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Drittes Kapitel.

Das Gespräch mit dem Meister Baltzer wirkte auf Cordova in einer Weise, an die der diplomatische Maler vielleicht nicht gedacht hatte. Zwei Tage lang ließ sich der General weniger als sonst in den Gemächern der Hausherrin sehen. Er wandelte stundenlang aufgeregt in seinem Zimmer auf und ab und stellte die Geduld seiner Diener, seiner Aerzte und Adjutanten durch heftige Aeußerungen seiner üblen Laune auf harte Proben. »Das ist ja schlimmer als vor einer Schlacht,« meinten sie untereinander. Am dritten Tage aber schritt er nach einem langen und sorgfältigen Ankleiden gravitätisch die Treppe zur Wohnung Mechthildis' hinauf, gehüllt in eine Pracht und Herrlichkeit, welche die von fern beobachtenden Stiftsfräulein zu einem Flüstern verschämten Entzückens aufregte. Ein steifes wattiertes Wams trug er und wulstige kurze Beinkleider, vom feinsten schwarzen Atlas und reich mit kostbaren Schnallen geziert, dazu schwarzseidene Kniestrümpfe und ausgeschnittene Schuhe mit großen Schleifen. Den Nacken barg ein ungeheurer, steifer weißer Kragen mit umgebogenen Enden, zwischen denen der schmale, verwitterte Kopf mit den kurzgeschorenen schwarzen Haaren und dem sorgfältig gefärbten schwarzen Bart aufragte wie eine überreife Samenkapsel zwischen verdorrten Kelchblättern. Mächtige Stulphandschuhe, mit breiten Spitzen verbrämt, in der Hand ein schwarzer Hut mit drei wallenden Federn, ein Galadegen an der linken Seite und auf der Brust ein von Juwelen schimmerndes Ordenszeichen an schwerer Kette vervollständigten die düsterprächtige Galatracht, wie man sie im Königsschlosse zu Madrid und am Hofe der Infantin zu Brüssel zu tragen pflegte. Aber Don Gonsalvo Fernandez de Cordova hatte nicht bloß seinen sterblichen Leib in Gala geworfen, auch seine Sprache ging heute auf höheren Bahnen und hatte die gewohnte knappe Ausdrucksweise des höflichen Soldaten mit dem › estilo culto‹ vertauscht, wie man ihn im Lande der Grandezza liebte und verstand.

In diesem gewählten Stil bedurften die einfachen Erkundigungen nach Wohlbefinden und Wetterbemerkungen immerhin so viel Zeit, daß Mechthildis sich indes über die ungewohnte Verkleidung ihres Gastes beruhigen konnte und wieder so ziemlich zu folgen vermochte, als er, beherzt auf sein Ziel lossteuernd, anhob: »Möge Eure Herrlichkeit, Sennora, huldvoll Euren vortrefflichen Sinn auf das zu richten nicht verschmähen, was ich, um Eure kostbare Seele nicht zu lange aufzuhalten, vielleicht in ungeziemender Kürze und ohne schuldige Entschuldigung zu sagen mich erdreiste. Die Sache ist aber diese, daß ich vom ersten Augenblicke an, wo ich den Inbegriff Eurer Schönheit, Klugheit und Holdseligkeit gleichsam als eine Rüstkammer alles dessen, was es Ersprießliches und Erquickliches auf Erden gibt, mit diesen meinen geblendeten Augen schauen durfte, Euch zur Herrin meines Willens gemacht habe; und so Ihr es vermöchtet, Eure Gnade so weit gehen zu lassen, daß Ihr meine Unterthänigste Bewerbung um Eure Hand nicht ganz verschmähtet, so würdet Ihr mich, Gonsalvo Fernandez de Cordova, zum Glücklichsten machen, den Cupidos Pfeile jemals mitten ins Herz trafen!«

Während dieser wohlgeschulten Rede hatte Mechthildis sehr verwirrt, mit heißen Wangen und niedergeschlagenen Augen gesessen; als sie nun aber aufsah, begegnete ihr aus den dunklen Augen ihres Bewerbers ein so treuherzig und ängstlich flehender Blick, daß alle ihre Verwirrung sich in einem großen Mitgefühl löste. Sie reichte ihm die Hand hin und sagte herzhaft, mit einem freundlich bittenden Lächeln: »Euer Antrag, Excellenz, ist mir gewiß die größte Ehre und wäre es auch für viele, die viel vornehmer und Euer würdiger sind als ich. Laßt mich wünschen, daß Ihr eine solche nach Eurem Herzen findet, und zürnt mir nicht, daß ich Euren Antrag ablehne.«

»So habt Ihr Eure Hand schon heimlich vergeben?« fuhr der Spanier auf, aller Grandezza und Courtoisie vergessend.

Mechthildis errötete unwillig. »Ich weiß nicht, ob es sich schickt, eine Dame so zu fragen, Excellenz,« erwiderte sie nach kurzem Besinnen. »Ich werde Euch aber gleichwohl antworten. Bisher hat kein Mann von mir eine andere Entscheidung bekommen als Ihr. Ihr habt mir Euren Herzenswunsch offenbart, ich habe Euch darauf meine Antwort ehrlich gegeben, ich meine, daß Ihr mir darum nicht zürnen dürft.«

»Ihr habt recht,« erwiderte Cordova sehr beschämt, »und ich bitte Euch um Verzeihung, Sennora. Vergönnt mir, daß ich Euch meiner steten Dienstwilligkeit versichere, vergeßt, was ich gesagt habe, und gebt mir gnädig Urlaub, ehe ich Euer Haus verlasse, in dem ich so freundliche Aufnahme gefunden.«

»Nicht so,« antwortete Mechthildis und blickte ihm freundlich in das betrübte Antlitz. »Ich bin sehr stolz darauf, wenn Ihr mich Eurer Freundschaft würdigt, und alsdann verlange ich als Freundschaftsdienst von Euch, daß Ihr auch ferner in diesem Hause es Euch gefallen laßt und wie bisher mir Eure Gesellschaft gönnt. Es wird mir allezeit eine große Freude sein, einen Kavalier in meiner Nähe zu wissen, den ich so hoch schätze und auf dessen Freundschaft ich mich so unbedingt verlassen kann.«

»Ihr könnt es, Sennora, und ich danke Euch von Herzen,« erwiderte Cordova und ergriff ihre dargebotene Hand, die er fast ehrfürchtig küßte. Dann blickte er ihr noch einmal lange, traurig in das schöne Antlitz, und ohne etwas weiter zu sagen, verließ er nach einer tiefen Verbeugung das Gemach, das er mit so stolzen Hoffnungen betreten hatte.

An der Treppe standen die beiden alten Stiftsfräulein. Ihre feinen kleinen Gesichtchen färbten sich mit einem zarten Rot, als er mit höflichem Gruße vorüberschritt, und sie blickten ihm unter ihren Hauben nach, bis er in der Thür seiner Gemächer verschwand.

»Weißt du noch, Schwester Plectrudis?« flüsterte die eine. »Als wir damals am kurfürstlichen Hof in Brühl waren – der junge Graf Merode, der nachher in den Niederlanden gefallen ist.... So schön und stattlich könnte er jetzt wohl aussehen. Wir waren damals sehr eifersüchtig aufeinander, glaub' ich.... Und zwei Jahre darauf thaten wir zusammen Profeß.«

»Ach ja,« seufzte die andere. »Hüten wir unser Herz, Schwester Klarissa, daß kein Schemen begrabener Wünsche seinen Frieden störe.... Laß uns beten gehen.«



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