Theodor Hermann Pantenius
Im Gottesländchen
Theodor Hermann Pantenius

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Elftes Kapitel.

Die Sonne versank langsam ins Meer, und ihre letzten Strahlen übergossen die Türme der Stadt, die Masten der Schiffe im Hafen und die bunte Menge der am Strande wandelnden Badegäste mit rotem Schein. Es war ein köstlicher Sommerabend. Der laue Landwind führte von den Wiesen, die den hinter der Stadt liegenden großen See umgeben, den Geruch von frischem Heu herüber, zugleich mit den Tönen ferner Hornmusik und dem Klange langgezogener Johannislieder, die die heimkehrenden Mäher und Mädchen in den warmen Abend hinaussangen.

Die beiden Paare, die Hand in Hand langsam der nahen Heimat zuwanderten, schienen den Abend recht zu genießen. Es waren zwei Bauern und ihre Frauen.

»Ach du mein lieber Gott,« begann jetzt der eine und blickte besorgt zum Himmel empor, »ach du mein lieber Gott, erbarme dich, es wird gewiß in diesen Tagen regnen. Dann muß alles Heu verderben, und das Gras war doch so schön gewachsen!«

172 »Es wird gewiß nicht regnen,« versetzte die Frau rasch. »Ich bin überzeugt, daß vor Mitte August kein Tropfen Regen fallen wird. Wir werden zweifellos den ersten Regen erst bekommen, wenn die Wintersaat schon eingepflügt sein wird.«

Das andere Paar war weiter zurückgeblieben. »Weiblein,« sagte der Bauer, »Gott vergelte es dem Pastor, daß er uns das Geld lieh, um das Höfchen kaufen zu können. Das, was früher mein Glück noch beeinträchtigte, war der Gedanke, daß unser Gesinde nicht unser Eigentum war. Hier kann uns nun niemand mehr kündigen. Das alles gehört nun uns armen Fischerkindern für alle Zeit.«

Die Bäuerin ging still neben ihm her und drückte nur seine Hand. Es war ihr, als ob ihr seliger Vater in seiner alten groben Fischerjacke neben ihr herschritt und ihr stattliches Heimwesen schmunzelnd musterte.

Als sie sich dem Höfchen bis auf einige hundert Schritte genähert hatten, kamen die beiden jüngsten Knaben im schnellsten Lauf auf sie zu. »Mutter,« riefen beide wie aus einem Munde, sobald sie die Eltern erreicht hatten, »Mutter, ein fremder Herr, der einen großen Braunen reitet, verlangt nach dem Vater!«

Als der Bauer und die Bäuerin den Hof erreicht hatten, stutzten sie, denn vor ihnen stand der Waldburgsche Baron Thorhaken.

Der Baron trat rasch auf den Bauern zu. »Wezwagar,« sagte er, während seine Stirn und seine 173 Wangen sich hochrot färbten, »ich komme zu Ihnen, weil ich Ihnen, ohne es zu wollen, unrecht gethan habe.«

»Was meinen Sie, gnädiger Herr?«

»Wezwagar, als wir uns vor sechs Jahren trennten, glaubte ich, daß Sie meine Habe beschädigt, daß Sie mir nach dem Leben getrachtet hätten. Erst heute habe ich erfahren, daß Sie mir damals zum zweitenmal das Leben retteten. Ich konnte bisher nicht anders glauben, als daß Sie der Mann waren, der die Bauern gegen mich aufreizte. Mochte die Untersuchung auch zu keinem Resultat führen, mochten die Leute noch so bestimmt versichern, der Blitz habe die Schmiede in Brand gesteckt, mochte selbst die alte Martha behaupten, mich nur gewarnt zu haben, weil sie wußte, daß die Bauern mir feindlich gesinnt waren – ich wußte es besser. Ich irrte nur in der Person meines Feindes. Erst heute erfuhr ich aus dem Munde des Pastors die Wahrheit. Der lange Jehze hat diesem gestern auf dem Sterbebette bekannt, daß Sie ihn in jener Nacht daran verhinderten, auf mich zu schießen, und daß Sie an allem unschuldig waren. Wezwagar, wie sollte ich das ahnen? Ich danke Ihnen und ich bitte Sie um Verzeihung. Ich handelte unrecht, als ich Ihre Vergeßlichkeit so streng bestrafte, aber ich that es nicht, um Sie zu verkürzen, sondern weil ich glaubte, daß Sie das Ei absichtlich nicht gebracht hätten.«

Der Baron reichte dem Bauern die Rechte, und Wezwagar ergriff sie mit beiden Händen.

174 »Gnädiger Herr,« sagte er, »ich habe Ihren Dank nicht verdient. Wenn ich den langen Jehze daran verhinderte, Sie zu ermorden, so geschah das nicht um Ihret-, sondern um meinetwillen.«

»Einerlei,« erwiderte der Baron. »Wezwagar, wir haben so manches Jahr zusammen gearbeitet und sind gute Freunde gewesen. Jetzt haben wir leider nichts mehr miteinander zu thun, wollen wir uns aber wenigstens ein freundliches Gedenken bewahren. Leben Sie wohl, und wenn die Heuernte Ihnen und Ihrer Frau ein paar freie Stunden übrig läßt, so kommen Sie zur Stadt und besuchen Sie meine Frau, die nicht zu Ihnen heraus kann, weil der Arzt ihr das Reiten und Fahren verboten hat.«

Sie schüttelten sich noch einmal die Hände; dann winkte der Baron die Magd, die sein Pferd hielt, herbei, schwang sich in den Sattel, und ritt langsam durch die herabsinkende Nacht der Stadt zu. 175

 

══════════════

 


 << zurück weiter >>