Joachim Nettelbeck
Des Seefahrers Nettelbeck Lebensgeschichte
Joachim Nettelbeck

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Ohne widrige Zwischenfälle langten wir Mitte Dezember in dem Flusse Surinam an, wo wir jedoch in einer Entfernung von vier bis fünf Meilen vor Paramaribo ankerten, um die Gesundheitskommission von dorther zu erwarten. Diese muß untersucht haben, ob nicht etwa ansteckende Krankheiten an Bord herrschen, bevor die Einfahrt gestattet werden kann. Bei uns war alles in Ordnung. Wir hatten, was verhältnismäßig wenig ist, in den vier Monaten, die ich mich nunmehr auf diesem Schiffe befand, nicht mehr als vier von unsern Matrosen und sechs Sklaven verloren. Als uns daher jene Herren am nächsten Tage besuchten, fanden sie auch kein Bedenken, uns in die Kolonie zu lassen.

Gewöhnlich schickte der Kapitän solcher Sklavenschiffe bei seiner Ankunft in der Kolonie ein Rundschreiben an die Plantagen-Besitzer und –Aufseher, worin er ihnen seine mitgebrachten Artikel anempfiehlt und die Käufer zu sich an Bord einladet. Bevor diese jedoch anlangen, wird eine Auswahl von zehn bis zwölf Köpfen getroffen, die die Erlesensten unter dem ganzen Sklavenhaufen darstellen. Man kennzeichnet sie durch ein Band, das man ihnen um den Hals schlingt. Sooft ein Besuch sich naht, müssen sie unter das Verdeck kriechen und unsichtbar bleiben. Denn die Politik des Verkäufers erfordert, daß nicht gleich im Anfang das beste Kaufgut herausgesucht werde, und dann der Rest als bloßer Ausschuß gelte.

Haben sich nun kauflustige Gäste eingefunden, so müssen sich die männlichen wie die weiblichen Sklaven in zwei abgesonderten Haufen aufstellen. Jeder sucht sich darunter aus, was ihm gefällt, und führt es zur Seite. Dann erst wird gehandelt, wie hoch der Kopf durch die Bank gelten soll. Gewöhnlich kommt dieser Preis für die Männer auf vierhundert bis vierhundertfünfzig Gulden zu stehen. Auch junge Burschen von acht bis zehn Jahren und darüber erreichen diesen Preis so ziemlich. Ein Weibsbild wird je nach ihrem Aussehen für zweihundert bis dreihundert Gulden losgeschlagen, hat sie aber noch Jugend, Fülle und Schönheit, so steigt sie im Werte bis auf achthundert und tausend Gulden und wird oft von Kennern noch ausschweifender bezahlt.

Der Preis wird entweder sofort bar entrichtet, meist aber durch Wechsel ausgeglichen, oder es findet auch ein Tausch mit Kolonieerzeugnissen wie Zucker, Kaffee und dergleichen statt.

Nachdem allmählich auch die erlesene Ware zum Vorschein gekommen ist, bleibt dann wirklich nur der schlechtere Bodensatz zurück. Dieser wird gewöhnlich ausgeboten. Dazu werden diese Neger an Land auf einen eigenen Platz gebracht, wo ein Arzt jeden Sklaven einzeln auf seine Tauglichkeit untersucht. Der Neger muß auf einen Tisch treten, und der Arzt legt Zeugnis ab, daß er fehlerfrei sei oder daß sich dieser oder jener Mangel an ihm finde. Nun wird geboten und nach erfolgtem Zuschlag bis zu dem letzten aufgeräumt.

Wir hatten indes diesmal bei unserm Handel nur wenig Glück. Es waren nämlich kurz zuvor zwei Sklavenschiffe hintereinander hier gewesen, die den Markt überfüllt hatten. Wir mußten einen vorteilhafteren Platz aufsuchen und unsre Wahl fiel auf die benachbarte Kolonie Berbice.

In Berbice fanden wir leider einen ebenso schlechten Markt. Es lagen dort bereits zwei Sklavenschiffe vor Anker. Wir hielten uns also nur drei Tage auf und steuerten nach St. Eustaz. Diese Insel erreichten wir Mitte Februar. Wir hatten das Glück, hier verschiedene Sklavenkäufer von den spanischen Besitzungen auf der Terra firma anzutreffen, an welche wir unsre Ladung samt und sonders mit Vorteil losschlugen.

Mitte April warf ich vor Vlissingen, wohin das Schiff gehörte, glücklich die Anker. Die Reeder bewilligten mir außer der mir gebührenden Gage noch ein besonderes Geschenk von hundert Gulden.


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