Theodor Hermann Pantenius
Im Gottesländchen
Theodor Hermann Pantenius

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Unser Graf.

Erstes Kapitel.

»Du hast recht,« sagte die Baronin, »du mußt jährlich mindestens viertausend Rubel gewinnen.«

Der Graf neigte den Kopf ein wenig auf die rechte Seite und zog die Schultern herauf, als ob er sagen wollte: »Ich bin durchaus bescheiden, aber ich glaube auch, daß ich recht habe;« die Gräfin sah einen Augenblick von ihrer Handarbeit auf und warf ihrem Mann einen dankbaren Blick zu; der Baron blickte nach wie vor auf den Holzschnitt, den er in der Hand hielt.

»Die Geldfrage,« begann der Graf nach einer kurzen Pause wieder, »wird ebenfalls keine Schwierigkeiten machen. Ich kann, wie mir der alte Hohenthal sagte, auf Rotenhof, sobald ich will, vierzigtausend Rubel erhalten; ich werde aber mit der Hälfte der Summe auskommen.«

Die Baronin blickte nachdenklich auf die Spitze ihres rechten Fußes, den sie langsam hin und her bewegte. »Das einzige Bedenken, das du noch nicht ganz widerlegt hast,« sagte sie, »ist die Frage, ob der Überschuß deines Heuertrages wirklich so groß 178 ist, daß du im stande sein wirst, ohne Rotenhof zu schädigen, einen genügenden Vorrat an Hallermünde abzugeben.«

Der Graf erhob sich, suchte einen Augenblick lang unter den Papieren, die den Tisch bedeckten und überreichte dann eines derselben der Fragenden.

»Siehst du,« sagte er, indem er sich neben den Stuhl der alten Dame stellte und mit dem Zeigefinger über die Ziffern fuhr, »hier sind die einzelnen Jahre und hier ist der zehnjährige Durchschnitt. Ich habe jährlich etwa dreihundert Fuder zur Stadt geschickt. Man hat mir das Heu gut bezahlt – Pardon, hier auf der anderen Seite links, hier – aber ich werde es künftig doch ungleich produktiver verwenden können. Außerdem will ich, wie du weißt, auf der Brennerei dreißig Ochsen mehr einstellen; da glaube ich wirklich allen Ansprüchen genügen zu können.«

Der Graf kehrte zu seinem Sitze zurück und nahm wieder Platz. Die Baronin blickte noch einmal auf den Anschlag, erhob sich dann und reichte dem Grafen über den Tisch weg die Hand.

»Ich kann dir nur Glück wünschen, Georg,« sagte sie. »Das Unternehmen ist mit so viel Umsicht geplant, und deine Anschläge sind so sorgfältig gearbeitet und dabei so klar, daß ich keinen Augenblick an dem Erfolge zweifle.«

Der Graf küßte der Dame die Hand und errötete vor Vergnügen. Er wußte, wie sparsam seine Schwiegermutter mit ihrem Lobe war; es machte 179 ihm daher große Freude. Die Gräfin küßte ihrer Mutter ebenfalls die Hand und errötete auch und zwar aus demselben Grunde wie ihr Gemahl.

»Nun, seid ihr endlich mit euren leidigen Berechnungen fertig?« fragte der Baron und blickte die drei der Reihe nach an.

Der alte Herr hatte wunderbar freundliche Augen, so freundliche, daß die Personen, mit denen er sprach, meist unwillkürlich lächelten.

»Ja, lieber Papa, jetzt sind wir ganz fertig,« rief die Gräfin und griff nach der Hand ihres Vaters, um einen Kuß auf sie zu drücken; aber der Baron entzog sie ihr rasch.

»Ei, so gib mir einen Kuß, mein liebes Kind,« rief er in den tiefsten Baßtönen, »aber auf den Mund, Ina, auf den Mund!«

Die Dame erhob sich, hielt mit den Spitzen ihrer langen schmalen Finger den Bart, der in mächtigen weißen Wellen das Antlitz ihres Vaters umrahmte, auseinander, und drückte einen Kuß auf seine Lippen.

»So, das war einmal schön, mein Kind. Und nun wollen wir uns wieder höheren Interessen zuwenden, als den leidigen Brotfragen.«

»Ich denke, die sind wichtig genug, Leopold!«

»Gewiß, liebe Frau, gewiß, und ich freue mich mit dir, daß unser lieber Georg so viel Verständnis für sie hat – ich freue mich herzlich darüber, Georg, lieber Junge – aber ich meine, ihr wäret nun damit fertig; und der Abend ist so wunderbar schön. Wie 180 sollte uns da nicht das Herz aufgehen und die Seele weit werden!«

Der alte Herr warf den mächtigen Kopf mit dem vollen weißen Lockenhaar zurück und blickte träumerisch zum Himmel empor. Hoch oben im Zenit schwebte ein einziges blendend weißes Wölkchen, vor dem die Schwalben in schnellem Zickzack vorüberflogen. Der Wind hatte mit dem hereinbrechenden Abend aufgehört, und die Wasser des mächtigen Stromes am Fuße der Gartenterrasse flossen so ungetrübt, daß nur die schnell stromabwärts treibenden Flöße anzeigten, daß sie überhaupt in Bewegung waren.

Die Luft war voll Wohlgeruch und Vogelgesang, und die lang gezogenen Töne und Rufe, die von Zeit zu Zeit undeutlich vom Strome herüberklangen, vermehrten nur noch die Poesie des Frühlingsabends.

»Wie wunderbar,« rief der Baron, »die Gotteswelt ist so über alles Verstehen herrlich, die allgütige Mutter Natur schüttet das Füllhorn ihrer Gaben so reich, so verschwenderisch über uns alle aus, daß unser aller Herzen voll Dank gegen Gott sein müßten, der uns das alles genießen läßt; daß wir darüber gar nicht dazu kommen sollten, der Schwächen unserer Mitmenschen anders als mit Mitleid und herzlicher Teilnahme zu gedenken. Und doch ist dem nicht so! Und doch ruhen wir nicht eher, als bis wir selbst in der Sonne Flecken entdeckt haben und unser kleiner Sinn sich dessen getrösten kann, daß auch sie nicht fleckenlos ist!«

Die Baronin hörte nicht, was ihr Mann sagte. 181 Es schien ihr, als ob eines der Flöße, die stromabwärts kamen, sich dem Ufer zu sehr genähert habe, und ihre Augen waren gespannt darauf gerichtet, um zu sehen, ob es auflaufen würde oder nicht; der Graf lauschte dem Vortrage einer Drossel, die von der Spitze eines Baumes ihr Lied ertönen ließ; nur die Gräfin richtete ihre blauen Augen auf den Vater und fragte:

»Wie kommst du gerade jetzt darauf, Papa?«

»Ich fand in deiner Mappe die herrliche Dürersche Madonna mit der Birne. Der Stich erinnerte mich daran, daß ich vor einigen Tagen wieder einmal die alberne Fabel habe lesen müssen, daß unseres Meisters Weib ein Hausdrache gewesen sei. Und doch liegt keinerlei Grund zu dieser für unser Gemüt so verletzenden Annahme vor. Im Gegenteil, wir dürfen durchaus glauben, daß sie ihres trefflichen Mannes würdig war.«

Die Baronin machte eine Bewegung, als ob sie sich erheben wollte, blieb aber sitzen, denn das Floß kam glücklich davon; der Graf, dessen Drossel fortgeflogen war, zog sein Taschentuch und machte einen Knoten hinein, um sich daran zu erinnern, daß er morgen beim Müller nachfragen lassen wollte, wann derselbe das Weizenmehl liefern würde; die Gräfin fragte: »Warum verleumdet man denn die arme Frau?«

»Ja, liebes Kind, warum verleumdet man sie? Weil ihr Mann so wunderbar groß und leuchtend war. Der sonst so würdige Pirkheimer hat einmal 182 in einer schwachen Stunde – da er schon alt war und krank und reizbar – einen Brief an den kaiserlichen Baumeister Johann Tscherte in Wien geschrieben, in dem er von der Dürerin wenig achtungsvoll spricht. Man sagt so etwas nicht gern, aber man muß der Wahrheit die Ehre geben: es handelte sich um ein paar elende Hirschgeweihe. Pirkheimer hatte sie nach dem Tode des Freundes haben wollen, die Dürerin hatte sie aber schon verkauft; darüber geriet der alte Herr in maßlosen Zorn und schrieb in dieser Stimmung den Brief, der meiner Frau Agnes ihren guten Ruf gekostet hat. Ihr müßt deshalb nicht schlecht von ihm denken, er war wie gesagt alt und reizbar und krank. Ich trete auch nur höchst ungern gegen ihn auf, aber ich werde mich doch an Lützows Zeitschrift für bildende Kunst in Leipzig wenden und den Sachverhalt aufklären müssen. Ich bin das unserer Frau Agnes schuldig, und das Blatt kommt ja überdies doch nur in sachverständige Kreise.«

»Thue es, Papa!«

»Gewiß, mein Kind. Wir wollen uns aber für uns selbst die Moral daraus entnehmen, daß wir von unseren Lieben nie etwas Schlechtes glauben wollen. Wir wollen, wenn uns solches hinterbracht wird, stets annehmen, daß ein Mißverständnis zu Grunde liegt und danach trachten, es aufzuklären. Nicht wahr, mein Töchterchen?«

»Gewiß, Papa, gewiß.«

183 »Wann trifft denn Fräulein Heinersdorf ein?« fragte die Baronin.

»Morgen, Mama.«

»Nun, Gott gebe, das euch nicht mit ihr eine reiche Quelle von Mißverständnissen ins Haus kommt.«

»Warum glaubst du das befürchten zu müssen, liebe Ina?«

»Ich denke, diese Befürchtung läge nahe genug.«

»Du spielst darauf an, daß die junge Dame adlig ist.«

»Ja, das thue ich allerdings.«

»Mir ist, offen gestanden, auch nicht recht wohl dabei, Mama, aber es blieb uns kaum eine andere Wahl übrig. Die älteren Damen, mit denen wir anknüpften, wollten nicht auf ihre Ferien verzichten, und unter den jungen Mädchen war dieses das am besten empfohlene.«

»Ich glaube, daß ihr die Stellung der jungen Dame doch nicht ganz richtig auffaßt,« bemerkte der Graf. »Die Heinersdorf sind ja freilich eine alte Adelsfamilie, aber sie sind so heruntergekommen, daß eine Tochter derselben wirklich keinerlei Prätensionen erheben kann. Der Vater des jungen Mädchens pflegt zu Johannis von einer Hotelnummer zur anderen zu gehen, sich als ›Bruder‹ vorzustellen und selbst kleine Gaben mit Anstand zwar, aber doch auch mit Vergnügen einzustecken. Ein solcher Edelmann hört doch auf einer zu sein, auch wenn das Alter seiner Familie in noch so graue Vorzeit 184 zurückreicht. Die junge Dame wird uns übrigens als durchaus anspruchslos und bescheiden geschildert.«

»Ich kann deine Anschauung nicht teilen, lieber Georg,« erwiderte die Baronin lebhaft. »Eine Familie kann ohne alle eigne Schuld herunterkommen, und darin, daß ein armer alter Mann sich von seinen Standesgenossen in diskreter Weise unterstützen läßt, kann ich ebenfalls nichts Entehrendes sehen. Fräulein Heinersdorf ist als solche, und abgesehen von der Stellung, in die sie sich begibt, meines Erachtens zu allen Ansprüchen berechtigt, die von einer adeligen jungen Dame überhaupt erhoben werden können.«

»Aber, beste Mama, wenn ich morgen Kanzlist in einer Behörde werde, so kann ich doch nicht beanspruchen, daß man mich wie einen Grafen behandelt. Ich bin dann eben ein Kanzlist wie jeder andere.«

»Theoretisch hast du recht, Georg,« sagte die Baronin, »aber glaube mir, in der Praxis bleibt da immer ein Rest, der nicht aufgeht.«

»Das ist es eben, Mama,« seufzte die Gräfin. »Wie denkst du über unseren Fall, Papa?«

Der Baron hatte dem Gespräch bisher lächelnd zugehört. Jetzt lachte er im tiefsten Baß vor sich hin. »Liebe Kinder,« erwiderte er, »mir erscheinen eure Bedenken wirklich recht müßig. So weit ich euch kenne, und ich glaube euch doch ganz zu kennen, würdet ihr auch eine bürgerliche Gouvernante mit aller der Rücksicht behandeln, die einem jungen Mädchen, 185 das so unglücklich ist, in ein fremdes Hans gehen zu müssen und das ganz auf euch angewiesen ist, gebührt. Da erscheint es mir denn recht gleichgültig, ob die junge Dame eine Standesgenossin von uns ist oder nicht. Da das Fräulein Gouvernante wird, so wird sie sich, wenn anders sie Kopf und Herz auf dem rechten Flecke hat, ja selbst sagen, daß sie auch die Pflichten einer solchen zu erfüllen hat.«

»Ich bin nicht überzeugt. Denkt euch nur, daß einer unserer jungen Herren das junge Mädchen auszeichnete.«

»Das könnte sich doch auch ereignen, wenn die junge Dame bürgerlich wäre. Wie du weißt, hat mein eigner Bruder seine Frau als Gouvernante kennen gelernt.«

»Ich kann auch nicht gerade behaupten, daß ich – daß solch ein Verhältnis immer einen so erfreulichen Ausgang nimmt, wie in dem angezogenen Falle. Ich glaube übrigens,« fuhr die Baronin fort, indem sie nach der Uhr sah, »daß wir gut thäten, anspannen zu lassen.«

Der Graf und die Gräfin suchten die Eltern zu längerem Verweilen zu veranlassen, diese aber blieben fest. »Ich muß heute noch an Paul schreiben,« bemerkte die Baronin.

»Wann kommt Paul?« fragte der Graf.

»In spätestens vierzehn Tagen. Er ist jetzt wieder in Wien.«

»Diese Reise ist auch mir eine rechte Erholung. Paul schreibt so köstlich frisch, und seine Schilderungen 186 sind so entzückend, daß ich alter Mann, wenn ich irgend noch Berge besteigen könnte, selbst zu ihm eilen würde. So muß ich mich freilich darauf beschränken, ihn im Geiste zu begleiten. Nun, in vierzehn Tagen kann ich ja meinen Jungen wieder ans Herz drücken und mir mündlich all das Herrliche schildern lassen, das er gesehen hat.«

Der Graf ging ins Haus, um einen Diener in den Stall zu schicken, und auch der Baron erhob sich und ging zwischen den Blumenbeeten auf und nieder.

»Es wird alles darauf ankommen, daß du der jungen Dame gleich von vornherein die rechte Stellung anweist,« sagte unterdessen die Baronin zu ihrer Tochter. »Laß dich vor allen Dingen nicht zu viel mit ihr ein, ehe du sie kennen gelernt hast und weißt, wie weit du mit ihr gehen kannst. Sei jedenfalls anfangs kühl bis ans Herz hinan.«

Der Graf kehrte zurück. »Ich habe die Absicht, die Eltern zu Pferde bis zur Fähre zu begleiten,« sagte er, »reitest du mit, Ina?«

»Heute nicht, Georg. Die Kinder müssen gleich zurückkehren, und ich muß für morgen noch einige Anordnungen treffen.«

Als der Wagen vorfuhr, forderte die Baronin den Grafen auf, mit ihnen im Wagen Platz zu nehmen und sein Reitpferd durch den Reitknecht nachbringen zu lassen. Sie saßen schon im Wagen, als die Gräfin ausrief: »Du könntest die Gelegenheit benutzen und Ahlbach sein Taschenbuch mitbringen. 187 Wer weiß, ob er es nicht vermißt, und du kommst so wieder einmal nach Sergen.«

»Du hast recht – Pardon, meine Lieben, daß ich warten lasse.« Der Graf sprang aus dem Wagen, eilte ins Haus und kehrte gleich darauf mit dem Taschenbuch zurück, das sein Nachbar am Vormittag auf seinem Schreibtisch hatte liegen lassen.

»Adieu, adieu!«

Die Pferde zogen an.

Unterwegs kam das Gespräch unwillkürlich wieder auf das neue Unternehmen des Grafen. Dieser war im Begriff, eine große Domäne, die zwischen seinen Gütern lag, für eine lange Reihe von Jahren zu pachten. Die Baronin that immer neue Fragen, und der Graf beantwortete sie mit großem Eifer.

An der Fähre verabschiedete sich der Graf und blieb auf der linken Seite des Stromes zurück, während seine Schwiegereltern sich übersetzen ließen. Die Baronin blieb im Wagen, der Baron stieg auf und zündete sich eine Cigarette an. »Welch ein köstlicher Abend!« rief er, indem er stromaufwärts nach dem grünen Dach auf dem Schlosse seiner Väter hinüberblickte.

Es war in der That ein Abend, wie der alte Herr ihn liebte. Die Luft war hier auf dem Strom noch besonders mild und weich, und die Oberfläche des Wassers wurde nur bewegt, wenn ein kleiner Fisch sich über dasselbe emporschnellte. Dann entstanden kleine Ringe, die immer weiter und weiter wurden, bis die Strömung sie sanft aber schnell mit 188 sich fortriß. Hin und wieder scharrte einer der Hengste ungeduldig auf dem Bretterboden der Fähre oder ließ ein leises Wiehern hören, worauf der dicke langbärtige Kutscher ein beruhigendes »Foi, foi!« ausstieß. »Sieh!« rief der Baron, als die Fähre sich dem rechten Ufer genähert hatte, und wies auf eine Lerche hin, die sich laut singend langsam erhob. »Wie schade, daß Ina nicht hier ist! Wer da mit hinauf könnte!«

Die Baronin warf einen flüchtigen Blick auf die Lerche und begann dann: »Das muß ich sagen, in Bezug auf Georg habe ich mich geirrt!«

»Ja, meine Liebe,« erwiderte der Baron und blickte seine Frau mit seinem gutmütigsten Lächeln an, »in Bezug auf Georg hast du dich erfreulicherweise gründlich geirrt.«

»Ich hätte es nie geglaubt,« fuhr die Baronin fort, als spräche sie zu sich selbst, »daß sich je aus dem oberflächlichen, leichtsinnigen jungen Menschen ein so tüchtiger, so umsichtiger Mann entwickeln würde. Ich irre mich selten in einem Menschen, sehr selten; aber in diesem Falle habe ich mich geirrt.«

»Georg war immer ein lieber prächtiger Junge, liebe Frau.«

»Ja, was ihr so einen ›lieben prächtigen Jungen‹ nennt. Du kannst doch nicht leugnen, lieber Leopold, daß auch du ihm nur ungern unsere Tochter gabst?«

»Das kann ich allerdings nicht leugnen, aber ich wüßte auch wahrlich niemand zu nennen, dem ich unser herrliches Mädchen gern gegeben haben würde.«

189 Der Baron warf seine Cigarette mit einer heftigen Bewegung ins Wasser und stieg in den Wagen. Der Gedanke, daß er seine Tochter hatte weggeben müssen, schien ihm noch jetzt, nach zehn Jahren wehe zu thun.

»Hätte ich gewußt, daß Georg einmal so werden würde, wie er geworden ist,« fuhr die Baronin fort, »so hätte ich auch nicht einen Augenblick geschwankt. Er wird als steinreicher Mann enden. Du hättest dir seine Anschläge ansehen sollen, Leopold. Sie sind mit erstaunlicher Sorgfalt und aller erdenklichen Umsicht gearbeitet. Ich wünschte, wir hätten viele solche Landwirte wie ihn. Rotenhof ist eins der bestbewirtschafteten Güter, die ich kenne.«

»Ich meinesteils halte mich mehr daran, daß unsere Ina eine der glücklichsten Frauen ist, die ich kenne.«

Die Fähre erreichte das Ufer, die Pferde galoppierten die steile Böschung hinauf und eilten dann in raschem Trabe dem nahen Campbellshof – so hieß das Gut der Campbells – zu. 190

 


 


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