Balduin Möllhausen
Der Schatz von Quivira
Balduin Möllhausen

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Fünfundzwanzigstes Kapitel.

Manzana.

Oestlich vom Rio Grande del Norte, fast in der Mitte des von diesem Strom und seinem Nebenfluß, dem Rio Pecos, gebildeten Winkels, umringt von abschreckenden Wüsten, liegt Quivira, jene von Sagen reich umwobene, gleichsam verschleierte Trümmerstadt. Je näher dieser, wohl nur für Forscher und abenteuernde Schatzgräber anziehenden Stätte, um so dürftiger wird das organische Leben. Seit den Tagen, in welchen die geknechteten Eingeborenen sich gegen ihre grausamen, allerchristlichsten Unterdrücker auflehnten, dieselben erschlugen oder vertrieben, und gerade in Quivira eine größere Anzahl von Mönchen verblutete, scheint ein Fluch auf diesem Theil von Neu-Mexiko zu lasten. Die Ansiedelungen, Dörfer und Flecken, die vereinzelt fruchtbare Landstreifen in der Nachbarschaft der Quivira-Wüste sehr spärlich beleben, unterscheiden sich im Aeußeren wenig von manchen verödeten Trümmerstädten. Wie ihre Wohnungen befindet sich auch die Bevölkerung gewissermaßen in einem Zustande des Verfalls. Räuberähnliche, zerlumpte Gestalten, trotz der angeborenen Trägheit noch immer eine Ahnung spanischer Grandezza in Haltung und Bewegung, scheinen nur die einzige Aufgabe zu kennen, mit möglichst geringer Mühe sich durchs Leben zu schlagen, wozu bei ihnen nichts weiter gehört, als ein Mais- und Weizenfeld, und einige Beete mit Zwiebeln und rothen Pfefferschoten. Ebenso wird im Allgemeinen dem Viehstande nur geringe Aufmerksamkeit zugewendet. Pferde, Maulthiere, Esel und wenig zahlreiche Rinderheerden, die oft genug eine Beute der räuberischen Mezkalero-Apachen, fristen nur kläglich ihr Leben. Ihre trägen und unwissenden Besitzer vermögen nicht zu Anstrengungen sich emporzuraffen, welche sie über die Genüsse der ewig glimmenden Cigarretten, fuseligen Branntweins und der gelegentlichen, oft genug blutigen Fandango's erhöben. Als einzigen Reiz dieser Regionen möchte man die malerischen Formen der den Horizont nach allen Richtungen hin begrenzenden Gebirgszüge bezeichnen. Selbst das heitere Frühlingsgrün entschlummert sehr bald wieder. Die von Wolkenniederschlägen abhängigen Seen und Teiche trocknen ein, in vielen Fällen statt des Pflanzenwuchses eine weiße Salzkruste in ihren Betten zurücklassend. Erstaunt fragt sich der Wanderer dieser Länderstrecken, wie es möglich gewesen, daß vor Zeiten glückliche Nationen dieselben reich bevölkerten und in festen Städten nachbarlich zusammenrückten. Und doch ist solches geschehen, wie die Ruinenstädte von Abo, Quara und vor Allem Quivira heutigen Tages noch beweisen.

Oestlich von Abo und Quara, am Fuße des Manzana-Gebirges liegt die neumexikanische Stadt Manzana. Ihren Namen verdankt sie einigen verwilderten Obstbaumpflanzungen, welche die ersten Ansiedler dort vorgefunden haben sollen, eine Angabe, die in mehreren, bis zu acht Fuß im Durchmesser haltenden Apfelbäumen gewissermaßen ihre Bestätigung findet.

Manzana zählt etwa fünf- bis sechshundert Einwohner, besitzt selbstverständlich eine Kirche und erfreut sich des Rufes, daß sie mehr, denn jede andere mexikanische Stadt, das Heim von Mördern, Räubern, Pferdedieben und des Auswurfs des weiblichen Geschlechtes ist. Die Häuser zeigen zum Theil Pallisadenmauern, zum Theil solche, die von ungebrannten Lehmziegeln errichtet worden; dagegen bestehen die flachen Dächer durchgehends aus Lehm- und Erdschichten. Den einsamen Jäger und Wanderer jener Regionen, begleitete von nur wenigen Gefährten, wenn er nach langem Umherirren in der Wildniß plötzlich diesen Ort vor sich sieht, beschleicht am wenigsten ein Gefühl der Behaglichkeit. Die dürre Ebene, auf welcher sein Reitthier mühsam nach kläglichem Futter suchte, die Haine verkrüppelter Cedern und hochstämmiger Tannen auf den Abhängen wildzerklüfteter Gebirge, mögen ihm gastlicher erscheinen, als die von einer zerbröckelnden Kirche überragte Stadt Manzana. Die Blicke der Wuth aus den tückischen Augen heißhungriger Wölfe beunruhigten ihn weniger, als der lauernde Ausdruck in den gebräunten Physiognomien der Männer, welche ihm auf den mit Unrath und verwesenden animalischen Stoffen bedeckten Straßen entgegneten. Mehr Anmuth findet er in den Bewegungen schlank gebauter Antilopen in unbegrenzter Wildniß, als an den Señoritas, aus deren zum Schutz gegen den Sonnenbrand mit Kalk und Ochsenblut überzogenen Gesichtern die großen dunkeln Augen mit erschreckender Begierde ihm entgegenleuchten, der alten Megären, der halbnackten und nackten Brut, der kraftlosen, nur noch mit Worten kriegführenden Greise nicht zu gedenken.

Das ist die Stadt Manzana!

Wie ein alter räudiger Wolf lag sie da mit ihrem poetischen Namen im goldenen Abendsonnenschein; wie ein alter räudiger Wolf, welchem die Kräfte fehlen, in frischer Jagd seine Beute zu verfolgen, und der von einem Hinterhalte aus sein argloses Opfer zu überlisten trachtet. Ob es Sonntag, oder ob nach vollbrachtem Tagewerk Feierabend, wäre schwer zu entscheiden gewesen bei einer Bevölkerung, welche die Arbeit überhaupt als eine Last, sogar als Nebensache betrachtet, wenn deren Erfolge über den gewöhnlichen Tagesbedarf hinausreichen. Wozu gebrauchte man sonst Schutzheilige, wenn nicht, um im guten Glauben die Hauptsorgen auf deren Schultern zu bürden, und vor allen Dingen den heiligen Crispinus, jenen barmherzigen Lederdieb, welcher die Menschen lehrt, mühelos in den Besitz fremden Eigenthums zu gelangen? Ja, wie ein lauernder Wolf lag die übelberufene Stadt am Fuße des Manzana-Gebirges, und doch herrschte in ihr lustiges, geräuschvolles Treiben. In einem größeren Pallisaden-Gebäude kreischte eine Geige, jammerte eine Guitarre und rasselte ein Triangel. Dazu wirbelte unter grob beschuhten Füßen und anderen, die in indianischen Mokassins steckten, so viel Staub von dem Estrich empor, daß weniger langathmige Menschen, als die Bewohner von Manzana, daran hätten ersticken müssen. Wenn aber im Innern dieses höhlenartigen Baues wilde und verwilderte Gestalten sich unermüdlich im Kreise drehten, gellende Stimmen zeitweise die Musik mit tollen Versen begleiteten, so lagerten vor demselben auf der Straße Männer, Weiber und Kinder, ähnlich den Rindern draußen auf dürrer Weide.

Zu Denjenigen welche am ausgelassensten einer unbezähmbaren Tanzwuth fröhnten, gehörte die wilde Beß. Von einem Arm in den andern flog sie, und unter der ganzen Gesellschaft zügelloser Mexikaner und dorthin verschlagener einzelner Amerikaner befand sich wohl kaum Jemand, der nicht bereit gewesen wäre, zu ihren Gunsten einen kräftigen Messerstoß zu führen oder einen Pistolenschuß abzufeuern, der ein Leben kostete. Doch die wilde Beß war scharfsinnig. Ihr schneller Blick belehrte sie jedesmal, wo die Leidenschaften die letzte schwache Schranke zu durchbrechen drohten, und bald mit spöttischen Worten, bald durch klug ertheilte Schmeicheleien gelang es ihr immer, den Sturm zu beschwören, bevor er zum Ausbruch gelangte. Dabei wahrte sie trotzig ihr Recht, je nach augenblicklicher Laune den Einen oder den Ändern zu bevorzugen. Bunslow stand in der Nähe der Musikanten und überwachte verstohlen alle Bewegungen seiner Gefährtin, mehr noch einen breitschulterigen Mexikaner, der sich beständig an sie herandrängte und sie immer wieder zum Tanz aufforderte. Es war ihm offenbar darum zu thun, die Wirkung der von der wilden Beß ihrem Tänzer zugeflüsterten Worte kennen zu lernen. Was diese Beiden aber inmitten der geräuschvollen Gesellschaft anscheinend sorglos verhandelten, war am wenigsten geeignet, in die Oeffentlichkeit getragen zu werden.

»Ich wiederhol's Dir, Beß,« raunte der Desperado ihr zu, als sie eben wieder einmal aus der Reihe getreten waren, »die Ruinen von Quivira kenne ich so genau, wie die Silberschnur um meinen Hut –«

»Gerade deshalb sollt Ihr mit uns ziehn, Manuel,« fiel Beß lachend ein, als hätte sie ihm auf eine Liebeserklärung einen halb zustimmenden Bescheid ertheilt.

»Karamba!« erwiderte Manuel, »suche ich nutzlose Mühe, so brauche ich mich nur in 'ne Schlucht des Manzanaberges zu verkriechen und bis ans Lebensende zu warten, daß Jemand mit mehr Pferden dort vorüberziehe, als zu seiner Seligkeit gerade nothwendig. Und der lange Ritt durch die Wüste. Karamba! Nicht ein Mal, sondern zehn Mal war ich einfältig genug, mit verrückten Kameraden nach dem Schatz zu graben. Und was fanden wir? Morsche Schädel und Beinknochen die Menge. Nicht 'ne Handvoll Erde um das Kloster herum blieb ungestört, und verdammt der Silberdollar, den wir fanden. Nein, Beß, ich gehe nicht mit.«

»Was soll uns elendes Silber?« fuhr Beß wieder fort, »Gold muß es sein, so viel Gold, daß der Antheil Jedes ausreicht, einen Rancho zu kaufen, wie sie nicht schöner um Santa Fé herum.«

»So sprachen vor Dir Andere, und jedesmal sind sie nicht nur mit leeren Taschen, sondern auch halb verschmachtet abgezogen. Sage mir, wo ich ein halbes Dutzend Gäule finde, und ich hole sie, und müßte ich ebenso viele amerikanische Kehlen durchschneiden.«

Sie tanzten wieder einige Male herum, und kaum hatten sie eine andere Stelle eingenommen, als Beß wieder leise anhob:

»Um zuvor etwas Nebenluft in die eigene Windpfeife zu erhalten. Ich glaubte, Ihr wäret schlauer. Ihr seid der Einzige hier, den wir gebrauchen können, weil Ihr verschwiegen seid und wir Euch 'nen Antheil gönnen. Seht den Bunslow, und da am Fenster den Sculpin; die warten auf ein Zeichen von mir, daß Ihr eingewilligt habt. Schlagt Ihr's ab, so versuchen wir's allein. Denn 'nem Ändern das Geheimniß anvertrauen, hieße, ganz Manzana auf die Beine bringen. Ich wiederhol's, wir kennen die Stelle, wo sie's vergruben.«

»Wenn Ihr's wißt, warum geht Ihr nicht ohne mich?«

»Weil wir noch 'nen festen Mann gebrauchen.«

»Sprich's ganz aus, Beß. Karamba! Du hast noch etwas im Hintergrunde, oder Du redetest anders.«

»Nun ja,« bestätigte Beß, »und früh genug sollt Ihr's erfahren. Sagte ich's jetzt, so wäret Ihr schnell genug entschlossen, aber damit gäbe ich mein Geheimniß aus den Händen. Nur so viel, Manuel: Wo das Gold liegt, steht auf einem alten Papier geschrieben –«

»Und das habt Ihr?« fuhr Manuel wild auf, und sein schwarzbärtiges, braunes Gesicht verzerrte sich vor Raubgier.

»Hätten wir's, so wär's um so viel besser,« hieß es vorsichtig zurück, »allein bis jetzt wissen wir nur, wo es steckt. Und mehr noch, wir brauchen nicht einmal eine Schaufel Erde auszustechen. Das besorgen Andere für uns.«

Manuel seufzte tief auf.

»Wann brecht Ihr auf?« fragte er kaum verständlich.

»Das hängt von der Nachricht ab, die wir nun schon seit länger als vier Wochen erwarten. In jedem Augenblick kann sie eintreffen; und dann müssen wir auf und davon.«

Der wilden Beß Blicke streiften die nach der Straße hinausliegende Fensteröffnung. Sie erkannte Sculpin, der sie mit derselben Spannung betrachtete, wie Bunslow. Sie gab ihm ein Zeichen, welches als Gruß gelten konnte.

»Karamba!« versetzte Manuel, welcher die Bewegung bemerkte, »möcht' ich doch wissen, was Du mit dem verabredetest.«

»Ich gab ihm zu verstehen, daß wir einig seien. Geht hin und fragt ihn selber.«

Die Musik, welche eine Weile geschwiegen hatte und so lange durch Singen und Kreischen, Trinken und Schlichten von Streitigkeiten ersetzt worden war, hob wieder an. Da Manuel, aufs Tiefste erregt, keine Miene machte, mit der Beß in die Reihe zu treten, schob ein auffallend hübscher, trotzig dareinschauender junger Bursche sich neben sie hin, sie mit beiden Armen umschlingend. Zugleich aber fühlte er Manuels Hand auf seiner Schulter.

»Mille Karamba!« brüllte dieser, »ich bin ihr Tänzer, und die Hölle über Jeden, der sie mir streitig macht!«

»Nur einmal herum,« suchte Beß um jeden Preis zu vermitteln, als der Bursche, welcher sie im linken Arm hielt, mit der rechten Hand Manuels Arm zurückschlug und blitzschnell nach seinem Messer griff. Bevor er es aber gezogen hatte, fuhr Manuels bewaffnete Faust scheinbar vor seinem Gesicht vorüber, und gleichzeitig färbte dasselbe sich roth unter dem Blut, welches einem von der Schläfe bis in die Oberlippe hineinreichenden Schnitt entquoll.

Ein Wuthschrei des Verletzten machte die Musik verstummen. Die Tänzer prallten auseinander, während Beß, dem Arm des Rasenden sich entwindend, bis an die Fensteröffnung zurückwich, durch welche Sculpin hereinspähte. Hoch schwangen die beiden Feinde ihre Messer. Ein Kampf auf Leben und Tod schien unvermeidlich, als eine schwere Bank zwischen sie geworfen wurde, und bevor die Wüthenden das sie trennende Hinderniß beseitigten, waren sie umringt. Nur Sekunden dauerte diese Scene der Verwirrung, des Heulens, Jauchzens, Kreischens. Wohl betrachtete man Manuel als den schuldigen Theil, allein Jeder kannte seinen rachsüchtigen Charakter, und am meisten fürchtete man für den Verwundeten, der halb geblendet von dem niederströmenden Blut, nur zu leicht ein Opfer seines Gegners geworden wäre. Und so drängten sich immer mehr Leute zwischen die erbitterten Feinde, hier warnend und begütigend, dort rathend, sich schleunigst zu entfernen, um nicht selber ein Opfer des Rachedurstes der Freunde und Verwandten des blutenden Burschen zu werden. Manuel gab anscheinend mit Widerstreben nach. Mit schadenfrohem Grinsen trat er aus der Thür, während man den Verwundeten so lange zurückzuhalten suchte, bis Jener eine Strecke zwischen sich und den Kampfplatz gelegt haben würde. Denn trafen die beiden Gegner auf der Straße zusammen, so unterlag es keinem Zweifel, daß die letzten Strahlen der scheinenden Sonne mindestens einen todten Mann beleuchteten.

Im Freien schien Manuels Ueberlegung zurückzukehren.

»Sagt dem Cristobal, er möge zuvor den Schnitt heilen!« rief er in die Fandango-Halle hinein, »dann sei ich der Mann für ihn. Den Messerstoß seiner Schwester habe ich noch nicht vergessen!« Die blutige Waffe in der Faust, schritt er dicht an Sculpin vorüber, der noch immer am Fenster stand, sich aber ihm zugekehrt hatte. »Wenn Ihr mich braucht,« flüsterte er ihm zu, »dann kommt drüben in den Wald und pfeift auf Eure scharfe Art. Jetzt wundert sich Keiner mehr, wenn ich auf ein Paar Tage verschwinde.«

Bei den letzten Worten bog er um die Fandango-Halle herum, und gleich darauf war er zwischen den Häusern verschwunden. Als Cristobal eine Viertelstunde später mit nothdürftig verbundenem Gesicht die Halle verließ, dämmerte es bereits.

Auch er hatte sich beruhigt, mochten immerhin Rachegedanken seinen Kopf durchschwirren. Er begriff, daß heute nichts mehr zu machen sei. Er achtete nicht einmal darauf, daß ein Reiter in vollem Galopp die Stadt verließ und die Richtung nach den bewaldeten Abhängen des nahen Manzana-Gebirges einschlug.

In der Fandango-Halle hatte man unterdessen den unterbrochenen Tanz wieder aufgenommen. Mehrere schwälende Lampen verbreiteten dürftiges Licht. Der blutige Streit war vergessen. Die Geige kreischte, die Guitarre jammerte, der Triangel rasselte. Die Füße stampften, die Augen glühten. Es war kein Tanzen mehr; es war ein Rasen. Die Hölle schien losgelassen zu sein. Die verworfensten und gefährlichsten Elemente kreisten jauchzend durcheinander, als wären sie von der Tarantel gestochen gewesen.

Die wilde Beß hatte sich von dem Tanzplatz zurückgezogen. Wo früher Sculpin stand, da lehnte sie sich mit den Armen in die leere Fensteröffnung. Recht munter schaute sie in das tolle Getreibe hinein. Sie kannte keine Sorgen, mochte sich leichtfertig den Zeitpunkt vergegenwärtigen, in welchem sie, um ihre Freiheit zu erkaufen, bei der Theilung der Goldberge ihre Rechte hartnäckig vertrat.

Sculpin und Bunslow hatten sich nach einem halbverfallenen, stallartigen Gebäude begeben, in welchem sie auf die Dauer ihre Aufenthaltes in Manzana ein ihren Wünschen entsprechendes Unterkommen gefunden hatten. Dort lagen sie auf ihren Decken vor einem kleinen Feuer, zwischen sich eine Flasche Branntwein. Dicht hinter dem Stall standen ihre Pferde und nagten hörbar an den ihnen vorgeworfenen Maiskolben. Befriedigte sie auf der einen Seite Manuels Zusage, so offenbarten sie in ihren Gesprächen doch eine gewisse Unruhe, welche sich im Laufe der letzten Woche mit jedem Tage gesteigert hatte.

Mitternacht war nahe, und noch immer schallte der durch die Entfernung gedämpfte Lärm des Fandango's zu ihnen herüber. Plötzlich horchten Beide hochauf. Der Hufschlag eines scharf getriebenen Pferdes war zu ihren Ohren gedrungen. Aufmerksam lauschten sie. Als das Geräusch sich unverkennbar ihrer Zufluchtstätte näherte, wich der Ausdruck der Besorgniß von ihren wilden Zügen vor dem einer gewissen ängstlichen Spannung. Der Hufschlag verstummte vor der Thür, und gleich darauftrat ein Mann ein, welcher, wenn auch ein vollblütiger Apache-Indianer, doch in langjährigem Verkehr mit der mexikanischen Bevölkerung viel von deren Gewohnheiten angenommen hatte. Ein ledernes Jagdhemde und weite Beinkleider von ungebleichtem Baumwollenstoff, dazu ein schadhafter Strohhut und wildlederne Halbstiefel bildeten seine Bekleidung. Als Waffen führte er einen Karabiner, außerdem an breitem Riemen auf der rechten Seite Bogen und gefüllten Köcher. Ein langes, breites Messer und ein Hammerbeil im Gurt vervollständigten seine Ausrüstung.

»Endlich,« redete Sculpin ihn an, ohne seine Lage zu verändern, »des Teufels will ich sein, wenn ich seit drei Tagen nicht in Sorgen um Dich schwebte. Wie steht's, Cuchillo, welche Nachricht bringst Du?«

»Ich habe sie gesehen,« antwortete der Apache in fließendem, wenn auch verdorbenem Spanisch, indem er sich vor dem Feuer zur Erde warf und nach den ihm gereichten Maishülsen und Tabak griff; »aber 's sind ihrer mehr; acht Männer, außerdem der Zuñi-Gobernador und ein weißhaariges Medicinmädchen.«

»Nicht mehr als ich erwartete,« versetzte Sculpin achselzuckend, »den Häuptling und sein Zaubermädchen rechne ich nicht. Werden sie in Manzana ankehren?«

»Ich bracht's heraus durch 'nen Andern,« erklärte Cuchillo, »nach Manzana kommen sie nicht. Sie gaben vor, nach Anton-Chico zu ziehen. Sie fürchten fremde Augen und suchen unbemerkt vorbeizuschleichen.«

»Das Weiseste, was sie thun können,« versetzte Bunslow, »denn erführe man's hier, bliebe kein Kind zu Hause. Wie lange gebrauchen sie, um dort zu sein?«

»Brechen sie früh auf, so sind sie morgen Abend da. Ihre Thiere sind gut genährt und flink.«

»Verdammt, so haben wir keine Zeit zu verlieren,« nahm Sculpin wieder das Wort, und er wechselte einen Blick des Einverständnisses mit Bunslow; »wenn sie die Wüste betreten, müssen wir außer Sicht sein; 'nen Umweg müssen wir ebenfalls beschreiben, daß sie unsere Fährten nicht kreuzen.«

»Noch 'ne zweite Gesellschaft habe ich gesehen,« erzählte Cuchillo weiter, »aber sie zog einen andern Weg. Zwei Männer waren's, Schwarzröcke denk' ich, die in den Kirchen hier herum reden wollen. Sie kommen von Santa Fé, mögen auf ihrer Fahrt Manzana berühren.«

»Du hast sie gesehen?«

»Ich sah sie mit ihren Maulthieren und Knechten. Wohin sie sich wendeten, giebt's kein Quivira.«

»Zum Teufel Mann, wen außer uns und dem Plenty mit seinen Leuten sollte der Weg nach Quivira führen? Doch höre, Cuchillo, ist Dein Pferd noch frisch genug für 'nen guten Marsch?«

»'nen Trunk gebe ich ihm und 'n paar Maiskolben, und ich reite, bis morgen die Sonne untergeht.«

»Gut, so sorge zuerst für Deine Mähre. Dann gehe nach dem Fandango-Hause. Wirst dort die Beß finden. Sag' ihr, in 'ner halben Stunde müßten wir im Sattel sitzen. Dann eile hinter der Stadt in den Wald, brauchst nicht weit zu gehen, da hält der Manuel sich verborgen. Gieb ihm ein Zeichen, verabrede mit ihm, wo er zu uns stoßen soll, und beeile Dich, wieder hierher zu kommen.«

Cuchillo trat hinaus. Während er sich noch mit seinem Pferde beschäftigte, kehrte Sculpin sich Bunslow zu.

»Das nenne ich Glück,« sprach er gedämpft, »der Manuel ist 'ne Hand, die zwei Burdhills aufwiegt, und das heißt 'was. Hat dem Burschen das Messer durchs Gesicht gezogen, damit's scheint, als ginge er dem Cristobal aus dem Wege. Doch wir haben Eile,« und aufspringend, begab er sich ans Werk, die umherliegenden Lebensmittel in die Satteltaschen und Felleisen zu verpacken. Bunslow war nicht müßig; er holte die Thiere herbei, worauf Beide dieselben sattelten und mit ihren geringen Habseligkeiten beluden. Sie waren eben damit fertig geworden, als die wilde Beß bei ihnen erschien. Anstatt den plötzlichen Aufbruch zu bedauern, äußerte sie laut ihre Freude, von dem verrufenen Ort fortzukommen. Eine Viertelstunde später traf auch der Apache ein. Die Thiere wurden noch einmal am Manzana-Flüßchen getränkt, die Lederschläuche mit Wasser gefüllt, und als bald darauf Manuel zu ihnen stieß, ging es im scharfen Trabe in die Wüste hinaus.


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