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Siebentes Kapitel.

Durch das wildschöne Thal der Eltz wanderte am letzten Sonntag dieses denkwürdigen Maimonds ein junger schlanker Bursche der Mosel zu. Er trug ein sehr bescheidenes Felleisen, dazu an der linken Seite in lederner Hülle ein kleines Waldhorn, und ein großer Rabe flatterte ungeschickt, mit gestutzten Flügeln, neben ihm her, mit aller verdrießlichen Geschäftigkeit, deren ein Rabe fähig ist. Die blauen Augen des Jünglings aber lachten in sorgloser Wanderlust, und sein frisches Gesicht mit den roten Lippen unter blondem Milchbärtchen blühte wie eine Mairose.

Das war Hans Maybrunner, dessen Geschick zur selben Zeit der Pater Kleutermann und verschiedene andere Gelehrte so lebhaft beschäftigte. Während sie sich über seine vermeintliche Höllenfahrt fast um den Verstand stritten, hatte er auf seiner Wanderfahrt den Verstand so ziemlich wiedergefunden.

Einen halbverrückten Träumer hatte ihn Meister Baltzer im Aerger genannt; und nichts Besseres war er auch, als er an jenem Morgen nach der Walpurgisnacht unter dem Bogen des Severinsthores herschritt. Eine gewisse Anlage zum Grübeln und Träumen hatte er vom Vater geerbt; denn der alte Leineweber war einer von den Stillen im Lande, die sich äußerlich der herrschenden Kirchenmeinung fügten, um ganz für sich ihre Privatreligion zu pflegen. In seiner nassauischen Heimat hatte er die reformierten Predigten gehört und seinen Sohn vom Prediger taufen lassen, später, als er nach dem Tode seines Weibes in das Gebiet der katholischen Reichsstadt eingewandert war, machte er auch dort die notwendigsten Formen des Bekenntnisses seiner Kunden mit; für sich aber hing er seinem ganz eigenen theologischen Studium nach, welches vornehmlich aus zwei unter sich sehr verschiedenen Teilen bestand, nämlich der Auslegung der Offenbarung Johannis und der Betrachtung der Größe und Güte Gottes in seinen kleinen Werken, in Blumen, Bäumen und Tieren. Zur Teilnahme an der Ergründung des schwierigen Buches war Hans glücklicherweise noch zu dumm, in das andere Teil der väterlichen Theologie wurde er daheim und auf Gewerbsgängen zu den Bauern frühzeitig eingeführt und bewies eine schöne Begabung; übrigens lernte er von dem Vater auch Lesen, Schreiben, das notwendige Rechnen und sogar einige Geographie, sowie Musizieren, welches alles der theologische Leineweber besser verstand als Geldverdienen. Oft hatten sie zu ihren Studien nur ein sehr schmales Stück Brot zu essen, und den Wein dazu lieferte ihnen der Wasserkrug. Solche wirtschaftliche Enge wirkt auf eine schwärmerische Veranlagung noch besser als der Mairegen aufs Korn; während aber die Schwärmerei bei dem Alten sozusagen nach innen schlug und sich zu einer immer genaueren Kenntnis des himmlischen Jerusalem auswuchs, reiste sie in dem Gemüte des Jünglings zu einer unbestimmten starken Sehnsucht, etwas Großes, Ungewöhnliches zu thun – für andere Leute; denn für sich hatte er von klein auf gelernt nur weniges zu wünschen. Als er dann bald nach dem Tode des Vaters auf Bitten seiner Muhme Brigitt den Feuerwächterposten auf dem Martinsturm übernommen, fand er dort in den Ritter- und Märchenbüchern seines Vorgängers eine gefährliche Geistesnahrung bereit. Vieles von diesen wunderbaren Abenteuergeschichten war ihm schon bekannt aus dem Kreise seiner früheren ländlichen Kunden, wo sie, verstümmelt, verworren und grotesk übertrieben, in den Spinnstuben fortlebten. Nun traten sie ihm entgegen, zierlich und beredt ausgeführt, mit all der Glaubwürdigkeit, die für den unerfahrenen Jüngling noch alles Gedruckte an sich besaß. Aus dem krausen theologisch-mystischen Gerede seines Vaters war ihm die Vorstellung der »Berufenen« sehr geläufig, die der Herr »zu seiner Zeit« auswählt und weiht zu unerhörten Wunderthaten; und was waren jene Helden seiner Bücher, die, von Zauberern und Feen auf wunderbare Weise unterwiesen und beschirmt, mit Drachen und ganzen Heeren kämpften, Prinzessinnen befreiten und Königreiche neu ordneten, anders als solche »Berufene«, ins Weltliche übertragen? Höchstens diese weltlichen Zuthaten war er geneigt, für Erfindung der Erzähler zu halten; denn seinem schlichtfrommen Herzen verstand es sich von selbst, daß der vom Allmächtigen Beschützte keiner Ritterrüstung und demantenen Klinge bedürfe, um auszuführen, wozu er berufen. Den Kern der Erzählungen aber wagte er nicht anzuzweifeln; sie waren wahr, denn wie hätte man sie sonst wider besseres Wissen aller aufschreiben und drucken dürfen? Und was einmal geschehen war, mußte auch heute noch möglich sein. So spintisierte er sich recht verstandesmäßig in den Traum hinein, vielleicht auch einmal einer solchen Sendung gewürdigt zu werden. Sein Aufenthalt selbst, wo der Himmel so nah, die Aussicht so weit und kein nüchterner Berater zugegen war, unterstützte die Entwickelung seiner Träumerei. Vor dem Meister Baltzer, der noch am häufigsten den Aufstieg wagte – teils um der Aussicht willen, teils wirklich aus Verehrung für die heimische Backkunst der alten Brigitt –, verbarg Hans mit der gewöhnlichen Vorsicht solcher Schwärmer seine Gedanken um so sorgfältiger, je bestimmter sie sich in ihm zur fixen Idee auswuchsen. Inzwischen hatte sich auch in der Seele der alten Brigitt eine Wandlung vollzogen, sie empfand es täglich schwerer, treppab, treppauf um die Dinge zu humpeln, die man im Altfrauenhaus zu ebener Erde haben konnte, und gab dem Neffen immer deutlicher zu verstehen, daß er doch besser nicht zu ihr gezogen wäre. In solchem Widerstreit schwärmerischer Abenteuerlust und einer durch das Knurren des alten Weibleins noch verbitterten dienstlichen Haft hatte es dann nur eines Zufalls bedurft, der just in dem Lieblingsbuch des Jünglings und somit auch in seinen Zukunftsträumen schon vorgedeutet war, um seiner Ueberlegung den letzten Stoß zu geben. Er fühlte sein Gewissen in keiner Weise beschwert, als er den Turm verließ; denn der Muhme geschah ja doch nach ihrem Willen, und aus dem Dienste der Stadt entband ihn ein höherer Dienst, zu dem er sich jetzt berufen glaubte.

Der Inbegriff dieser Berufung war einfach und klar: irgend ein verlassenes, jedenfalls sehr frommes und edles weibliches Wesen zu befreien, dessen Würdigkeit schon aus der geheimnisvollen Art erhellte, wie es ihm durch eine Taube die Botschaft zukommen ließ. Allerdings fand er, daß etwas weniger Geheimnis nichts geschadet hätte; denn die Richtung zu seiner Reise gab ihm weiter nichts als der Flug der Taube, die ungefähr aus der Gegend des Mechterhofs zu ihm genaht und auch wieder dorthin ins Blaue entschwunden war. Immerhin glaubte er aus der Botschaft auch zu wissen, wie der Ort hieß, wohin ihn die unbekannte Hilfsbedürftige als Retter berief, und es galt nur noch diesen Ort ausfindig zu machen und zu erreichen. Er ging dabei ganz sinnvoll und geschickt zuwege. Mit Hilfe eines Nürnberger Landkartenstichs, der das wertvollste Stück in dem litterarischen Nachlaß seines Vorgängers bildete, hatte er sogleich nach dem Taubenwunder sorgsam festgestellt, nach welchen Gegenden der Flug der Botin hinwies. Daß der Ort nicht in der Nähe lag, wußte er, denn die Namen sämtlicher Burgen und Weiler im Bereiche der Stadt kannte er ja pflichtlich; und wann hätte auch jemals ein junger Fant, der auf Abenteuer zog, den Endpunkt seiner Thaten in der Nähe gesucht?

Wenn es sich um die Erreichung eines besonders verrückten Zieles handelt, pflegen selbst dumme Leute in der Wahl und Benutzung der Mittel klüger und flinker zu sein als zu irgend einem vernünftigen Zwecke, und Hans Maybrunner war von Natur noch lange keiner von den Dümmsten. Es paßte ihm vorzüglich, als die fahrenden Spielleute, die er nach einigen Stunden Weges jenseits des Mechterhofes drüben im Kurfürstlichen getroffen, ihm anboten, an Stelle ihrer in die Stadt gezogenen Genossen bei ihnen einzuspringen. Die allgemeine Wegrichtung der Bande ging eben jenen Gegenden zu, denen auch Hans zustrebte, einstweilen bis zur Ahr; und das genügte ihm, um den unverhofft gebotenen Reiseposten annehmbar zu finden. Ueber seine eigenen Beweggründe sprach er sich nur mit etlichen vorsichtigen und ausweichenden Worten aus, und die anderen drängten auch nicht mehr in ihn, da sie von sich selber wußten, daß ein kecker Gesell zuweilen seine besonderen Gründe haben kann, den heimischen Gerichtsbezirk eilend zu verlassen. Uebrigens paßte er in seiner halb bäuerlichen, halb stadtknechtmäßigen Kleidung mit derben Lederschuhen, ledernen Beinkleidern, Lederwams und flachem Filzhut vollkommen zu den fahrenden Spielleuten, und selbst sein kunstreicher Rabe fand einen Kollegen in Gestalt eines spanischen Aeffleins, das dem Posaunisten der Bande gehörte und unterwegs meist in der Posaune stak. Der Posaunist war ein kräftiger langer Bursch, nicht häßlich, aber seine Augen blickten mitunter überaus tückisch, und beim Gehen zog er das linke Bein ein wenig nach, weshalb ihn seine Kameraden den latschen oder lahmen Hieronymus nannten. Er war eigentlich der einzige, der dem neuen Bruder von vornherein nicht behagte. Sehr gut gefiel ihm dagegen der Führer, der die Schnabelflöte künstlich und fein zu blasen verstand und mit seinem bestimmten Wesen die Herrschaft sicher ausübte, obzwar er nur ein kleiner, graubärtiger Mann war. Seine Redeweise war von einem gutmütigen Spotte gewürzt, und wenn er sprach, kam es zuweilen Hans vor, als ob er den Meister Baltzer noch hörte.

Mit dieser Bande, die nach ihrem Führer den Namen der Zülpichsbrüder führte, zog Hans Maybrunner nun etliche Wochen herum, wobei allerdings die eigentliche Marschrichtung ziemlich stark durch allerlei Haken- und Seitenmärsche verlangsamt wurde. Städte und größere Flecken umgingen sie sorgfältig, denn dort drohten ihnen die meisten Belästigungen, weniger von Gassenvögten und Amtmännern, als von ihren schlimmsten Widersachern, den ansässigen, zunftmäßigen Stadtmusikanten oder Kunstpfeifern. Auf dem Lande aber waren sie, wenn auch nicht als ehrlich erachtet, doch immer gern gesehene Gäste, denen man gern eine Spende gönnte, zumal wenn der hübsche Hornist einsammelte. Mit diesem aber ging unter den tausend Eindrücken eines lustigen und freien Wanderlebens allmählich eine heilsame Wandlung vor. In den ersten Tagen hatte er unermüdlich mit großer Schlauheit umgehorcht, um den Weg nach dem Ziele seiner Sendung zu erfahren, ohne diese Sendung zu verraten. Denn er war ja in der Ueberzeugung ausgezogen, daß auf irgend einer Burg, benannt der heiße Stein, eine überaus schöne und tugendreiche Dame seiner warte, um sich von ihm befreien zu lassen und ihm mit hohen Gnaden zu lohnen. Wie diese Dame aussah, wußte er natürlich nicht, in seinen Träumen nahm sie ziemlich genau die Züge des Fräuleins Mechthildis Aare von Mechter an; denn diese Züge, obgleich er das Urbild kaum vom flüchtigen Ansehen in der Kirche kannte, waren ihm durch das Bildnis in Meister Baltzers Buch bekannt, und er hatte sie dort genug bewundert zu einer Zeit, wo er so Schönes nur selten zu sehen bekam. Aber dies Bild und die ganze schwärmerische Idee verblaßte wunderlich schnell, je weiter er in die Welt hineinzog. Nirgends schien ihm diese Welt einen Weg zu seinem vermeintlichen Ziele zu weisen; dafür bot sie unendlich viel Buntes und Schönes, das mächtig auf seine offenen Sinne wirkte und ihn mit einer ganz neuen Lebenslust erfüllte. Er wurde lässiger in seinem Nachforschen, gab es allmählich ganz auf, und nach etlichen Wochen hatte er sich darein gefunden, das »Taubenwunder« selbst nicht eben aufzugeben, doch umzudeuten: es erschien ihm jetzt als eine Art dankenswerter Kriegslist des lieben Gottes, die weiter nichts bezweckte, als ihn aus seiner dumpfen Wächterstube in die schöne freie Welt hinauszulocken, wo sich denn gewiß auch noch über kurz oder lang Gelegenheit bot, Bedrängten zu helfen – wenn auch keinem Burgfräulein.

Inzwischen war er nicht gewillt, diese schöne Welt immer mit den Zülpichsbrüdern zu durchkreuzen. Ein Zufall trennte ihn von der Bande, indem er ihm zugleich das ursprüngliche Ziel seiner Ausfahrt unversehens enthüllte. Es war abends in einem Wirtshaus an der Ahr, die meisten hatten sich in dem ungewohnten schweren Rotwein einen ziemlichen Rausch getrunken, lärmten oder weinten je nach Veranlagung. Der latsche Hieronymus aber lehnte in einer Ecke neben seinem gleichfalls betrunkenen Aeffchen und spottete mit lallender Zunge über die Kerle, die nichts vertragen könnten. Da sollten sie erst einmal nach Bacharach kommen und den Wein vom heißen Stein trinken!

Bei diesen Worten schlug Hans das Herz höher. »Ihr seid wohl sehr bekannt auf dem heißen Stein?« fragte er möglichst unbefangen.

Der latsche Hieronymus fuhr zusammen, sah den jungen Hornisten giftig an und schrie: »Was wißt Ihr davon, he?« Der Rausch war bei ihm plötzlich aus dem Renommieren ins Krakeelen umgeschlagen, er rückte Hans mit ungewissen Schritten auf den Leib und beteuerte laut, daß er dem Kerl das Genick brechen werde. Die anderen wollten dazwischen treten, aber der Rabe kam ihnen zuvor, indem er dem Angreifer ins Gesicht fuhr und die Nase mit einem geschickten Schnabelgriff erheblich zwickte. Alsdann zog er sich mit zufriedenem Krächzen auf die Stuhllehne seines Herrn zurück. Der latsche Hieronymus wurde darauf von den anderen mit seinem Affen in einen leeren Gänsestall gesperrt, um Rausch und Streit auszuschlafen, Hans aber begehrte nunmehr Urlaub, da es doch immer Unfriede zwischen ihm und dem Posauner setzen werde; auch habe er sich ja nur bis in diese Gegend verpflichtet. Man entließ ihn ungern, aber freundlich, und früh am anderen Morgen zog er ab, um nun ernstlich dem heißen Steine zuzustreben, wenngleich er an seine Sendung dorthin im früheren Sinne kaum mehr glaubte.

Aus mancherlei Gründen verschmähte Hans die bequemere Straße, die den Fluß abwärts zum Rheine führte und dort in die große Schlagader des Stromlandes einmündete. Vielmehr zog er quer durch das stillere Gebirgeland zwischen Ahr und Mosel, wo sich ihm in manchem Dorfe Gelegenheit bot, durch seine Musik und die Kunststücke, die er seinem Raben beigebracht, ein hübsches Zehrgeld zu verdienen; vor den Ueberfällen der »Waldbrüder« aber, die in dieser Gegend noch zahlreicher waren, als die vielen kurtrierischen Galgen, an denen sie hätten hängen sollen, schützte ihn der allgemeine Freipaß derer, die selbst nichts haben.

Und so hatte Hans nun, dem Erlebten fröhlich nachsinnend, am schönsten Sonntagabend die Mosel erreicht, und eine halbe Stunde später trug ihn ein Kahn flußabwärts nach einem Dorfe auf der anderen Seite, von wo die Straße bergeinwärts nach Boppard führt. Eine lustige Gesellschaft teilte mit ihm den Kahn, Burschen und Mädchen, die ein örtliches Kirchenfest mit Tanz, Trunk und Jahrmarktstrubel zu jenem Dorfe hinüberlockte. Trotz seiner langen Tagereise versagte Hans es sich nicht, in dem bunten Treiben herumzuschlendern, bis er schließlich vor einem Wirtshaus Anker warf, gegenüber einem alten Winzer, der dem bescheidenen Fremdling freundlich einen Sitz neben seiner Tochter einräumte.

Es saß aber ein unholder Gast unfern des Tisches, an dem Hans mit der hübschen Winzerin so traulich anstieß, als ob er seine unbekannte Edeldame und die Taubenpost völlig vergessen hätte. Dem Aussehen nach war es ein entlassener Kriegsknecht, ein gewaltig großer, breitschulteriger und schwarzbärtiger Kerl mit einem schwarzen Pflaster auf dem einen Auge, in ungeheuren geschlitzten Pluderhosen, wie sie derzeit nur noch besonders altmodisch oder besonders renommistisch angelegte Kriegsleute trugen. Der Kerl hatte sich während des Abends schon verschiedenemal lästig gemacht, bis ihm der Wirt zuletzt weiteren Trunk verweigerte. Diese Maßregel hatte ihn in eine überaus gereizte Stimmung gebracht, und als nun Hans Maybrunners Rabe, wahrscheinlich in der Absicht, an der allgemeinen Fröhlichkeit nach seinen beschränkten Mitteln teilzunehmen, ihm ein krächzendes »Rab, Rab, alterr Kamradd!« hinüberrief, zog er sein Messer und näherte sich der friedlichen Gruppe mit der Erklärung: »Dem Vieh schneid' ich den Hals ab, und das feine Knäblein da soll auch dran glauben, so wahr ich Matz Pusterwald heiße!« Es war aber, als ob etliche kräftige Winzerburschen nur auf diese Herausforderung gewartet hätten, so unverzüglich hatten sie den Mann mit den Pluderhosen auf den Boden gestreckt und begannen nun auf die Rückseite des Schreienden loszuhauen, als ob es der beste Weinbergsboden wäre.

Eine ziemliche Menge versammelte sich um sie und verfolgte die Strafvollziehung mit sachverständigen Blicken, bereit, im richtigen Augenblick ihr »Genug« zu sprechen, einstweilen aber noch aufmunternd. Plötzlich aber drängte sich durch die Menge ein langer, hagerer Mann in Pilgertracht, mit Stab und Muschelhut. »Haltet inne,« jammerte er, »o was sehe ich, mein unglücklicher Bruder, muß ich dich so wiederfinden! Denkt euch, ihr guten Christen, acht Tage habe ich ihn in Koblenz vergeblich zu unserer Pilgerfahrt erwartet, und nun treffe ich ihn hier noch in seinem alten Sündenkleid und sozusagen betrunken!« Alsdann faßte er den Geprügelten, der sich unterdes mit vielem Aechzen erhoben hatte, und leitete ihn aus der Menge weg, um ihn, wie er versicherte, an einem stillen Orte gründlich zu vermahnen und sogleich die Pilgerfahrt mit ihm fortzusetzen.

Die Winzer brummten noch einiges über die herumstrolchenden Kriegsgurgeln; übrigens sei es mit den fahrenden Pilgern auch ein zweifelhaftes Ding, der Rock mache noch keinen Pilger, und unter jedem zweiten Muschelhut stecke ein Tagedieb. Hans Maybrunners Stern aber war durch den Vorfall noch gestiegen, man behandelte ihn wie einen alten Bekannten und Landsmann, und sein Rabe genoß die zärtlichste Fürsorge der hübschen Mädchen, die wohl wußten, wie dankbar ein Mann für freundliche Behandlung seines Haustiers ist.



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