erklärten. Nach Besiegung einiger Widersetzlichen in Oberdeutschland zog er den Rhein hinab, hielt am 15ten August einen Reichstag in Mainz, und empfing, in Abwesenheit des dasigen Erzbischofs, die Krone aus den Händen des Erzbischofs Aimo von TarantaiseTarantisiensis, nicht Tarenti, sagt Reg. imp. 21.  Gallia christ. XII, 707.  Die Krönung war nach Erf. chron. S. Petr. erst den achten September; aber wahrscheinlich ist nativitas Mariae für ascensio gesetzt. Auct. inc. ap. Urst.. Hierauf kam er nach Koblenz, erzwang den Übergang über die Mosel und gewann die Länder seiner Feinde bis in die Gegend von Köln. – Aber schon in diesem ersten Jahre zeigten sich die bösen Folgen eines solchen innern Krieges: Bonn, Andernach und mehre andere Orte wurden größtentheils niedergebrannt, und die übermüthigen Söldner verschonten keinen Stand, kein Geschlecht. So bestrichen sie z. B. eine nackt ausgezogene Nonne mit Honig, wälzten sie hierauf in Federn, setzten sie verkehrt auf ein Pferd und führten sie höhnend umher. Wie ernst übrigens König Philipp Frevel solcher Art zu verhüten strebte, geht daraus hervor, {1199} daß er jene Übelthäter in kochendem Wasser ersäufen ließGodofr. mon.  Arnold. Lub. VI, 2-4..

Die mannigfachen Fehden und Kriegszüge des folgenden Jahres 1199 waren nicht minder verwüstend, keineswegs aber entscheidend; obgleich im ganzen Otto mehr verlor als PhilippSiehe über die Fehden: Godofr. mon., Aquic. auct., Auct. inc. ap. Urst., Gobelin 263, 276, Meibom. de orig. Helmst., Leibn. mantissa XXXVII, 194, Albert. Stad., Admont. chr..  Braunschweig wurde von Philipp vergeblich belagert; Helmstädt und Koblenz verbrannten größtentheils u. s. w..

Desto wichtiger erschien es beiden Theilen, den mächtigen Papst zu gewinnen. Otto setzte die Rechtmäßigkeit seiner Wahl, den alten Haß der Hohenstaufen und Philipps 108 {1199} neue Unbilden gegen die Kirche auseinander, und bat um dessen nochmalige Bannung. Der König von England, der Graf Balduin von Flandern, die Mailänder, der Erzbischof von Köln, die Bischöfe von Paderborn, Minden und Verden, Herzog Heinrich von Brabant und mehre Äbte und Grafen schrieben an InnocenzInnoc. reg. imp. 3, 8.  Miraei op. dipl. I, 149. Urk. 74.: »König Otto habe der Kirche Schutz und Ersatz des Verlornen versprochen, und dem Erbrechte an dem beweglichen Nachlaß der Bischöfe und Äbte entsagt. Solche Milde verdiene um so eher die päpstliche Freundschaft, da alle Unterschriebene sich gleich dem Könige verbürgten, daß man den Rechten der römischen Kirche nirgends werde zu nahe treten.« – Des Papstes höfliche Antwort zeigte seine günstigen Gesinnungen, sprach aber keineswegs die Anerkennung Ottos aus.

Noch weniger konnte indessen Philipp auf die Gunst des Papstes rechnen, obgleich dieser bald nach seiner Erhebung dem Bischofe von Sutri und dem Abte von S. Anastasio auftrug, den Herzog, welcher von Cölestin wegen feindlicher Behandlung des Kirchenstaates gebannt war, in die Gemeinschaft der Kirche wieder aufzunehmen; im Fall er erstens, die von Heinrich VI gefangen gesetzten Apulier freilasse, und zweitens eidlich gelobe, den Befehlen des Papstes über alle Gegenstände des Bannes zu gehorchen. – Allein der Bischof lösete, übereilt oder auf andere Weise gewonnen, den Bann, ehe Philipp die zweite wichtigere Bedingung erfüllte; welches Verfahren Innocenz vernichtete und den Bischof zur Strafe in ein Kloster steckteEpist. I, 25.  Reg. imp. 12, 21, 29.  Der Bischof von Sutri war nach Ughelli Ital. sacra I, 1275 ein Deutscher.. – Weit mehr Fürsten und Prälaten, als für Otto, schrieben jedoch für Philipp an den Papst: die Erzbischöfe von Magdeburg, Trier und Besançon, die Bischöfe von Regensburg, Freisingen, Augsburg, Konstanz, Eichstädt, Worms, Speier, Brixen und Hildesheim, viele Äbte, der König von 109 {1199} Böhmen, die Herzöge von Sachsen, Baiern, Österreich, Meran und Lothringen, die Markgrafen von Meißen, Brandenburg und Mähren. Beigestimmt hatten ferner folgende Abwesende: der Patriarch von Aquileja, der Erzbischof von Bremen, die Bischöfe von Halberstadt, Verden, Naumburg, Osnabrück, Bamberg, Passau, Chur, Trident, Metz, Toul, Verdun, Lüttich, der Pfalzgraf Otto von BurgundWer ist der Markgraf von Rumesberg und der Herzog von Bites, welche auch genannt werden? (Philipps Bruder), die Herzöge von Zäringen und Kärnthen, die Markgrafen von Landsberg und Vohburg, die Pfalzgrafen von Thüringen, von Wittelsbach und viele andere Grafen und Edle. Sie schrieben: »mit Ausnahme weniger Unruhestifter hätten sich die berufenen Reichsstände, in Gegenwart unzähliger Edlen und Reichsmannen, einstimmig für den Mächtigsten und Würdigsten, für Philipp erklärt. Gleich diesem wären alle der Meinung, daß man die Rechte der römischen Kirche auf keine Weise verkürzen dürfte; wogegen sie auch den Papst bäten, daß er seine Hand nicht mit Unrecht nach den Reichsrechten ausstrecken, oder Markuald den Marschall des Reiches feindlich behandeln möchte. Diesen Wunsch sollte Innocenz um so mehr berücksichtigen, da sie binnen kurzer Frist den Römerzug mit großer Macht antreten würden«Registr. imp. 14, 15.  Das Schreiben der Fürsten ist vom 28sten Mai, höchst wahrscheinlich 1198..

Der Papst antwortete den Fürsten und Prälaten: »ihm sey leider Kunde von einer zwiespaltigen Wahl zugekommen; doch wolle er, sobald dieser Übelstand gehoben wäre, den rechtmäßig erwählten und gekrönten König gern zur Kaiserkrönung berufen. Nach weltlichen Rechten trachte er keineswegs und sey, – die Wohlthaten der Kaiser mehr als ihre Übelthaten im Andenken behaltend –, auf des Reiches Beste nicht minder bedacht, als auf das Wohl der Kirche. Dieses, und daß seine Schritte gegen Markuald 110 {1199} durch dessen Thaten vollkommen gerechtfertigt wären, würden sie selbst einsehen, sobald sie sich von den Umständen gründlich unterrichteten und keinem Boshaften und Verleumder Gehör gäben.« – Bestimmter trat Innocenz in der Fülle seiner Macht gegen Philipp selbst hervor, und antwortete dessen Gesandten in einer feierlichen KardinalssitzungRegistr. imp. 18.: »im ersten Buch Mose lesen wir, daß Melchisedek König war und Priester; König jedoch nur einer Stadt, Priester dagegen der Gottheit. Die Priester nahmen den Zehnten, und gaben ihn nicht; sie weihten, wurden aber nicht geweiht; sie salbten, wurden aber nicht gesalbt: darum stehen sie höher als die, welche den Zehnten geben, welche geweiht und gesalbt werden. Ihre Lippen, sagt der Prophet, bewahren die Wissenschaft, und aus ihrem Munde geht das Gesetz. Noch deutlicher erklärt sich das Evangelium: auf Petrus, diesen Felsen hat Christus seine Kirche gegründet, ihm das Recht gegeben auf Erden und im Himmel zu binden und zu lösen, ihm gesagt: fürchte dich nicht, denn ich bin bei dir; ihm geweissagt: die Pforten der Hölle sollen dich nicht überwältigen. Mithin haben die Fürsten nur Gewalt auf Erden, die Priester auch im Himmel; jene nur über den Leib, diese auch über die Seele; jene über einzelne Landschaften und Reiche, der Papst, als Stellvertreter Christi, über den Erdkreis. Auch ist das Priesterthum älter als die weltliche Herrschaft, und jenes stammt aus göttlicher Einsetzung, diese aus der Anmaaßung Nimrods des großen Jägers. Das Königthum wurde den Juden auferlegt zur Bestrafung, das Priesterthum ward ihnen gegeben zur Errettung. Wo die weltliche Macht es gewagt hat der Kirche zu widerstehen, ist sie zerschmettert worden, von der Rotte Korah bis auf unsere Tage. So siegte Innocenz II über Anaklet, so Lothar über Konrad, so Alexander III über Friedrich I; so ist jetzo die Kirche durch Gottes Gnade einig und mächtig, im Reiche aber um eurer 111 {1199} Sünden willen Spaltung und Krieg. Doch vergilt die Kirche dem Reiche nicht, wie dieses ihr; sondern theilt Klage und Mitleid hauptsächlich darüber, daß die Fürsten seinen Ruhm beflecken und seine Freiheit und Würde verletzen. Zur Abstellung so großer Übel hätte man sich aber schon längst an den apostolischen Stuhl wenden sollen, vor welchen diese Angelegenheit bekanntlich zuerst und zuletzt gehört: zuerst, weil der Papst das Kaiserthum vom Morgenlande auf das Abendland übertrug; zuletzt, weil er durch Bewilligung der Kaiserkrone allem erst Schluß und Haltung giebt.«

Als diese Weisungen unwirksam blieben, ermahnte Innocenz die Fürsten und Prälaten noch einmal: sie möchten den Zwist beseitigen, welcher Reich und Kirche zerstöre; sonst werde er, weil jede Zögerung die Gefahr vermehre, sich für den erklären müssen, dessen Verdienste und Eifer ihm am größten erschienenAdmont. chron. 194.  Epist. II, 293, 294.  Der Auftrag an den Erzbischof von Mainz ist vom dritten Mai 1199, und der vorher erzählte Schriftwechsel, welchen Raynald. auch zu 1199 anführt, gehört vielleicht zum Theil noch ins Jahr 1198.. Zu gleicher Zeit verlangte er von dem aus Asien eben zurückgekehrten Erzbischof Konrad von Mainz, ein Gutachten über die Verhältnisse in Deutschland: theils um diesen durch ein solches Vertrauen zu gewinnen, theils um sich durch einen scheinbar noch Unparteilichen belehren zu lassen. Doch war am Schlusse des Schreibens so höflich als warnend gesagt: der Erzbischof werde gewiß künftig die päpstliche Entscheidung annehmen und alle Bischöfe und Prälaten seines Sprengels hiezu anweisen. Die Bemühungen Konrads und des mit ihm verbundenen Markgrafen Bonifaz von Montferrat, einen von den beiden Königen zur Entsagung, oder beide Theile zur Abschließung eines fünfjährigen Waffenstillstandes zu vermögen, blieben aber ohne Erfolg; und nur für die oberdeutschen, nicht einmal für die sächsischen Länder, ging man 112 {1199} endlich einen Waffenstillstand bis zum 11ten November 1199 einPappenheim zu 1199.. Hievon erstattete Erzbischof Konrad, – vielleicht zu Philipp sich hinneigend –, dem Papste keinen Bericht, sondern eilte nach Ungern, um die dort streitenden Brüder Hemmerad und Andreas auszusöhnen; über welche Vernachlässigung Innocenz um so ungeduldiger wurde, da Schreiben Ottos einliefen, des Inhalts: »daß jener kurze Waffenstillstand, und zum 31sten Julius 1200 eine große Zusammenkunft zwischen Köln und Andernach verabredet wäre, wo für ihn der Erzbischof von Köln und die Bischöfe von Münster, Lüttich, Utrecht und Paderborn, der Abt von Korvey, der Herzog von Brabant und der Graf von Flandern erscheinen würden; für Philipp hingegen: die Erzbischöfe von Trier und Salzburg, die Bischöfe von Freisingen, Basel und Straßburg, die Herzoge von Meran und Zäringen, und der Markgraf von Landsberg. Die Vermittelung zwischen beiden Theilen habe der Erzbischof von Mainz übernommen, und was die Abgeordneten festsetzten, sollte für alle als unverletzbares Gesetz gelten. So sehr Otto nun auch der Treue seiner Vertreter gewiß sey, und so viel er von denen Philipps hoffen dürfe; so scheine es ihm doch dringend nöthig, daß der Papst sich bestimmter für ihn erkläre, dadurch seine Anhänger befestige und seine Gegner umstimme und schrecke: denn einen Kranken könne der Arzt wohl heilen, aber keinen Gestorbenen von den Todten auferwecken.«

Nach Empfang dieser Vorstellung schickte der Papst den Kardinal Guido Porrè als GesandtenGuido war vorher Abt in Citeaux. Gallia christ. IV, 990.  Cecconi 256.  Alberic. 419.  Donio 216.  Reg. imp. 21, 29, 55., und eine umständliche Auseinandersetzung seiner Ansicht, als mittelbaren Leitfaden der Verhandlungen, an die deutschen Stände. Nachdem Innocenz in dieser Darstellung das Recht des 113 {1200} Papstes, bei den Wahlen zuerst und zuletzt mitzusprechen, nochmals auf obige Weise begründet hat, fährt er fort.

»Da zwiespaltig drei Könige erwählt sind, Friedrich, Philipp und Otto, so muß in Hinsicht jedes einzelnen geprüft werden: was erlaubt, was schicklich, und was nützlich sey. – Gegen die Wahl Friedrichs scheint auf den ersten Anblick jeder Einwand unerlaubt, weil sie durch Eide der Fürsten bekräftigt wurde. Denn sollte auch anfangs hiebei Zwang obgewaltet haben, so erließ doch Heinrich VI diese früheren Eide, und die Fürsten wählten nachher in seiner Abwesenheit den Knaben freiwillig und einstimmig, und leisteten ihm fast alle die Huldigung. Wenn man nun aber selbst erzwungene Eide nicht brechen soll, wie viel weniger freiwillig geschworene. Ferner erscheint es unschicklich und rechtswidrig, daß die römische Kirche, statt als Vormünderinn ihren Mündel zu schützen, ihn seines Anrechts sollte berauben helfen; endlich muß man es für schädlich halten, weil Friedrich sie dafür, sobald er zu Jahren kommt, als seine Feindinn betrachten, sie verfolgen und das apulische Reich ihrem Einfluß entziehen wird. – Aber ungeachtet aller dieser Gründe, ist es dennoch erlaubt, schicklich und nützlich, sich gegen Friedrichs Wahl zu erklären. Erlaubt, denn jene Eide waren unerlaubt und die Wahl war unangemessen. Sie traf ein zweijähriges, noch nicht einmal getauftes KindDie frühe Kindertaufe war im Mittelalter weder allgemein vorgeschrieben, noch überall in Gebrauch. Petri Vin. III, 21.  Murat. antiq. Ital. IV, 849.  Füeßlin I, 208.  Friedrich ward in Assisi getauft, und die Monum. riguard S. Rufino 251 widerlegen den Baldassini 37. Auch spricht Friedrich (Petri Vin. II, 21) von seinem Jugendaufenthalt in Foligno, in der Nähe von Assisi., das keinem Geschäfte irgend einer Art, viel weniger einem Reiche, vorzustehen vermag. Und konnte dieses Kind nicht thöricht seyn am Verstande? Konnte es sich nicht auf eine Weise entwickeln, die es auch des geringsten Amtes unwürdig zeigte? Wer hatte hier gehörig geprüft, ja war eine solche Prüfung auch nur 114 {1200} möglich? Die Beistimmung der Stände erfolgte in der Voraussetzung, daß Heinrich VI wenigstens bis zur Großjährigkeit seines Sohnes leben werde; mit dem Wegfallen dieser natürlichen und nothwendigen Voraussetzung, fällt auch Wahl und Eid dahin. Wehe dem Lande, sagt die Schrift, dessen König ein Kind ist! Wollte man aber, gegen alle Sitte, für das Reich einen Stellvertreter des Kindes ernennen, so kann doch die Kirche eines Kaisers nicht entbehren. Auch hat sie sich nicht verpflichtet, Friedrich zur Kaiserkrone zu verhelfen, sondern nur ihm das apulische Reich zu erhalten; ja eine solche Vereinigung des Kaiserthums mit diesem Reiche wäre unzulässig und für die Kirche grundverderblich. Denn, um unter vielen Gefahren nur einer zu erwähnen, so möchte Friedrich als Kaiser, gleich seinem Vater, der Kirche die Lehnspflicht wegen jenes Reiches versagen. Hingegen ist die Besorgniß, er werde den Verlust des Kaiserthums an der Kirche rächen, unerheblich: weil ihn vielmehr sein Oheim Philipp der Krone und der väterlichen Erbschaft beraubt, und sich sogar dessen mütterliche Erbschaft zueignen würde, wenn ihm nicht die Kirche hier unter großen Aufopferungen entgegenträte.

Eben so scheint zuerst gegen Philipps Wahl kein Einwand zulässig: denn auf seiner Seite stehen offenbar die angesehensten und die meisten Fürsten. Es wäre ferner unschicklich, wenn der Papst, seines Amtes und der Vorschrift Christi vergessend, das Unrecht der Vorfahren Philipps an ihm rächen und ewigen Haß gegen ihn zeigen wollte. Es erscheint endlich thöricht, sich dem an Land, Geld und Menschen Übermächtigen zu widersetzen, gegen den Strom zu schwimmen, und statt für die Kirche, durch Anerkennung seiner Wahl, einen leichten und vortheilhaften Frieden zu gewinnen, sie in neue und gefährliche Fehden zu stürzen. – Hiegegen aber spricht: daß Philipp von Cölestin wegen mehrer Gewaltthaten im Kirchenstaate rechtmäßig gebannt, und während dieses Bannes gewählt ward. Seine Lossprechung durch den Bischof von Sutri verdient keine 115 {1200} Erwähnung, da dieser sie gegen alle kirchliche Vorschriften bewilligte und Philipp seitdem, als offenbarer Beschützer Markualds, aufs neue in den Bann verfiel. Überdies ist er meineidig: denn ungeachtet er anfangs selbst erklärte, der seinem Neffen geleistete Eid müsse unverrückt gehalten werden, ertheilte er sich nachher, um irdischer Herrschaft willen, selbst eine Lossprechung von dieser Pflicht; anstatt sie, wie es doch schlechthin nothwendig war, von der Kirche einzuholen. Einen Gebannten, einen Meineidigen in Schutz nehmen, ist für den Papst unerlaubt und unschicklich; wohl aber soll er denjenigen Maaßregeln entgegenwirken, wodurch sich das deutsche freie Wahlreich mißbräuchlich in ein Erbreich verwandeln würde. – Zuletzt erscheint es auch nicht einmal gerathen, Philipps Freundschaft zu suchen: denn aller Wohlthaten uneingedenk, wird er seiner und seines ganzen Stammes Natur gemäß, dennoch die Kirche verfolgen, und um so härter und gefährlicher verfolgen, als er dazu größere Macht bekommt. Hat er doch gegen sie bei geringen Kräften Gewalt geübt und seine Herrschaft bis zu den Thoren Roms ausgedehnt; wenn das am dürren Holze geschieht, was soll am grünen werdenReg. imper. 64.!

Betrachten wir drittens Ottos Ansprüche, so erscheint es unerlaubt ihn zu begünstigen, da nur die Wenigern ihn erwählt haben; unschicklich, weil man Gunst und Haß als Gründe der Entscheidung voraussetzt; unklug, weil er minder mächtig ist, als sein Gegner. – Auf der andern Seite ist Otto, und nicht Philipp, am gehörigen Orte gewählt und gekrönt, und von den Fürsten, welchen das Wahlrecht vorzugsweise zustehtReg. imper. 55., haben sich eben so viel oder noch mehr für jenen, als für diesen erklärt. Auch ist ja das Abzählen der Wähler minder wichtig, als die Prüfung der Tüchtigkeit des Gewählten. Hier hat Otto nun offenbar den Vorzug vor Philipp, der die Sünden seiner Vorfahren und seine eigenen, nach Gottes Gerechtigkeit noch 116 {1200} abbüßen wird. Ob wir gleich ferner nicht Böses mit Bösem vergelten wollen, so wäre es doch keineswegs geziemend, diejenigen, welche an uns freveln und in solcher Gesinnung verharren, mehr zu ehren als diejenigen, welche uns lieben und uns Gutes erzeigen. Daß endlich Otto weniger Macht besitzt, kann vor uns, die wir über alle Menschenfurcht erhaben seyn müssen, bei obigem Verhältnisse gar nicht in Betracht kommen.

Dies sind die Gründe und Ansichten, um derentwillen wir glauben, es liege uns nicht ob darauf zu bestehen, daß Friedrich jetzt das Reich erhalte, und aus welchen wir den Herzog Philipp bestimmt verwerfen. Die Stände mögen sich nun über eine Wahl vereinigen, oder uns die Entscheidung übertragen. Wenn sie aber, trotz unserer Ermahnungen, trotz unserer schriftlichen und durch Gesandte gegebenen Rathschläge, keines von beiden thun, so werden wir, – damit es nicht scheine, als begünstigten wir diese Zwistigkeiten, oder verleugneten lässig und in der Ferne nachgehend, wie Petrus die Wahrheit –, so werden wir Otto, den Grafen von Poitou, welcher selbst gottesfürchtig ist und aus einer gottesfürchtigen und der Kirche gehorsamen Familie abstammt, als König anerkennen, auf alle Weise unterstützen und zur Kaiserkrönung berufen.«

Diese unbefangene, offenherzige Darstellung der päpstlichen Ansicht wirkte in Deutschland nicht viel, da beide Parteien fast noch immer gleich mächtig, und die abwechselnden Vortheile und Nachtheile keineswegs entscheidend waren. Überdies starb der Friedensvermittler Konrad von Mainz auf dem Rückwege aus Ungern, und das zwischen Andernach und Koblenz abgehaltene Gespräch führte zu keinem Ziele. Deshalb drang Innocenz mit dem Anfange des Jahres 1201Reg. imper. 30 Nonis Januarii anno quarto; doch hat Raynald im Vergleich mit der übrigen Zeitrechnung wohl vollkommen Recht, dies für den Januar 1201 zu nehmen. nochmals auf eine gütliche Vereinigung, 117 {1201} und schickte nicht allein den Kardinalbischof von PränesteNach Cecconi 256 ist Guido Porrè und der Kardinalbischof von Präneste derselbe; er irrt aber. Reg. imp. 51. und seinen gewandten Schreiber Philipp nach Deutschland; sondern der Kardinalbischof von Ostia sollte auch, wenn es seine Geschäfte irgend erlaubten, Frankreich um dieser allerwichtigsten Angelegenheit willen verlassen. Als nun auch deren Bemühungen vergeblich blieben und es über allen Zweifel gewiß war, daß die Häupter diesen Streit durch irdische Gewalt entscheiden wollten; so hielt der Papst, nach so langem besonnenem Zögern, nicht länger zurück, sondern verbot (wie es sein höheres Recht und seine höhere Pflicht ihm auflege) alle Gewalt; er befahl, daß alle Stände, bei Strafe des Bannes, Otto als König anerkennen solltenAm ersten März 1201, Reg. imp. 32-50..

Am 29sten Junius 1201 verkündeten die päpstlichen Gesandten diesen Spruch öffentlich in Köln, nachdem Otto vorher am 8ten Junius in Nuys folgenden, für den Papst höchst vortheilhaften Eid geschworen hatte:

»Ich Otto, von Gottes Gnaden, König der Römer u. s. w., bezeuge, versichere, verspreche und beschwöre meinem Herrn, dem Papste Innocenz und seinen Nachfolgern, daß ich alle Besitzungen, Ehren und Rechte der römischen Kirche, nach meinen Kräften und in gutem Glauben, erhalten und beschützen werde. Die Besitzungen zuvörderst, welche die römische Kirche bereits wiedergewonnen hat, will ich ihr frei und ruhig lassen und ihr zu deren Erhaltung treulich beistehen; diejenigen aber, welche sie noch nicht wiedergewonnen hat, werde ich erwerben und nachmals beschützen helfen, oder ihr, sofern sie in meine Hände kommen sollten, ohne Schwierigkeiten überantworten. Dahin gehört alles Land von Radikosani bis Ceperano, das Exarchat Ravenna, die StädteDie fünf Städte, oder die Pentapolis. Funk, Leben Friedrichs II, p. 50. Rimini, Pesaro, Fano, 118 {1201} Osimo und Ankona, die Mark Ankona, das Herzogthum Spoleto, die Landschaften der Markgräfinn Mathilde, die Grafschaft Bertinoro und alle übrigen dazu gehörigen Lande, so wie sie in vielen Freibriefen der Kaiser seit der Zeit LudwigsWelches Ludwigs? ist nicht gesagt. verzeichnet sind. Ich werde ferner dir, meinem Herrn Innocenz und deinen Nachfolgern zu der Erhaltung und Vertheidigung des sicilischen Reiches Beistand leisten, und allen Gehorsam und alle Ehre erzeigen, welche fromme und rechtgläubige Kaiser dem römischen Stuhle zu erweisen pflegten. Ich will mich nach deinem Rathe und deiner Weisung richten in Hinsicht der lombardischen und tuscischen Angelegenheiten, und in Hinsicht des guten Herkommens, welches man dem römischen Volke erhalten oder erweisen muß. Eben so werde ich deinem Rathe und deiner Weisung gehorchen über den mit dem Könige von Frankreich zu schließenden Frieden. Geräth die römische Kirche meiner Erhebung wegen in Krieg, so komme ich ihr, wie es die Nothdurft erheischt, in Tragung der Lasten zu Hülfe. Alles Vorstehende werde ich nochmals eidlich und schriftlich erhärten, sobald ich die Kaiserkrone empfangen habeReg. imp. 77.

Wie freuten sich die päpstlichen Abgeordneten, daß die Kirche durch ihr Werk so unendlich gewönne! Sie schrieben dem Papste: »von Philipp und seinen wenigen oder wankelmüthigen Anhängern, höre man kaum etwas mehr; es sey denn, daß ihm durch Gottes Ungnade alles mißlinge und er kein Heer zusammenbringen könne, während Otto nächstens mit 100,000 Bewaffneten ins Feld ziehen werdeRegistr. imperii 52., denen zu widerstehn keiner für möglich halte.«

Nach dieser Darstellung, welche nur mit wenig besorglichen Seitenblicken begleitet war, mußte sich Innocenz wundern, als noch für Philipp an ihn schrieben: die Erzbischöfe von Magdeburg und Bremen, die Bischöfe von 119 {1201} Worms, Passau, Regensburg, Konstanz, Augsburg, Eichstädt, Havelberg, Brandenburg, Meißen, Naumburg und Bamberg, die Äbte von Fulda, Hersfeld und Kempten, der König von Böhmen, die Herzoge von Sachsen, Österreich, Steiermark, Meran, Zäringen, der Statthalter von BurgundRegistr. imperii 61.  Der Statthalter Burgunds war Otto, Philipps Bruder., der Landgraf von Thüringen, die Markgrafen von Mähren, Meißen und Brandenburg, die Grafen von Orlamünde, Somerschenburg, BrenenÜber den Grafen von Brenen s. Erath cod. Quedlinb. 128. und Eccard geneal. princ. Saxon. 84., Wettin u. s. w. Und manche andere Fürsten und Prälaten z. B. der Erzbischof von Salzburg, der Herzog von Baiern, standen auch auf Philipps Seite, ob sie gleich nicht genannt sind in jenem Schreiben folgendes Inhalts:

»Die Vernunft kann nicht begreifen und die treuherzige Einfalt nicht glauben, daß Verwirrung irgend eines Rechtes von der Seite entstehen sollte, wo dasselbe bisher allein unerschütterlich begründet schien. Oder wer wäre so harten und verkehrten Sinnes, zu meinen, der Aberglaube entspringe da, wo die Heiligkeit ihren Sitz hat? Denn durch göttliche Anordnung und nicht nach menschlicher Entscheidung ist Rom, einst der Mittelpunkt des Aberglaubens, zum Mittelpunkte des Heils erhoben worden. aber alle mögen inbrünstig beten, daß das Ende sich nicht wieder in den Anfang verwandele, daß man nicht sagen müsse, das Omega sey zum Alpha zurückgeflogenrevolasse. Die Heiligkeit und der alles fromm pflegende Vatersinn des römischen Stuhls, erlaubt uns indeß auf keine Weise anzunehmen, das gar Unschickliche, was der Bischof von Präneste, euer angeblicher Gesandter, in Hinsicht der römischen Königswahl gethan hat, sey aus den Beschlüssen eurer bewundernswürdigen Klugheit hervorgegangen, oder von der 120 {1201} ehrwürdigen Versammlung der Kardinäle gebilligt worden. – Wer hätte je von einer Kühnheit gehört gleich dieser? Welcher wahrhafte Zeuge könnte für eine Anmaaßung angeführt werden, von welcher Geschichte, Urkunden, ja sogar die Fabel zeither schwieg? Wo habt ihr gelesen, ihr Päpste, wo habt ihr gehört, ihr Kardinäle, daß eure Vorgänger, oder deren Gesandten sich bei der Wahl eines römischen Königs als Wähler, oder gar als abwägende und prüfende Richter eingemischt hätten? Ihr könnt, wir wissen es, keinen beweisenden Fall anführen. – Die Papstwahl hingegen durfte ohne Zustimmung der Kaiser nicht gehalten werden; bis diese, in großmüthiger Freigebigkeit und um die Kirche zu erhöhen, unter dem ersten Heinrich jene Beschränkung aufhoben. Wenn nun die weltliche Einfalt ein Gut, welches ihr von Rechts wegen gehörte, ehrfurchtsvoll dahingab; wie kann die päpstliche Heiligkeit ihre Hand nach einem Gute ausstrecken, das ihr nie zustand? – Wollte der Bischof von Präneste gegen Recht und Ordnung ein Mitwähler seyn; wie durfte er die zahlreichern und würdigern Stände verachten, statt sich ihnen in gebührendem Gehorsam anzuschließen? Wie durfte er eine Gelegenheit suchen, um in deren Abwesenheit desto leichter die Wahrheit in Lüge und die Tugend in ein Verbrechen umzuwandeln? Oder meint er einen würdigen Richter gespielt zu haben, wenn er eine Partei ungehört verdammte? – Für eine zwistige Königswahl giebt es keinen höhern RichterDasselbe behaupteten die Päpste von der Papstwahl. Buch IV S. 130.; sie wird nie durch die Entscheidung eines Dritten gültig, sondern nur durch die freiwillige Einigung der Fürsten. Jesus Christus hat das Weltliche vom Geistlichen rein geschieden: wer Gott dient, soll sich nicht in weltliche Geschäfte mischen, und wer diesen nachhängt, kann den himmlischen Dingen nicht vorstehn. Jede Ausdehnung dieser Ansprüche würde wechselseitig seyn müssen und jedem Theile 121 {1201} nur Schaden bringen. Deshalb, heiliger Vater, bestraft den Bischof von Präneste für sein Vergehn; erkennt Philipp an, den wir einstimmig zum König erwählt haben und der, gleich uns, dem römischen Stuhle den gebührenden Gehorsam verspricht; bewilligt ihm endlich, wie dies eures Amtes ist, die kaiserliche Krönung.«

Der Papst richtete seine Antwort auf dieses SchreibenRegistr. imp. 62., an den Herzog von Zäringen und fuhr, nach Aufzählung der Anklagepunkte, also fort: »so wenig als wir wollen, daß ein anderer in unser Recht eingreife, so wenig wollen wir uns das Recht der Fürsten zueignen. Deshalb erkennen wir an: daß ihnen die Wahl des nachher zum Kaiser zu erhebenden Königs, altem Recht und Herkommen gemäß, zusteht; und wir erkennen dies um so mehr an, da der römische Stuhl selbst dies Recht und diese Gewalt, bei Übertragung der Kaiserwürde auf das Abendland, den Weltlichen verliehen hat. Dagegen werden und müssen die Fürsten einräumen, daß wir die Macht und das Recht haben, die Persönlichkeit dessen zu prüfen, den wir weihen, salben und krönen sollen. Oder würden wir, diesem Prüfungsrecht entsagend, jeden krönen müssen den die Fürsten, zwiespaltig oder einig, wählten? Auch einen Gebannten, einen Tyrannen, Ketzer, Heiden, oder einen Narren? Das sey ferne! Auf die weitern Vorwürfe der Fürsten antworten wir: der Bischof von Präneste hat den König weder selbst gewählt, noch wählen lassen; er hat die Wahl weder als Richter bekräftigt, noch verworfen. Er hat vielmehr, ohne Bezug auf die Wähler, nur die Person des gewählten Philipp angeklagt, wenn anders bei weltbekannten Thatsachen eine Anklage zur Begründung der Verurtheilung noch nöthig wäre. Beide Theile sind vergeblich zur Einigung ermahnt worden; beide Theile haben uns gebeten, ihr Recht anzuerkennen. Jetzt, da wir ihre Forderung nach altem Rechte und unleugbaren Beispielen entscheiden, – wie 122 {1201} unsere Vorgänger zwischen Lothar und Konrad entschieden –, so erhebt der mit Recht Zurückgesetzte ungerechte Klage, und ihr stimmt ohne Grund dieser Klage bei. Wenn ihr euch nicht einigen, wenn ihr keinen Dritten erwählen wolltet, blieb uns da eine andere Wahl, als, um eures eigenen Friedens willen, von unserer Macht und unserem Rechte, so wie geschehn, Gebrauch zu machen?«

Diese Rechtfertigung und die darauf folgende wiederholte Auseinandersetzung aller Entscheidungsgründe, erschien in Deutschland preiswürdig oder verwerflich, wichtig oder unbedeutend, je nachdem man Partei genommen hatte, oder Partei nehmen wollte. Was streng Rechtens sey, stand nicht fest, billiges Nachgeben erschien dem Stärkern als thöricht, dem Schwächern als ungeziemend; und so drängte dann alles zur Fortsetzung eines Bürgerkrieges hin, welcher in seinen Grundsätzen verwerflich war, das Vaterland furchtbar verwüsteteEine Kirche, die es mit Otto hielt, aber Besitzungen unter Philipp hatte, berechnete ihren Schaden auf 3000 Mark. Und so erging es vielen. Gerlaci chron. in Dobner 128., die alte unwandelbare Treue vieler deutschen Fürsten durch eigennützige Rücksichten untergrub und die nothwendige Macht des Königs auf eine sehr schädliche Weise verringerte. – Solche Zeiten der mannigfachsten Noth und Verwirrung in allen Einzelnheiten umständlich zu beschreiben, würde mehr ermüden und langweilen, als anziehen und belehren; deshalb wird hier nur von den Hauptereignissen der nächsten Jahre die Rede seyn.

Innocenz, über die Lage der Dinge allmählich besser unterrichtet, wies seine Gesandten an, heimlich und vorsichtig zu verfahrenocculte et caute. Reg. imperii 56. und nicht übereilt gegen hohe Geistliche den Bann zu sprechen: denn manchen gewinne vielleicht Zureden, andere schrecke Drohung, und nur gegen den beharrlich Widerstrebenden möge man die äußersten 123 {1201} Mittel versuchen. An alle Fürsten, auch an die Könige von Frankreich und England ergingen die nöthigen Bekanntmachungen über die päpstliche EntscheidungReg. imp. 35-49., und König Johanns im Frieden mit Frankreich geleistetes Versprechen, seinen Vetter Otto weder mit Geld noch mit Gut noch mit Rath zu unterstützen, wurde für ungültig erklärtReg. imp. 12, 13, 59, 60, 63, 64.  Duchesne scr. rer. Normann. 1056.. Hierüber zürnte Philipp August, der ohnedies in manchen andern Streit mit der Kirche gerathen war, nicht wenig und schrieb dem Papste: »wir wundern uns, daß ihr aller Wohlthaten vergeßt, welche Frankreich euren Vorfahren erzeigte; wir wundern uns, daß ihr den widerrechtlich erwählten Otto, den Feind unseres Reiches, eifrigst unterstützt und dabei doch wiederholt versichert stets auf unser Wohl bedacht zu seyn. Diese unüberlegte Erhebung Ottos gereicht nicht bloß uns, sondern allen katholischen Königen zur Schande; und so gleichgültig wir auch zeither alle von euch herrührenden Beschwerden ertrugen, so werden wir doch nie etwas dulden, was offenbar unsere und unseres Reiches Ehre untergräbt. Auf eure so oft wiederholte Einwendung, Philipp sey ein Feind der Kirche, kommt nicht wieder zurück, da wir euch schon oft sagen und schreiben ließen, daß wir bereit wären, in dieser Hinsicht für ihn genügende Bürgschaft zu leisten.«

In seiner höflich abgefaßten Antwort entwickelte Innocenz die bekannten Bestimmungsgründe seines Verfahrens, und fügte hinzuInnoc. ep. V, 160.: »Otto sey mit Philipp August nahe verwandt und habe um so leichter versprochen, wider ihn nie feindlich zu verfahren, da er von König Johann keineswegs unterstützt werde. Gegen Philipp und seines ganzen Hauses Kirchenhaß könne die Bürgschaft des Königs von Frankreich nicht sichern; vielmehr solle dieser 124 {1201} bedenken, ob eine Verbindung der Kaiserkrone mit dem apulischen Reiche, nicht auch für ihn gefährlich werden könne? Er solle sich erinnern, daß Kaiser Heinrich VI, altrömischer Weltherrschaft eingedenk, schon davon gesprochen habe, Frankreich dem deutschen Reiche lehnbar zu machenRymer I, 1, 42, 49.  Orig. guelf. III, 765..« – Philipp Augusts Beschwerden waren indeß keineswegs ganz ungegründet: denn König Johann forderte im Herbste 1202 die Geistlichen seines Reiches öffentlich zu Beiträgen für Otto auf, und dieser erklärte sich im nächsten Jahre bereit, mit Philipp einen Waffenstillstand einzugehn, um den König von Frankreich zu bekriegen.

Während dieser Zeit hielten die päpstlichen Gesandten mehre Tagsatzungen in Deutschland, befestigten die alten Anhänger Ottos in ihrer Treue, und suchten neue zu werben, indem sie Schreiben umhersandten, wodurch Innocenz den an Philipp geleisteten Eid für nichtig erklärteReg. imp. 19, 51, 52, 59.. Bisweilen wurden ihre Boten günstig aufgenommen, bisweilen ungehört zurückgewiesen, oder angehalten, oder gar gemißhandelt. Zuletzt kam weniger darauf an, diesen oder jenen unbedeutenden Mann zu gewinnen, als den erledigten Stuhl von Mainz angemessen zu besetzen und den Erzbischof von Magdeburg umzustimmen. Die mainzer Wahl fiel aber, – eine natürliche Folge der obersten Spaltung –, auch zwiespaltig aus: alle Stimmen bis auf drei erklärten sichRog. Hov. 804.  Arnold. Lub. VI, 3.  Innoc. ep. V, 14.  Cardella I, 2, 137.  Godofr. mon.  Chron. Udalr. Aug. zu 1200.  Chr. mont. ser. zu 1199.  Conradi chr. mogunt. 770.  Ursperg. 322.  Würdtw. nova subsid. II, 86 sq., vielleicht nicht ohne Geldeinfluß, für Leopold Grafen von Schönfeld und bisherigen Bischof von Worms, welchen König Philipp auch sogleich mit dem Weltlichen belehnte: die Überstimmten dagegen erhoben, unter Billigung Ottos, den bisherigen Vorsteher des mainzischen 125 {1202} Stiftes, Siegfried Freiherrn von Eppenstein, welchen der päpstliche Gesandte weihte und Innocenz bestätigte. Beide Erzbischöfe bannten, befehdeten und verjagten sich wechselsweise, bis die Ereignisse des Krieges für Siegfried entscheidend ungünstig einwirkten.

Der Erzbischof Ludolf von Magdeburg war dem Könige Philipp höchst eifrig zugethan, theils aus innerer Neigung, theils weil er seiner Kirche alle bisher an königliche Kassen gezahlten Abgaben erließMarienth. chr. 258.  Halberst. chr. 141.  Innoc. ep. V, 8.. Deshalb lud ihn der päpstliche Gesandte zweimal vor, und zweimal entschuldigte er sein Außenbleiben mit Krankheit. Jener berief ihn hierauf zum dritten Male nach Korvey, und Ludolf entgegnete: er könne an einem Orte nicht erscheinen, der in Feindes Händen sey. Der Gesandte sprach endlich den Bann, aber der Erzbischof berief sich auf den Papst; und obgleich dieser mit ungewöhnlicher Milde verfuhr, wollte doch jener Philipps Partei nie verlassenAlb. Lub. VI, 4.  Chron. mont. ser.  Innoc. ep. IX, 22.  Reg. imp. 109., und erst sein Nachfolger Albert trat im Jahre 1205 auf Ottos Seite.

Minder treu als Erzbischof Ludolf zeigten sich Ottokar I von Böhmen und Landgraf Hermann von Thüringen, obgleich jener aus Philipps Händen die Krone empfangen hatte und dieser ein Enkel König Konrads III war. Beide ließen sich durch päpstliche Ermahnungen, und der letzte wohl noch mehr durch die großen weltlichen Vortheile bewegen, welche ihm Otto zusicherte, und das baare Geld das er ihm auszahlteUrsp. 321.  Erfurt. chr. S. Petr.  Reg. imp. 44.. – Der Bischof von Halberstadt, von beiden Königen bedrängt und auf keiner Seite entschiedenen Vortheil sehend, nahm lieber das Kreuz und pilgerte nach dem Morgenlande. Solch ein Ausweg schützte indeß weder sein Land noch seine Untergebenen vor den Übeln des KriegesHalberst. chr. 141..

126 {1202} Bestimmterer Vortheil zeigte sich für Otto auf einer andern Seite. Nach mehrjährigem nicht entscheidendem Kriege hatte nämlich sein Schwager, König Kanut VI von Dänemark, den Markgrafen Otto von Brandenburg besiegt, den Grafen Adolf von Holstein und Schaumburg sogar gefangen genommen, und Holstein, Ratzeburg, Gadebusch, Hamburg und das mächtige Lübeck erobert. Gegen Ende des Jahres 1202 starb Kanut, und dessen Bruder Waldemar II nahm alles Erbe in Besitz und ließ sich in Lübeck als König der Dänen und Slaven, Herzog von Jütland und Herrn der deutschen Länder im Norden der Elbe begrüßenWestphal. monum. II, 2054. Urk. 24, von 1205.. Seine Schwester wurde dem Herzoge Wilhelm von Braunschweig, Ottos IV Tochter ihm selbst verlobtDaniae chron. bei Ludwig IX, 27.  Albert. Stad.  Annal. Saxo 117.. So waren die Welfen im Rücken durch Freunde und Verwandte gesichert; und an den Verlust von Ruhm und Macht, welchen das deutsche Reich durch das Eindringen der aller Oberhoheit ungeduldigen Dänen erleide, dachte man in diesem Zeitraume der Parteiung wenig oder gar nicht.

Unterdeß war Philipp nicht müßig: er suchte zuvörderst den Landgrafen Hermann und den König Ottokar im Wege der Güte wieder zu gewinnenLamb. addit. zu 1204.  Innoc. ep. II, 183.; und da dies mißlang, fand er willige Verbündete an dem Herzoge Bernhard von Sachsen und dem Markgrafen Dietrich von Meißen, dessen Schwester der Böhme verstoßen hatte, um die Tochter des Königs Bela III von Ungern zu heirathen. Diese sahen es gern, daß Philipp Ottokars Krone dessen Vetter Theobald verlieh, der sich in Magdeburg aufhielt, {1203} und kamen dem Hohenstaufen zu Hülfe, als er mit dem Erzbischofe Leopold von Mainz in Thüringen einbrach und es zum großen Theil unterwarf. – Unerwartet 127 zogen aber jetzo die Böhmen mit solcher Übermacht herbei, daß Philipp in Erfurt eingeschlossen ward und dann, um wenigstens der Gefangennehmung zu entgehen, heimlich durch Obersachsen nach Schwaben entfliehen mußte. Ungehindert verwüsteten die Böhmen nunmehr die östlichen Marken und die Gegenden von Halle und Merseburg neun Wochen langArnold. Lub. VI, 4.  Corner 876.  Ursp. 322.  Anon. Saxo 117.  Reg. imp. 92.  Burch. de casib. monast. S. Galli 76.  Pulkava 205.; ja selbst aus Magdeburg brachten viele ihre Güter auf das rechte Ufer der Elbe. Auch war nichts vor dem Übermuthe dieser rohen Feinde sicher: an sechzehn Klöster und 350 Dörfer wurden von ihnen ausgeraubt, und was sich nicht nehmen ließ, zerstört. Sie mißbrauchten Weiber, Mädchen und Nonnen, oder führten sie an Pferde gebunden mit Gewalt hinweg; und mit dem heilig Geachteten ihren Spott treibend, zogen sie Meßkleider statt der Hemden an und machten Pferdedecken aus Altartüchern. Endlich ermannten sich jedoch die Bewohner, überfielen unter Anführung des Grafen Otto von Brenen bei Landsberg die Böhmen, erschlugen 400 und zwangen die übrigen, das Land zu räumen. Vor diesem Siege war Ottokar am 24sten August 1203 in Merseburg von Otto gekröntLünig cod. dipl. I, 957., und mit des Papstes Beistimmung vom Kardinal Guido geweiht worden. Landgraf Hermann schwur jenem hier nochmals Treue.

Daß nun Philipp nicht schneller mit Heeresmacht wieder auftreten konnte, daran war vielleicht der Tod seines Bruders Otto von BurgundAuct. inc. ap. Urstis. u. Crusius schwäbische Chronik, verglichen mit jenem Schreiben der Fürsten an den Papst, lassen vermuthen, daß Otto 1201 starb., hauptsächlich aber wohl eine höchst verwüstende Fehde schuld, die unter seinen eigenen Anhängern, dem Herzoge Ludwig von Baiern und 128 {1203} den Bischöfen von Salzburg und RegensburgHerm. Altah.  Neuburg. chron. zu 1203.  Chr. Udalr. Aug., ausgebrochen war. In so ungünstigen Verhältnissen schrieb Philipp, neue Unterhandlungen anknüpfend, dem Papste: »ich will, sobald es die Umstände irgend erlauben, einen neuen Kreuzzug antreten, alle der Kirche irgendwo unrechtmäßig entzogene Länder zurückgeben, den geistlichen Erbschaften entsagen, die freie Wahl der Bischöfe verstatten, die Bedrückung der Kirchen durch weltliche Vögte abstellen, über jeden Gebannten auch die Acht sprechen, das griechische Reich, sofern es mir oder meinem Schwager zufällt, der römischen Kirche unterwerfen, meine Tochter dem Neffen des Papstes vermählen und ihm wegen aller Vergehen Genugthuung leisten.« – Diese Anträge waren in der That so vortheilhaft, daß Philipp nicht bloß ihre Annahme erwartete, sondern auch im voraus so sprach, als wäre sie erfolgt: allein der Papst konnte Otto, – dessen Lage überdies jetzo günstiger war als je, – unmöglich verlassen ohne sich den größten Vorwürfen auszusetzen, und widersprach daher nach allen Seiten dem Gerüchte, er habe sich mit Philipp ausgesöhnt. Indessen hatte dies Gerücht dem letzten genützt, und nicht minder ein zweites, gleich irriges, daß der Papst gestorben seyRaynald zu 1203, c. 27-28.  Harzheim III, 467.  Reg. imp. 90-92, 96..

{1204} Entscheiden mußte aber der Krieg; zu dessen Führung König Philipp sich, nach glücklicher Ausgleichung der baierschen Fehden, mit Ernst rüstete. Otto, welcher schon dem Papste geschrieben hatte: er werde nächstens in Schwaben einbrechen und die oberdeutschen Fürsten und Prälaten auf seine Seite bringen, erfuhr einen schnellen Wechsel des Glückes: denn zunächst rückte Philipp in Thüringen ein und schlug, mit Hülfe der Grafen von Gleichen und SchwarzburgLamb. addit. zu 1204. Erfurt. chron. S. Petrin.  Hist. Landgr. Thur. Eccard. 402., den Landgrafen Hermann und die ihm 129 beistehenden Böhmen dergestalt, daß jener, aller weitern Hülfsmittel beraubt, durch den Markgrafen Konrad von Landsberg um eine neue Aussöhnung mit König Philipp bitten ließWeiße, Gesch. von Sachsen I, 251, rechnet ein fünfmaliges Wechseln Hermanns heraus, und sein Beweis läßt sich aus den dichterischen Lobreden (Manesse II, 2) nicht widerlegen.. Erst nachdem dieser dem Landgrafen den treulosen Wechsel seiner Gesinnung und die Thorheit seines Verfahrens ernsthaft und mit Recht vorgerückt und seinen Sohn als Geißel empfangen hatte, gab er ihm den Kuß des Friedens. – In Vergleich mit dem Verluste dieses VerbündetenWolter 55., schien für Otto die Einnahme von Stade und die Überrumpelung Goslars kein hinreichender Ersatz; wie viel weniger für neue unerwartete Unglücksfälle. König Philipp nämlich, welcher die Pfalzgrafschaft am Rheine besetzt hielt, drohte sie dem Pfalzgrafen ganz zu nehmen, wenn er sich noch länger feindlich gegen ihn bezeige. Da bat Pfalzgraf Heinrich seinen Bruder Otto: er möge ihm Braunschweig und einige andere Städte überlassen, damit er den Verlust aller seiner sonstigen Besitzungen ruhig ertragenHeinrich hatte schon viel versetzt und verkauft. Tolner 93. Über eine vorläufige Theilung der Erbschaft Heinrichs des Löwen, siehe Dumont I, Urk. 242. Auch geben die Orig. guelf. III, 626 und 852 eine Urkunde von 1203 über eine Theilung der Besitzungen Heinrichs des Löwen, mit welcher jedoch Heinrich später wohl nicht zufrieden war; so ist z. B. Braunschweig Otto zugesprochen. Am 25sten August 1204 war Heinrich schon im Lager Philipps vor Weissensee. ib. 632. und freudiger und kräftiger ihm beistehen könne. Otto aber erwiederte: ihnen sey alles gemeinsam und jedes Theilen würde nur als Wirkung der Furcht erscheinen, oder eine Übereilung in sich schließen. Erst wenn er einst ruhig das Reich beherrsche, lasse sich darüber etwas sicheres festsetzen. Auf diese Erklärung trat Pfalzgras 130 {1204} Heinrich, seinem Bruder zürnend und PhilippsArnold. Lub. IV, 6-9.  Albert. Stad.  Godofr. mon.  Chron. mont. ser.  Histor. Landgr. Thur. 1320.  Rohte 1693.  Neuburg. chron., seines nahen Verwandten Übermacht fürchtend, zu diesem über.

Wie durfte Otto nach dem Abfalle seines eigenen Bruders den übrigen Fürsten noch vertrauen! Zwar verbanden sich der Herzog Heinrich von Brabant und der Erzbischof Adolf von Köln im Jahre 1203 noch enger, als vorherLünig Reichsarchiv. Cont. I1, Forts. 3, Abschnitt 3. von Köln Urk. 43, p. 79.  Dumont I, Urk. 241. Kindlinger II, Urk. 43.; keineswegs aber unbedingt für Otto, wie daraus hervorgeht, daß dieser sich beim Papste über den geringen Beistand des Herzogs und dessen Weigerung beschwerteRegistr. imp. 99, 111, 128., ihm seine Tochter wirklich zu vermählen. Für die treue Unterstützung des Erzbischofs Adolf entsagte Otto mit seinen Brüdern allen Ansprüchen, welche ihnen etwa wegen der an das Erzstift Köln gekommenen Besitzungen Heinrichs des Löwen zuständenPfalzgraf Heinrich trat auch dem Erzbischofe von Trier alle Einnahmen und Rechte ab, die ihm in dessen Sprengel zustanden. Lünig Reichsarch. Th. XIX, Abth. 3, p. 252.  Dumont I, p. 123.  Orig. guelf. III, 755, 762.; dann aber geriethen sie schon im Jahre 1202 in einen heftigen Streit über Münz- und Besteuerungs-Recht, dessen Beilegung dem päpstlichen Gesandten viele Mühe machte. Jetzt übernahm es der Graf Wilhelm von Jülich nebst einigen Geistlichen gegen große Versprechungen PhilippsGodofr. mon. zu 1202.  Reg. imp. 123., den Erzbischof auf seine Seite zu bringen; und diese Unterhandlungen, welche sich bald auch auf den Herzog von Brabant und alle niederrheinische Fürsten ausdehnten, nahmen eine so bedenkliche Wendung, daß Otto den ohnedies für ihn ununterbrochen thätigen Papst zu neuen strengern Weisungen und Maaßregeln 131 {1204} aufforderte. – Schon früher hatte Innocenz, mit ausdrücklicher Beistimmung der Kardinäle, die Reinheit seiner Absichten und die Festigkeit seiner Beschlüsse den Fürsten nochmals dargelegt, er hatte den Erzbischof von Trier gebannt, welcher für 2000 Mark zu Philipp übergetreten warBann im Febr. 1203. Reg. imp. 26, 83.  Ursp. 320. und den ihm verpfändeten kölner Kirchenschatz nicht herausgab; er ermahnte den König Johann zu kräftiger Unterstützung Ottos, und befestigte die lässigen und schwankenden Lombarden in ihrer Abneigung gegen PhilippReg. imp. 79, 86, 89, 95, 129, 131.  Ep. V, 160.. Wie erstaunte daher Innocenz, als er, nach so günstigen Aussichten, von jenen Ereignissen und Besorgnissen hörte. »Der Landgraf von Thüringen«, so schrieb er, »solle dem Zwange nicht länger weichen als schlechthin nöthig sey, der Herzog von Brabant und Pfalzgraf Heinrich aber bedenken, daß ihr unnatürlicher Wankelmuth sie auf ewige Zeit mit Schande bedecken werdeReg. imp. 80, 113, 120-122.. Ob der Erzbischof von Köln sein eigenes Werk zerstören wolle? Ob er den erlittenen Schaden, die angethane Schmach vergesse? Ob er wähne, Philipp, gegen den er so feindselig gewirkt, könne ihm je verzeihen? Oder ob er glaube, der Papst, welcher Griechen, Walachen, Bulgaren und Armenier gebändigt habe, werde den Ungehorsam eines Erzbischofes dulden?«

Um diese Zeit war aber Philipp mit Heeresmacht von Thüringen in das Erzstift Köln hinabgezogen und hatte, unter Vermittelung des Erzbischofes von Trier und der Bischöfe von Speier und Konstanz, im November 1204Orig. guelf. III, 777. seine Aussöhnung mit Adolf von Köln und Herzog Heinrich von Brabant völlig zu Stande gebracht. Sie erhielten zusammen 9000 Mark, und jener außerdem den Ersatz mehrer dem Erzstifte abgenommenen Landschaften; dieser aber Utrecht, Nimwegen und andere dem Reiche gehörige, jetzt 132 {1204} für Weiberlehn erklärte Besitzungen. Ferner versprach Philipp: er wolle mit den Feinden des Herzogs keinen besondern Frieden schließen, ihn mit dem Könige von Frankreich aussöhnen, und ihm jährlich, – was wohl nicht wenig zum endlichen Abschlusse beitrugMiraei op. dipl. III. 75. Urk. 86.  Dumont I, p. 131. Urk. 245. –, dreißig Fuder bopparder und dreißig Fuder elsaßer Wein schicken. – Gegen Ende des November 1204 schwuren der Erzbischof und der Herzog dem Könige Philipp in Koblenz, und ihrem Beispiele folgten der Bischof von PaderbornWaldec. chr. 812.  Godofr. mon.  Reg. imp. 125, 135.  Der Erzbischof von Trier fürchtete sich, auf Philipps Einladung nach Achen zu kommen, fiel deshalb unterwegs mit Vorsatz und that, als spucke er Blut. Der Papst, die Absicht merkend, sagte: felix ille casus.. Gesta Trevir.  Mart. 226.  Dem Erzbischofe von Köln bestätigte Philipp das Großherzogthum Engern und Westfalen, nebst allen Freibriefen. Orig. guelf. III, 633., der Graf von Waldeck, der Abt von Korvei und viele andere Edle und Prälaten. – Am 6ten Januar 1205 legte Philipp auf einem Reichstage in Achen die Krone nieder, um den Schein jeder Beeinträchtigung der Wahlfreiheit zu beseitigen, und wurde dann von allen Gegenwärtigen neu gewählt und vom Erzbischofe Adolf von Köln gekrönt. Um diese Zeit lag König Otto krank und von allen verlassen, in Köln darnieder.

Sobald der Papst hievon Nachricht erhielt, forderte er ihn auf, den Muth nicht zu verlieren, denn Großes werde nie in kurzer Zeit gegründet. Über den Erzbischof Adolf ließ er hingegen durch den Erzbischof von Mainz und den Bischof von Cambray feierlich zu Köln, in Gegenwart König Ottos, den Bann aussprechen; und da die ihm zur Reue gesetzte Frist trotz vielseitiger Aufforderungen und Ermahnungen wirkungslos verflossen warReg. imp. 82, 116, 118, 130, 133, 135.  Belg. chron. magn. 227.  Admont. chr. zu 1205., ihn am 19ten Junius absetzen und den 133 {1205} Grafen Bruno von Sayn, den zeitherigen Vorsteher des bonner Stiftes, zum Erzbischof wählen. Die Stiftsherrn und die Bürgerschaft von Köln hingen diesem an, aber das ganze offene Land bis Nuys hinab, gewann der von Philipp mächtig unterstützte Adolf.

Noch entscheidender war das nächste Jahr 1206: denn König Ottokar von Böhmen hatte sich, auf Betrieb seines neuen Schwagers Herzogs Ludwig von BaiernChron. Udalr. Aug.  Herm. Altah.  Avent. ann. VII, 2, 23.  Crusius schw. Chronik I, 700., wieder für Philipp erklärt und seinen Sohn Wenzel mit dessen Tochter Kunigunde verlobt. Von diesen und von den meisten oberdeutschen, rheinischen und sächsischen Ständen unterstützt, zog Philipp nochmals gen Köln, welches König Otto und Erzbischof Bruno vertheidigten. Im Vertrauen auf ihre Krieger, den guten Willen der Bürger und die aus England angekommene Hülfsmacht, beschlossen sie ein Treffen zu wagen, und trieben den Herzog Heinrich von Brabant ohne Mühe in die Flucht. Diese Flucht war aber nur verstellt, und immer eifriger und eifriger verfolgend, kamen jene bis in die morastigen Gegenden bei Wassenberg, sahen sich plötzlich von den übermächtigen Feinden umringt und wurden gänzlich geschlagen. Otto und Bruno retteten sich zunächst in eine Burg, aber diese Burg wurde sogleich von den Siegern rings eingeschlossen. Doch entkam der König glücklich mit drei Begleitern, Bruno hingegen wurde gefangen und die Kölner mußten, aller Hoffnungen beraubt, um Frieden bitten. Philipp bewilligte ihn nach seiner Weise auf milde Bedingungen und feierte, von den hierüber hoch erfreuten Bürgern eingeladen, das Osterfest des Jahres 1207 in dieser Stadt. Während ihm hier gehuldigt und jede ersinnliche Ehre erzeigt wurdeLünig cod. Germ. diplom. II, 1081.  Dumont I, p. 137. Urk. 256., während er seine Tochter dem Sohne des Herzogs von Brabant verlobte 134 {1207} und selbst italienische Fürsten, z. B. Graf Thomas von Savoyen und Markgraf Azzo von EsteDumont I, p. 138. Urk. 257.  Murat. antiq. Estens. I, 381., ihre Länder von ihm zu Lehen nahmen, reisete Otto hülfsbedürftig nach England, um den König Johann zu neuen Unterstützungen zu bewegen.

Ungeachtet dieser Fortschritte hatte Philipp keineswegs vergessen, daß er ohne Beistimmung des Papstes immer nicht vollständig obsiegen werde, und ihm daher itzt folgendes Schreiben überschickt: »ich habe anfangs für die Erhebung meines Neffen ernstlich und aufrichtig, für mich aber erst dann gewirkt, als alle diese Bemühungen ohne Erfolg blieben und man mir, dem mächtigsten Fürsten Deutschlands, den alten Feind meines Hauses zum Herrn vorsetzen wollte. So gewiß ich hoffe durch Jesum Christum erlöset zu werden, so gewiß hat nicht Ehrsucht, Geiz und irdisches Gut mich getrieben; vielmehr äußerten meine Freunde tadelnd, es fehle mir an Muth eine Königskrone anzunehmenDann müßte Philipp seine Wahl wohl von dem Tage an rechnen, wo ihn der Bischof von Sutri in Worms vom Banne lossprach. Die Wahl fällt nach diesem Schreiben (reg. imper. 136) sexta feria, qua canitur: fac mecum, domine, signum in bonum.. Zehn Wochen lang trat mir niemand entgegen, und erst als ich den Versprechungen meiner Gegner traute und mein Heer entließ, schritten jene wortbrüchig und durch englisches Geld gewonnen zu einer andern Wahl. – Was ferner die Ernennung des Erzbischofes Leopold von Mainz betrifft, so geschah sie einstimmig, und deshalb belieh ich ihn mit dem Weltlichen; Siegfried hingegen ward heimlich und widerrechtlich von drei oder vier Personen in Bingen erhoben; doch möge Leopold zu euren Ehren die Würde niederlegen, wenn ihr auch Siegfrieden vermöget, daß er zu Ehren des Reiches entsage, und sich mit einer anderweiten Abfindung begnüge. – Nicht minder bin ich bereit um euretwillen einen Waffenstillstand mit Otto zu 135 {1207} schließen, wiewohl mir dies weder nützlich noch ehrenvoll ist. Über alle Punkte, wo ich die Kirche beleidigt haben mag, und wo sie glaubt Genugthuung verlangen zu können, mögen eure Kardinäle und unsere Fürsten, – würdige, rechtgläubige, unverdächtige Männer –, entscheiden und den Frieden herstellen: über diejenigen Punkte aber, wo ihr uns und das Reich beleidigt zu haben scheint, wollen wir zu Ehren Jesu Christi, den ihr auf Erden vertretet, und aus Ehrfurcht gegen den Fürsten des Apostel Petrus, dessen Statthalter ihr seyd, und endlich um unseres eigenen Heiles willen, – die Entscheidung eurem Gewissen überlassen. Da wir nämlich fromm glauben, daß Jesus Christus dem heiligen Petrus die Schlüssel des Himmels und das Recht gegeben zu binden und zu lösen, ihr aber jenem in der Fülle aller Macht gefolgt seyd: so erkennen wir, daß kein menschliches Gericht in dieser Beziehung über euch ein Urtheil sprechen dürfe, und wir wollen uns keines Rechtes anmaaßen, welches Gotte allein zusteht. Überhaupt sind wir bereit, in allem euren Befehlen zu gehorchen, und hoffen euch zu überzeugen, daß wir, obgleich vielfältig bei euch verleumdet, doch niemals die heilige römische Kirche mit ungebührlichen Worten oder Thaten beleidigt haben, oder beleidigen werden.«

So angenehm dem Papste diese nachgiebigen Erklärungen auch seyn mußten, beharrte er doch auf der Vertheidigung Ottos und richtete die durch den Patriarchen von Aquileja mit Philipp eingeleiteten Unterhandlungen nur dahin: daß Leopold von Mainz unbedingt entsagen, beide Könige aber einen Waffenstillstand abschließen möchten, um während dessen den Frieden vermitteln zu könnenReg. imper. 136-139.. Als nun aber eine neue Gesandtschaft Philipps und wahrscheinlich auch Nachrichten über die Niederlagen Ottos in Rom ankamen, schickte Innocenz den Kardinal Leo Brankaleo und den Kardinal Hugolinus Grafen von Segni oder Signia 136 {1207} nach Deutschland und gab ihnen Briefe an die Fürsten mit, worin die Nothwendigkeit der Einigung zwischen Kirche und Staat und die beklagenswürdige Lage Deutschlands nachdrücklich auseinandergesetzt, und alle aufgefordert wurden für Herstellung des Friedens mitzuwirken. Zweimal brachten auch die Gesandten beide Könige zu mündlichen Gesprächen, wobei Philipp seinem Gegner eine Tochter zur Gemahlinn und das Herzogthum Schwaben nebst vielen anderen Gütern, als Entschädigung für das Entsagen der Königswürde anbot: allein Otto, obgleich außer Stande irgend etwas der Art zu erfüllen, machte seinem Gegner noch größere AnerbietungenOtto S. Blas. 48., und fügte trotzig hinzu: »erst mit dem Tode werde er die Krone niederlegen.« Bei solcher Stimmung mußten die Gesandten es noch für ein Glück halten, daß der nachgiebigere Philipp sein Heer entließ und einen Waffenstillstand auf ein Jahr annahm, um während dieser Zeit für den Frieden wirken zu können. Auch rückten die Unterhandlungen Philipps mit dem Papste, zum großen Verdrusse Ottos, schnell vorwärts: denn jener befreite, den an ihn ergangenen Forderungen zufolge, Bruno von Köln aus der Haft, nahm dem Erzbischofe Leopold von Mainz das Weltliche, verstattete, daß Siegfried das Geistliche durch einen Bevollmächtigten besorge, und schwur endlich, daß er dem Papste in Hinsicht aller Gegenstände des über ihn gesprochenen Bannes gehorchen werdeReg. imp 142-148.. – Die Erzbischöfe Adolf von Köln und Leopold von Mainz unterwarfen sich auf gleiche Weise und versprachen, den weitern Spruch des Papstes persönlich in Rom zu erwarten. Hierauf löseten die Kardinäle den Herzog Philipp und die Erzbischöfe, am 30sten November 1207 in Augsburg, öffentlich vom Banne.

Freilich blieben noch viele Punkte, besonders die Fragen über das sicilische und deutsche Königthum unerledigt: aber der mächtigere Philipp weigerte sich nicht seine Ansprüche 137 {1207} vor dem Papste durch Gesandte entwickeln zu lassen, und niemand zweifelte, daß sich der bis jetzt von Innocenz so begünstigte Otto noch lieber dazu verstehn, und alsdann durch eine letzte Aussöhnung und Entscheidung dem Elende Deutschlands ein Ende gemacht werde. Leider schilderte der Papst dies Elend nicht unwahr, indem er sagteReg. imp. 141. Ähnliche Beschreibungen in Burchardi vita Frider. I, 113.  Gallia christ. V, 10. p. 491.  Uhlands Walter von der Vogelweide 16.: »welche Übelstände und Gefahren, welche Angst und welcher Jammer aus jener Spaltung für die ganze Christenheit entsteht, kann die Zunge kaum aussprechen, der Geist kaum ausdenken. Dadurch wird die Errettung des heiligen Landes verhindert, und während sich die Christen unter einander erwürgen, siegen die Ungläubigen; daher entspringt die Ungerechtigkeit und stirbt die Gerechtigkeit, die Frömmigkeit wird verwiesen, die Religion verschwindet, die Treue geht zu Grunde, die Ketzereien wachsen, die Saaten werden verwüstet, der Hunger nimmt überhand, die Armuth mehrt sich, Raub und Brand und Mord und Nothzucht wird ungescheut begangen, keine Straße, kein Haus bleibt sicher, und weil der Frevel allen frei steht, wird die Welt ringsum erfüllt von Frevlern.« – Wenn der Bruder des Bischofs von Würzburg den Vorsteher des magdeburger Hochstifts, aus ungegründetem Verdachte, auf öffentlicher Landstraße binden und blenden ließ; wenn adliche Reichsmannen den Bischof Konrad von Würzburg auf dem Wege zur Kirche anfallen, umbringen und den Leichnam grausam verstümmeln durften, hauptsächlich weil er in diesen argen Zeiten schlechterdings nicht Raub und Willkür dulden wollte; wenn fast allein der Papst aus der Ferne auf gebührende Bestrafung solcher Gräuel drangUsserm. episc. Wirzb. 77.  Innoc. V, 155; VI, 51, 113, 114.: – was mochten da die Geringeren leiden, denen in der Nähe keine geordnete Hülfe zur Seite stand, und deren Klagen nicht bis nach Rom drangen! 138 {1208} Nahm man doch jede Einmischung des Papstes übel, und je mehr er z. B. für die Schonung der Kirchen und Geistlichen sprach und that, desto habsüchtiger und willkürlicher verfuhr man in der Regel mit ihnen. Als werde die deutsche Unabhängigkeit von Rom vorzugsweise durch Widerspruch gegen Befehle erhalten, welche jeder ehrenwerthe Mann sich selbst hätte geben müssen! Aberglaube schreckte bisweilen noch eher von Freveln zurückBei der Belagerung von S. Goar traf man vorsätzlich ein zum Schutze hingestelltes Kreuzbild; es blutete und man hob furchtsam die Belagerung auf. Alber. 422.  Godofr. zu 1205., als Furcht vor dem Unrechte.

Die sehnsüchtige Hoffnung nach einer gänzlichen Umgestaltung dieser Verhältnisse wurde zwar in etwas getrübt, als man vernahm, daß Otto die Kardinäle parteiisch und bestochen gescholten habe und, im Fall einer ungünstigen Entscheidung des Papstes, schwerlich gehorchen werde: aber Kardinal Hugolinus, der nachmalige Papst Gregor IX, war kein Mann danach, für Geld sich und der Kirche etwas zu vergebenGodofr. zu 1208. Erf. chr. S. Petrin. sagt zwar, daß die päpstlichen Gesandten aus den Klöstern Geld steuern ließen, was aber mit einer Bestechung nicht zu verwechseln ist., und daß Innocenz selbst jetzt noch für Bruno gegen Adolf von Köln entschied, hätte dem Könige Philipp, der von ihm immer nur als Herzog von Schwaben behandelt wurde, noch eher Grund zu Verdacht geben können. Ob dieser endlich dem Neffen des Papstes seine Tochter wiederholt zur Gattinn und die mathildischen Güter als Heirathsgut angeboten habe, und ob Innocenz darauf eingegangen seyUrsp. 323.  Burchardi vita 125.  Cardella I, 2, 192. u. Raynalds Prüfung des Berichts von Arnold. v. Lübeck VII, 6., ist ungewiß; doch fanden neben den öffentlichen wahrscheinlich geheime Unterhandlungen statt. Dem Reiche hatte Otto früher durch seinen vor der Krönung geleisteten Eid wohl noch mehr vergeben, und dem Papste konnte man es zuletzt nicht verdenken, wenn er eine 139 {1208} Verzichtung auf jene Güter auch von der Seite zu erhalten wünschte, die allein Macht für ihre Behauptung zu haben schien.

Wollte aber Otto oder Philipp auch die Waffen wieder ergreifen, ohne den Erfolg der römischen Unterhandlungen abzuwarten, so sah man doch bei der jetzigen Übermacht des letzten keinem allgemeinen Kriege entgegenDie Nachricht im Chron. ex libr. Pantal. 33, wonach Otto und Philipp sich dahin verglichen, daß jener den Königstitel mit dem arelatischen Reiche und einige Schlösser erhalte und Philipps Tochter heirathe, steht einzeln und unerwiesen.; für den größten Theil Deutschlands mußte der Friede fortdauern. Dennoch rüstete Otto, nachdem er englische Hülfsgelder bekommen und König Waldemar von Dänemark Beistand zugesagt hatteRobert de Monte und Trivet zu 1207.  Auct. danic. N. VI, bei Ludwig IX, 153.; während Philipps Mannen aus Franken gen Thüringen zogen, um jenen immer enger zu beschränken. Es fehlten nur noch wenige Tage bis zum Ablaufe des Waffenstillstandes, welche Philipp zu Festlichkeiten und Erholungen bestimmte, und der Bischof Egbert hatte ihn, zu diesem Zwecke, freundlich nach Bamberg eingeladen.

Hier vermählte der König am 21sten Junius 1208 Beatrix, die einzige Tochter seines verstorbenen Bruders Otto von Burgund, mit dem Herzoge Otto von Meran. Nachdem er die Braut in höchster Pracht zum Altare geführt und die Festlichkeit verherrlicht hatte, begab er sich nach der Altenburg: denn er hatte zur Ader gelassen und bedurfte der Erholung. – Abendlich von Bamberg zieht sich eine Reihe von Hügeln hin, auf deren vordersten die Altenburg steht, das Stammschloß der babenbergischen Herzoge von Österreich. Frei ist hier die Aussicht nach dreien Seiten, und nur nach der vierten schließen sich jene Hügel der höhern Altenburg an. Der Vordergrund stellt 140 {1208} in reizender Mannigfaltigkeit Erhöhungen dar und Senkungen, Felder und Gärten, Dörfer und einzelne Häuser, Rebengelände, Teiche und Baumgruppen. Drüber hinaus sieht man gegen Mittag bis Forchheim, gegen Abend die Straße nach Würzburg, gegen Mitternacht große Wälder, und morgenwärts endlich liegt in der Tiefe Bamberg mit den Kirchen des heiligen Jakob, des heiligen Michael und dem großen, durch vier Thürme geschmückten Dom. Jenseit der Stadt schlängelt sich von der rechten Seite die Rednitz heran, links tritt der Main hinter Hügeln anmuthig hervor, und der fernste Gesichtskreis, bis über Banz und Hallstadt hinaus, ist schön begränzt mit den dunkeln Linien der entfernteren Gebirge. – Nur der Bischof von Speier und der Truchseß Heinrich von Waldburg hatten den König bis in sein Zimmer begleitet, welches diese wunderschönen Aussichten darbot. Da klopfte es unerwartet, und Otto Pfalzgraf von Wittelsbach, des Herzogs von Baiern VetterStammtafel:

                        Otto IV
           ┌───────────────┴────────────────┐
        Otto V,                          Otto VI,
Herzog Ludwig v. Baiern.      Pfalzgraf Otto von Wittelsbach.
, trat ohne weitere Anmeldung ein, so wie es ihm der, strengen Förmlichkeiten abholde, König bisher gestattet hatte. Doch fiel diesem der scheue Blick des Pfalzgrafen und das bloße Schwert auf, und er sagte: »stecke dein Schwert in die Scheide, hier ist nicht der Ort, es zu gebrauchen.« Der Pfalzgraf aber sprang wüthend vorOtto S. Blas. 48.  Herm. Altah. zu 1197.  Erf. chr. S. Petr.  Mutterstatt 181.  Ursp. 324.  Burch. vita 127. Aus manchen Abweichungen haben wir das Mittlere herauszufinden gesucht. Über den Tag der Ermordung sind Godofr. und reg. imp. 152 bestimmt., rief: »hier ist der Ort, deinen Verrath zu bestrafen«, und hieb den König in den Hals. Vergebens eilte der Truchseß Heinrich seinem Herrn zu Hülfe, auch er ward verwundet, Otto entfloh und der König, nachdem er nur 141 {1208} wenige Schritte vorwärts gethan hatte, sank in seinem Blute entseelt zu Boden. So wurde Philipp, der mildeste unter allen Hohenstaufen, meuchlings ermordet von einem Manne, dessen Stamm Kaiser Friedrich erst erhoben hatte; er ward ermordet in der Blüthe seiner Jahre, am Hochzeittage seiner Nichte, im Genusse der überreichen Natur, im Augenblicke der Besiegung oder Versöhnung seiner meisten Gegner. Als Irene, sein hochschwangeres Weib diese Trauerbotschaft vernahm, floh sie nach Hohenstaufen, kam vorzeitig nieder und starb mit dem Kinde vor Schmerz und Gram. Die beiden jüngern verlassenen Töchter Philipps, rettete der Bischof von Speier aus größerer GefahrPfister II, 279.. Von dem ganzen, vor kurzer Zeit noch so blühenden Geschlechte der Hohenstaufen war nur noch ein einziger männlicher Sprosse übrig, der vierzehnjährige König Friedrich von Sicilien!

Sobald sich die Kunde von Philipps Ermordung in Deutschland verbreitete, erschraken und klagten die Gutgesinnten; die Böswilligen hingegen benutzten habsüchtig oder rachgierig diesen AugenblickOger. Pan. zu 1208., um sogleich Willkür und Unbilden aller Art zu verüben. Noch größere und allgemeinere Übel würden hervorgegangen seyn, wenn nicht Papst Innocenz und König Otto mächtig dazwischengetreten wärenReg. imp. 152, 154, 155.. Jener erklärte sich sogleich aufs bestimmteste gegen eine neue zwistige Königswahl, und dieser, unverhofft seines siegreichen Gegners entledigt, vereinte nun alle frühern, ermuthigten Anhänger und bewog auch die überraschten, verwirrten, kriegsmüden Freunde des Ermordeten, weder einer neuen Wahl noch des entfernten Friedrich zu gedenken, sondern auf seine Seite zu treten. Die sächsischen und thüringischen Stände hatten sich schon in Halberstadt für ihn erklärt, die Erzbischöfe Siegfried und Bruno wurden unweigerlich in Mainz und Köln 142 {1208} aufgenommen, und ein Reichstag, gehalten in Frankfurt am 11ten November 1208, war zahlreicher und glänzender, als seit vielen Jahren. Einstimmig und aufs neue ward Otto hier zum König erwählt, der Friede und die Reichsgesetze beschworen, alle ungerechten Steuern, Zölle und sonstigen Anmaaßungen aber vernichtet.

In diesem Augenblicke, wo alle nur mit der Zukunft beschäftigt zu seyn schienen, trat Heinrich von Scharfenberg, Bischof von Speier, in die Versammlung, an seiner Hand Beatrix führendWenn Philipp 1197 heirathete und Beatrix die dritte Tochter war, so konnte sie füglich nicht älter seyn., die etwa achtjährige Tochter König Philipps. Mit bewegter Stimme erzählte der Bischof den Frevel des Pfalzgrafen, forderte Gerechtigkeit und Strafe, und in seine Rede mischten sich die Klagen des lautweinenden Mägdleins über den so jämmerlich hingemordeten Vater! Sie suchte Hülfe bei dem Feinde ihres Vaters und ihres Stammes! Da entstand eine allgemeine Theilnahme in der Versammlung; wehmüthig gedachten die einen der Hinfälligkeit und Unsicherheit alles Menschlichen, zornig riefen die andern: für wen noch Sicherheit auf Erden bleibe, wenn so an Königen gefrevelt werden dürfe? Alle drängten sich zu Otto und verlangten, daß geschehe was das Gesetz, was die Ehre fordere. Und einstimmig wurden Otto von Wittelsbach und alle seine Genossen und Helfershelfer geächtetAdmont. chr.  Godofr.  Die Acht ward auf andern Reichstagen wiederholt und Graf Rapoto von Ortenburg zum Nachfolger Pfalzgraf Ottos ernannt., ihre Würden an andere verliehen, ihre Güter eingezogen, ihr Haupt für vogelfrei erklärt.

Ein Flecken in der deutschen Geschichte bleibt des Wittelsbachers That, aber zum Troste gereicht es, daß sie nur von einem ausging und nur von sehr wenigen gefördert wurde; während das deutsche Volk und die deutschen Fürsten, der König Otto und der Papst, ohne 143 {1208} Ansehung der Partei und des Standes und ohne alle Rücksicht auf empfindsame Milderungsgründe, sie allgemein als verrucht anerkannten und straften. Dies ist geschichtlich, wogegen nicht alle Zweifel über die Veranlassung und die Theilnehmer zu beseitigen sind. König Philipp, so wird erzählt, versprach dem Pfalzgrafen seine Tochter zur Ehe, nahm aber später sein Wort, unter dem Vorwande naher Verwandtschaft, zurück. Hierauf bat Otto: der König möge ihn dem Herzoge Heinrich I von Schlesien empfehlen, dessen Tochter Gertrud er itzt zu ehlichen wünsche, und erhielt von Philipp auch Briefe, welche er aber, neugierig oder argwöhnisch, öffnete und ihren Inhalt vielmehr abmahnend und warnend fand. Darüber stieg sein Zorn bis zur Mordlust. Es war aber Otto als ein jähzorniger wilder Mensch bekanntHeisterb. 520.  Auct. incert. ap. Urst. sagt gar: Otto lubricus erat, et multorum nobilium homicida. Nach Suntheim 563 soll Philipp dem Otto vorgeworfen haben, er sey leprosus., dem man nachsagte, er trage in seinem Gürtel stets einen Strick, um jeden Übertreter auch minder bedeutender Gesetze sogleich aufknüpfen zu lassen; der einen Edlen, Namens Wolf heimtückisch erschlagen hatte. Deshalb nahm Philipp sein Wort zurück: er mochte keinen Mörder zum Schwiegersohne, seine Tochter keinen zum Manne haben. Besser, wenn der König noch strenger gewesen wäre, und nicht, durch eigene Milde und äußere Verhältnisse bewogen, die Bestrafung jenes Mordes ausgesetzt hätte. Hält man denselben aber für unerwiesen, so fällt die Erzählung über den Inhalt der Briefe zugleich mit dahin: denn diese beruht auf den nämlichen, nur nicht so zahlreichen und einstimmigen Zeugnissen. Im Fall ihrer Verwerfung gerathen wir jedoch über die Gründe der That Ottos ganz ins Dunkele, indem das Ablehnen Philipps, ihm seine Tochter zu geben, nach so langer Zeit schwerlich solchen Jähzorn erzeugen konnte, und um so weniger erzeugen konnte, wenn Otto wirklich schon auf eine andere Ehe 144 {1208} bedacht warAlberic. 747.  Peppenh.   Halberst. chr. 147.  Otto S. Blas. 50.  Chron. mont. ser. zu 1208.  Hist. Landgr. Thur.  Eccard 403.. Andererseits erklärt die Annahme jener Erzählung wiederum höchstens seine eigenen Beweggründe, keineswegs die seiner Genossen, des Bischofs Egbert von Bamberg und des Markgrafen Heinrich von Andechs und Istrien. Denn von dem Verdachte, daß er sich zu Philipps Feinden hinneige, hatte sich der Bischof gereinigt, und Markgraf Heinrich wird nirgends als dessen Gegner bezeichnet. Dessen ungeachtet floh der Bischof sogleich nach der Ermordung Philipps zu seinem Schwager, dem König von Ungern, und wirkte, als er sich lebhaft über Verletzung des Rechtsganges beschwerte, vom Papste zwar den Befehl anderweiter Untersuchung und Beweisführung aus, konnte aber Kaiser Otto nicht bewegen, ihm das Bisthum zurückzugebenWäre auch Egbert schuldig gewesen, so mußte doch der Papst, nach damaliger Ansicht, jeden Spruch mißbilligen, der ohne seine Zustimmung erging. Eine feierliche Lossprechung Egberts durch den Papst finde ich nirgends; sofern sich aber kein Kläger stellte und keine gehörige Untersuchung neu eingeleitet wurde, wie Innocenz verlangte, erschien ihm der Beklagte allerdings gerechtfertigt, und Ottos IV weitere Feindschaft entstand vielleicht aus dem politisch zweideutigen Betragen desselben. Das Nähere siehe in v. Hormayrs Werken III, 313.  Reg. imp. 183.  Innoc. ep. XI, 220; XII, 118; XV, 225.  Bamberg. annal. bei Ludwig 149, 154. Egbert lebte in Ungern ausschweifend, unruhig, anmaaßend. Seine Schwester wurde vom Ban Benedikt ermordet, wie König Philipp. Engel Gesch. v. Ung. I, 293. – Burch. vita 127 sagt: Otto habe Soldaten des Bischofs und Markgrafen mit in den Palast geführt, und sey nachher zu diesen geflohen, unde et illi rei habiti sunt, tali de mordo; wogegen Kaiser Otto in einer Urkunde ganz einfach sagt: interfectores regis Philippi Marchio Histriae u. Otto v. Wittelsbach. Er giebt ihre Lehne an den Herzog von Baiern (Lori Lechrain Urk. VII.  Orig. guelf. III. praef. 33), welcher sie aber bald nachher dem Patriarchen Fulcher von Aquileja, dem Bruder des Geächteten, überließ. Rubeis 664.. Erst im Jahre 1215 warf er sich Friedrich II zu Füßen und erhielt Begnadigung. Sein Bruder Markgraf Heinrich 145 {1208} wurde feierlich geächtet, irrte in fremden Ländern, besonders in Palästina, umher, und erhielt nicht eher als nach siebzehn Jahren von jenem Kaiser die Erlaubniß, den Überrest seines Lebens in Deutschland zuzubringen. Diese Thatsachen begründen die Annahme: daß beide zwar nicht Mörder, aber auch nicht ganz unschuldig bei der Ermordung gewesen sind, und nun frägt sich: was konnte diese Männer hiezu vermögen, da Otto von Meran, dessen Hochzeit mit seiner Nichte, Philipp so ehrenvoll an seinem Todestage feierte, – ihr Bruder warNoch ein Umstand verdient Erwähnung, der den Hergang, man weiß nicht ob aufklärt, oder verdunkelt. Gertrud nämlich, welche Otto von Wittelsbach anfangs heirathen wollte, war die Nichte des Bischofs Egbert und des Markgrafen, von ihrer Schwester der heiligen Hedwig. Gertrud ging später in ein Kloster. Alberic. zu 1196.  Thebesius V, 27; VII, 35.! Woher diese Spaltung unter den Brüdern, da der Bräutigam nirgends der Theilnahme beschuldigt wird? Woher diese Tücke an dem Tage so ehrenvoller Auszeichnung ihres Hauses, so erfreulicher Gewißheit von Philipps unbefangenem und günstigem Sinne? Es liegt noch ein Schleier über diese Frevelthat, und es müssen noch andere finstere Beweggründe obgewaltet haben, welche wir in den uns zu Gebote stehenden Quellen nicht entdecken können. König Otto, dessen Untergang sich im Fall des nach dreien Tagen wieder ausbrechenden Krieges vorhersehn ließ, ist von keinem als Urheber oder Theilnehmer des Mordes bezeichnet worden, und wie dürfte man jetzt argwöhnischer seyn, als in jenen Tagen feindseliger Parteiung.

Der Mörder Otto von Wittelsbach irrte mittlerweile umher, von Gewissensbissen gepeinigt, von allen geflohen, von den treuen Anhängern Philipps verfolgt, und fand keine Stadt, keine Burg, kein Haus mehr als sichern ZufluchtsortErf. chr. S. Petr.  Parfuess zu 1208.. Schon waren seine Güter verwüstet, sein 146 {1208} Stammschloß Wittelsbach niedergerissenAuch die Stammburg Andechs wurde vom Herzoge Ludwig zerstört. v. Hormayr III, 327. und an der wüsten Stelle zur Sühne eine Kirche gebaut. Dazu hatte sein eigener Vetter, Herzog Ludwig von Baiern, im richtigen Gefühle des ungeheuren Frevels, zuerst die Hand geboten. Endlich fanden der treue Marschall Philipps, Heinrich von Kalentin und Welf, der Sohn des von Otto früher ermordeten Edeln, den Königsmörder in einer Scheune der Mönche von Oberndorf unfern Regensburg, stachen ihn nieder und warfen sein abgeschnittenes geächtetes Haupt in die vorbeifließende DonauMartin. minor.  Ratispon. ann.  Arnold. Lub. VII, 16.  Conr. a Fabaria 79.  Conradi catal. imper.  Pappenh.Chron. Udalt. Aug.  Gemeiner Chronik 297.  Sprenger Gesch. v. Banz 220.  Pulkawa 260 erzählt: Otto habe Schach gespielt, als ihn der Marschall fand und tödtete.; der Rumpf blieb jedem zum Abscheu liegen, bis die Mönche erst nach Jahren die Erlaubniß erhielten ihn zu beerdigen.

{1209} Unterdessen leitete König Otto nach dem Tode des Erzbischofes Bruno die Wahl Dietrichs von KölnLünig Reichsarchiv, Cont. II, Abth. 4, Absch. 12 v. Magdeb. Urk. 35.  Northof 386.  Grembach zu 1208.  Aettenkhofer 157.  Innoc. ep. XI, 82, 88.  Orig. guelf. III, praef. 33., ordnete mancherlei in Sachsen, gab dem Erzbischofe Albert von Magdeburg mehre Vorrechte, entsagte zu Gunsten Herzog Ludwigs allen Ansprüchen auf Baiern und versammelte die Stände gegen Ausgang des Mais 1209 in sehr großer Zahl zu Würzburg. Aber ungeachtet dieser bereitwilligen Erscheinung und manches ungetheilten Beschlusses, war doch die alte Spaltung zwischen Welfen und Hohenstaufen mehr durch eine unerwartete Fügung des Schicksals verdeckt, als wahrhaft geheilt und verwachsen. Damit nun aber diese Heilung einträte, geschah der Vorschlag: König Otto solle Beatrix, die Tochter Philipps, heirathen. – Obgleich dieser sehr viel veräußert und vergabt hatte, 147 {1209} obgleich Beatrix mit ihren Schwestern das eigene Gut theilen mußte, blieb sie dennoch die reichste Erbtochter in Deutschland; und auch die Lehne, auch das Herzogthum Schwaben hoffte wohl Otto, trotz dem etwanigen kraftlosen Widerspruche Friedrichs II, zu gewinnen. – Dagegen entstand in dem Könige der ernsthafte Zweifel: ob er ohne Gefahr für seine Seele die nahe Verwandte ehelichen dürfteJudith ihre Ältermutter war die Tochter Heinrichs des Stolzen., und ob nicht die Stände, darin unreine Absichten erblickend, widersprechen würden? Daher legte er ihnen auf dem Reichstage in Würzburg jene Frage zu unparteiischer Prüfung und Entscheidung vor, und erhielt durch den zum Vorsprecher erwählten, der Rede kundigen Herzog Leopold VII von Österreich, im Namen aller Fürsten, Prälaten und der beiden anwesenden Kardinäle, die Antwort: »damit Friede und Eintracht in Deutschland dauernd gegründet werde, möge er Beatrix heirathen; zur Beruhigung seiner Seele aber (ungeachtet der ergangenen Zustimmung des Papstes) zwei Klöster bauenReg. imp. 169. und es an Wohlthaten für die Armen und Geistlichen nicht fehlen lassen.« Hierauf sagte der König: »einem so verständigen und gewichtigen Rathe wollen wir nicht widersprechen, man rufe das Mägdlein.« Von Fürsten und Bischöfen geführt, nahte sie dem Throne. Otto stand auf, gab ihr den Verlobungsring und küßte sie öffentlich als seine Braut. »Sehet hier, fuhr er fort, eure Königinn, ehret sie, wie es sich gebührt.« – Da freuten sich die meisten über die versöhnende Beendigung des alten furchtbaren Zwistes: aber Beatricens Jugend hinderte die Vollziehung der HeirathArnold. Lub. VII, 19. Einige Abweichungen bei Otto S. Blas. 51.  Pfister II, 281., und als sie mit ihrer jüngern Schwester aus dem befreundeten Schwaben abgeführt wurde, um in Braunschweig erzogen zu werden, sah wohl mancher Getreue darin mit gebrochenem Herzen nur ein Opfer äußerer Noth, und viele zürnten insgeheim, daß man 148 {1209} der Hohenstaufen reiches Erbe unter Fremde oder Feinde zersplittere, daß von dem Sohne Kaiser Heinrichs VI, von dem Enkel des großen Friedrich, von Friedrich dem zweiten und seinen nächsten und unleugbaren Rechten, auch nicht einmal gesprochen werde!

Otto aber meinte: er sey den Bauleuten, die ihn verwarfen, zum Ecksteine geworden, und hoffte, nach Deutschlands Einigung, auch Italien zu bezwingenGodofr. mon.  Arnold. Lub. VII, 20.  Wer nicht persönlich mitziehen wollte, mußte ansehnliche Geldbeiträge zahlen.. Als er mit den Ständen und den Kardinälen in Speier und Augsburg über den Römerzug alles Nöthige verabredet hatte, stand nichts dem Aufbruche mehr entgegen. 149

 


 


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