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Einundzwanzigstes Kapitel

Drohender Sturm

Ungeheuer war die Sensation, die dieser Vorfall erregte. Er spornte die Talbewohner zu neuen Anstrengungen an. Wieder und wieder wurden James Moore und M'Adam einem Kreuzverhör über alle Einzelheiten des Zusammentreffens unterzogen – bei dem sich letzterer so boshaft wie ein übelgesinnter Zeuge im Gerichtssaal benahm. Überall in der Gegend prangten riesige Plakate, die hundert Pfund Belohnung für die Ergreifung des Verbrechers, lebendig oder tot, aussetzten, während die Wachsamkeit der Posten sich derart verschärfte, daß sie in ein und derselben Woche einen Esel, ein altes Weib und zwei Amateurdetektive einlieferten.

Das knappe Entkommen des Würgers, der Zusammenstoß zwischen James Moore und M'Adam sowie die Niederlage Old Bobs, des sonst Unbesieglichen, riefen im Wastreltale ungeheure Aufregung hervor, untermischt mit Sorge um den allgemeinen Liebling; denn als der Großbauer nachts sein Haus erreichte, fand er den alten Hund bereits daheim. Bei der Jagd im Dunkeln mußte er sich einen Dorn in den Fuß gerannt haben, denn er lahmte schwer. Als diese Nachricht im »Sylvester-Wappen« verbreitet wurde, zwinkerte M'Adam seinem Roten Will zu und brach in so stürmisches, unterdrücktes Gekicher aus, daß Tammas kurz angebunden nach der Ursache fragte.

»'s ist nichts, rein gar nichts«, kicherte der Kleine, »man wird doch noch lachen dürfen.«

»Tust wohl überhaupt nichts anderes mehr«, meinte jener bissig. »Wirst eines Tages schon auf der falschen Seite deines groben Maules lachen.«

Am folgenden Tage sprach M'Adam in Kenmuir vor. Als er den Hof betrat, stand David, trübsinnig und niedergeschlagen wie Adam vor den Toren Edens, vor dem Küchenfenster. Kaum jedoch erblickte der Junge seinen Vater, da erwachte er ruckartig zu lebendiger Aufmerksamkeit.

»Was willst' hier?« forschte er, ganz Argwohn.

»Dasselbe wie du, mein Bürschchen«, kicherte der andere, sich die Hände reibend. »Einen Besuch machen.«

»Sonst, sagen die Leute, kommst du ja meist des Nachts nach Kenmuir«, höhnte David.

Im gleichen Moment betrat der Bauer den Hof. Old Bob hinkte hinter ihm drein, während Klein-Anne fest des alten Hundes Rute umklammert hielt und sich über den Scherz vor Lachen ausschütten wollte. Beim Anblick des Besuches bauschte sich des grauen Hundes Halskrause gleich einer Tänzerin Röcke, und unwillkürlich blieb er stehen.

M'Adam trat hastig vor.

»Wollte mich nur nach dem Hunde erkundigen«, sagte der Kleine. »Hat er sich von seiner Lahmheit erholt?«

James Moore schien erstaunt; dann sänftigte sich sein strenges Gesicht zu einem Lächeln. Solch großherzige Sorge um des Roten Wills Rivalen war ein ganz neuer Zug an dem Kleinen.

»Wahrhaftig, das ist freundlich von Euch, M'Adam, herzukommen und nachzufragen«, sagte er fast herzlich. »Es geht recht nett vorwärts, danke schön.«

»Ist der Dorn schon 'raus?« forschte der Kleine mit brennendem Interesse und starrte vorgestreckten Kopfes den anderen an.

»Haben ihn gestern nacht durch heiße Umschläge 'rausgebracht«, antwortete der Großbauer, des Kleinen Blick ruhig und fest erwidernd.

»Das freut mich«, sagte jener, ihn immer anstarrend. Doch die gelbe grinsende Maske sprach so deutlich wie mit Worten: »Was bist du doch für ein Erzlügner, James Moore!«

*

Inzwischen wuchs die Entfremdung zwischen David und Maggie. James Moore hatte mit dem Burschen gesprochen, hatte ihm unmißverständlich auseinandergesetzt, wohin sein Stolz ihn führen würde, und der Junge selbst hatte all seinen Mut zu einer Abbitte zusammengerafft. In Wahrheit sehnte er sich nach einer Aussöhnung, nach dem zärtlichen Mitgefühl, das ihm das Mädchen immer bezeugt, wenn der Streit mit seinem Vater allzu schwer auf ihm gelastet. Das Zerwürfnis dauerte nun schon viele Monate; er hatte es herzlich satt und schämte sich seiner gründlich, da er genau wußte, daß die Schuld einzig bei ihm ruhte. Dennoch schien ihm die Feuerprobe – dieses Kind von einem Mädel um Verzeihung zu bitten – lange Zeit gar zu hart; deshalb ging er weiter todunglücklich seines Weges.

Die Folge war, daß er sich nur selten noch auf Kenmuir sehen ließ und öfter und öfter daheim mit seinem Vater zankte. Seit kurzem übertraf der Kleine Mann sich selbst bei jener einen Sache, in der er ohnegleichen war: niemals mehr ruhte seine Zunge, mit wahrer Wollust verspritzte sie ihr Gift, suchte beißend, fressend nach der empfindlichsten Stelle. Er hatte von seinem Sohne gelernt: von jeher hatte David sich den Roten Will als Zielscheibe gewählt; die seinige war jetzt Maggie Moore. Der zwinkernde, schmutzige Blick, mit dem er des Mädchens Namen besudelte, genügte schon, um des Burschen Blut in Wallung zu bringen. Und je wirksamer des Kleinen Pfeile waren, um so unermüdlicher schoß er sie ab.

»Ist's wahr, was die Leute sagen?« erkundigte er sich eines Abends mit liebevollem Interesse. »Taugt Maggie Moore wirklich nicht mehr, als zu erwarten war?«

»Das sagen sie nicht, und wenn sie's tun, ist's eine gemeine Lüge!« entgegnete der Bursche hitzig.

M'Adam nickte.

»Ja, sie sagen auch, wenn einer darüber Bescheid wüßte, so wär's der David M'Adam.«

Mit großen Schritten durchmaß David das Zimmer.

»Jetzt ist's aber genug!« befahl er. »Solltest dich schämen, in deinem Alter so von 'nem Mädel zu sprechen.«

Langsam schob sich der Kleine an seinen Sohn heran und blickte auf dessen hübsches, zorngerötetes Antlitz.

»David,« sagte er freundlich, »ich wundere mich wirklich, daß du deinem alten Vater nicht eine 'runterlangst.« Er stand, die Hände hinter dem Rücken, und forderte den jungen Riesen heraus. »Jetzt ist's schon bald Zeit. Bist mindestens sechs Zoll länger und volle fünfzig Pfund schwerer als ich. Aber vielleicht ist's wirklich klüger, zu warten. In ein, zwei Jahren bin ich ein alter Mann, und Willie hier kommt auch schon in die Jahre, während du in voller Manneskraft stehst ... Dann, glaub' ich, kannst du mit voller Sicherheit und Ehre für deine Person mir eine 'runterhauen.«

Lächelnd wich er rücklings vor ihm zurück.

»Vater,« entgegnete David heiser, »du wirst's eines Tages noch zu weit treiben.«

Der Bursche bot jetzt nicht länger ein passives Ziel. Er hatte seines Vaters scharfe Zunge geerbt und antwortete mit gleicher Münze. So hieben und stachen sie auf einander ein, völlig erbarmungslos mit nur dem einen Gedanken: zu verwunden. Tag für Tag wurde der Konflikt heißer. Der unvermeidliche, endgültige Zusammenstoß stand dicht vor der Tür.

Dem Kleinen fiel seines Sohnes häufige Anwesenheit daheim auf, und er neckte ihn auf seine übliche Art.

»Was ist nur mit dir los, David? Verdrehst deinem alten Papa schier den Kopf mit so viel Leutseligkeit! Hat James Moore Angst, du könntest ihm den Pokal stehlen, wie du ihn mir gestohlen hast, daß er dir Kenmuir verbietet? Oder was ist sonst los?«

»Dachte nur, könnt ein Aug' auf den Würger halten, wenn ich daheim bliebe«, erwiderte David mit einem scheelen Blick auf den Roten Will.

Lange starrte ihn der Kleine schweigend an; dann trippelte er behutsam, leise, auf Zehenspitzen durch den Raum.

»Ich würd' nicht so weit gehen, wenn ich du wäre, David!« flüsterte er dem Burschen ins Ohr.

Rauh stieß ihn David beiseite.

»Geh weg von meinem Gesicht mit deiner groben Schnauze«, rief er.

Der Kleine betrachtete diese unablässigen Sticheleien lediglich als die tägliche Münze verwandtschaftlichen Verkehrs. Daß in Wahrheit jemand seinen Willie einer derartigen Sache für fähig halten könnte, erschien ihm lange Zeit schier unglaublich. Dennoch fehlte es kaum an Warnungen, daß etwas nicht ganz im Lote sei. Die plötzliche Stille, die sich bei seinem Eintritt über das »Sylvester-Wappen« senkte, die bösen Blicke, die sich allseits auf dem Roten Will sammelten, hätten M'Adam verraten müssen, daß Unheilvolles im Gange war. Lange Zeit jedoch sträubte er sich gegen die Wahrheit. Das Erwachen brachte endlich der lange Kirby.

»Glaubt Ihr, daß der Würger ein Schäferhund ist, M'Adam?« erkundigte sich der Schmied nach dem Verbrechen auf den Oxenby-Hängen.

»Jawohl«, entgegnete der andere mit Überzeugung.

»Und daß er seine eigenen Schafe verschont?«

»Ohne jeden Zweifel.«

»Dann,« meinte der Schmied mit einem nervösen Kichern, »dann kann ja der Würger niemand anders sein als –«

Starr, glasig traf ihn ein Blick M'Adams.

»Ja, Kirby – als –«

Schreckhaft grinsend stotterte der Schmied: »Als – als –«

Die trüben Augen bannten ihn. Das Schweigen flößte ihm Grauen ein.

»Als Eurer oder – oder –« Er fiel zusammen gleich einer Blase, der die Luft ausgegangen. Rings in der Gegend gab es keinen anderen Hof, der nicht seine blutige Steuer gezahlt. Seine Kühnheit hatte ihn in die Sackgasse gehetzt, jetzt weigerte sich seine Phantasie, ihn herauszuhauen. Er konnte nur hilflos dasitzen und schwitzen.

Lange, starre Pause, endlich beugte sich der Kleine Mann vor und klopfte ihm auf das Knie.

»Der von Kenmuir, mein Freund«, sagte er; »Kenmuir: den hattet Ihr vergessen.«

»Wahrhaftig«, polterte der Schmied, stürmisch erleichtert. »Ganz recht – ha! ha!« Und sämtliche Zechbrüder schüttelten sich in gargantuanischem Gelächter. Den von Kenmuir hatte man vergessen – ha, ha, ha! »Der Alte« oder der Rote Will – ha! ha!

Bald darauf proponierte der lange Kirby, der stets auf anderer Leute Kosten kriegslustig war, David solle seinem Vater ein Ultimatum überbringen. Allein Jim Mason vernichtete den Vorschlag durch die Bemerkung, daß es bereits genug des bösen Blutes zwischen Vater und Sohn gäbe, während Tammas spöttisch meinte, der Schmied möchte doch für sich selber handeln.

War es nun Tammas' Bemerkung, die den langen Kerl aufstachelte, oder fachte die Glut seines Hasses ihn zu seltener Tapferkeit an: am drauffolgenden Tage erwischte M'Adam den Schmied im Heuschober des Kornhofes. Schwerlich erriet der Kleine des Eindringlings mörderische Absicht, sonst wäre es dem wohl übel ergangen; trotzdem konnte ihm des Schmiedes bleiches Entsetzen, als er in den fernsten Winkel zurückwich, kaum entgehen.

»Hallo, Kirby,« sagte M'Adam herzlich, »willst über Nacht dableiben?« Und das nächste, was der Riese vernahm, war ein Gekicher auf der anderen Seite der Tür sowie das Klirren von Riegel und Kette; dann klang es durch einen Spalt: »Schön gute Nacht, Kirby! Wünsche wohl zu ruhen!« Und dort mußte er bleiben – volle sechsunddreißig Stunden lang – mit Schaben und dem Tau des Strohdachs, um Hunger und Durst zu stillen; obendrein war er noch froh, so leichten Kaufs davonzukommen.

Am Tage nach seiner Freilassung begegnete ihm M'Adam im Dorf.

»Kirby, Mann«, rief er leise und winkte ihm mit gekrümmtem, unheilverkündendem Zeigefinger.

Mit einem elenden Versuch, seine Furcht unter einem Lächeln zu verbergen, trat der Schmied näher. Ein bleicher, durchaus nicht ermutigender Schimmer umspielte des Kleinen Gesicht.

»Nun?« fragte der andere, vor ihm stehenbleibend.

Der Kleine zog ein verhängnisvoll funkelndes Dolchmesser hervor. Er wog es auf einer Handfläche, die fast unmerklich zitterte. Das Funkeln spiegelte in seinem Gesicht und in seinen Augen wider.

»Wißt Ihr, was ich getan hätte, hätt' ich das gefunden, als Ihr noch bei mir wart?« fragte er so leise wie nur möglich.

»Wieso, was denn?« stotterte der Schmied mit einem hohlen Versuch, zu lachen.

»Nun,« – leise bebend wie der Westwind im Birkenlaub – »ich hätt Euch mit Willie zusammen in der Wohnstube eingesperrt – und das Fenster verrammelt und ihm durch'n Spalt die ganze Geschichte erzählt.«

Der Schmied hatte sein Werk verrichtet. Einmal entflammt, loderte des Kleinen Argwohn wie dürre Kienspäne auf. Und sehr bald erhielten die Talbewohner einen melodramatischen Beweis, wessen sie sich von M'Adam, war sein Willie im Spiel, zu versehen hätten.

An einem gewissen Markttage in der Stadt Grammoch, etwa um die Zeit, da der Würger am ärgsten wütete, bildete Rob Saunderson im »Grenzbock« den Mittelpunkt des Interesses. Denn in der vorhergehenden Nacht hatte Rob ein Schaf an den Würger verloren; und was weit schlimmer war, man hatte seine Herdwicks gejagt – mit katastrophalen Folgen.

Mit Tränen in den Augen erzählte der alte Mann, wie an vier aufeinanderfolgenden Nächten er und Shep gewacht hätten, um jedem Unglück vorzubeugen, und wie sie dann in der fünften, erschöpft von der doppelten Arbeit, auf ihrem Posten eingenickt wären. Er hätte nur kurze Zeit geschlafen, als er jedoch bei Morgengrauen erwacht sei, um sich eilends auf die Ronde zu begeben, wäre er sehr bald auf ein gewürgtes Schaf und auf die Überbleibsel seiner kostbaren Herde gestoßen. Traurige Überbleibsel, wahrhaftig! Überall lagen kleine kalte Lämmer und ihre Mütter, tot oder sterbend vor Erschöpfung und den Folgen des verfrühten Wurfs – ein veritabler Kindermord zu Bethlehem.

Die Talmänner hatten sich um den alten Schäfer gesammelt und lauschten mit finsteren Mienen, als ein dunkelgrauer Kopf zur Tür hineinspähte und zwei nachdenkliche Augen einen Augenblick den Sprecher musterten.

»Wenn man den Wolf nennt –«, murmelte M'Adam, aber niemand achtete seiner. Denn auch der Rote Will hatte jenes schwermütige Antlitz erkannt, sich von seinem Platz zu Füßen seines Herrn erhoben und sich aufheulend dem Feind entgegengestürzt, Jim Mason in der Wut seines Angriffs zu Boden reißend.

In der nächsten Sekunde war jeder Hund im Zimmer – die narbenreiche Venus, Tuppers großer Rasper, Saundersons alter Shep – hochgeschnellt, mit gesträubtem Fell, gierig, dem Tyrann an die Kehle zu springen, vorausgesetzt, daß der Graue Hund den Tanz anführte.

Allein es sollte nicht dazu kommen; auf der Schwelle stand der lange Kirby, eine Tasse Kaffee in der Hand. Kaum hatte er den Grauen Hund mit einem »Hallo, Alter« begrüßt, als heisere Rufe wie »Vorsicht, Junge! ›Der Schrecken‹!« sich in des Roten Wills Geheul mischten.

Kirby wandte sich halb und gewahrte den mächtigen Köter im Sprung. Sofort schleuderte er den Inhalt seiner Tasse jener Teufelsmaske voll ins Gesicht. Die kochende Flüssigkeit ergoß sich über den riesigen stiergleichen Kopf: brühheiß, beißend, blendend, verrichtete sie nur allzu gut ihr Werk. Aufbrüllend vor Schmerz, hielt der Rote Will mitten im Sprunge inne. Von draußen fiel krachend die Tür ins Schloß, und der Zweikampf war verschoben, während drinnen im Schankzimmer eine verängstigte Gruppe von Menschen und Hunden mit der tollen Bestie und dem noch tolleren Mann allein blieb.

Rasend, gepeinigt von Schmerz, tobte der Schwanzlose Köter durch den Raum; schnappend, beißend, Menschen, Tische, Stühle umreißend wie ebenso viele Puppen. Er drehte und wand sich gleich einem ungeheuren Kreisel, er rannte mit dem gefolterten Schädel gegen die Wand, wühlte in den unnachgiebigen Dielen des Fußbodens. Und die ganze Zeit über trippelte M'Adam hinter ihm drein, umhalste ihn, nur um wie eine Klette von einem Terrier abgeschüttelt zu werden; flog bald hier-, bald dorthin, bald in eine Ecke, bald auf den Boden; aber hartnäckig sich an ihn klammernd mit dem Ruf: »Willie, Willie, laß mich doch zu dir! Laß dir von deinem Herrn helfen!« Und wieder mit mörderischem Blick und Schrei: »Beim – Kirby, mit dir rechne ich später ab!«

Der Tumult glich einer entfesselten Hölle. Man konnte die Flüche und Schläge, unter denen die Männer sich ihren Weg zur Tür erkämpften, eine halbe Meile weit hören. Der lange Kirby war der erste, aus der Mordhöhle zu entkommen. Nach ihm stolperten die anderen hinaus – Männer und Hunde, sich drängend in wahnwitziger Angst: Tupper, Hoppin, Jim Mason, Teddy Bolstock und bleich und zitternd der alte Saunderson, den sie an den Absätzen hinauszerren mußten. Endlich wurde die Tür zugeschlagen, und der kleine Mann blieb mit dem tollen Hund allein.

Auf der Straße hatte sich bereits eine gaffende Menge angesammelt, während an der Schwelle James Moore sich den Eintritt zu erzwingen suchte. »Vielleicht kann ich dem Kleinen helfen«, meinte er, aber sie hielten ihn mit Gewalt zurück.

Drinnen herrschte noch immer ein Pandämonium: ein Krachen wie das der Höllentore, das Heulen jener mächtigen Stimme und das Trappeln kleiner Füße, das Rutschen eines Körpers über die Dielen, und wieder und wieder die schrille, inständige Bitte: »Willie, Willie, laß mich doch zu dir!« Dann ein Schrei: »Beim – Kirby, gleich komme ich!«

Endlich wandte sich James Moore an den Schmied und gab ihm flüsternd den Rat: »Kirby, Junge, das beste ist, du verschwindest.«

Der Riese gehorchte und trollte sich. Seine Schritte rasselten über das Pflaster und übertönten noch den Lärm dort drinnen. Als seine langen Beine um die Ecke herum verschwanden und das Geräusch seiner Flucht erstarb, bemächtigte sich Panik der Menge.

Eine Frau kreischte, ein Mädchen fiel in Ohnmacht, und zwei Minuten später war die Straße so bar aller Menschen, wie die »Strand« zur Zeit der Pest – nur hier und dort ein bleiches Gesicht am Fenster und eine offene Tür – oder ein verängstigter Junge um eine ferne Ecke spähend. Einzig James Moore schritt langsam und fest in der Mitte der Straße, und an seinen Fersen trabte Old Bob.

Eine gute halbe Stunde verstrich, ehe die Tür zum Gasthof aufflog und M'Adam herausstürzte und sie donnernd ins Schloß warf.

Er stürmte auf die Landstraße, seine Ärmel waren aufgerollt wie die eines Chirurgen, und in seiner Rechten schwang er ein Klappmesser mit einem schwarzen Griff.

»Jetzt, beim – !« brüllte er mit furchtbarer Stimme. »Wo steckt er?«

Er blickte die Straße hinauf und hinab, funkelnden Auges nach allen Richtungen, und sein Antlitz war weißer als sein Haar.

Dann wandte er sich, um die ganze Heerstraße abzusuchen; wieselgleich durchstöberte er jeden Winkel und schrie, mit dem Messer die Luft durchstechend:

»Beim – Kirby, wart', bis ich dich in die Finger kriege!«


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