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Zwanzigstes Kapitel.

Es traf sich, daß der nächstfolgende Tag ein Sonnabend war, an dem ich zufällig nur einer Verhandlung anzuwohnen hatte.

Wie wir am Abend vorher verabredet hatten, traf ich mit Elizabeth und ihrem Vater in der großen Halle des Gerichtsgebäudes zusammen und führte sie über die für die Räte bestimmten Treppen und Gänge von Gericht zu Gericht.

Elizabeth interessierte sich zwar sehr für alles, es gefiel ihr aber nur mäßig. Auf Mr. Rock machte es einen tiefen Eindruck; das Gebäude war, wie er bemerkte, schön und hatte als Gebäude viele Vorzüge, obgleich es sich nicht mit dem Kapitol von Washington vergleichen lasse; übrigens sei Washington eine Höhle von einer Niederlassung und passe bloß für Indianer und die allergeringste Sorte von Weißen. Im Sommer wate man knietief im Staub, und im Winter im Kot.

Wenn er Präsident der Vereinigten Staaten wäre, würde er durch eine Bill verfügen, daß das Kapitol nach Saratoga versetzt würde, was eine sehr populäre Maßregel wäre und ihm leicht zu einer zweiten Wahl verhelfen könnte; doch wir in England verstünden gar manches nicht recht und machten gar viel verkehrt.

»Hätten wir zum Beispiel irgendwo alte Gebäude in unsrem Land,« fuhr er ganz erregt fort, »so wären wir stolz auf dieselben und würden sie mit Ehrfurcht behandeln und nicht in Armenhäuser verwandeln. Wenn wir in New York ein einziges Gebäude hätten wie euer Chelsea-Spital mit seinen leuchtenden roten Backsteinen, seinem mächtigen Quadrat und seinen bis an den Fluß hinunterreichenden Gärten, so würden die Leute selbst von Florida aus herbeiströmen, um es zu sehen, und würden sich für die Mühe belohnt glauben. Es ist jammerschade, daß wir euch nicht einen dieser Plätze abkaufen und auf einem riesigen Brückenschiff ganz und heil hinüberbringen können. Euer altes Silber, eure Bilder und Bücher kaufen wir ja, aber eure Pferde brauchen wir nicht, denn wir haben mindestens eben so gute selbst aufzuweisen. Allein, wenn wir auch diese Schätze nicht hinüberzuschaffen vermögen, so können wir doch über die Pfütze kommen und sie uns ansehen, und dann gehen wir gespreizter einher und denken lieber daran, daß wir ja eigentlich auch Engländer sind.«

In dieser Art pflegte sich Mr. Rock zu äußern; er glich einer reichlich mit Kieserde vermischten, aber unerschöpflichen Goldader.

Wenige Tage später reisten die Rocks nach Paris ab, wo ich nach Schluß der Gerichtsverhandlungen mit ihnen zusammentreffen sollte. Ich begleitete sie natürlich bis auf den Dampfer und fuhr mit dem nächsten Zug von Folkestone nach London zurück.

Mittlerweile hatten Mr. Rock und ich ein endgültiges Gespräch über unsre Heirat gehabt, und man war übereingekommen, die Hochzeit solle im Juni stattfinden. Mr. Rock war sehr enttäuscht, zu hören, daß es erheblichen Schwierigkeiten begegnen würde, die »Sache« in der Westminsterabtei oder in der St. Georgeskapelle in Windsor »abzumachen«.

»Wenn diese Kirchen der Nation gehören,« bemerkte er tiefsinnig, »so sollten sie dieser Nation, wenn auch zu einem Tarif, der hoch genug wäre, um allzu großen Andrang zu vermeiden, bei vernünftigen Anlässen zugänglich sein.«

Schließlich verständigten wir uns dahin, daß die Hochzeit, wenn sie in London stattfände, in der St. Georgeskirche in Hanover Square gefeiert werden solle; als diese Angelegenheit im reinen war, reisten Mr. Rock und seine Tochter ab.

Was die Vermögensbestimmungen betraf, so hatte Mr. Rock in betreff ihrer freigebige, wenn auch echt amerikanische Anschauungen an den Tag gelegt.

»Ich werde meiner Tochter ein paar Dollars aussetzen zu ihrer alleinigen Verfügung. Die Hauptmasse meines Vermögens wird sie ja natürlich früher oder später bekommen, doch weiß ich noch gar nicht, ob und wie ich es anlege. Ich habe mir auch die Freiheit genommen, Ihnen ein paar Dollars jährlich auszusetzen, die ihr und ihren Erben wieder zufallen, weil in dieser übelbestellten Welt nicht immer alles so geht, wie man erwartet, und so möchte ich mir erlauben, ohne unbescheiden sein zu wollen, Ihnen eine kleine Sicherstellung gegen die Wechselfälle des Lebens zum Geschenk zu machen.«

Ich konnte Mr. Rock nur versichern, daß ich seine Freigebigkeit zu schätzen wisse und mit seinen Beweggründen völlig übereinstimme.

»Na,« sagte er schließlich, »es ist am besten, man läßt Geschäft Geschäft und Vergnügen Vergnügen sein. Man soll beide auseinanderhalten. Wenn man sie auch durcheinander schüttelt, sie vermischen sich doch so schwer wie Essig und Oel. Dies sind also meine Absichten, und ich habe meinem Anwalt in New York telegraphisch die Anweisung erteilt, die Sache auf diese Weise zu regeln; und jetzt wollen wir einen kleinen »Steifen« nehmen, wenn Sie nicht Champagner vorziehen.«

Da ich auch den kleinen »Steifen« vorzog, besiegelten wir den Vertrag damit und tauschten auch noch unsre Cigarrentaschen aus, da er eine Vorliebe für die meine hatte, die mit roten Du Barry-Porzellanplättchen verziert war, und ich für die seine aus Yosemitenrinde, mit oxydiertem Silber beschlagen.

Der Weltweise von Stagira sagt irgendwo, daß der Austausch von Geschenken, wenn er nicht den Schein einer Bestechung an sich trägt, einer der sichersten Freundschaftsbeweise und der beste und angenehmste Kitt derselben sei.

Und nun wird mein Leser natürlich fragen, was ich vielleicht noch nicht hinlänglich erklärt habe, welcher Art meine Gefühle für Miß Rock gewesen seien, und ob ich ehrlich oder, um die geläufigere Phrase zu gebrauchen, ehrenhaft handle, indem ich sie heiratete.

Es ist dies eine schwer zu beantwortende Frage. Unser aller Beweggründe pflegen gemischt zu sein. Vermutlich hat es von den Kreuzfahrern bis zu Gordon nicht einen einzigen Kämpfer des Kreuzes gegeben, und sei er noch so fromm gewesen, der das Fechten nicht auch um seiner selbst willen geliebt hätte.

Die ganz genaue Wahrheit ist die, daß ich nicht des Geldes wegen heiratete, aber ganz ohne Zweifel dahin heiratete, wo Geld war; meine Neigung und mein Vorteil fielen zufällig zusammen. Wäre ich Geistlicher gewesen, so hätte ich vermutlich gesagt, die Vorsehung in ihrer unerforschlichen Weisheit habe mich zu einem weiteren Wirkungskreis berufen. Da ich der Kirche nicht angehörte, sagte ich zwar nichts derartiges, war aber nichts destoweniger äußerst zufrieden mit der Wendung, welche die Vorsehung meinen Angelegenheiten gegeben oder dieselben wenigstens ungehindert hatte nehmen lassen.

Zufällig hatten sich die Karten in meinen Händen alle als Trümpfe erwiesen; ich hätte sie auf den Tisch legen und das Spiel ansagen können. Das Glück eilt immer dem zu Hilfe, der sich selbst hilft, wie es in seinem Wankelmut auch stets bereit ist, dem, bei dem es abwärts geht, noch einen beschleunigenden Puff zu versetzen.

Natürlich teilte ich die Neuigkeit auch meinen Leuten in Essex mit und erhielt sehr aufgeregte Briefe als Antwort. Mein Vater war außer sich vor Entzücken über das, was er meine ausnehmend kluge Wahl nannte, und nach ein oder zwei Seiten Weisheit im Stil des Polonius ging er wie gewöhnlich zu dem unliebsamen Stand seiner Finanzen über.

Meine Schwestern gingen direkter auf ihr Ziel los; sie waren beide hoch erfreut und drückten den lebhaften Wunsch aus, Brautjungfern zu werden. Die armen Dinger gaben mir zu verstehen, daß der einzige wirklich kostspielige Gegenstand an der Ausrüstung einer Brautjungfer das Medaillon sei, das nach der jetzigen Mode auf einer Seite mit dem Namenszug der Braut, auf der andern mit dem des Bräutigams, in bunten Steinen ausgelegt, verziert werde.

Sie schickten mir auch überfließend herzliche Glückwunschbriefe, die ich meiner Braut zustellen sollte, und die ohne Zweifel stilistische Meisterwerke waren.

So viel von zu Hause. »So lange es dir wohl ergeht, werden die Menschen Gutes von dir reden.«


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