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Achtundzwanzigstes Kapitel.

Mit einer Cigarre im Munde trat Mr. Rock in mein Zimmer. Ich bemerkte auch sofort, daß seine Uhr nebst Kette sowie Ringe und Diamantenknöpfe sich wieder, wie er sich ausgedrückt haben würde, an dem ihnen zukommenden Platz befanden. Offenbar war dies ein neuer Zug in seinem Spiel; da aber Mr. Rock zu mir kam, konnte es nur ein mir günstiger sein.

Er schüttelte mir die Hand und drückte sie, als ob er versuchen wollte, Wasser aus einem Stück Quarz zu pressen. Dann warf er sich in die Ecke eines Faulenzers.

»Squire,« begann er, »Sie haben das Recht, eine lange und gründliche Entschuldigung von mir zu erwarten. Unterbrechen Sie mich nicht, denn meine Brust ist geschwellt, und ich muß meine Sache sagen, ehe ich wieder von der Rednerbühne herabsteige.«

Ich nickte schweigend.

»Squire, mein Mädel ist mein einziges Kind. Ich liebe sie um ihrer selbst und um ihrer Mutter willen, die nun trotz allerlei kleineren und größeren Schattenseiten ein Engel im Himmel ist oder wenigstens sein sollte. Squire, ich habe mir Freiheiten gegen Sie erlaubt, und das bedarf einer Entschuldigung. Sie haben mich nicht mißverstanden, aber ich Sie, und hier bin ich nun und bitte Sie herzlich um Vergebung.«

Es war wie ein Traum. Um mich zu vergewissern, ob ich wache oder träume, schüttelte ich Mr. Rock nochmals die Hand, was alle meine Knöchel in die äußerste Gefahr brachte.

»Ich habe Ihnen übel mitgespielt, Squire,« fuhr Mr. Rock fort. »Ich glaubte, daß es nicht mehr und nicht weniger als meine Pflicht sei, so zu handeln. Können Sie mir verzeihen?«

»Mr. Rock,« erwiderte ich, »Sie sind ein ganz prächtiges altes Haus! Wo ist aber Elizabeth und wie geht es ihr? Es scheint mir, daß unsre Sache, falls sie nicht noch Schwierigkeiten macht, wieder in Ordnung ist?«

»Ganz recht, Squire,« sagte Mr. Rock, »recht haben Sie. Wir verstehen einander aus dem Grunde.«

»Aber wo ist Elizabeth?« fragte ich noch einmal, was wohl nicht ganz unnatürlich war.

»Sie ist drüben im ›Grand‹, wo uns das Essen um sieben Uhr erwartet. Squire, ich habe mir eine Freiheit genommen, denn ich wußte ja nicht, wie Sie die Sache auffassen würden, und mein Mädel auch nicht. ›Väterchen,‹ sagte sie, ›du hast ihn über alle Maßen gereizt!‹ Na, Gott sei Dank, das ist nicht der Fall. Ich habe einige Bekannte zu Tisch im ›Grand‹, die nichts von der Sache wissen, und es wäre mir lieb, wenn Sie auch kämen. Ich habe beinahe unsre ganze Gesandtschaft und einige Freunde von mir gebeten, wir wollen das Spiel zu Ende bringen, alle Wetter! Ich erwarte Sie um sieben Uhr, Squire.«

Und damit empfahl sich Mr. Rock ohne weiteres. Von meinem Balkon aus sah ich ihn die Rue de la Paix hinunterschreiten, die Hände in den Hosentaschen, den Hut im Nacken, die Brust herausgestreckt, gerade wie es sich für einen Bürger der Vereinigten Staaten, der auf Oel gestoßen ist, geziemt.

 

Das Festmahl verlief so feierlich und prunkvoll wie möglich; es mußte alles aufgeboten worden sein, was der Gasthof vermochte.

Mit einem gewissen Bangen machte ich mich auf eine rednerische Leistung von Mr. Rock gefaßt, doch bewies er mehr Takt, als ich ihm zugetraut hätte. Er hatte sich damit begnügt, das Geheimnis jedem Gaste unter der Thüre zuzuflüstern und seinen Wunsch auszudrücken, daß es keine »Toasterei« gebe.

Diesem Wunsche wurde auch Rechnung getragen, mit Ausnahme eines Trinkspruches zu Ehren der Republik der Vereinigten Staaten.

Am nächsten Morgen stellte ich mich zu der mit Elizabeth verabredeten Stunde im Grand Hotel ein und schlug vor, daß wir den Tag in Vincennes zubringen sollten, wo wir menschlicher Berechnung nach ganz ungestört sein würden. Keiner von uns war irgendwie geneigt, das Gespräch auf Mr. Rocks List zu bringen, wir plauderten so harmlos miteinander, wie man es von einer völlig einigen Familie erwarten kann. Erst als ich mich unter der Thüre des Gasthofes von Mr. Rock verabschieden wollte, kam er auf unsre Angelegenheiten zurück.

»Mir wäre es am liebsten gewesen, diese Feierlichkeit hätte in Rockbury oder in New York oder wenigstens in Washington stattgefunden, allein ich glaube, unter den gegebenen Umständen wird es doch in England sein müssen. Nun haben wir ja St. Paul und die Westminsterabtei und St. George in Hanoversquare und all die andern Kirchen in London. Aber ich meine, Squire, wenn Sie nichts dagegen haben, wir sollten in Ihrem eignen Kirchspiel Hochzeit machen und jedem Gemeindeangehörigen einen guten Fraß und ein ordentliches Andenken an diesen glücklichen Tag geben. Wir wollen die Sache schon so machen, daß es eine Art hat, Squire, und wie es der Tochter eines Bürgers der Vereinigten Staaten würdig ist.«

Ich sagte, ich lasse ihm freie Hand und sei mit allem einverstanden, doch kamen wir, ehe wir auseinander gingen, dahin überein, daß das, was Mr. Rock ziemlich gottlos als »Festnageln« bezeichnete, in unsrer Dorfkirche in Essex vor sich gehen sollte, und zwar so bald als möglich, doch lag die genaue Festsetzung der Zeit in den Händen der Schneiderinnen, Putzmacherinnen und ähnlicher notwendiger Uebel.

In meinem Gasthof fand ich einen Brief meiner Schwester Rachel vor, voll des gewöhnlichen müßigen Geschwätzes. Die einzige Neuigkeit, die irgendwie auf mich selbst Bezug hatte, bestand in der Mitteilung, daß Izzie Vivian sich vor drei Tagen mit Lord Ashford verheiratet habe, daß die Pächter in einem Zelt bewirtet und die Schulkinder mit Rosinenkuchen und Ingwerbier gespeist und durch einen extra von London gekommenen Taschenspieler und ein Puppentheater unterhalten worden seien.

Sie schloß den Brief mit einigen spitzigen Bemerkungen zum Lobe Lord Ashfords und seiner jungen Frau und bedauerte, daß es nicht meine eigne Hochzeit gewesen sei. Wenn die Frauen ahnen könnten, wie unschädlich solche Pfeile an einem Manne abprallen, und wie sie dieser belächelt – sie würden sie nicht so oft abschießen!


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