Joachim Nettelbeck
Des Seefahrers Nettelbeck Lebensgeschichte
Joachim Nettelbeck

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Im nächsten Frühjahr neigte sich der amerikanische Krieg seinem Ende zu. Dies beeinflußte sofort auch den bisher so lebhaften Handel der Neutralen sehr ungünstig. Auch ich spürte die Folgen; ich mußte beinah den ganzen Sommer auf der Elbe liegen bleiben, ohne irgendeine mir passende Fracht zu finden. Diesen mir aufgezwungenen Müßiggang benutzte ich dazu, meine Papiere in Ordnung zu bringen und mit meinem Patron, Herrn Groß in Stettin, über sämtliche Reisen, die ich bisher für ihn gemacht hatte, abzurechnen. Ich meldete Herrn Groß auch, daß es mir unerträglich sei, mit seinem Schiffe hier noch länger untätig zu liegen und es im Hafen verfaulen zu sehen. Er möge mir gestatten, Ballast einzunehmen und nach Memel zu gehen, wo ich eine Ladung fichtener Balken für eigene Rechnung einzunehmen gedachte. Ich wollte sie nach Lissabon bringen; dort würden sie meiner Erfahrung nach mit Vorteil abzusetzen sein. Als Rückfracht ließe sich im schlimmsten Fall wiederum eine Ladung Seesalz einnehmen und nach Riga führen.

Herr Groß genehmigte diesen Plan. Da ich meine Leute schon im Winter entlassen hatte, nahm ich neues Hamburger Schiffsvolk an und begann meine Reise nach Memel Mitte August. Als wir zur Elbe hinaus und gegen Helgoland kamen, ward das Wetter regnerisch und stürmisch.

Ich änderte meinen Kurs wieder nach Osten gegen das Kattegat. In der Nacht vom 2. zum 3. September überfiel uns ein dermaßen schrecklicher Sturm aus Nordost, wie ich ihn kaum jemals erlebt habe. Und in dieser Meerenge bedeutete er doppelte Gefahr. Am Abend vorher zählte ich im Umkreise von etwa zwei Meilen nicht weniger als zweiundvierzig Segler, die gleich mir nach dem Sunde steuerten. Der Sturm verstärkte sich von Stunde zu Stunde. Ich konnte schließlich keinen einzigen Lappen Segel führen und mußte mit jeder Woge fürchten, auf eine Klippe zu stoßen, welche es hier meilenweit vom Lande Hunderte gibt. Am nächsten Morgen aber waren von jenen zweiundvierzig Schiffen nah und fern nicht mehr als vierzehn zu erblicken. Gewiß war der größte Teil der fehlenden in dieser entsetzlichen Nacht gescheitert.

Alsbald stieg wieder ein freundliches Wetter auf, das uns glücklich nach dem Sund führte. Und schon am Abend des nächsten Tages gelangte ich mit gutem steifen Wind in Memel an.

Übrigens machte ich in Memel für meinen Patron ein noch besseres Geschäft, als ich gehofft hatte. Anstatt eine Ladung für eigne Rechnung einzunehmen, fand ich Gelegenheit, mit Herrn Kaufmann Wachsen eine leidlich gute Fracht auf Lissabon über eine Partie Schiffsmasten, fichtene Balken und Stangeneisen abzuschließen. Mitte Januar 1783 langten wir diesmal in Lissabon an.


 << zurück weiter >>