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Sechstes Kapitel.

Herr Jobst Kannemann und seine Hausfrau empfingen ihre vornehmen Gäste mit großer Herzlichkeit. Das ehemalige Fräulein Johanna Reynolds hatte sich in der Ehe zu einer sehr stattlichen Dame entwickelt; die Lebhaftigkeit war geblieben, aber es lag etwas Beabsichtigtes, Beifallsuchendes darin. Wie sie jetzt in ihrem Prunkgewand von braunem, goldgestickten Atlas, das die üppigen Formen unvorteilhaft deutlich hervorhob, vor der Freundin stand und sie mit zärtlichem Wortschwall begrüßte, zeigte sich der Unterschied zwischen ihnen erst recht. Denn über Mechthildis Wesen lag eine stille, große Anmut, die sie nicht erst mit Schmuck und Festgewand anlegte, und so erschien sie in dem prachtvollen Ebenmaß ihrer voll erblühten jungfräulichen Schönheit wie eine Fürstin neben der geputzten kleinen Frau.

Der Hausherr, in Tatar und Amtskette, hatte sich mit Cordova in einen Austausch umständlicher Redensarten verwickelt. Als aber Herr Sebaldus von Halveren hinzutrat, brach er kurz ab und zog sich ins Innere des Saales zurück unter dem Vorgeben, nach den holländischen Herren sehen zu wollen, die dort in fröhlichem Geplauder inmitten eines dichten Kreises von Ratsherren und Damen standen.

Die anderen folgten ihm, und die beiden Gruppen vereinigten sich. Plötzlich vernahm man durch das Geschwirre von Komplimenten und Titeln die scharfe Stimme des Herrn Sebaldus von Halveren: »Seid Ihr denn wirklich in unserer Stadt von früher her schon bekannt, Herr Obrist?«

Bei dieser Frage verstummte das Geschwirre, und aller Augen richteten sich erwartungsvoll auf den jungen Reiteroberst, der sich auf einmal mit Herrn Sebaldus fast allein inmitten des Kreises fand; nur Mechthildis, mit der ihn die Hausfrau eben bekanntmachen wollte, stand neben ihm. Bei der unerwarteten Anfrage des Ratsherrn hatte er sich hoch aufgerichtet und den Frager aufmerksam betrachtet; nun verbeugte er sich leicht und erwiderte lächelnd: »Gewiß bin ich das, Herr von Halveren! Ich war damals noch ein armer Waisenjunge, mit Namen Hans Maybrunner. Ihr werdet es so gut wissen wie ich, da Ihr ja mich damals mit in den Dienst der Stadt nahmt – als Feuerwächter auf dem Martinsturm drüben. Als solcher habe ich eine gute Zeit lang dieser hochlöblichen Stadt gedient und werde mich allzeit freuen, ihr auch in meinem jetzigen Stande gefällig sein zu dürfen.«

Das beklommene Schweigen im Kreise löste sich in eine Bewegung heiteren Beifalls; die lebhafte Frau Johanna flüsterte: »Bravo!« und berührte mit dem Fächer Mechthildis' Arm, die mit freudiger Genugthuung auf den ehemaligen Feuerwächter blickte. Herr Sebaldus schien seine Fragen noch fortsetzen zu wollen, aber der spanische General kam dazwischen. Er trat auf Hans zu, streckte ihm die Hand hin und sagte: »Wir kennen uns auch schon, Herr Obrist – schon von der Pfalz her. Vor etlichen Monaten habt Ihr mir bei Fleurus großen Abbruch gethan. Es war ein glänzender Sieg, und Ihr habt ihn wider mich entschieden. Laßt mich hoffen, daß ich bald Gelegenheit finde, Revanche zu suchen.«

Hans ergriff die Rechte Cordovas herzlich und antwortete: »Auch ich hoffe das, Excellenz; denn ich habe ja noch so viel von Euch zu lernen.«

Auf die Umstehenden wirkte dies kurze Zwiegespräch noch tiefer als das vorige. Es war ja in der Form nur ein Austausch ritterlicher Artigkeiten, wie sie der Krieg zwischen den hohen Offizieren beider Parteien immer mehr ausbildete und allmählich sogar auf das Kriegsvolk übertrug, ohne dessen Sitten den friedlichen Einwohnern gegenüber irgendwie zu mildern. Es war ein Ueberrest der Ritterlichkeit des Mittelalters, die vordem auch innerhalb der Reichsstädte so glänzende Blüten getrieben hatte. Aber der jetzigen reichsstädtischen Gesellschaft war es etwas Fremdes und Unerhörtes. Sie rechnete den beiden Herren persönlich an, was in ihrem Benehmen Standessitte war. Mit wenigen Worten hatten die zwei Streiter von Fleurus sich gemeinsam den Erfolg des Abends gesichert. Zumal die Aufmerksamkeit der Damen wandte sich auf Cordova und Hans in fast bedrängender Fülle. Erst nach einer ziemlichen Weile gelang es Hans, sich Mechthildis zu nähern, die sich bis dahin ziemlich abseits gehalten und vornehmlich mit seinem Vater geplaudert hatte.

»Es ist Zeit, daß du dazwischen kommst,« meinte Herr Govaert Friso lächelnd. »Ich fürchte, ich spreche gelehrter, als es sich an solchem Ort und einer schönen jungen Dame gegenüber ziemt. Aber Ihr seid selber schuld daran, edles Fräulein! Nun seht, ob Ihr mit dem da besser fahrt. Ich muß als Kavalier nach unserer Hausfrau sehen; denn mich dünkt, die Trompeten werden bald zur Tafel rufen.«

Die beiden standen eine kleine Weile schweigend nebeneinander. Dann begann der Oberst lächelnd: »Auch Euch habe ich das Glück schon von damals her zu kennen – freilich nur im Bilde.«

»Und ich Euch,« erwiderte Mechthildis lebhaft. »Aus dem Buche des Meisters Baltzer, nicht wahr?«

Sie lachten beide ein wenig und sahen einander mit großem Wohlgefallen an, bis sie errötend den Blick abwandte. »Noch habe ich Euch von damals für etwas zu danken – eine Sendung –,« sagte der Oberst und stockte verlegen.

Mechthildis nickte. Auch sie war sehr verlegen geworden. Ihre weiße Rechte spielte mit den herabhängenden Kettchen des Juwelenschmucks, der auf dem Einsatz ihres Kleides unterhalb des weit zurückgeschlagenen Spitzenkragens funkelte. Es war ein schön ziselierter goldener Schild, der zwischen Rubinen in der Mitte einen großen Onyx zeigte, eine köstliche griechische Kamee mit dem Bilde der Siegesgöttin.

»Von wem wißt Ihr, daß – daß ich es war?« fragte sie leise.

»Vom Meister Baltzer,« erwiderte er. »Als ich nach Holland kam, hat er es mir mitgeteilt, wer mich – nach dem heißen Stein hinausgeschickt hat.«

Nun sahen sie sich wieder an und lachten herzlich.

»Vielen Dank!« sagte er.

»Der gebührt mir gewiß nicht,« versetzte sie, legte aber doch ihre Rechte in seine breite, schwertgewohnte Kriegerhand.

Cordova, der eben einem Kreise von Damen einige strategische Erläuterungen gab, sah von fern, wie die beiden einander die Hände reichten und sich anschauten, und wandte den Blick ab.

Dann rief das Signal zur Tafel.

Die Reihenfolge der vornehmen Gäste bei Tische – eine wichtige Frage – war im voraus durch die Höflichkeit des spanischen Generals erledigt, der darauf bestand, daß dem Oberst Friso hier der Vorrang vor ihm zukomme. Den Ehrenplatz, zwischen der Hausfrau und der Gemahlin des zweiten regierenden Bürgermeisters – der erste hatte zu allem Glück keine – hatte natürlich der Staatsrat Govaert Friso, zur anderen Seite der Hausfrau saß Hans, und zwischen ihm und Cordova Mechthildis.

»Köstlich,« rief die muntere Hausfrau und wies lachend auf Mechthildis' Geschmeide. »Die beiden Kriegshelden, und zwischen beiden der Sieg.«

»In der That,« antwortete Cordova mit einem trüben Lächeln. »Ganz wie bei Fleurus.«



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