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Dreißigstes Kapitel.

Ehe ich mich an jenem Abend zurückzog, ließ mich meine Mutter in ihr Ankleidezimmer rufen, wo sie, nach Gewohnheit der Mütter, viel weinte und mich versicherte, ich sei stets ihr Lieblingskind gewesen, welche Mitteilung sie mit einzelnen näheren Angaben über mein erstes Erscheinen in der Welt begleitete. Auch dies scheint eine berechtigte Eigentümlichkeit der Mütter zu sein, und ich zweifle nicht daran, daß dieser Stolz auf unbestreitbare Thatsachen ihnen zur Ehre gereicht.

Sie sagte, Elizabeth habe ihr ganzes Herz gewonnen, und ich mache eine Partie, um die mich selbst der Vicekönig beneiden könnte; dem fügte sie mit echt weiblicher Ueberzeugtheit hinzu, daß, so weit sie es beurteilen könne, Izzies Haar am Scheitel anfange dünn zu werden, und daß sie sich so arg schnüre, daß ihre Nase rot davon werde. Eine Mutter verzeiht der Frau nie, die ihren Sohn beleidigt hat.

Was die Hochzeit selbst betrifft, so ist sie in der Morning Post ausführlich geschildert worden, und mein Schwiegervater hat mehrere Spalten dieser Beschreibung an die Rockbury Gazette and Sentinel und das Bulletin gekabelt.

Das ganze Dorf feierte den Tag mit. Mr. Rock hatte sämtliche Anordnungen in die Hand genommen und ließ einen Cirkus kommen, durch den natürlich der Zauberer der Ashford-Vivianschen Hochzeit gänzlich in Schatten gestellt wurde. Für den ganzen Ort war offne Tafel, und wenn in den nächsten paar Tagen keine Beschwerden erhoben wurden, so kam dies nur daher, daß Mr. Rock dem Polizeidiener entsprechende Anweisungen hatte zugehen lassen, denn die Massen Flüssigkeiten, die auf meine und Mrs. Jack Severns Gesundheit vertilgt wurden, hätten hingereicht, einen Dreimaster mit all seinen Kanonen zu tragen.

Wir, das heißt Elizabeth und ich, reisten ab, bald nachdem der Hochzeitskuchen angeschnitten worden war. Auch hierfür hatte der alte Rock sämtliche Anordnungen getroffen. Ihm war das Geld nichts, und er liebte es, dies den Leuten klar zu machen; somit fuhren wir in einem Extrazug bis Liverpool Street. Noch nie vorher war ein Extrazug von unsrer kleinen abgelegenen Eisenbahnstation abgelassen worden; und in Dover fanden wir den letzten, alles überstrahlenden Beweis von Mr. Rocks Ueppigkeit in Gestalt eines Extraschiffes.

Auf dem Deck dieses Dampfbootes wandelten wir bei Sternenschein und Meerleuchten auf und ab. Ich war völlig glücklich und zufrieden.

»Elizabeth,« sagte ich, als wir so hin und her gingen, »ich glaube nicht, daß ich ein Geheimnis habe, das ich dir mitteilen müßte.«

»Die meisten Männer haben ihre Geheimnisse, Geliebter,« erwiderte sie, »und wenn ein Mann wirklich Gentleman ist, so wird man auch meistens finden, daß seine Geheimnisse ihm zur Ehre gereichen, und daß die Dummköpfe, die ihre Nasen in dieselben hineinstecken wollen, für gewöhnlich wenig Vorteil daraus ziehen. Ich habe mein einziges Geheimnis heute in der Kirche ausgesprochen, und an dem will ich auch festhalten. Sieh diesen Stern an, Jack! Ich glaube, es ist der Jupiter – ist er's, dann bedeutet es Glück für dich. Ich möchte gern seine Streifen sehen, – laß dem Bootsmann sagen, er soll das Teleskop hier herüberbringen.«

Dies geschah und es fand sich, daß der Stern wirklich der Jupiter war. Was darauf folgte, wäre mehr oder weniger Thorheit gewesen, wenn nicht Mrs. Severn zu jenen wunderbaren Amerikanerinnen gehört hätte, bei denen auch die tiefste und mächtigste Empfindung durch den trockenen, erfrischenden, ursprünglichen Humor beherrscht und gelenkt wird.

Wir wandelten auf dem Deck auf und ab, ohne des Nachttaues zu achten, und beobachteten die Lichter der Schiffe, die an uns vorüberfuhren, bis uns endlich die Hafenfeuer von Calais durch den Morgennebel entgegenleuchteten und unser Schiff im Hafen anlegte.

Es ziemt einem Manne nicht, immer nur von sich und seinen eignen Gefühlen zu sprechen, aber wenn ich mich jemals vollkommen glücklich fühlte, so war es, als ich über die steile Fallreepstreppe schritt, während meines Weibes rechte Hand, von der meinen festgehalten, auf meinem Arme ruhte.

 

Ende.

 


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