Joachim Nettelbeck
Des Seefahrers Nettelbeck Lebensgeschichte
Joachim Nettelbeck

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Der Feind hatte in bewundernswürdiger Tätigkeit am Ende des Maimonats an der Ost- wie an der Westseite der Festung – dort bis hart an den Strand, um sich gegen die Angriffe von der Seeseite besser zu schützen; hier bis über Sellnow hinaus in einem großen Halbmonde nicht weniger als fünfundzwanzig große und kleine Schanzen und Batterien angelegt und miteinander verbunden. An mehr als einem Punkt hatte er Dämme aufzuschütten begonnen und Laufgräben an verschiedenen Orten gegraben.

Unsererseits bot man die größte Wachsamkeit auf, unseren Gegnern jeden kleinen Vorteil, um den sie rangen, aufs hartnäckigste streitig zu machen. Die Überschwemmungen wurden nach und nach im weitesten Umfange durchgeführt. Sie dienten trefflich dazu, uns den Feind in einer ehrerbietigen Entfernung zu halten und das Fortführen seiner Laufgräben zu verhindern. Fragte mich der Kommandant: »Wie stehts, Nettelbeck, können wir nicht noch einen Fuß höher stauen?« – So fehlte es nicht an einem bereitwilligen: »Ei nun, wir wollen sehen!« – Und ich sorgte und künstelte so lange, bis ich den Wasserstand noch um so viel höher brachte.

Die fast tägliche und oft ziemlich lebhafte Beschießung der Stadt war zwar noch kein eigentliches Bombardement. Trotzdem wurden viele Häuser zerstört, und immer häufiger flammten Brände auf, verunglückten Menschen oder wurden entsetzlich verstümmelt. Man war weder in den Häusern noch auf den Gassen ganz sicher. Je mehr Gebäude durch Bomben und Granaten unwohnlich gemacht worden waren, um so höher stieg auch die Zahl der Unglücklichen, denen es an Obdach wie an Mitteln zum Unterhalt fehlte.

Diese Bedauernswerten irrten nun in den Straßen umher, während die feindlichen Kugeln über ihren Köpfen schwirrten.

Eine große Not war der Mangel an klingender Scheidemünze, wodurch der Handel sehr erschwert und die regelmäßige Zahlung der Löhnungen beinahe unmöglich gemacht wurde. Das Gouvernement hatte die Bürger vergeblich zu einer baren Anleihe aufgefordert, wozu zwar die Armen willig ihr Scherflein darbrachten, während die großen Kapitalisten dermalen nicht zu Hause waren. Nun dachte man daran, dem Mangel durch eine eigne Not- und Belagerungsmünze abzuhelfen. Dazu sollte das Metall einer zersprungenen großen Kanone verwandt werden. Allein es verstand sich niemand in der Stadt aufs Prägen, und es war auch nicht die geringste Vorrichtung dazu vorhanden. Da erinnerte ich mich, vormals im holländischen Amerika eine Art von Papiergeld gesehen zu haben, das zur Erleichterung des kleinen Zahlungsverkehrs unter den Pflanzern diente. Ich empfahl, ähnliche obrigkeitlich gestempelte Münzzettel zu einem bestimmten Werte einzuführen. Der Vorschlag wurde angenommen und durch eine aus Seglerhaus-Verwandten und Bürgerrepräsentanten zusammengesetzte Kommission wirklich ausgeführt. Die Billetts, von zwei, vier und acht Groschen im Werte, waren auf der Rückseite durch den Stempel des königlichen Gouvernements autorisiert und fanden willigen Eingang. Sie sind in der Folge eingelöst worden, aber viele wurden als Denkzeichen der überstandenen Drangsale einbehalten oder, selbst über ihren Nennwert, als Seltenheit an Fremde verkauft.


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